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Karl Leberecht Immermann war ein zeitkritischer Schriftsteller und Dramatiker der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In seinem Werk streitet die frühmoderne Einsicht in die Unumkehrbarkeit der in den deutschen Staaten mit den Befreiungskriegen und der nachfolgend einsetzenden Industrialisierung begonnenen politisch-gesellschaftlichen Veränderungen mit dem romantischen Ideal eines ganzheitlichen und befriedeten Lebens. Im Spannungsfeld von Romantik und Vormärz, Biedermeier und Realismus ist er zugleich einer der wenigen komischen Schriftsteller, den die deutsche Literatur hervorgebracht hat.
Karl Immermann wurde am 24.4.1796 als erstes von vier Kindern des preußischen Kriegs- und Domänenrats Gottlieb Leberecht Immermann und seiner Frau Friederike Wilhelmine, geborene Wilda, in Magdeburg geboren. Ab 1807 besuchte er in seiner Vaterstadt das Gymnasium im Kloster „Unserer lieben Frauen". Nach der Reifeprüfung im Jahr 1813 immatrikulierte er sich zum Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Halle. Bereits nach seinem ersten Semester wurde die Hochschule auf Anordnung des französischen Kaisers Napoleon I. Bonaparte (1769-1821) geschlossen und Immermann meldete sich bei der Rekrutierungskommission in Neuhaldensleben als freiwilliger Jäger. Aufgrund eines schweren Nervenfiebers konnte er jedoch nicht aktiv am Befreiungskrieg gegen die französische Besatzung teilnehmen, sondern setzte im Herbst 1814, nach der Völkerschlacht bei Leipzig, das Studium in Halle fort.
Nach einem weiteren Semester meldete er sich im April 1815 erneut als Freiwilliger zum Feldzug gegen Napoleon. Er traf jedoch erst nach dem Sieg der alliierten Truppen über die französische Armee in Aachen ein, wo die Rekruten den Truppenteilen zugeordnet werden sollten. Nach seiner Rückkehr 1816 führte er die juristische Ausbildung in Halle fort. In diese Zeit fallen die Auseinandersetzungen mit der Burschenschaft „Teutonia", in deren Verlauf Immermann gegen die Gewaltexzesse der geheimen Studentenverbindung Stellung bezog und 1817 mit den Schriften „Ein Wort zur Beherzigung" und „Letztes Wort über die Streitigkeiten der Studierenden zu Halle" an die Öffentlichkeit trat. Beide Schriften wurden im selben Jahr auf dem Wartburgfest verbrannt.
Nachdem Immermann 1818 die erste juristische Staatsprüfung am Oberlandesgericht zu Halberstadt abgelegt hatte, wurde er zum Auskultator am Kreisgericht in Oschersleben ernannt. Die zweite juristische Staatsprüfung absolvierte er im Folgejahr in Magdeburg, wo er anschließend am Oberlandesgericht ein Referendariat ableistete. Im November 1819 wurde er als Auditeur beim Generalkommando nach Münster berufen. Diese Position eines in der Militärgerichtsbarkeit dem Richter zur Seite gestellten Rechtsgelehrten bekleidete er bis zu der Bestellung zum Kriminalrichter in Magdeburg im Jahr 1824.
In Münster, dem Sitz des Oberpräsidiums der preußischen Provinz Westfalen, veröffentlichte der junge Jurist und angehende Schriftsteller seine ersten literarischen Werke, im Jahr 1821 das romantische Lustspiel „Die Prinzen von Syrakus", im Folgejahr den Band „Trauerspiele" („Das Thal von Ronceval", „Edwin" und „Petrarca"), eine Gedichtsammlung sowie die Erzählung „Die Papierfenster eines Eremiten". 1823 folgten das Drama „König Periander und sein Haus" sowie die Novelle „Der neue Pygmalion". Am literarischen Leben beteiligte sich Immermann auch durch die Tätigkeit als Rezensent. Nach einer positiven Kritik der „Gedichte" von Heinrich Heine (1822), die im „Rheinisch-Westfälischen Anzeiger" erschien, entstand ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden Schriftstellern, das erst in Folge der literarischen Auseinandersetzungen mit dem Grafen August von Platen-Hallermünde (1796-1835) distanzierter wurde.
Die Produktivität Immermanns verlief parallel zu der Begegnung mit Elisa von Lützow, geborene Gräfin Ahlefeld (1788–1855) im Jahr 1822. Die Liebesbeziehung mit der Gattin des preußischen Generalmajors Adolph Freiherr von Lützow (1782–1834) mündete in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die bis zum Jahr 1839 bestehen blieb. Nach der Scheidung von Adolph von Lützow folgte ihm die Gräfin Ahlefeld nach Magdeburg. In den drei Jahren, die er erneut in seiner Vaterstadt verbrachte, entstanden „Cardenio und Celinde" (1825) sowie das „Trauerspiel in Tirol" (1826), ferner erschien die gemeinsam mit der Gräfin Ahlefeld erarbeitete deutsche Übersetzung des Romans „Ivanhoe" von Sir Walter Scott. Die Gräfin begleitete Immermann auch, als er 1827 zum Landgerichtsrat in Düsseldorf ernannt wurde. Noch im Jahr ihrer Übersiedlung an den Rhein vollendete er das Hohenstaufendrama „Kaiser Friedrich der Zweite".
Das Haus, das Immermann und seine Lebensgefährtin vor den Toren Düsseldorfs in Derendorf bezogen, wurde bald zu einem Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle. Immermann pflegte freundschaftlichen Umgang mit dem Rektor der Kunstakademie Wilhelm Schadow und weiteren Akademiemitgliedern, wie Karl Friedrich Lessing (1808-1880) und Johann Wilhelm Schirmer. Zum Freundeskreis gehörten ferner die Schriftsteller Christian Dietrich Grabbe (1801-1836) und Friedrich von Uechtritz (1800-1875), den Immermann im Haus von Amalie von Sybel (1798-1847) kennengelernt hatte, dem gesellschaftlichen Mittelpunkt des geistigen Lebens der Stadt. In den ersten Düsseldorfer Jahren entstanden als Replik auf die Angriffe des Grafen von Platen die Streitschrift „Der im Irrgarten der Metrik umhertaumelnde Kavalier" (1829), das komische Versepos „Tulifäntchen" (1830), zu dem Heinrich Heine Änderungen und Korrekturen beitrug sowie im Jahr 1832 das Drama „Merlin" und die dramatische Trilogie „Alexis".
Immermanns Produktivität blieb jedoch nicht auf den Bereich der Literatur beschränkt. Im Jahr 1829 zählte er zu den Gründungsmitgliedern des „Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen", drei Jahre später, 1832, begründete er den „Theaterverein", in dessen Trägerschaft das Düsseldorfer Stadttheater fortan stand. Seine Pläne zur Reform des deutschen Theaters konnte er ab 1834 umsetzen, als er sich vom Staatsdienst beurlauben ließ, um die Intendanz des Theaters zu übernehmen. Die Mustervorstellungen der städtischen Bühne mussten jedoch aufgrund finanzieller Schwierigkeiten bereits 1835 eingestellt werden, und Immermann trat mit dem Beginn des Jahres 1836 wieder in seine Position im Landgericht ein.
Die zentralen literarischen Werke Immermanns in den 1830er Jahren sind die Romane „Die Epigonen" (1836) und „Münchhausen" (1839), mit denen er die Gattung des Bildungsromans fortführte und die Tradition des komischen Romans in Deutschland erneuerte. Als Zeitromane, die einerseits den für die Epoche charakteristischen Kontrast von Restauration und Liberalismus abbilden und andererseits über die Möglichkeiten einer neuen literarischen Ästhetik am Ende der klassisch-romantischen Kunstperiode reflektieren, markieren beide Werke den Übergang von der Erzählkunst der Romantik zum Realismus. Dem „Münchhausen" entstammt die Erzählung „Der Oberhof", die bis in das 20. Jahrhundert weite Verbreitung fand und das Bild des Schriftstellers maßgeblich prägte.
Die Trennung von Elisa von Ahlefeld, die nicht bereit war, in eine Ehe einzuwilligen, erfolgte im Jahr 1839. Immermann heiratete die 24 Jahre jüngere Marianne Niemeyer, die er während eines Aufenthaltes in seiner Vaterstadt Magdeburg kennen gelernt hatte. Wenige Monate nach der Hochzeit und nur einige Tage nach der Geburt seiner ersten Tochter, inmitten der Arbeit an dem autobiographischen Erinnerungswerk „Memorabilien", starb Immermann am 25.8.1840 in Düsseldorf an einem Lungenschlag.
Schriften
Hasubek, Peter (Hg.), Karl Leberecht Immermann, Briefe. Textkritische und kommentierte Ausgabe in drei Bänden, München 1978-1987.
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_ Wiese, Benno von (Hg.), Karl Leberecht Immermann, Werke in fünf Bänden, Frankfurt a. M. 1971-1977.
Literatur
Fauser, Markus, Intertextualität als Poetik des Epigonalen. Immermann-Studien, München 1999.
Hasubek, Peter (Hg.), Epigonentum und Originalität, Immermann und seine Zeit - Immermann und die Folgen, Frankfurt a. M. 1997.
Hasubek, Peter / Vonhoff, Gert (Hg.), Immermann-Jahrbuch, Beiträge zur Literatur- und Kulturgeschichte zwischen 1815 und 1840, 9 Bände, Frankfurt a. M./Berlin 2000ff.
Miller, Thomas, "Immermann, Carl Leberecht", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 23 (2004), Sp. 700-717.
Online
Hasubek, Peter, Immermann im Internet (Umfassende Information auf der Website des Immermannforschers Peter Hasubek). [Online]
Wiese, Benno von, "Immermann, Karl", in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 159-163. [Online]
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Singh, Sikander, Karl Immermann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-immermann/DE-2086/lido/57c92826aeac18.98795126 (abgerufen am 09.10.2024)