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Nach der Veröffentlichung der Thesen von Martin Luther (1483-1546) und der sich in der Folge rasant ausbreitenden Reformation tat sich der nunmehr zur katholischen Kirche gewordene alte Glaube lange Zeit schwer, inhaltliche Antworten auf die Forderungen und Feststellungen des neuen Glaubens zu geben. Erst das Trienter Konzil von 1545 bis 1563 leitete eine Gegenbewegung ein, die nicht ganz zu Unrecht auch Gegenreformation genannt wird und eine Phase der Konfessionalisierung einleitete, während der sowohl die katholische wie auch die protestantische Seite die Durchdringung möglichst vieler Lebensbereiche der Gläubigen anstrebten.
Der Erfolg dieser Gegenreformation war unterschiedlich; teilweise konnten zeitweilig protestantische oder dem Protestantismus nahe stehende Gebiete und Körperschaften wieder für den alten Glauben zurückgewonnen werden. Von zentraler Bedeutung war auch, wenn Personen von öffentlichem Interesse sich wieder zur katholischen Lehre bekannten; so wurde die Konversion Königin Christinas von Schweden (1626-1689), zumal diese im Umfeld des Dreißigjährigen Kriegs erfolgte und Christina als einer der wenigen Frauen eine Grabstätte im Petersdom in Rom sicherte, geradezu triumphal gefeiert.
Ein Dreivierteljahrhundert zuvor erregte die Konversion eines Gelehrten deutlich weniger Freude und Aufmerksamkeit. Während Adlige häufig und scheinbar wahllos ihren offiziellen Glauben änderten, je nachdem, welche Vorteile dadurch zu erreichen waren, führten die bürgerlichen Theologen und Philosophen den konfessionellen Streit meist mit großem Engagement und durchaus erbittert. Als Kaspar Ulenberg im Herbst 1572 sich zum katholischen Glauben bekannte, war das deshalb ein bemerkenswerter Vorgang, der dem Gelehrten die Zuneigung der altgläubigen Welt und damit verbunden auch entsprechend einflussreiche Positionen sicherte.
Geboren wurde Kaspar Ulenberg am Heiligabend des Jahres 1548 in einem evangelischen Elternhaus im westfälischen Lippstadt, das sich schon früh der Reformation geöffnet hatte; durchaus selten ist die friedliche Koexistenz der Lippstädter Bürger mit einer kleinen und doch wachsenden katholischen Gemeinde, die im Stadtbezirk weiter geduldet wurde. Hieraus eine allgemeine Toleranz in religiösen Fragen abzuleiten, ginge vermutlich fehl; immerhin war das Klima, in dem Ulenberg aufwuchs und seine Schulbildung durchlief, aber nicht dermaßen feindselig wie andernorts.
1567 begann Ulenberg seine Studien am Gymnasium Martineum in Braunschweig, bevor er sie 1569 an der Universität zu Wittenberg, im Zentrum des Luthertums also, fortsetzte. Er fiel durch Fleiß und Gelehrsamkeit auf und erhielt recht bald eine Lehrerstelle, zunächst an der Schola Nortalbingica in Lunden im norddeutschen Dithmarschen, später in seiner Heimatstadt. Möglicherweise entzog sich Ulenberg damit auch den seit Luthers Tod innerhalb des protestantischen Lagers schwelenden Streitigkeiten. Als ein in Köln lebender Verwandter zum Katholizismus konvertierte, überzeugte Ulenberg ihn, den Schritt rückgängig zu machen. Allerdings scheint er sich in dieser Zeit erstmals intensiver mit der katholischen Lehre beschäftigt zu haben und geriet darüber in Austausch mit dem ebenfalls aus Lippstadt stammenden, fast gleichaltrigen Johannes Nopel (1548-1605), der an der Kölner Universität lehrte und später Domherr und ab 1601 auch Weihbischof in Köln war.
In dieser Zeit erlebte das Kölner Laurentianergymnasium eine vorübergehende Blütezeit. Ohne den genauen Beweggrund für Ulenbergs Konversionsentscheidung zu kennen, scheint neben der persönlichen Bekanntschaft mit Nopel auch diese neue, wahrscheinlich inspirierende Bildungsstätte für Ulenberg ein Anlass für seinen Glaubenswechsel gewesen zu sein. Den Schritt vollzog er nämlich beinahe gleichzeitig mit seiner Immatrikulation an der Kölner Universität im Herbst 1572, die damit sicherlich eine wichtige Rolle in Ulenbergs Leben und Glauben gespielt haben wird. Später, so etwa in der Vorrede einer Lehrschrift aus dem Jahr 1589, gab Ulenberg an, er habe sich schon früh mit der protestantischen Lehre schwer getan, sei aber andererseits durch Erzählungen vom Papsttum geradezu abgeschreckt gewesen. Dass ihm insgesamt die im großen Maßstab nach dem Tridentinum und im lokalen Rahmen des aufstrebenden Laurentianums in einigem Aufbruch befindliche katholische Partei attraktiver erschien als der im Detail verharrende Disput verschiedener lutherischer und reformierter Strömungen, scheint jedenfalls offensichtlich zu sein.
Nach dem Baccalaureat 1573 und dem philosophischen Lizenziat 1574 promovierte Ulenberg sich an der philosophischen Fakultät der Universität Köln und empfing im Jahr 1576 die Priesterweihe. Im gleichen Jahr übernahm er die Pfarrstelle in Kaiserswerth (heute Stadt Düsseldorf), wo er kurz darauf schwer erkrankte, angeblich an der Pest. Wieder genesen wurde Ulenberg, nachdem er 1583 die Absetzung Erzbischofs Gebhard Truchsess von Waldburg in Kaiserswerth erlebt hatte, im Folgejahr Stiftsherr und Pfarrer an St. Kunibert in Köln. Dem dortigen Laurentianum blieb er in dieser Zeit als Lehrer verbunden; 1592 wurde er zum Rektor der Burse gewählt, von 1610 bis 1612 hatte er außerdem das Rektorat der ganzen Universität inne. Nach Nopels Tod im Jahr 1605 übernahm er zusätzlich dessen Pfarrstelle an der größten stadtkölnischen Pfarrkirche St. Kolumba, zu der er eine große Verbundenheit entwickelte, wie er überhaupt seiner Tätigkeit als Pfarrer im Sinne der katholischen Reform, der sich vorwiegend um das Seelenheil seiner Pfarrkinder kümmerte, immer stärkere Bedeutung zumaß. So verzichtete er zugunsten seiner seelsorgerischen Tätigkeit auf eine eigentlich ausstehende theologische Promotion, wodurch er nicht an den höheren Fakultäten lehren konnte. Stattdessen formulierte er im Jahr 1611: „Frömmigkeit ist besser als gelehrte Bildung.“
Damit stellte er sich durchaus gegen die Mehrzahl der geistlichen Gelehrten der Zeit, die in der Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeit den Schlüssel zum religiösen Heil sahen. Ebenfalls ganz gegen den Zeitgeist – die Gegenreformation war in vollem Gang, die protestantischen Gelehrten hatten die unterschiedlichen Strömungen 1577 in der Konkordienformel zusammengefasst – führte Ulenberg im Jahr 1590 ein Religionsgespräch mit dem calvinistischen Prediger Johannes Badius (1548/1549-1597), das zwar erfolglos verlief und ich Nachgang auch zu den fast schon üblichen gegenseitigen Beschuldigungen und Vorwürfen der Unwahrheit und Hetzerei führte, als Ereignis dennoch, ein gutes halbes Jahrhundert nach den letzten ernsthaften Religionsgesprächen, beachtlich ist.
Ulenberg beschäftigte sich in seinen späteren Jahren mit der Übertragung religiöser Texte in eine für die Mehrheit verständliche Sprache. Insbesondere in volkssprachlichen Liedern sah er, und hier tritt sicherlich seine evangelische Prägung deutlich zutage, ein probates Mittel, die Gläubigen an den Gottesdienst und damit die Amtskirche zu binden. So brachte er „Die Psalmen Davids in allerlei deutsche Gesangreime gebracht“, ein Trostbuch für die Kranken und Sterbenden oder auch die Lehrschrift „Erhebliche und wichtige Ursachen, warumb die altgläubige Catholische Christen bei dem alten wahren Christenthumb bis in ihren Tod beständiglich verharren“ heraus. Die „Psalmen Davids“ wurden von Konrad Hagius (1550-1616) vierstimmig vertont.
Kurz vor seinem Tod begann Ulenberg auf Bitte Kurfürst Ferdinands von Bayern (mit einer Übersetzung der lateinischen Bibel ins Deutsche, eine Maßnahme, die zum immensen Erfolg Luthers und seiner Lehre entscheidenden Anteil gehabt hatte, wenn auch Ulenbergs Übersetzung im altgläubigen Sinn erfolgen sollte. Obwohl Ulenberg sich dem Vorhaben mit großem Engagement widmete, bleibt letztlich unklar, welchen Anteil er am Ergebnis der erst nach seinem Tod im Jahr 1630 in der Herausgeberschaft seines Nachfolgers als Rektor der Laurentianerburse, Heinrich von Franken-Siersdorf (geboren 1579/80), erschienenen und als „Katholische Mainzer Bibel“ bis ins 19. Jahrhundert hinein gültigen Fassung der Heiligen Schrift hatte.
Ulenberg starb nach längerer Krankheit am 16.2.1617 in Köln und wurde in der Kirche des Augustinerinnen-Konvents „Zum Lämmchen“, das zu seinem Pfarrgebiet gehörte, beigesetzt.
Werke (Auswahl)
Die Psalmen Davids in allerlei deutsche Gesangreime gebracht.Trostbuch für die Kranken und Sterbenden, 1590.
Erhebliche und wichtige Ursachen, warum die altgläubigen katholischen Christen bei dem alten wahren Christentum bis in ihren Tod beständiglich verharren, 1589.
Einfältige Erklärung der sieben Bußpsalmen, 1586.
Ein schön new gemacht Lied, 1583.
Literatur
Ameln, Konrad, Der Liedpsalter von Kaspar Ulenberg, Köln 1582. Ein Literaturbericht, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 7 (1962), S. 185–188.
Bräker, Siegfried, Anmerkungen zur Familientafel Ulenberg, in: Niederwupper 8 (1985), S. 32-48.
Decot, Rolf, Artikel „Ulenberg, Kaspar“, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Auflage, Band 8, 2005, Sp. 702.
Janssen, Wilhelm, Kaspar Ulenberg – sein Leben und seine Zeit, in: Monatshefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 52 (2003), S. 1-19.
Solzbacher, Joseph, Kaspar Ulenberg. Eine Priestergestalt aus der Zeit der Gegenreformation in Köln, Münster 1948 .
Online
Reusch, Franz Heinrich, Artikel „Kaspar Ulenberg“, in: Allgemeine Deutsche Biographie Band 39 (1895), S. 181-183. [online]
Bibliographie zu Ulenberg. [online]
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Bock, Martin, Kaspar Ulenberg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/kaspar-ulenberg-/DE-2086/lido/5e1c5ec7efc455.86987703 (abgerufen am 15.10.2024)