Joseph Hubert Mooren

Katholischer Pfarrer, Kirchenhistoriker (1797-1887)

Wolfgang Löhr (Mönchengladbach)

Joseph Hubert Mooren, Porträt, 1873, Zeichnung von Joseph Kohlscheid (1841-1915) nach einem Ölgemälde. (Gemeinfrei)

Zu­sam­men mit An­ton Jo­sef Bin­te­rim, Pfar­rer in Düs­sel­dorf-Bilk, gab Moo­ren von 1828 bis 1831 das vier­bän­di­ge Werk „Die al­te und neue Erz­diö­ze­se Köln in De­ka­na­te ein­get­heil­t“ her­aus. Es wur­de bahn­bre­chend für die Er­for­schung der rhei­ni­schen Kir­chen­ge­schich­te. Er war Grün­der des „His­to­ri­schen Ver­eins für Gel­dern und Um­ge­bun­g“ und ers­ter Vor­sit­zen­der des „His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein ins­be­son­de­re die al­te Erz­diö­ze­se Köln“.

Ge­bo­ren wur­de Moo­ren am 15.9.1797 in Ro­er­mond (heu­te Nie­der­lan­de), das da­mals noch for­mell zum Gel­dri­schen Ober­quar­tier der Ös­ter­rei­chi­schen Nie­der­lan­de zähl­te, die aber be­reits ei­nen Mo­nat spä­ter, am 17.10.1797 im Frie­den von Cam­po For­mio an Frank­reich ab­ge­tre­ten wur­den. Moo­rens Va­ter Jo­hann Lam­bert Jo­seph (1772-1801) stamm­te aus Elm­pt (heu­te Ge­mein­de Nie­der­krüch­ten), da­mals Gel­dri­sches Ober­quar­tier, war als Ju­rist am Gel­dri­schen Ge­richts­hof („Hof van Gel­re“) in Ro­er­mond tä­tig ge­we­sen. 1799 wur­de er Prä­si­dent der Kan­tons­ver­wal­tung in Horst an der Maas (heu­te nie­der­län­di­sche Pro­vinz Lim­burg). Nach sei­nem frü­hen Tod im Al­ter von 28 Jah­ren ging sei­ne Mut­ter Ma­ria Jo­se­pha Eli­sa­beth (1772-1858) mit ih­ren vier Kin­dern, mit ei­nem fünf­ten war sie schwan­ger, 1802 in ih­re Hei­mat nach Kem­pen zu­rück, wo ihr aus Köln ge­bür­ti­ger Va­ter Franz Jo­seph Em­ans (1742-1807) kur­fürst­li­cher Kell­ner ge­we­sen war und in­zwi­schen als fran­zö­si­scher Kan­tons­ver­wal­ter fun­gier­te.

 

1806 be­zog Moo­ren die Se­kun­dar­schu­le in Kem­pen und wech­sel­te 1813 nach Köln. Dort fiel er durch sei­ne ho­he Be­ga­bung in den Spra­chen La­tein, Grie­chisch, Fran­zö­sisch und Deutsch auf. 1817 schloss er mit der Leh­rer­prü­fung sei­ne Aus­bil­dung ab und wur­de da­nach am „Col­le­gi­um“ in Kem­pen als Hilfs­leh­rer an­ge­stellt. In die­ser Zeit kam er in en­gen Kon­takt mit dem Xan­te­ner Pfar­rer Jo­hann Pe­ter Spen­rath (1761-1828), der ihm zum vä­ter­li­chen Freund wur­de. Spen­rath hat­te bis zur Sä­ku­la­ri­sa­ti­on als Be­ne­dik­ti­ner der Ab­tei Brau­wei­ler an­ge­hört. Er war hoch ge­bil­det und be­saß ei­ne um­fang­rei­che Bi­blio­thek. Wäh­rend sei­ner Gym­na­si­al­zeit hat­te er in Kem­pen die Fa­mi­lie Em­ans ken­nen­ge­lernt. Nach der Wie­der­er­rich­tung de­s Bis­tums Müns­ter 1821, zu dem auch der Un­te­re Nie­der­rhein ge­hör­te, wur­de Spen­rath zum Bi­schöf­li­chen Kom­mis­sar für die­ses Ge­biet er­nannt. Ihm trug Moo­ren, der be­reits 1822 un­ter dem Pseud­onym H. ter Schol­ten ei­ne klei­ne Schrift über die Ent­ste­hung der Stadt Kem­pen ver­öf­fent­licht hat­te, sei­ne Idee ei­ner Ge­schich­te der Erz­diö­ze­se Köln vor, die sei­ne Un­ter­stüt­zung fand. Viel­leicht durch Spen­rath an­ge­regt, ent­schloss sich Moo­ren, Pries­ter zu wer­den. Schon am 28.5.1823 wur­de er in Müns­ter zum Sub­dia­kon und knapp vier Mo­na­te spä­ter, am 8.9.1823, in Köln zum Pries­ter ge­weiht. War­um er von Müns­ter in ein an­de­res Bis­tum ge­wech­selt ist, bleibt im Dun­keln. Zu­nächst er­hielt er 1824 in Oedt (heu­te Ge­mein­de Gre­frath), das zur Diö­ze­se Müns­ter ge­hör­te, ei­ne Stel­le als Vi­kar. Spen­rath sorg­te da­für, dass Moo­ren für da­ma­li­ge Zei­ten über­ra­schend schnell am 4.2.1826 die Pfarr­stel­le in Wach­ten­donk er­hielt. Die Ort­schaft zähl­te da­mals kaum mehr als 2.300 meist ka­tho­li­sche Ein­woh­ner. Die Pfar­re war über­schau­bar und Moo­ren konn­te hier ne­ben sei­nem Wir­ken als Seel­sor­ger, das er sehr ernst nahm, un­ge­stört sei­nen Stu­di­en nach­ge­hen.

Wohnhaus Moorens in Wachtendonk, Postkarte 1930. (Gemeindearchiv Wachtendonk)

 

1823 hat­te Moo­ren in dem Ur­kun­den­be­stand des Stifts­ar­chivs Xan­ten ei­nen auf 1348 da­tier­ten, un­be­kann­ten Co­dex mit Auf­zeich­nun­gen über die Ein­künf­te der geist­li­chen In­sti­tu­tio­nen im Erz­bis­tum Köln ent­deckt, dem er den Na­men „Li­ber va­lo­ris“ gab, den auch die ge­gen­wär­ti­ge For­schung über­nom­men hat. Heu­te weiß man, dass ihm ein ver­schol­le­nes Ori­gi­nal zu Grun­de liegt und ei­ne um 1300 ent­stan­de­ne äl­te­re Ab­schrift ver­wen­det. Moo­ren tran­skri­bier­te die von ihm ge­fun­de­ne Hand­schrift und leg­te das Ma­nu­skript un­ter Ver­mitt­lung Spen­raths 1826 dem Köl­ner Erz­bi­schof Fer­di­nand Au­gust von Spie­gel vor, der es für gut be­fand. Es wur­de Be­stand­teil des ers­ten, 1828 er­schie­ne­nen Ban­des des von An­ton Jo­sef Bin­te­rim und Moo­ren ver­öf­fent­lich­ten Werks mit dem Ti­tel „Die al­te und neue Erz­diö­ze­se Köln in De­ka­na­te ein­get­heil­t“. Drei wei­te­re Bän­de folg­ten bis 1831. Das Opus, das heu­ti­gen wis­sen­schaft­li­chen An­sprü­chen zwar nicht mehr völ­lig ge­nü­gen kann, führ­te zum Durch­bruch ei­ner auf Ori­gi­nal­quel­len ge­stütz­ten rhei­ni­schen Kir­chen­ge­schichts­schrei­bung. Moo­ren er­warb sich da­mit als 31-Jäh­ri­ger den Ruf ei­nes kir­chen­his­to­ri­schen Fach­manns, ob­gleich er weit­ge­hend als Au­to­di­dakt gel­ten muss. Er „war kein ge­schul­ter His­to­ri­ker und [ist] es nie ge­wor­den“ (Hein­rich Schrörs).

Nach dem Tod Spen­raths er­hielt er aus des­sen Nach­lass ein Ma­nu­skript, das er un­ter dem Ti­tel “Al­terthüm­li­che Merk­wür­dig­kei­ten der Stadt Xan­ten und ih­rer Um­ge­bun­g“ 1837 und 1838 her­aus­brach­te, um sei­nem Gön­ner nach sei­nen ei­ge­nen Wor­ten „ein Denk­mal er­furcht­vol­ler Er­kennt­lich­keit“ zu set­zen. Der drit­te Teil die­ser Pu­bli­ka­ti­on stammt von ihm selbst. Dar­in stellt er un­ter an­de­rem die kri­ti­sche Fra­ge, ob die hei­li­ge He­le­na die Xan­te­ner Kir­che ge­grün­det ha­be, was er ver­neint und als Le­gen­de be­zeich­net.

1849 wag­te sich Moo­ren weit hin­aus, als er zu­sam­men mit dem be­kann­ten ka­tho­li­schen Tü­bin­ger Re­form­theo­lo­gen Jo­hann Bap­tist von Hir­scher (1788-1865), des­sen Schrift „Die kirch­li­chen Zu­stän­de der Ge­gen­war­t“ im glei­chen Jahr auf den In­dex der ver­bo­te­nen Bü­cher ge­stellt wur­de, und dem da­ma­li­gen Vi­kar in Kö­nigs­win­ter und ab 1857 Köl­ner Stadt­ar­chi­var Leo­nard En­nen (1820-1880) ei­ne ka­tho­li­sche Re­form­zeit­schrift her­aus­brin­gen woll­te. Sie soll­te zwar „die kirch­li­chen Prin­ci­pi­en“ wah­ren, „aber im An­schluss an die fort­schritt­li­chen Ide­en der Neu­zeit“ ste­hen. Der streng­ka­tho­li­sche Bon­ner Kir­chen­his­to­ri­ker Hein­rich Schrörs hat dar­in ei­ne „Kampf­zeit­schrif­t“ ge­se­hen. Die län­ge­ren Ver­hand­lun­gen mit dem Ver­lag Schwann in Neuss schei­ter­ten, be­rich­tet 1889 Pe­ter Nor­ren­berg, da­mals Ka­plan in Vier­sen. En­nen ha­be schon zu­vor durch „meh­re­re an­ony­me Bro­schü­ren“ An­stoß er­regt. Nor­ren­berg er­wähnt aus­drück­lich die 1849 er­schie­ne­ne Schrift „Die ka­tho­li­sche Kir­che und die For­de­run­gen der Jetzt­zeit“, in der En­nen, wie es im Un­ter­ti­tel hei­ßt, „ein Wort des Erns­tes und der Mah­nung an al­le“ rich­te­te, „die es mit der Kir­che und der Mensch­heit gut mei­nen.“ Die Bro­schü­re stand im Zu­sam­men­hang mit der in­ner­kirch­li­che Re­for­men for­dern­den Ein­ga­be von 370 Geist­li­chen des Erz­bis­tums. Der Köl­ner Erz­bi­schof, Jo­han­nes Kar­di­nal von Geis­sel sah dar­in das Werk der von ihm ge­hass­ten „Her­me­sia­ner“. En­nen muss­te sich, so Nor­ren­berg, „zu ei­ner die kirch­li­chen Be­hör­den be­frie­di­gen­den Er­klä­run­g“ be­que­men. Au­ßer­dem sei es „der klu­gen Ein­wir­kun­g“ des Kar­di­nals ge­lun­gen, „die Schaf­fens­kraf­t“ En­nens „und sei­nes äl­te­ren Freun­des“ Moo­ren „wie­der auf rein wis­sen­schaft­li­che Bah­nen zu len­ken.“ Wäh­rend En­nen Pries­ter der Erz­diö­ze­se Köln war und dem Kar­di­nal dis­zi­pli­na­risch un­ter­stand, ge­hör­te Moo­ren zur Diö­ze­se Müns­ter und blieb von dort un­be­hel­ligt. Wie er die Zu­recht­wei­sung En­nens auf­nahm, ist nicht be­kannt.

Zwei Jah­re nach dem Schei­tern Moo­rens mit sei­nen „Be­mü­hun­gen um in­ner­kirch­li­che Re­for­men“ (Karl-Heinz Te­kath) wand­te er sich ei­ner an­de­ren Auf­ga­be zu und grün­de­te mit neun Be­kann­ten am 22.10.1851 am Ort sei­nes be­ruf­li­chen Wir­kens in Wach­ten­donk den „His­to­ri­schen Ver­ein für Gel­dern und Um­ge­gen­d“. Er soll­te sich vor al­lem der Ge­schich­te der ehe­ma­li­gen gel­dri­schen Äm­ter Kri­cken­beck, Wach­ten­donk, Strae­len und Gel­dern zu­wen­den. Der Vor­stand, dem Moo­ren als „Di­ri­gent für das Wis­sen­schaft­li­che“ an­ge­hör­te, traf sich im Wach­ten­don­ker Pfarr­haus, in der Moo­rens Mut­ter für „ei­ne herz­lich-vor­neh­me Häus­lich­keit“ zu sor­gen pfleg­te. Dort wur­den al­le Druck­vor­ha­ben des Ver­eins „reif­lich ge­mein­sam be­spro­chen und er­wo­gen“, er­in­nert sich Pe­ter Nor­ren­berg, der den al­ten Moo­ren noch per­sön­lich ge­kannt ha­ben wird. Au­ßer­dem ha­be es der Wach­ten­don­ker Pfar­rer „mit sei­nem rei­chen Wis­sen“ er­folg­reich ver­stan­den, sei­ne Mit­strei­ter vor eng­stir­ni­gem, pro­vin­zi­el­lem Den­ken zu be­wah­ren. Sei­nen „Blick über das Gan­ze der Ge­schich­te“ ha­be er nie ver­lo­ren.

Moo­ren kann­te sich nicht nur in der Kir­chen- und Re­gio­nal­ge­schich­te aus, son­dern auch in der Rechts­wis­sen­schaft. 1857 ver­öf­fent­lich­te er ei­ne Schrift über das Ei­gen­tum und die Be­nut­zung der Kirch­hö­fe, die ver­deut­licht, dass er über „er­staun­lich gu­te Kennt­nis­se in Rechts­fra­gen“ ver­füg­te (Man­fred Bach), die er im Pri­vat­stu­di­um er­wor­ben ha­ben muss. Zwei Jah­re zu­vor war ei­ne klei­ne Stu­die über Tho­mas von Kem­pen aus sei­ner Fe­der ent­stan­den. 1858 gab er des­sen „Imi­ta­tio Chris­ti“ her­aus, ei­ne Pu­bli­ka­ti­on, die meh­re­re Auf­la­gen er­fuhr.

Kurz nach der Grün­dung des Ver­eins für Gel­dern reg­te Moo­ren in sei­nem auf 1852 da­tier­ten Vor­wort sei­ner Ar­beit über das Ar­ch­idia­ko­nat Dort­mund an, ei­nen „kirch­lich-ar­chäo­lo­gi­schen Ver­ein“ für das Rhein­land und West­fa­len ins Le­ben zu ru­fen, muss­te aber ein­se­hen, dass der von ihm als Vor­sit­zen­der ge­wünsch­te Bin­te­rim, der „die in­tel­lek­tu­el­len Vor­aus­set­zun­gen“ für ei­ne sol­che Ein­rich­tung ge­schaf­fen hat­te (Heinz Fin­ger), we­gen des zu er­war­ten­den Wi­der­stands des Köl­ner Erz­bi­schofs von Geis­sel da­für nicht in Fra­ge kam. Den Vor­schlag, um den Kar­di­nal sanf­ter zu stim­men, ihm im neu­en Ver­ein ei­ne Son­der­stel­lung ein­zu­räu­men, lehn­te Moo­ren ent­schie­den ab. Als dann 1854 ei­ne klei­ne­re Lö­sung rea­li­siert und der „His­to­ri­sche Ver­ein für den Nie­der­rhein ins­be­son­de­re für die al­te Erz­diö­ze­se Köln“ aus der Tau­fe ge­ho­ben wur­de, war Moo­ren be­reit, den Vor­sitz zu über­neh­men, weil man mit ei­ner Wahl Bin­te­rims, der als füh­ren­der Kopf der rhei­ni­schen Kir­chen­his­to­ri­ker hin­ter der Ver­eins­grün­dung stand, Erz­bi­schof von Geis­sel ver­mut­lich an­hal­tend ver­är­gert hät­te. Als die­ser 1861 ge­gen Moo­rens Wil­len Eh­ren­vor­sit­zen­der des Ver­eins wur­de, hat er be­zwei­felt, ob von Geis­sel über­haupt Wert dar­auf le­ge. Die gleich­zei­ti­ge Ver­lei­hung die­ser Wür­de an den Bi­schof von Müns­ter hielt er zu­dem für ei­ne Schmä­le­rung der be­ab­sich­tig­ten Eh­rung des Kar­di­nals „um mehr als die Hälf­te und was des Un­sinns mehr“ sei. Da­bei ver­gaß er, dass der müns­te­ri­sche Bi­schof Jo­hann Ge­org Mül­ler durch sei­nen Bei­tritt als ein­fa­ches Mit­glied ein Zei­chen der Hoch­schät­zung des Ver­eins ge­setzt hat­te.

Wenn Moo­ren sich auch nicht im­mer durch­set­zen konn­te, so er­wies er sich doch als fä­hi­ger und die Ver­eins­ar­beit prä­gen­der Vor­sit­zen­der. Er ver­stand es, wie sein jün­ge­rer Zeit­ge­nos­se Nor­ren­berg fest­stell­te, „den Wi­der­streit der In­ter­es­sen“, die Kon­kur­renz zwi­schen ein­zel­nen rhei­ni­schen Städ­ten und die Di­ver­gen­zen zwi­schen den His­to­ri­kern vom Fach und den Hei­mat­kund­lern zu über­brü­cken und die manch­mal ge­fähr­de­te Exis­tenz des Ver­eins zu si­chern. Moo­ren sah sich be­son­ders als An­re­ger his­to­ri­scher For­schung. Er war „kein ver­knö­cher­ter Ge­lehr­ter“ und blieb „bei sei­nem emi­nen­ten Wis­sen“ of­fen „für das Le­ben und die Pra­xis.“ (Pe­ter Nor­ren­berg).

Im Al­ter traf Moo­ren ein schwe­res Schick­sal: Er be­gann zu er­blin­den und sah sich 1868 ge­zwun­gen, sei­ne seel­sor­ge­ri­schen Pflich­ten in an­de­re Hän­de zu le­gen. Sein Haus in Wach­ten­donk blieb des­sen un­ge­ach­tet ein Treff­punkt his­to­risch in­ter­es­sier­ter Zeit­ge­nos­sen vom Nie­der­rhein. Trotz sei­ner fort­schrei­ten­den Er­blin­dung lei­te­te Moo­ren bis 1881 förm­lich den Ver­ein, ließ aber sei­ne Stell­ver­tre­ter, zu­nächst den Düs­sel­dor­fer Land­ge­richts­rat Franz von Ha­gens (1854-1870 im Amt) und dann den Bon­ner Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor Hein­rich Jo­seph Floß (1870-1881 im Amt), der un­ter Bin­te­rim Ka­plan in Düs­sel­dorf-Bilk ge­we­sen war, die Ver­eins­ge­schäf­te füh­ren.

Unterschrift 1833. (Gemeindearchiv Wachtendonk)

 

Als 1875 wäh­rend des Kul­tur­kampfs den ka­tho­li­schen Geist­li­chen, die sich nicht schrift­lich ver­pflich­te­ten, die Staats­ge­set­ze zu be­fol­gen, die Ge­häl­ter ge­sperrt wur­den, be­an­trag­te Moo­ren beim Ober­prä­si­di­um der Rhein­pro­vinz in Ko­blenz, da­von aus­ge­nom­men zu  wer­den. Zu die­sem Zeit­punkt stritt er noch mit dem Kir­chen­vor­stand um sei­ne Ein­künf­te. 1874 hat­te er zwar ei­nen Pro­zess ge­gen ihn ge­won­nen, doch zo­gen sich die Aus­ein­set­zun­gen bis 1885 hin. Sei­nem Ge­such wur­de ent­spro­chen. Moo­ren nahm frei­lich sei­nen An­trag zu­rück, um nicht sei­ne Re­pu­ta­ti­on zu ge­fähr­den. Er woll­te bei den Leu­ten nicht ins Ge­re­de kom­men, so schrieb er selbst, und wünsch­te, nach sei­nem Tod „in gu­tem An­denken zu blei­ben.“ Ein „Staats­ka­tho­li­k“ ist er nicht ge­we­sen, ver­focht aber ei­ne mil­de­re Hal­tung ge­gen­über der Preu­ßi­schen Re­gie­rung und war zu Zu­ge­ständ­nis­sen be­reit. Er hielt auch Kon­takt zu dem alt­ka­tho­lisch ge­wor­de­nen Kre­fel­der Stadt­schul­rat Her­mann Keus­sen (1829-1894). Be­reits ei­ni­ge Jah­re vor dem Kul­tur­kampf hat­te er üb­ri­gens mit dem Re­gie­rungs­prä­si­den­ten in Düs­sel­dorf ge­strit­ten, was zur Fol­ge hat­te, dass er 1867 als Wach­ten­don­ker Schul­vor­stand ab­ge­setzt wur­de.

Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem Kir­chen­vor­stand, Är­ger in der Kir­chen­ge­mein­de, „Miss­hel­lig­kei­ten“, so sein ei­ge­ner Aus­druck, zwi­schen den Geist­li­chen nach sei­ner Ent­bin­dung von den pfarr­amt­li­chen Ver­pflich­tun­gen ha­ben Moo­ren sehr be­las­tet. Zeit sei­nes Le­bens galt er als mild­tä­tig, als Freund der Ar­men und Kran­ken. Der da­ma­li­ge Ka­plan in Nieu­kerk (heu­te Ge­mein­de Kerken), Leo­pold Hen­richs (1839-1920), schil­der­te ihn als ei­nen Men­schen von „gro­ßem Rechts­ge­fühl, Pünkt­lich­keit, Fleiß und Ar­beit­sam­keit.“ Er sei sehr be­schei­den ge­we­sen. „Al­les, was wir hier auf Er­den wis­sen“, ha­be er ge­sagt, „ist nur Stück­werk, und im Ver­gleich man­cher He­ro­en der Wis­sen­schaft bin ich ein Nichts.“ Den­noch sorg­te er beim 25-jäh­ri­gen Be­ste­hen des „His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein“ 1879 da­für, dass er ge­büh­rend als „Nes­tor der nie­der­rhei­ni­schen Ge­schich­te“ her­aus­ge­stellt wur­de. Vie­le an­de­re Eh­run­gen wa­ren be­reits vor­aus­ge­gan­gen: Et­wa 1863 die Eh­ren­dok­tor­wür­de der theo­lo­gi­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Bres­lau, 1864 die Eh­ren­ket­te des Ger­ma­ni­schen Na­tio­nal­mu­se­ums in Nürn­berg und 1876 die Eh­ren­dok­tor­wür­de der phi­lo­so­phi­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Bonn.

Unterschrift 1876. (Gemeindearchiv Wachtendonk)

 

Am 8.3.1897 ist Moo­ren, der bis zu­letzt geis­tig frisch blieb, in Wach­ten­donk ge­stor­ben. Sei­nem Wunsch ge­mäß wur­de er auf dem dor­ti­gen Fried­hof ne­ben sei­ner Mut­ter bei­ge­setzt. Ih­rer bei­der Grab­denk­mal hat sich bis heu­te er­hal­ten.

Werke

Un­ter Pseud­onym H. ter Schol­ten, Über die Ent­ste­hung der Stadt Kem­pen, Köln 1822.
Zu­sam­men mit Jo­sef An­ton Bin­te­rim, Die al­te und neue Erz­diö­ze­se Köln in De­ka­na­te ein­get­heilt oder das Erz­bis­tum Köln mit den Stif­ten, De­ka­na­ten, Pfar­rei­en und Vi­ka­ri­en, sammt de­ren Ein­kom­men und Col­la­to­ren wie es war, 4 Bän­de, Mainz 1828-1831; 2. Auf­la­ge neu be­ar­bei­tet von Al­bert Moo­ren un­ter dem Ti­tel: Die al­te Erz­diö­ce­se Köln bis zur Fran­zö­si­schen Staats­um­wäl­zung, 2 Bän­de, Düs­sel­dorf 1892-1893.
Aus dem Nach­lass von J. P. Spen­rath: Al­terthüm­li­che Merk­wür­dig­kei­ten der Stadt Xan­ten und ih­rer Um­ge­bung, 3 Tei­le, Kre­feld 1838.
Das Dort­mun­der Ar­ch­idia­ko­nat. Ar­chäo­lo­gi­sche Mo­no­gra­phie, Köln/Neuss 1853.
Nach­rich­ten über Tho­mas a Kem­pen nebst ei­nem An­hang von meis­tens noch un­ge­druck­ten Quel­len, Kre­feld/Arn­heim 1855.
Über Ei­gen­thum und Be­nut­zung der Kirch­hö­fe auf dem Preu­ßi­schen Ge­biet des lin­ken Rhein­ufers, Köln/Neuss 1857.
Tho­mae a Kem­pis de Imi­ta­tio­ne Chris­ti li­bri IV, Köln/Neuss 1858.
40 Mis­zel­len in den An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein. 

Nachrufe

Hen­richs, Leo­pold, Zur Er­in­ne­rung an den am 8. Mai 1887 zu Wach­ten­donk ver­stor­be­nen Herrn Jo­seph Hu­bert Moo­ren, Ju­bi­lar-Pfar­rer, Doc­tor der Theo­lo­gie und Phi­lo­so­phie, Eh­ren­prä­si­dent des his­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein und Mit­glied vie­ler ge­lehr­ten Ge­sell­schaf­ten, Gel­dern [1887].
Nor­ren­berg, Pe­ter, Jo­seph Hu­bert Moo­ren, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 48 (1889), S. 1-8. 

Literatur

Bach, Man­fred, Jo­seph Hu­bert Moo­ren. Mensch und Werk, Keve­la­er 1969.
Be­richt über die Ju­bel­fei­er des his­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein zu Köln am 28. Oc­to­ber 1879, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 38, 1882, S. 125-145, hier: S. 126-129.
Fin­ger, Heinz, An­ton Jo­sef Bin­te­rim der „Geis­ti­ge Va­ter“ der His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein. In: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 207, 2004, S. 33-62.
Föh­les, Eleo­no­re, Kul­tur­kampf und ka­tho­li­sches Mi­lieu 1866-1890 in den nie­der­rhei­ni­schen Krei­sen Kem­pen und Gel­dern und der Stadt Vier­sen, Gel­dern 1995, S. 59-60, 250, 265, 270.
He­gel Edu­ard, Von Jo­seph Hu­bert Moo­ren zu Max Brau­bach. Fünf Vor­sit­zen­de des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein und ihr Bei­trag zur rhei­ni­schen Ge­schich­te, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 182 (1979), S. 9-23.
Hen­richs, Leo­pold. Ge­schich­te der Stadt und des Lan­des Wach­ten­donk, 2. Auf­la­ge, Keve­la­er 1973, S. 433-435, 458.
Holt­hau­sen, Au­gust, Ge­schich­te des His­to­ri­schen Ver­eins für Gel­dern und nächs­te Um­ge­gend, Gel­dern 1903.
In­gen­haag, An­ton, „Was fes­ten Be­stand ha­ben soll…“. Die Ver­diens­te des Pfar­rers und Hei­mat­for­schers Dr. h. c. J. H. Moo­ren, in: Gel­dri­scher Hei­mat­ka­len­der 1965, S. 90-92.
Kel­ler, Karl, Ge­schich­te des His­to­ri­schen Ver­eins für Gel­dern und Um­ge­gend, Gel­dern 1968.
Schnüt­gen, Alex­an­der, Fünf­und­sieb­zig Jah­re his­to­ri­scher Ver­ein für den Nie­der­rhein, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 115 (1929), S. 5-37.
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Online

Wolf­gang Sturm - Ge­nea­Net: Jo­seph Hu­bert Moo­ren.

Grabmal Joseph Mooren. (Gemeindearchiv Wachtendonk)

 
Zitationshinweis

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Löhr, Wolfgang, Joseph Hubert Mooren, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joseph-hubert-mooren/DE-2086/lido/5f7463c44317f5.97046021 (abgerufen am 28.03.2024)