Karl Immermann

Schriftsteller (1796-1840)

Sikander Singh (Düsseldorf/Weimar)

DE-2086, LVR_ILR_0000147123.

Karl Le­be­recht Im­mer­mann war ein zeit­kri­ti­scher Schrift­stel­ler und Dra­ma­ti­ker der ers­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts. In sei­nem Werk strei­tet die früh­mo­der­ne Ein­sicht in die Un­um­kehr­bar­keit der in den deut­schen Staa­ten mit den Be­frei­ungs­krie­gen und der nach­fol­gend ein­set­zen­den In­dus­tria­li­sie­rung be­gon­ne­nen po­li­tisch-ge­sell­schaft­li­chen Ver­än­de­run­gen mit dem ro­man­ti­schen Ide­al ei­nes ganz­heit­li­chen und be­frie­de­ten Le­bens. Im Span­nungs­feld von Ro­man­tik und Vor­märz, Bie­der­mei­er und Rea­lis­mus ist er zu­gleich ei­ner der we­ni­gen ko­mi­schen Schrift­stel­ler, den die deut­sche Li­te­ra­tur her­vor­ge­bracht hat.

Karl Im­mer­mann wur­de am 24.4.1796 als ers­tes von vier Kin­dern des preu­ßi­schen Kriegs- und Do­mä­nen­rats Gott­lieb Le­be­recht Im­mer­mann und sei­ner Frau Frie­de­ri­ke Wil­hel­mi­ne, ge­bo­re­ne Wil­da, in Mag­de­burg ge­bo­ren. Ab 1807 be­such­te er in sei­ner Va­ter­stadt das Gym­na­si­um im Klos­ter „Un­se­rer lie­ben Frau­en". Nach der Rei­fe­prü­fung im Jahr 1813 im­ma­tri­ku­lier­te er sich zum Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­tät Hal­le. Be­reits nach sei­nem ers­ten Se­mes­ter wur­de die Hoch­schu­le auf An­ord­nung des fran­zö­si­schen Kai­sers Na­po­le­on I. Bo­na­par­te (1769-1821) ge­schlos­sen und Im­mer­mann mel­de­te sich bei der Re­kru­tie­rungs­kom­mis­si­on in Neu­hal­dens­le­ben als frei­wil­li­ger Jä­ger. Auf­grund ei­nes schwe­ren Ner­ven­fie­bers konn­te er je­doch nicht ak­tiv am Be­frei­ungs­krieg ge­gen die fran­zö­si­sche Be­sat­zung teil­neh­men, son­dern setz­te im Herbst 1814, nach der Völ­ker­schlacht bei Leip­zig, das Stu­di­um in Hal­le fort.

Nach ei­nem wei­te­ren Se­mes­ter mel­de­te er sich im April 1815 er­neut als Frei­wil­li­ger zum Feld­zug ge­gen Na­po­le­on. Er traf je­doch erst nach dem Sieg der al­li­ier­ten Trup­pen über die fran­zö­si­sche Ar­mee in Aa­chen ein, wo die Re­kru­ten den Trup­pen­tei­len zu­ge­ord­net wer­den soll­ten. Nach sei­ner Rück­kehr 1816 führ­te er die ju­ris­ti­sche Aus­bil­dung in Hal­le fort. In die­se Zeit fal­len die Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Bur­schen­schaft „Teu­to­nia", in de­ren Ver­lauf Im­mer­mann ge­gen die Ge­walt­ex­zes­se der ge­hei­men Stu­den­ten­ver­bin­dung Stel­lung be­zog und 1817 mit den Schrif­ten „Ein Wort zur Be­her­zi­gung" und „Letz­tes Wort über die Strei­tig­kei­ten der Stu­die­ren­den zu Hal­le" an die Öf­fent­lich­keit trat. Bei­de Schrif­ten wur­den im sel­ben Jahr auf dem Wart­burg­fest ver­brannt.

Nach­dem Im­mer­mann 1818 die ers­te ju­ris­ti­sche Staats­prü­fung am Ober­lan­des­ge­richt zu Hal­ber­stadt ab­ge­legt hat­te, wur­de er zum Aus­kulta­tor am Kreis­ge­richt in Oschers­le­ben er­nannt. Die zwei­te ju­ris­ti­sche Staats­prü­fung ab­sol­vier­te er im Fol­ge­jahr in Mag­de­burg, wo er an­schlie­ßend am Ober­lan­des­ge­richt ein Re­fe­ren­da­ri­at ab­leis­te­te. Im No­vem­ber 1819 wur­de er als Au­di­teur beim Ge­ne­ral­kom­man­do nach Müns­ter be­ru­fen. Die­se Po­si­ti­on ei­nes in der Mi­li­tär­ge­richts­bar­keit dem Rich­ter zur Sei­te ge­stell­ten Rechts­ge­lehr­ten be­klei­de­te er bis zu der Be­stel­lung zum Kri­mi­nal­rich­ter in Mag­de­burg im Jahr 1824.

In Müns­ter, dem Sitz des Ober­prä­si­di­ums der preu­ßi­schen Pro­vinz West­fa­len, ver­öf­fent­lich­te der jun­ge Ju­rist und an­ge­hen­de Schrift­stel­ler sei­ne ers­ten li­te­ra­ri­schen Wer­ke, im Jahr 1821 das ro­man­ti­sche Lust­spiel „Die Prin­zen von Sy­ra­kus", im Fol­ge­jahr den Band „Trau­er­spie­le" („Das Thal von Ron­ce­val", „Ed­win" und „Pe­trar­ca"), ei­ne Ge­dicht­samm­lung so­wie die Er­zäh­lung „Die Pa­pier­fens­ter ei­nes Ere­mi­ten". 1823 folg­ten das Dra­ma „Kö­nig Pe­ri­an­der und sein Haus" so­wie die No­vel­le „Der neue Pyg­ma­li­on". Am li­te­ra­ri­schen Le­ben be­tei­lig­te sich Im­mer­mann auch durch die Tä­tig­keit als Re­zen­sent. Nach ei­ner po­si­ti­ven Kri­tik der „Ge­dich­te" von Hein­rich Hei­ne (1822), die im „Rhei­nisch-West­fä­li­schen An­zei­ger" er­schien, ent­stand ein freund­schaft­li­ches Ver­hält­nis zwi­schen den bei­den Schrift­stel­lern, das erst in Fol­ge der li­te­ra­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem Gra­fen Au­gust von Pla­ten-Hal­ler­mün­de (1796-1835) dis­tan­zier­ter wur­de.

Die Pro­duk­ti­vi­tät Im­mer­manns ver­lief par­al­lel zu der Be­geg­nung mit Eli­sa von Lüt­zow, ge­bo­re­ne Grä­fin Ah­le­feld (1788–1855) im Jahr 1822. Die Lie­bes­be­zie­hung mit der Gat­tin des preu­ßi­schen Ge­ne­ral­ma­jors Adolph Frei­herr von Lüt­zow (1782–1834) mün­de­te in ei­ner nicht­ehe­li­chen Le­bens­ge­mein­schaft, die bis zum Jahr 1839 be­ste­hen blieb. Nach der Schei­dung von Adolph von Lüt­zow folg­te ihm die Grä­fin Ah­le­feld nach Mag­de­burg. In den drei Jah­ren, die er er­neut in sei­ner Va­ter­stadt ver­brach­te, ent­stan­den „Car­de­nio und Ce­lin­de" (1825) so­wie das „Trau­er­spiel in Ti­rol" (1826), fer­ner er­schien die ge­mein­sam mit der Grä­fin Ah­le­feld er­ar­bei­te­te deut­sche Über­set­zung des Ro­mans „Iv­an­hoe" von Sir Wal­ter Scott. Die Grä­fin be­glei­te­te Im­mer­mann auch, als er 1827 zum Land­ge­richts­rat in Düs­sel­dorf er­nannt wur­de. Noch im Jahr ih­rer Über­sied­lung an den Rhein voll­ende­te er das Ho­hen­stau­fen­dra­ma „Kai­ser Fried­rich der Zwei­te".

Das Haus, das Im­mer­mann und sei­ne Le­bens­ge­fähr­tin vor den To­ren Düs­sel­dorfs in De­ren­dorf be­zo­gen, wur­de bald zu ei­nem Treff­punkt für Künst­ler und In­tel­lek­tu­el­le. Im­mer­mann pfleg­te freund­schaft­li­chen Um­gang mit dem Rek­tor der Kunst­aka­de­mie Wil­helm Scha­dow und wei­te­ren Aka­de­mie­mit­glie­dern, wie Karl Fried­rich Les­sing (1808-1880) und Jo­hann Wil­helm Schir­mer. Zum Freun­des­kreis ge­hör­ten fer­ner die Schrift­stel­ler Chris­ti­an Diet­rich Grab­be (1801-1836) und Fried­rich von Uech­tritz (1800-1875), den Im­mer­mann im Haus von Ama­lie von Sy­bel (1798-1847) ken­nen­ge­lernt hat­te, dem ge­sell­schaft­li­chen Mit­tel­punkt des geis­ti­gen Le­bens der Stadt. In den ers­ten Düs­sel­dor­fer Jah­ren ent­stan­den als Re­plik auf die An­grif­fe des Gra­fen von Pla­ten die Streit­schrift „Der im Irr­gar­ten der Me­trik um­her­tau­meln­de Ka­va­lier" (1829), das ko­mi­sche Vers­epos „Tu­li­fänt­chen" (1830), zu dem Hein­rich Hei­ne Än­de­run­gen und Kor­rek­tu­ren bei­trug so­wie im Jahr 1832 das Dra­ma „Mer­lin" und die dra­ma­ti­sche Tri­lo­gie „Alexis".

Im­mer­manns Pro­duk­ti­vi­tät blieb je­doch nicht auf den Be­reich der Li­te­ra­tur be­schränkt. Im Jahr 1829 zähl­te er zu den Grün­dungs­mit­glie­dern des „Kunst­ver­eins für die Rhein­lan­de und West­fa­len", drei Jah­re spä­ter, 1832, be­grün­de­te er den „Thea­ter­ver­ein", in des­sen Trä­ger­schaft das Düs­sel­dor­fer Stadt­thea­ter fort­an stand. Sei­ne Plä­ne zur Re­form des deut­schen Thea­ters konn­te er ab 1834 um­set­zen, als er sich vom Staats­dienst be­ur­lau­ben ließ, um die In­ten­danz des Thea­ters zu über­neh­men. Die Mus­ter­vor­stel­lun­gen der städ­ti­schen Büh­ne muss­ten je­doch auf­grund fi­nan­zi­el­ler Schwie­rig­kei­ten be­reits 1835 ein­ge­stellt wer­den, und Im­mer­mann trat mit dem Be­ginn des Jah­res 1836 wie­der in sei­ne Po­si­ti­on im Land­ge­richt ein.

Die zen­tra­len li­te­ra­ri­schen Wer­ke Im­mer­manns in den 1830er Jah­ren sind die Ro­ma­ne „Die Epi­go­nen" (1836) und „Münch­hau­sen" (1839), mit de­nen er die Gat­tung des Bil­dungs­ro­mans fort­führ­te und die Tra­di­ti­on des ko­mi­schen Ro­mans in Deutsch­land er­neu­er­te. Als Zeit­ro­ma­ne, die ei­ner­seits den für die Epo­che cha­rak­te­ris­ti­schen Kon­trast von Re­stau­ra­ti­on und Li­be­ra­lis­mus ab­bil­den und an­de­rer­seits über die Mög­lich­kei­ten ei­ner neu­en li­te­ra­ri­schen Äs­the­tik am En­de der klas­sisch-ro­man­ti­schen Kunst­pe­ri­ode re­flek­tie­ren, mar­kie­ren bei­de Wer­ke den Über­gang von der Er­zähl­kunst der Ro­man­tik zum Rea­lis­mus. Dem „Münch­hau­sen" ent­stammt die Er­zäh­lung „Der Ober­hof", die bis in das 20. Jahr­hun­dert wei­te Ver­brei­tung fand und das Bild des Schrift­stel­lers ma­ß­geb­lich präg­te.

Die Tren­nung von Eli­sa von Ah­le­feld, die nicht be­reit war, in ei­ne Ehe ein­zu­wil­li­gen, er­folg­te im Jahr 1839. Im­mer­mann hei­ra­te­te die 24 Jah­re jün­ge­re Ma­ri­an­ne Nie­mey­er, die er wäh­rend ei­nes Auf­ent­hal­tes in sei­ner Va­ter­stadt Mag­de­burg ken­nen ge­lernt hat­te. We­ni­ge Mo­na­te nach der Hoch­zeit und nur ei­ni­ge Ta­ge nach der Ge­burt sei­ner ers­ten Toch­ter, in­mit­ten der Ar­beit an dem au­to­bio­gra­phi­schen Er­in­ne­rungs­werk „Me­mo­ra­bi­li­en", starb Im­mer­mann am 25.8.1840 in Düs­sel­dorf an ei­nem Lun­gen­schlag.

Schriften

Ha­su­b­ek, Pe­ter (Hg.), Karl Le­be­recht Im­mer­mann, Brie­fe. Text­kri­ti­sche und kom­men­tier­te Aus­ga­be in drei Bän­den, Mün­chen 1978-1987. _
_ Wie­se, Ben­no von (Hg.), Karl Le­be­recht Im­mer­mann, Wer­ke in fünf Bän­den, Frank­furt a. M. 1971-1977. 

Literatur

Fau­ser, Mar­kus, In­ter­textua­li­tät als Poe­tik des Epi­go­na­len. Im­mer­mann-Stu­di­en, Mün­chen 1999.
Ha­su­b­ek, Pe­ter (Hg.), Epi­go­nen­tum und Ori­gi­na­li­tät, Im­mer­mann und sei­ne Zeit - Im­mer­mann und die Fol­gen, Frank­furt a. M. 1997.
Ha­su­b­ek, Pe­ter / Von­hoff, Gert (Hg.), Im­mer­mann-Jahr­buch, Bei­trä­ge zur Li­te­ra­tur- und Kul­tur­ge­schich­te zwi­schen 1815 und 1840, 9 Bän­de, Frank­furt a. M./Ber­lin 2000ff.
Mil­ler, Tho­mas, "Im­mer­mann, Carl Le­be­recht", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 23 (2004), Sp. 700-717.

Online

Ha­su­b­ek, Pe­ter, Im­mer­mann im In­ter­ne­t (Um­fas­sen­de In­for­ma­ti­on auf der Web­site des Im­mer­mann­for­schers Pe­ter Ha­su­b­ek). [On­line]
Wie­se, Ben­no von, "Im­mer­mann, Karl", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 10 (1974), S. 159-163. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Singh, Sikander, Karl Immermann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-immermann/DE-2086/lido/57c92826aeac18.98795126 (abgerufen am 09.10.2024)