Joseph Heinrich Peter Vogt

Generalvikar der Erzdiözese Köln, Kölner Dompropst, Bischof von Aachen (1865-1937)

Hermann Josef Scheidgen (Köln)

Bischof Joseph Peter Heinrich Vogt, Porträtfoto. (Bischöfliches Diözesanarchiv Aachen - Fotosammlung)

Jo­seph Hein­rich Pe­ter Vogt war ein ka­tho­li­scher Theo­lo­ge, Pro­fes­sor für Kir­chen­recht und ers­ter Bi­schof der 1930 wie­der­er­rich­te­ten Diö­ze­se Aa­chen. Wäh­rend des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­such­te er, durch „mo­dera­te“ Op­po­si­ti­on, die Ka­tho­li­sche Kir­che ge­gen die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen „Glau­ben­sirr­tü­mer“ und vor der Gleich­schal­tungs­po­li­tik zu schüt­zen. Mit­tels Hir­ten­brie­fen kri­ti­sier­te er die Ras­sen­po­li­tik so­wie die An­grif­fe der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ge­gen­über Ka­tho­li­ken sei­ner Diö­ze­se. 

Jo­seph Vogt wur­de am 8.9.1865 in Schmidt bei Mons­chau ge­bo­ren. Sei­ne El­tern wa­ren der Kom­mu­nal­be­am­te Phil­ipp Vogt und sei­ne Ehe­frau An­na Ro­si­na, ge­bo­re­ne Förs­ter. Im Jah­re 1870 wur­de sein Va­ter zum Bür­ger­meis­ter von Mons­chau er­nannt. Jo­seph Vogt be­such­te zu­erst das Pro­gym­na­si­um in Mons­chau und im An­schluss dar­an das in Malme­dy. Da­nach wech­sel­te er zum Kai­ser-Karl Gym­na­si­um nach Aa­chen, wo er 1884 das Ab­itur ab­leg­te. Sein Theo­lo­gie­stu­di­um ab­sol­vier­te er in Bonn und in Eich­stätt. Auf­grund des Kul­tur­kamp­fes in Preu­ßen stu­dier­ten in die­sen Jah­ren sehr vie­le rhei­ni­sche Pries­ter­amtskan­di­da­ten in Eich­stätt. Nach dem En­de des Kul­tur­kamp­fes trat er in das wie­der­er­öff­ne­te Köl­ner Pries­ter­se­mi­nar ein und wur­de am 19.8.1888 zum Pries­ter ge­weiht. Sei­ne ers­te Stel­le als Ka­plan über­nahm er in St. Lau­ren­ti­us in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal). In die­ser Ge­mein­de hat­te Jo­hann Gre­gor Breu­er den spä­ter nach dem ers­ten Prä­ses des Ver­ein­s Adolph Kol­ping  be­nann­ten ka­tho­li­schen Ge­sel­len­ver­ein ge­grün­det, den heu­te welt­weit grö­ß­ten ka­tho­li­schen Ver­ein mit über 600.000 Mit­glie­dern. 

Im Jah­re 1889 ging Vogt zum Stu­di­um der Ka­no­nis­tik nach Rom und wur­de Ka­plan an der deut­schen Na­tio­nal­kir­che Ani­ma. An der von den Je­sui­ten ge­lei­te­ten päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na wur­de er 1891 zum Dr. theol. et iur. can. pro­mo­viert. Wie vie­len an­de­ren, die in Rom Ka­no­nis­ten wur­den, er­öff­ne­te Vogt dies ei­ne stei­le kirch­li­che Kar­rie­re. So­fort nach sei­ner Rück­kehr wur­de er re­si­die­ren­der Dom­vi­kar in Köln. Bald fand er das Ver­trau­en des al­tern­den und ge­sund­heit­lich ein­ge­schränk­ten Köl­ner Erz­bi­schofs Phil­ipp Kar­di­nal Kre­mentz. Von 1893 bis 1899 war er des­sen Ge­heim­se­kre­tär. Be­reits im Jah­re 1898 be­rief man ihn zum Pro­fes­sor am Köl­ner Pries­ter­se­mi­nar. Dort lehr­te er sei­ner Aus­bil­dung ge­mäß Kir­chen­recht, zeit­wei­se aber auch Lit­ur­gie­wis­sen­schaft und Ru­bri­zis­tik. In die­sen Jah­ren gab er Hand­bü­cher zum kirch­li­chen Ehe­recht und zum Ver­mö­gens­recht her­aus, die Stan­dard­wer­ke wur­den. Seit 1900 war er auch am Köl­ner Of­fi­zialat tä­tig, zu­nächst als Ver­tei­di­ger des Ehe­ban­des und seit 1905 als Un­ter­su­chungs­rich­ter. Au­ßer­dem über­nahm er Funk­tio­nen im Köl­ner Ge­ne­ral­vi­ka­ri­at. 

Der neue Erz­bi­schof Fe­lix von Hart­mann er­nann­te Vogt 1914 zum Sub­re­gens des Köl­ner Pries­ter­se­mi­nars. Von sei­nen Se­mi­na­ris­ten wur­de sein hin­ter­sin­ni­ger Hu­mor und sei­ne ver­bind­li­che Art sehr ge­schätzt. Nach Aus­bruch des Welt­krie­ges wur­de das Pries­ter­se­mi­nar stark de­zi­miert. Im Jah­re 1916 er­folg­te Vogts Er­nen­nung zum Dom­ka­pi­tu­lar und schlie­ß­lich zum Ge­ne­ral­vi­ka­ri­ats­rat. 

 

Noch vor En­de des Krie­ges wur­de er am 1.6.1918 durch Kar­di­nal von Hart­mann zum Ge­ne­ral­vi­kar er­nannt. Als die­ser be­reits am 11.11.1919 ver­starb, wur­de Vogt Ka­pi­tu­lar­vi­kar und lei­te­te so­mit die Erz­diö­ze­se wäh­rend der Se­dis­va­kanz. In die­ser Funk­ti­on nahm er auch an den ent­schei­den­den Vor­ver­hand­lun­gen zum Kon­kor­dat mit der preu­ßi­schen Re­gie­rung teil. Er mach­te sich da­für stark, dass das Köl­ner Dom­ka­pi­tel bei der Be­set­zung des Köl­ner Erz­bi­schof­stuhls ein Mit­spra­che­recht er­hielt. Vogt stand in der Erz­diö­ze­se Köln in ei­nem so ho­hen An­se­hen, dass es nicht viel ge­fehlt hät­te, dass er selbst vom Dom­ka­pi­tel zum neu­en Erz­bi­schof von Köln ge­wählt wor­den wä­re. Im ers­ten Wahl­gang er­hiel­ten le­dig­lich der Pa­der­bor­ner Bi­schof Jo­seph Schul­te und der Bres­lau­er Bi­schof und spä­te­re Vor­sit­zen­de der Ful­da­er Bi­schofs­kon­fe­renz Adolf Ber­tram (Epis­ko­pat ab 1906 als Bi­schof von Hil­des­heim, 1914-1945 als Fürst­bi­schof von Bres­lau) ei­ne hö­he­re Stim­men­zahl. Schlie­ß­lich fiel die Wahl auf Schul­te, der sich im Ers­ten Welt­krieg für sei­ne Pa­der­bor­ner Kriegs­hil­fe in­ter­na­tio­nal ei­nen gu­ten Ruf er­wor­ben hat­te. Vogt wur­de er­neut zum Ge­ne­ral­vi­kar be­stellt, was kei­nes­falls ei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit war, da Füh­rungs­po­si­tio­nen nach ei­ner Neu­wahl des Erz­bi­schofs durch­aus häu­fig neu be­setzt wur­den. 

Im Jah­re 1920 er­hielt er den Eh­ren­ti­tel Apos­to­li­scher Pro­to­no­tar. 1922 wur­de er Dom­de­chant und im Jah­re 1930 Dom­propst. Es dürf­te kaum ei­nen Geist­li­chen der Erz­diö­ze­se Köln ge­ge­ben ha­ben, der sämt­li­che pries­ter­li­chen Äm­ter so durch­lau­fen hat wie Vogt. 

Die Vor­stel­lun­gen zur Er­rich­tung ei­ner Diö­ze­se Aa­chen ge­hen weit in das 19. Jahr­hun­dert zu­rück. Na­po­le­on hat­te be­reits 1802 ein Bis­tum Aa­chen ge­grün­det, zu dem un­ter an­de­rem ne­ben dem links­rhei­ni­schen Teil der Erz­diö­ze­se Köln auch an­gren­zen­de Ter­ri­to­ri­en der heu­ti­gen Nie­der­lan­de be­zie­hungs­wei­se Bel­gi­ens ge­hör­ten. Nach­dem das Bis­tum seit 1809 mit Jean-De­nis Ca­mus (1752-1814) von ei­nem schis­ma­ti­schen Bi­schof ge­lei­tet wur­de, lös­te Papst Pi­us VII. (Pon­ti­fi­kat 1800-1823) mit der Bul­le „De sa­lu­te an­ni­ma­rum“ die­ses 1821 de ju­re wie­der auf. 

Aa­chen war ne­ben El­ber­feld und Augs­burg ei­ne der ers­ten in­dus­tria­li­sier­ten Städ­te Deutsch­lands ge­we­sen. Au­ßer­dem er­wies sich Aa­chen als ein Zen­trum des po­li­ti­schen und so­zia­len Ka­tho­li­zis­mus. Für Nun­ti­us Eu­ge­nio Pacel­li (Nun­ti­us in Deutsch­land 1917-1929, als Pi­us XII. Papst 1939-1958) hat­te die Erz­diö­ze­se Köln mit 3,5 Mil­lio­nen Ka­tho­li­ken und 2.000 Pries­tern ei­ne über­di­men­sio­na­le Grö­ße. Das Preu­ßi­sche Kon­kor­dat vom 14.6.1929 sah schlie­ß­lich un­ter an­de­rem die Er­rich­tung ei­ner ei­ge­nen Diö­ze­se Aa­chen vor. Es wur­de vom Nun­ti­us Eu­ge­nio Pacel­li, dem preu­ßi­schen Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Ot­to Braun (1872-1955) (SPD), dem preu­ßi­schen Mi­nis­ter für Wis­sen­schaft, Kunst und Volks­bil­dung Carl Hein­rich Be­cker (1876-1933) (par­tei­los) so­wie vom preu­ßi­schen Fi­nanz­mi­nis­ter Her­mann Höp­ker-Asch­off (1876-1933) (DDP) un­ter­zeich­net. 

Der Aachener Dom. (Bischöfliches Diözesanarchiv Aachen - Fotosammlung)

 

Die neue Diö­ze­se setz­te sich über­wie­gend aus den west­lich ge­le­ge­nen Tei­len der Erz­diö­ze­se Köln und aus klei­ne­ren Tei­len de­s Bis­tums Müns­ter zu­sam­men. Durch die Zir­kumskrip­ti­ons­bul­le „Pas­to­ra­lis Of­fi­cii Nos­tri“ Papst Pi­us XI. (Pon­ti­fi­kat 1922-1939) vom 13.8.1930 wur­de ge­nau am Jah­res­tag der Ra­ti­fi­zie­rung des Preu­ßen­kon­kor­dats die neue Diö­ze­se er­rich­tet und der Köl­ner Erz­bi­schof Schul­te zu­nächst sein Ad­mi­nis­tra­tor, wo­bei Vogt auch hier die Funk­ti­on des Ge­ne­ral­vi­kars über­nom­men hat­te. 

Völ­lig über­ra­schend war die Er­nen­nung Jo­seph Vogts zum Bi­schof von Aa­chen am 30.1.1931 durch Papst Pi­us XI. Vogt war im­mer­hin schon 65 Jah­re alt und litt an ve­ge­ta­ti­ver Dys­to­nie. Au­ßer­dem hat­te er sich bei den Vor­ver­hand­lun­gen zur Grün­dung der Diö­ze­se Aa­chen ent­schei­dend für die In­ter­es­sen der Erz­diö­ze­se Köln ein­ge­setzt. Als Ver­mö­gens­recht­ler war er auch für die fi­nan­zi­el­len An­ge­le­gen­hei­ten, ins­be­son­de­re für die Do­ta­tio­nen zu­stän­dig. Wenn es auch nicht der Wunsch Vogts war, die­ses kirch­li­che Amt zu über­neh­men, so führ­te er es pflicht­be­wusst aus und konn­te die An­fangs­jah­re des neu­en Bis­tums im po­si­ti­ven Sin­ne prä­gen. 

Vogt hat­te im Köl­ner Ge­ne­ral­vi­ka­ri­at mit sei­nen Sach­kennt­nis­sen so über­zeugt, dass man ihn für be­son­ders ge­eig­net hielt, die Ver­wal­tung des neu­en Bis­tums auf­zu­bau­en. Die neue Diö­ze­se zähl­te 1,16 Mil­lio­nen Ka­tho­li­ken und ge­hör­te da­mit in Deutsch­land zu den mit­tel­gro­ßen. Vogts Bi­schofs­wei­he fand am 18.3.1931 durch Kar­di­nal Schul­te im Köl­ner Dom statt. Sechs Ta­ge spä­ter folg­te die In­thro­ni­sie­rung im Aa­che­ner Dom. Be­reits in sei­nem ers­ten Bi­schofs­jahr ent­stand un­ter Vogt in der Diö­ze­se Aa­chen der Diö­ze­san-Ca­ri­tas­ver­band. 

Priesterseminar in Aachen, vor 1935.

 

Ei­nen Schwer­punkt sei­ner Amts­zeit bil­de­te die Pries­ter­aus­bil­dung. Das neu ge­grün­de­te Bis­tum Aa­chen zähl­te 944 Pries­ter bei 479 Ge­mein­den. Die Zahl der kirch­li­chen Pfar­rei­en soll­te nun an­stei­gen, wes­halb neue Kir­chen ge­baut wer­den muss­ten. Die Pries­ter­amtskan­di­da­ten stu­dier­ten wei­ter­hin an der Uni­ver­si­tät Bonn und an der Hoch­schu­le der Je­sui­ten in Frank­furt, St. Ge­or­gen, ver­ein­zelt auch am Col­le­gi­um Ger­ma­ni­cum in Rom und am Col­le­gi­um Ca­ni­sia­num in Inns­bruck. Mit dem Jahr 1930 stieg die Zahl der Pries­ter­amtskan­di­da­ten der Aa­che­ner Diö­ze­se sprung­haft an. In sei­nem Hir­ten­brief vom 12.2.1933 hob Vogt die Be­deu­tung des Pries­ter­nach­wuch­ses her­vor. Die Zahl der Pries­ter war im Aa­che­ner Raum stets sehr hoch ge­we­sen. Nun­mehr ver­la­ger­te sich die Re­kru­tie­rung von den länd­li­chen Ge­bie­ten in die Städ­te. Am 12.2.1932 wur­den erst­mals im Aa­che­ner Dom Dia­ko­ne ge­weiht. Von da an war der Dom die Wei­he­kir­che für den Diö­ze­san-Kle­rus. Im Jah­re 1936 war der Neu­bau des Pries­ter­se­mi­nars in der Mo­zart­stra­ße 2 nach den Plä­nen des Ar­chi­tek­ten Pe­ter Salm (1892-1981) fer­tig­ge­stellt wor­den, wo­bei die Fi­nan­zie­rung zum grö­ß­ten Teil durch Spen­den er­mög­licht wur­de.

Be­reits 1933 wur­de die zu­vor ent­stan­de­ne ka­tho­li­sche Zeit­schrift "Der Sonn­tag" zur of­fi­zi­el­len Kir­chen­zei­tung um­ge­wan­delt. Die Re­dak­ti­ons­lei­tung über­nahm der Geist­li­che Dr. Bru­no Se­lung, der aus Os­tero­de/Erm­land stamm­te. Vogt för­der­te mit Er­folg die ka­tho­li­schen Ver­bän­de und Ver­ei­ne. 

Die bei­den ers­ten Jah­re sei­nes Epis­ko­pa­tes wa­ren ma­ß­geb­lich ge­prägt von der ka­ta­stro­pha­len wirt­schaft­li­chen La­ge. Die Wirt­schafts­kri­se vom Win­ter 1931/1932 zeich­ne­te sich durch die ho­he An­zahl von Ar­beits­lo­sen und durch den Rück­gang der Re­al­löh­ne um 25 Pro­zent aus. Bi­schof Vogt rief nun zu mo­nat­li­chen Spen­den für Not­lei­den­de auf, wor­aus das er­folg­rei­che Win­ter­hilfs­werk her­vor­ging. Drei Vier­tel der Spen­den ka­men den Pfar­rei­en di­rekt zu Gu­te. Das letz­te Vier­tel wur­de hin­ge­gen von der Bis­tums­kas­se ver­wal­tet.

Die bei­den ers­ten Jah­re sei­nes Epis­ko­pa­tes wa­ren ma­ß­geb­lich ge­prägt von der ka­ta­stro­pha­len wirt­schaft­li­chen La­ge. Die Wirt­schafts­kri­se vom Win­ter 1931/1932 zeich­ne­te sich durch die ho­he An­zahl von Ar­beits­lo­sen und durch den Rück­gang der Re­al­löh­ne um 25 Pro­zent aus. Bi­schof Vogt rief nun zu mo­nat­li­chen Spen­den für Not­lei­den­de auf, wor­aus das er­folg­rei­che Win­ter­hilfs­werk her­vor­ging. Drei Vier­tel der Spen­den ka­men den Pfar­rei­en di­rekt zu Gu­te. Das letz­te Vier­tel wur­de hin­ge­gen von der Bis­tums­kas­se ver­wal­tet.

Andenkenkarte zur Heiligtumsfahrt 1930 in Aachen.

 

Als sich das na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Re­gime ab 1933 eta­blier­te, ge­riet auch die Aa­che­ner Diö­ze­se un­ter Druck. Ei­ne voll­kom­me­ne Gleich­schal­tung durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten er­wies sich den­noch als ei­ne Schwie­rig­keit, da das Ge­biet des Bis­tums mit der fast ge­schlos­se­nen ka­tho­li­schen Be­völ­ke­rung zu den ka­tho­li­schen Kern­län­dern des Deut­schen Rei­ches zähl­te. Bi­schof Vogt ließ sich in sei­nen Vor­ha­ben nicht be­ir­ren. Er er­rich­te­te in die­ser schwie­ri­gen Zeit so­gar neue Pfar­rei­en und ließ Kir­chen bau­en. Bei den März­wah­len von 1933 er­hielt die NS­DAP im Wahl­kreis Köln-Aa­chen be­kannt­lich das schlech­tes­te Er­geb­nis im Deut­schen Reich. Bei den sich an­schlie­ßen­den Ju­li-Wah­len soll­te sich die­ser Miss­er­folg wie­der­ho­len.

Als die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten die Ver­eh­rung Karls des Gro­ßen, der im Diö­ze­san­ka­len­der als Hei­li­ger ge­führt wer­den durf­te, un­ter­sag­ten, da man ihn als „Sach­sen­schläch­ter“ an­sah, stieß dies bei den gläu­bi­gen Ka­tho­li­ken auf Un­ver­ständ­nis und wur­de so­gar un­ter­lau­fen. Als die Diö­ze­se das Karls­fest im Ja­nu­ar 1934 fei­er­lich be­ging und auf Karls his­to­ri­sche Be­deu­tung hin­wies, wur­de beim Fest­got­tes­dienst im Aa­che­ner Dom die Fei­er­lich­keit durch Mit­glie­der der Hit­ler­lu­gend ge­stört.

Bei sei­nem Amts­an­tritt war es das er­klär­te Ziel Vogts, so bald wie mög­lich ein ei­ge­nes Diö­ze­san­ar­chiv zu er­öff­nen. Die­ses konn­te mit Be­ginn des Jah­res 1934 fer­tig ge­stellt wer­den. Als Ar­chiv des Bi­schofs und sei­ner Ver­wal­tung soll­te es da­zu die­nen, das Wir­ken der Kir­che in der Diö­ze­se Aa­chen zu do­ku­men­tie­ren. Sämt­li­ches Schrift- und Do­ku­men­ta­ti­ons­gut al­ler Ab­tei­lun­gen des Ge­ne­ral­vi­ka­ri­ats und an­de­rer Ein­rich­tun­gen der Diö­ze­se wur­den hier ge­si­chert und nach Er­schlie­ßung und Be­wer­tung für die in­ter­nen Nut­zer so­wie für For­scher zur Ver­fü­gung ge­stellt.

Im Ja­nu­ar 1934 wur­de der „Volks­ver­ein für das ka­tho­li­sche Deutsch­lan­d“ mit Sitz in Mön­chen­glad­bach li­qui­diert. Er war einst nach dem Deut­schen Flot­ten­ver­ein der zweit­grö­ß­te Ver­ein im Kai­ser­reich ge­we­sen. Der Düs­sel­dor­fer Re­gie­rungs­prä­si­dent zog das Ver­mö­gen des Ver­eins ein, Ver­lag und Dru­cke­rei wur­den ge­schlos­sen. Die Ver­eins­bi­blio­thek mit 94.000 Bän­den kauf­te die Stadt Mön­chen­glad­bach auf.

Bi­schof Vogt warn­te 1934 öf­fent­lich das NS-Re­gime, dem Chris­ten­tum kei­ne glau­bens­lo­sen Schrif­ten auf­zu­nö­ti­gen. Hier­bei mein­te er ins­be­son­de­re die Pu­bli­ka­ti­on des NS-Chef­ideo­lo­gen Al­fred Ro­sen­berg (1892/1893-1946). Die­ser hat­te in sei­nem pseu­do­phi­lo­so­phi­schen und -his­to­ri­schen „My­thus des 20. Jahr­hun­derts” aus dem Jah­re 1934 ein Neu­hei­den­tum in Form ei­ner neo­ger­ma­ni­schen Re­li­gi­on pro­pa­giert. Je­sus wird hier voll­kom­men un­wis­sen­schaft­lich als Ari­er ver­ein­nahmt und das Al­te Tes­ta­ment wird als „jü­di­sches Macht­wer­k“ ab­ge­tan, für das der An­spruch ei­ner Of­fen­ba­rungs­schrift nicht mehr er­ho­ben wer­den kann. Vogt wur­de nun­mehr stär­ker von der Ge­sta­po und der Par­tei über­wacht. Im sei­nen Hir­ten­brie­fen führ­te er auch aus, Ka­tho­li­ken sei­ner Diö­ze­se wür­den ver­däch­tigt, un­ge­bühr­lich an­ge­grif­fen. Sie un­ter­lä­gen im Üb­ri­gen auch Ver­höh­nun­gen, Be­lei­di­gun­gen und Be­schimp­fun­gen.

In der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ge­hör­te Vogt zwar nicht zu den kampf­be­rei­tes­ten Bi­schö­fen ge­gen­über dem Re­gime wie et­wa Cle­mens Au­gust von Ga­len (1878-1946), Kon­rad von Prey­sing (1880-1950) und Mi­cha­el von Faul­ha­ber (1869-1952). Sei­ne Hir­ten­brie­fe do­ku­men­tie­ren je­doch, dass er schon sehr früh die Un­ver­ein­bar­keit der Zie­le der NS­DAP mit de­nen der ka­tho­li­schen Kir­che sah. In sei­nem Hir­ten­brief vom 12.4.1935 ver­tei­dig­te er die Bei­be­hal­tung der Kon­fes­si­ons­schu­len und der ka­tho­li­schen Ju­gend­or­ga­ni­sa­tio­nen. Auch wies er dar­auf hin, dass die christ­li­che Er­zie­hung durch das Reichs­kon­kor­dat von 1933 ab­ge­si­chert wer­de. Ve­he­ment setz­te er sich für die Bei­be­hal­tung der ka­tho­li­schen Ju­gend­ver­bän­de ein. Das Ver­bot vom Ju­li 1935 und die voll­kom­me­ne Gleich­stel­lung al­ler Ju­gend­ver­bän­de zur „Staats­ju­gend“ konn­te er schlie­ß­lich nicht ver­hin­dern.

Als im Jah­re 1936 be­kannt wur­de, dass ei­ni­ge ka­tho­li­sche Welt­geist­li­che und Or­dens­pries­ter sich des Miss­brauchs an Kin­dern und Ju­gend­li­chen be­tä­tigt hat­ten, wur­den bei der Straf­ver­fol­gung auch vie­le Un­schul­di­ge an­ge­klagt. Vogt ge­hör­te zu den ka­tho­li­schen Bi­schö­fen, wel­che die nach­ge­wie­se­nen Miss­brauchs­fäl­le mas­siv ver­ur­teil­ten. Er stell­te sich je­doch be­din­gungs­los hin­ter sol­che Kle­ri­ker, de­nen dies be­wusst un­ter­stellt wur­de. Er be­zeich­ne­te die sich an­schlie­ßen­de Kam­pa­gne der NS­DAP und die Schau­pro­zes­se als An­griff auf den Glau­ben und als Heu­che­lei. Bei die­ser Kam­pa­gne gin­ge es auch dar­um, die Ver­diens­te der 75.000 Or­dens­schwes­tern und 3.000 Or­dens­brü­dern in Deutsch­land zu schmä­lern. Am 23.3.1936 ver­tei­dig­te Vogt ge­gen­über dem Pro­pa­gan­da­mi­nis­te­ri­um, dass die Kir­chen­zei­tung sich nicht al­lei­ne zu Glau­bens­fra­gen und zur Diö­ze­se äu­ßert, son­dern auch zu an­de­ren, zum Bei­spiel zu ge­sell­schaft­li­chen The­men. Die­se Mög­lich­keit sei be­reits im Reichs­kon­kor­dat von 1933 ge­re­gelt wor­den. Der Ab­wehr­kampf ge­gen den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­la­ger­te sich bis 1936 von den Kan­zeln in die in­ten­si­ve Seel­sor­ge. Vogt muss­te es hin­neh­men, dass von der Ge­sta­po aus­ge­spro­che­ne Auf­ent­halts­ver­bo­te für Geist­li­che not­ge­drun­gen zu Ver­set­zun­gen führ­ten, wel­che auf sein Be­stre­ben hin de fac­to sehr häu­fig im kirch­li­chen Sin­ne Be­för­de­run­gen gleich­ka­men.

Im Jah­re 1937 fand die Aa­che­ner Hei­lig­tums­fahrt statt. Die­se im Volks­glau­ben stark ver­an­ker­te Tra­di­ti­on ging auf das Jahr 1239 zu­rück, wo­bei die Vor­ge­schich­te mut­ma­ß­lich ei­nen ka­ro­lin­gi­schen Ur­sprung ha­ben könn­te. In die­sem Jahr wur­den erst­mals die im Volks­glau­ben stark ver­an­ker­ten drei Hei­lig­tü­mer, das Ge­wand der Mut­ter Got­tes, die Win­deln Je­su, das Len­den­tuch Chris­ti und das Ent­haup­tungs­tuch Jo­han­nes des Täu­fers aus­ge­stellt. Sie wur­den dem Schrein Karls des Gro­ßen ent­nom­men und an­schlie­ßend in den neu­en Ma­ri­en­schrein ge­legt. Aus­ge­fal­len sind die Hei­lig­tums­fahr­ten nur im Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg und in der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on. Die Fra­ge der Echt­heit wur­de theo­lo­gisch nie in den Vor­der­grund ge­stellt.

Gro­ße Ver­diens­te um die Hei­lig­tums­fahrt von 1937 hat­te sich die Aa­che­ner Kir­chen­zei­tung er­wor­ben. Sie sorg­te da­für, dass die­se nicht nur zu ei­nem „stum­men Pro­tes­t“ ge­gen den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus wur­de. Von Ja­nu­ar bis Ju­li 1937 er­schie­nen hier­zu 21 Bei­trä­ge. An 43 aus­wär­ti­ge Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten wur­den sie je­weils ver­schickt. Am 20. Ju­ni er­schien ei­ne Son­der­num­mer der Kir­chen­zei­tung zur Hei­lig­tums­fahrt. Spä­ter er­schie­nen hier­zu lau­fend Be­rich­te und Bild­re­por­ta­gen. Es war ihr Ver­dienst, dass die Aa­che­ner Hei­lig­tums­fahrt in ganz Eu­ro­pa be­kannt wur­de. De­ren Ge­samt­auf­la­ge be­trug wäh­rend der Zeit die­ser Hei­lig­tums­fahrt zwei Mil­lio­nen. Ins­ge­samt wur­de sie zu ei­ner ein­drucks­vol­len Kund­ge­bung ge­gen den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Über ei­ne Mil­li­on Pil­ger wur­den ge­zählt. Al­lei­ne 25 Bi­schö­fe nah­men an ihr teil. Die­je­ni­gen Ober­hir­ten, die von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten an­ge­grif­fen wur­den, konn­ten hier be­son­de­ren Bei­fall er­lan­gen.

Seit 1936 be­ein­träch­tig­ten Vogt Al­ters­be­schwer­den bei der Aus­übung sei­nes Am­tes. Ein be­son­de­res An­lie­gen war ihm in sei­nem letz­ten Le­bens­jahr, den Be­griff des “po­si­ti­ven Chris­ten­tums“ wie ihn Adolf Hit­ler (1889-1945) pro­pa­gan­dis­tisch be­nutz­te, in Fra­ge zu stel­len. Das Chris­ten­tum sei mehr als le­dig­lich die Pfle­ge be­stimm­ter Tu­gen­den. Ins­be­son­de­re ken­ne die­ser ver­frem­de­te Be­griff des Chris­ten­tums kei­ne De­mut und kei­ne Lei­dens­be­reit­schaft. Auch griff er die Ras­sen­po­li­tik der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten an. Gott sei doch der Schöp­fer al­ler Ras­sen. Auch sprach er sich ge­gen Ro­sen­bergs Ab­spal­tung des Al­ten Tes­ta­ments vom Neu­en ab. Au­ßer­dem sei­en Blut, Bo­den und Ras­sen kei­ne re­li­giö­sen Ka­te­go­ri­en.

Bi­schof Vogt ver­starb am 5.10.1937 in Mons­chau. Das Re­qui­em im Aa­che­ner Dom ze­le­brier­te der Köl­ner Kar­di­nal Schul­te. Un­ter gro­ßer Be­tei­li­gung der Be­völ­ke­rung so­wie von cir­ca 600 Pries­tern wur­de sein Leich­nam zu­nächst auf dem Ka­pi­tels­fried­hof im Kreuz­gang des Aa­che­ner Do­mes bei­ge­setzt. Seit 1955 ruht er in der neu­ge­schaf­fe­nen Bi­schofs­gruft des Do­mes.

Wenn das Wir­ken Bi­schofs Vogt auch kei­ne vol­le sie­ben Jah­re dau­er­te, so hat­te er Aa­chen zu ei­nem neu­en Zen­trum des kirch­li­chen Le­bens ma­chen kön­nen. Bis ihn sei­ne letz­ten Kräf­te ver­lie­ßen, war er sei­nen Ver­pflich­tun­gen bei den Vi­si­ta­tio­nen und Fir­mun­gen stets nach­ge­kom­men. Vogt war Mit­glied des Wis­sen­schaft­li­chen Stu­den­ten­ver­ban­des Unitas.

Werke

Ehe­recht, Köln 1902.
Kir­chen-Ver­mö­gens­recht, Köln 1903.

Literatur

Bre­cher, Au­gust, Das Bis­tum Aa­chen bis zur Ge­gen­wart. Ge­schich­te ei­nes jun­gen Bis­tums, Straß­burg 1996.
Bre­cher, Au­gust, Kir­chen­pres­se un­ter NS-Dik­ta­tur. Die ka­tho­li­sche Kir­chen­zei­tung für das Bis­tum Aa­chen im Drit­ten Reich, Aa­chen 1988.
Bre­cher, Au­gust, Mi­nia­tu­ren zur Aa­che­ner Kir­chen­ge­schich­te. Bil­der aus zwölf Jahr­hun­der­ten, Aa­chen 1996.
Burr, Wolf­gang, Unitas-Hand­buch, Band 2, Bonn 1996.
Emunds, Paul, Der stum­me Pro­test, Aa­chen o.J.
Gatz, Er­win, Ge­schich­te des Bis­tums Aa­chen in Da­ten 1930-1985. Der Weg ei­ner Orts­kir­che, Aa­chen 1986.
Gatz, Er­win, Jo­seph Vogt, in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe der deutsch­spra­chi­gen Län­der. 1795/1803-1945. Ein bio­gra­phi­sches Le­xi­kon, Ber­lin 1983, S. 797-781.
He­cker, Her­mann Jo­seph, Chro­nik der Re­gen­ten und Öko­no­men im Pries­ter­se­mi­nar des Erz­bis­tums Köln 1615-1950, Düs­sel­dorf 1951.
Reu­ter, Jo­sef, Die Wie­der­er­rich­tung des Bis­tums Aa­chen, Mön­chen­glad­bach 1976.
Trip­pen, Nor­bert, Das Dom­ka­pi­tel und die Erz­bi­schofs­wah­len in Köln 1821-1929, Köln/Wien 1972.
Wei­er, Jo­seph, Jo­seph Vogt, in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon, Band 15, Herz­berg 1999, Sp. 1405–1407.
Wolf, Hu­ber/Un­ter­bur­ger, Klaus (Hg.), Eu­ge­nio Pacel­li. Die La­ge der Kir­che in Deutsch­land 1929. Der Schluss­be­richt des Nun­ti­us vom 18. No­vem­ber 1929 (Deutsch und Ita­lie­nisch), Pa­der­born 2006.

Heiligtumsweisung unter Bischof Joseph Heinrich Vogt im Rahmen der Heiligtumsfahrt 1930. (Bundesarchiv 102-10004)

 
Zitationshinweis

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Scheidgen, Hermann Josef, Joseph Heinrich Peter Vogt, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joseph-heinrich-peter-vogt/DE-2086/lido/57c93872b8a754.37900617 (abgerufen am 19.04.2024)