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Julius Schmidt war einer der bedeutendsten beobachtenden Astronomen des 19. Jahrhunderts. Er gehörte noch der Epoche der Astronomie an, in der es vor allem darum ging, astronomische Ereignisse oder Objekte phänomenologisch zu erfassen. Seit frühester Jugend beschäftigte er sich unermüdlich mit dem Sternhimmel. Seine Beobachtungen hielt er in kleinen Skizzen und Zeichnungen fest oder publizierte sie später in den Astronomischen Nachrichten. Von Kometen und veränderlichen Sternen fertigte er über viele Jahre umfangreiche Beobachtungsserien an. Sein Mondatlas von 1878, in dem er die Beobachtungen aus vielen Jahren zusammenfasste, war ein Meilenstein der Astronomie des 19. Jahrhunderts. Julius Schmidts Bekanntheitsgrad wäre heute vielleicht noch viel größer, wenn nicht die Fotografie die Zeichnungen in der Astronomie nach Schmidts Tod abgelöst hätte. Da man fotografisch das schwache Licht der Sterne über Stunden sammeln konnte, zeigten Fotografien wesentlich mehr Details als Zeichnungen. Das Wirken von Julius Schmidt auf die Astronomie zu beschränken, würde seiner Arbeit nicht gerecht werden. Nebenbei beschäftigte er sich noch autodidaktisch mit Meteorologie, Seismik und Vulkanismus.
Johann Friedrich Julius Schmidt wurde am 26.10.1825 als Sohn des Glasers Carl Friedrich Schmidt (1791-1859) und seiner Ehefrau, der aus Hamburg stammenden Maria Elisabeth Quirling (1794–1859), in Eutin in Schleswig-Holstein geboren. Schon als Jugendlicher erwachte in ihm der Ehrgeiz zur Beobachtung von Naturphänomenen aller Art. Im Alter von 14 Jahren erhielt er mit Schroeters „Selenographische Fragmente“ ein Standardwerk der Darstellung der Mondoberfläche. Dieser Mondatlas rief sein großes Interesse an der Astronomie allgemein und vor allem auch an der Beobachtung des Mondes hervor. Sein wissenschaftlicher Werdegang verlief für heutige Verhältnisse außergewöhnlich. Er verließ 1842 vorzeitig das Gymnasium, um sich an der Hamburger Sternwarte ganz der Astronomie zu widmen. Unter seinem Lehrer Karl Ludwig Christian Rümker (1788-1862) entwickelte er sich 1842-1845 zu einem routinierten beobachtenden Astronomen. Von April bis Oktober 1845 arbeitete er bei Johann Friedrich Benzenberg (1777–1846) in Düsseldorf. Hier erlebte er auch die Vollendung von Benzenbergs neuer Sternwarte in Düsseldorf-Bilk, wo er am 9.6.1845 die ersten Beobachtungen in sein Beobachtungstagebuch eintrug. Schmidts eigentliche Aufgabe in Düsseldorf war die Beobachtung astronomischer Phänomene, die man mit bloßem Auge sehen konnte, zum Beispiel Sternschnuppen. Außerdem sollte er mit einem Fernrohr nach Planeten innerhalb der Merkurbahn suchen.
Julius Schmidt verbrachte acht Jahre in Düsseldorf und dann in Bonn, wo er nach seiner ersten Ausbildung in Hamburg zum großen Astronomen heranwuchs. Als 19-Jähriger entdeckte er in Düsseldorf mit dem großen Junikometen von 1845 einen der spektakulärsten Kometen des 19. Jahrhunderts. Besonders von der Zusammenarbeit mit dem erfahreneren Friedrich Wilhelm August Argelander in Bonn wird Schmidt profitiert haben. Im Rheinland begann er auch seine ausgedehnten Zeichenserien.
Um 2009 wurden die Beobachtungstagebücher von Julius Schmidt im Argelander-Institut für Astronomie der Bonner Universität wiederentdeckt. Sie enthalten neben persönlichen Aufzeichnungen, Rechnungen und Gedankenansätzen auch zahlreiche Skizzen und Zeichnungen seiner astronomischen Beobachtungen. Bei diesem bisher nur ansatzweise ausgewertetem Material handelt es sich um wertvolle historische Dokumente der Geschichte der Astronomie im Rheinland. Sie enthalten die ersten astronomischen Beobachtungen an den neuen Sternwarten in Düsseldorf Bilk und Bonn.
Trotz dieser Aufgaben hat der junge Wissenschaftler zusätzlich noch weitere astronomische Objekte untersucht. Das Bilker Beobachtungstagebuch gibt Aufschluss über seine Zeit in Düsseldorf. Diese war reich an besonderen astronomischen Himmelsereignissen! Eine Woche nach seiner Ankunft am 17.4.1845 verzeichnete er an drei Tagen eine ungewöhnlich große Anzahl von Sonnenflecken. Am 8. Mai des gleichen Jahres erfasste er einen Merkurtransit. Bei diesem Ereignis schiebt sich der Planet Merkur vor die Sonne und ist dort mit entsprechenden Filtern als schwarzes Pünktchen sichtbar. Solche Ereignisse vor allem von der Venus waren selten, aber für Astronomen des 19. Jahrhundert die beste Gelegenheit, die mittlere Entfernung zwischen Erde und Sonne zu bestimmen. Diese Größe wird in der Astronomie auch „Astronomische Einheit“ genannt, weil sie die Grundlage aller Entfernungsbestimmungen im Weltall ist. Daneben kam im Sommer 1845 noch eine Marsopposition hinzu, bei der Erde und Mars geringsten Abstand haben und die Oberflächenstrukturen des Mars am besten zu beobachten sind. Der Mars galt in dieser Zeit als besonderes Forschungsobjekt, weil man hoffte, vielleicht dort Spuren von Leben zu finden!
Der Höhepunkt seiner Zeit in Düsseldorf war aber ohne Frage die Entdeckung des großen Junikometen 1845, den Julius Schmidt am 8. Juni in Düsseldorf mit bloßem Auge erfasste. Dieses Ereignis, wie auch zahlreiche andere Beobachtungen hat Julius Schmidt in seinem Düsseldorfer Beobachtungstagebuch DIARIUM III ausführlich erläutert. Der Komet mit dem offiziellem Namen C/1845 L1 war nur ein paar Tage sichtbar, zählt aber wegen seiner hellen Erscheinung (man konnte den Kometenschweif mit bloßem Auge sehen) zu den großen Kometen des 19. Jahrhunderts. Auch wenn der Komet von insgesamt acht Astronomen in Europa gleichzeitig entdeckt wurde, war Schmidt der einzige, der nicht nur Messungen durchführte, sondern auch kleine Zeichnungen in seinem Beobachtungstagebuch anfertigte. Die Skizzen und Protokolle in dem Beobachtungsbuch „Diarium III“ sind Bilddokumente der allerersten Beobachtungen an der Sternwarte in Bilk, die später vor allem durch Robert Luthers (1822-1900) Entdeckungen von 24 Asteroiden berühmt wurde.
Trotz dieser großartigen Beobachtungsergebnisse ergaben sich zunehmend Spannungen zwischen Benzenberg und Schmidt, die dazu führten, dass Julius Schmidt seine Tätigkeit im Oktober 1845 in Düsseldorf und Bilk beendete. Nach einigen Reisen mit Beobachtungen in Bonn, Eutin und Hamburg begann er am 1. Februar 1846 seine Assistententätigkeit bei Friedrich Wilhelm August Argelander in Bonn. Neben der Beteiligung an den Beobachtungen zur Bonner Durchmusterung und an einer Berliner Sternkarte befasste er sich hier mit Kometen und Planeten.
Kometen sind kilometergroße Objekte unseres Sonnensystems. Sie bewegen sich auf langgestreckten Bahnen um die Sonne und enthalten Eis. Dieses erwärmt sich in der Nähe der Sonne, geht in gasförmigen Zustand über und löst sich von dem festen Kometenkern. Da bei diesem Prozess Staubteilchen mitgerissen werden und von der Sonne angestrahlt werden, ergeben sich die bekannten großflächigen Kometenschweife. Da solche Objekte oft unerwartet am Sternhimmel auftauchten, war die Erfassung dieser Objekte eine der typischen Aufgaben von Sternwarten in dieser Zeit. In seiner Bonner Zeit bestimmte Julius Schmidt am Meridiankreis und anderen Geräten die Positionen von Kometen und neuentdeckten Planeten für die Berechnung deren Bahnen. Man wollte die Position eines solchen Objekts immer vorhersagen können. Daneben hat Julius Schmidt aber auch die genaue Bildung der Kometenschweife interessiert, die er in Bonn verstärkt begann, in Zeichnungen festzuhalten. Für solche Arbeiten war neben einem guten Auge auch zeichnerisches Können notwendig. Die vielen Skizzen in den Beobachtungstagebüchern belegen, dass Julius Schmidt unentwegt die klaren Nächte nutzte, um Skizzen von Kometen und Planeten anzufertigen. Aber auch andere Phänomene wie Nordlichter, Finsternisse und besondere Wolkenformationen hielt er in seinem Tagebuch zeichnerisch fest.
Ein besonderes Ereignis ergab sich 1846 nach seinem Arbeitsbeginn in Bonn durch den Kometen 3D/Biela. Dieser war im Januar 1846 in zwei Teile zerbrochen. Es war das erste Mal, das Astronomen ein solches Phänomen beobachten konnten. In dem Bonner Beobachtungstagebuch von 1846 finden sich über zehn Skizzen des auseinandergebrochenen Kometen, der in Bonn bis April 1846 beobachtet werden konnte. Diese einzigartigen Skizzen sind bis heute noch nicht veröffentlicht.
Auf Empfehlung von Argelander übernahm Julius Schmidt im Jahre 1853 die Leitung einer Privatsternwarte in Olmütz/Mähren (heute Olomouc). Dort widmete er sich vor allem seinen Zeichnungen der Mondoberfläche. Dafür reiste er auch nach Italien, um für diese Arbeit die großen Linsenfernrohre in Neapel und Rom zu nutzen. Ab 1858 leitete Julius Schmidt dann die Sternwarte in Athen. Seine erste Aufgabe war die Justierung des Athener Refraktors. Dann setzte er seine Beobachtungen vorwiegend des Mondes, der Kometen, der veränderlichen Sterne und der Meteore fort. Von 1858 bis zu seinem Tode verfasste Julius Schmidt mit über 250 Arbeiten eine ungewöhnlich große Zahl an wissenschaftlichen Veröffentlichungen vorwiegend astronomischer Beobachtungen. Die Themen reichten von Meteoren, Sonnenflecken, Planetenoberflächen, Kometen bis zu veränderlichen Sternen. Allein die Anzahl seiner Beobachtungen in Athen dieser für die Astronomie so wichtigen Sterne betrug 70.000.
1876 erschien seine umfangreiche Arbeit über Meteorerscheinungen, die er 1842-1876, also auch in seiner Zeit in Düsseldorf und Bonn, gesammelt hatte. Im Jahre 1878 veröffentlichte Julius Schmidt mit der „Charte der Gebirge des Mondes“ seine ebenfalls über viele Jahre in mehreren Sternwarten gesammelten Beobachtungen des Mondes. In diesem Atlas, der als der genaueste Mondatlas des 19. Jahrhunderts gilt, sind mehr als 30.000 Mondkrater verzeichnet. Die Veröffentlichungen des Atlasses gestattete sich wegen der hohen Kosten, die das Athener Observatorium nicht aufbringen konnte, schwierig. Letztlich war es die Begeisterung der Berliner Astronomen und des Preußischen Kronprinzen, die dazu führte, dass der Atlas durch ein Ministerium in Berlin finanziert und herausgegeben wurde.
Neben der Astronomie hat Schmidt noch an vulkanischen Erscheinungen und der physischen Geologie von Griechenland gearbeitet. Wissenschaftlich genoss Julius Schmidt großes Ansehen. Seine internationale Reputation führte dazu, dass er 1862 korrespondierendes Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften, 1868 Ehrendoktor der Bonner Universität, 1874 assoziiertes Mitglied der British Royal Astronomical Society wurde. 1883 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Aber auch in Athen hatte er sich großes Ansehen erworben. Als er am 7.2.1884 unerwartet starb, nahm die Athener Bevölkerung daran großen Anteil.
Sein schriftlicher Nachlass befindet sich im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Werke (Auswahl)
Über Meteore, in: Astronomische Nachrichten 88 (1876), S. 321-347.
Charte der Gebirge des Mondes nach eigenen Beobachtungen in den Jahren 1840-1874, Berlin 1878.
Studien über Vulkane und Erdbeben, Leipzig 1881.
Literatur
[Anonym], Associates deceased: Associates J. F. J. Schmidt, in: Monthly Notices of the Royal Astonomical Society 45 (1885), S. 211-218.
Ferrari d’Occieppo, Konrad, in: Schmidt, Johann Friedrich Julius, in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 199.
Geffert, Michael, Die Beobachtungstagebücher von Johann Friedrich Julius Schmidt, in: Proceedings der Tagung des Arbeitskreises Astronomiegeschichte in der Astronomischen Gesellschaft 2014 Nuncius Hamburgensis 31 (2015), S. 243-255.
Geffert, Michael/Haberland, Detlef, Entdeckung und Beobachtung des großen Juni-Kometen von 1845 (C/1845 L1) durch Julius Schmidt in Düsseldorf und Bilk, in: Beiträge zur Astronomiegeschichte 66 (2019), S. 289-304.
Krüger, Adalbert, Todes-Anzeige (Johann, Friedrich, Julius Schmidt), in: Astronomische Nachrichten 108 (1884), S. 129.
Online
Geffert. Michael, Der große Komet von 1845 in Düsseldorf (abgerufen am 30.10.2021). [Online]
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Geffert, Michael, Julius Schmidt, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/julius-schmidt/DE-2086/lido/621f19dd5d4430.05584228 (abgerufen am 06.12.2024)