Kenneth Spencer

Sänger und Schauspieler (1911-1964)

Renate Franz (Köln)

Kenneth Spencer bei einem Konzert in Weißenthurm, um 1960, Foto:. (Wikimedia Commons/https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Spencer,_Kenneth_(um_1960).jpg)

„Hät­te man En­de Fe­bru­ar 1964 ge­fragt, wer der be­lieb­tes­te Wup­per­ta­ler sei, man hät­te mög­li­cher­wei­se die Ant­wort er­hal­ten: Ken­neth Spen­cer“, schrieb der Wup­per­ta­ler Ge­ne­ral-An­zei­ger am 23.12.1964. Spen­cer war ein afro­ame­ri­ka­ni­scher Sän­ger, der in den 1950er und 1960er Jah­ren in der Stadt an der Wup­per leb­te. Zu­vor war er in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten als Sän­ger und Film­schau­spie­ler be­kannt ge­wor­den. Er zog nach Eu­ro­pa, um als far­bi­ger Mensch nicht wei­ter sys­te­ma­tisch dis­kri­mi­niert zu wer­den und um ei­ne wei­ße Frau zu hei­ra­ten, was in Tei­len der USA sei­ner­zeit il­le­gal war. In Deutsch­land setz­te er sei­ne er­folg­rei­che Kar­rie­re fort. 1964 kam Ken­neth Spen­cer bei ei­nem Flug­zeug­ab­sturz in den USA ums Le­ben.

Ken­neth Lee Spen­cer wur­de am 25.4.1911 als Sohn von Em­ma, ge­bo­re­ne McClel­lan, und Wil­liam Eu­ge­ne Spen­cer in Boyle Height, da­mals ein Vor­ort und heu­te ein Stadt­teil von Los An­ge­les, ge­bo­ren. Em­ma McClel­lan war, als sie vier Jah­re alt war, aus Te­xas nach Ka­li­for­ni­en ge­zo­gen. Wil­liam Eu­ge­ne Spen­cer war ein Stahl­ar­bei­ter mit ei­ner Vor­lie­be für Mu­sik und Thea­ter; das Paar hei­ra­te­te 1909. Die Fa­mi­lie war sehr gläu­big.

Schon als Spen­cer sechs Jah­re alt war, fiel sei­ne Stim­me durch ihr Vo­lu­men auf und wur­de als „zu brum­mig und zu tie­f“ für sein Al­ter be­schrie­ben. Noch wäh­rend er die Roo­se­velt High School be­such­te, nahm er Ge­sangs­stun­den bei qua­li­fi­zier­ten Leh­rern, was ihm durch den „28th Street YM­CA“, ei­ne Ein­rich­tung für schwar­ze Ju­gend­li­che, das „Los An­ge­les Mu­sic School Sett­le­men­t“ und an­de­re öf­fent­li­che Ein­rich­tun­gen er­mög­licht wur­de. Spen­cer trat als So­list auf so­wie in Dra­men und Opern und grün­de­te mit an­de­ren Sän­gern das „Two-Eight YM­CA Quar­tett“.

Nach sei­nem Schul­ab­schluss im Jahr 1930 trat Ken­neth Spen­cer als So­list in der „Hol­ly­wood Bow­l“ mit dem Lied „The Horn“ auf, des­sen Me­lo­die sich über zwei Ok­ta­ven bis zum tie­fen C er­streckt. Wäh­rend die­ser Zeit ar­bei­te­te er als Stra­ßen­bau­er und Gärt­ner. Da­zu über­nahm er klei­ne Rol­len in Fil­men. Er ent­schloss sich bald, das Kli­schee vom „zer­lump­ten, fau­len aber glück­li­chen Afro­ame­ri­ka­ner“ zu be­kämp­fen. 1931 zog er nach San Fran­cis­co. Dort lern­te er Men­schen ken­nen, die sich für den Schutz der Rech­te von Min­der­hei­ten ein­setz­ten, und sol­che, die sich mit der Ent­wick­lung der Or­ga­ni­sie­rung von Ar­bei­ter­ge­werk­schaf­ten be­schäf­tig­ten. Gleich­zei­tig blüh­te die künst­le­ri­sche At­mo­sphä­re un­ter dem Schutz von Pro­jek­ten der „Works Pro­gress Ad­mi­nis­tra­ti­on“ auf, die die Ent­wick­lung und Pro­duk­ti­on in der Kunst för­dern soll­ten.

Als sich die „Two Eigh­t“ auf­lös­ten, er­hielt er ei­nen Ver­trag bei dem Ra­dio­sen­der KPO, wo er ein­mal wö­chent­lich in ei­ner Se­rie mit Ge­sang und Le­sun­gen un­ter dem Ti­tel „Trut­h­ful De­a­con Brown" zu hö­ren war. Sei­ne dor­ti­ge Ge­sangs­leh­re­rin war die in Ber­lin aus­ge­bil­de­te Sän­ge­rin Amy C. McMur­ray, die ihm deut­sche Kom­po­nis­ten na­he­brach­te und ihn in deut­scher Aus­spra­che un­ter­wies. Wäh­rend die­ser Zeit wur­de er von dem wohl­ha­ben­den Mu­sik­lieb­ha­ber Noël Sul­li­van (1890-1956) zwei Jah­re lang fi­nan­zi­ell un­ter­stützt, um wei­te­ren Ge­sangs­un­ter­richt zu neh­men zu kön­nen. Bald gab er ers­te Kon­zer­te, in Ka­na­da und an der ge­sam­ten West­küs­te. Der Te­nor Ro­land Hayes (1887-1977), ei­ner der ers­ten afro­ame­ri­ka­ni­schen Sän­ger, die in Eu­ro­pa aus­ge­bil­det wur­den, ver­half ihm 1934 zu ei­nem Sti­pen­di­um an der „East­man School of Mu­si­c“ der Uni­ver­si­tät von Ro­ches­ter. Brahms und Schu­bert wur­den sei­ne Lieb­lings­kom­po­nis­ten, und sein grö­ß­ter Wunsch wur­de es, nach Deutsch­land zu rei­sen. Er be­gann, sich po­li­tisch zu en­ga­gie­ren: So trat er 1936 in der Uni­ver­si­ty High School Oak­land vor dem „East Bay Coun­cil of the Ne­gro Na­tio­nal Con­gres­s“ auf, un­ter an­de­ren mit Lie­dern von Hän­del und Brahms.

1932 sang er die Rol­le des Hei­zers Joe in dem Mu­si­cal „Show Boat“ bei sei­ner neu­er­li­chen Auf­füh­rung am Broad­way in New York. Das aus die­sem Stück stam­men­de Lied „Ol’ Man Ri­ver“ soll­te sein ge­sang­li­ches Mar­ken­zei­chen wer­den. Ei­ner sei­ner Vor­bil­der war der far­bi­ge Sän­ger Paul Ro­be­son (1898-1976), der die Rol­le des Joe in der Ver­fil­mung des Mu­si­cals aus dem Jah­re 1936 ver­kör­pert hat­te.

Im Al­ter von 19 Jah­ren hei­ra­te­te Ken­neth Spen­cer 1932 in San Fran­cis­co Do­ro­thy Fis­her; 1948 wur­de die Ehe ge­schie­den.

Nach sei­nem Ab­schluss an der East­man School im Jah­re 1938 trat Ken­neth Spen­cer mit der St. Louis Ope­ra Com­pa­ny als „Jo­e“ in dem Mu­si­cal „Show­boat“ und am 4. Ju­li des­sel­ben Jah­res in der neu­en Oper „Get­tysburg" am El Ca­pi­tan Thea­t­re in Los An­ge­les auf. Die Auf­füh­rung, die vom Fe­deral Mu­sic Pro­ject in Auf­trag ge­ge­ben wor­den war, wur­de lan­des­weit über das Blue Ra­dio Net­work von NBC über­tra­gen. Die „NBC Ar­tist Ser­vice News“ cha­rak­te­ri­sier­ten den Sän­ger in ei­ner Pres­se­mit­tei­lung: „Die Ein­fach­heit sei­ner Büh­nen­prä­senz mit sei­nen sechs Fuß, fünf Zoll Wür­de, Be­schei­den­heit und Ab­we­sen­heit von Ma­nie­ris­men lässt ihn in der Er­in­ne­rung al­ler, die ihn hö­ren, her­vor­ste­chen."  Spen­cer sang auch, als die Oper am 23.9.1938 auf der Frei­licht­büh­ne „Hol­ly­wood Bow­l“ Pre­mie­re fei­er­te.

1939 ging Spen­cer nach New York. Er ar­bei­te­te für den Sen­der CBS und er­hielt ein fes­tes En­ga­ge­ment im be­rühm­ten Jazz­club „Ca­fe So­cie­ty“, der ein Treff­punkt lin­ker po­li­ti­scher Ak­ti­vis­ten war und wo er sich mit nam­haf­ten Afro­ame­ri­ka­nern wie der Schau­spie­le­rin Le­na Hor­ne (1917-2010), dem Schau­spie­ler Paul Ro­be­son (1898-1976), der Jazz­mu­si­ke­rin Ha­zel Scott (1920-1981) und dem Schrift­stel­ler Langston Hug­hes (1902-1967) an­freun­de­te. Ro­be­son hat­te 1936 die Rol­le des Joe in der Ver­fil­mung des Mu­si­cals „Show Boat“ 1936 ver­kör­pert. Er war Mit­be­grün­der und Vor­sit­zen­der des links­ge­rich­te­ten „Na­tio­nal Ne­gro Con­gres­s“ (NNC), ei­ne Bür­ger­rechts­ver­ei­ni­gung, die den Kampf für Gleich­be­rech­ti­gung der Schwar­zen mit der Idee des Klas­sen­kamp­fes von Men­schen gleich wel­cher Haut­far­be ver­knüpf­te und des­halb in den USA bald un­ter Kom­mu­nis­mus­ver­dacht ge­riet.

1941 hat­te Ken­neth Spen­cer in der „Town Hal­l“ sein New Yor­ker Kon­zert­de­büt. Sechs Jah­re spä­ter gab er in der „Car­ne­gie Hall“ ein So­lo­kon­zert mit der Ur­auf­füh­rung von Lie­dern der fran­zö­si­schen Kom­po­nis­ten Da­ri­us Mil­haud (1892-1974) und Ar­thur Ho­negger (1892-1955) so­wie des 90-jäh­ri­gen rus­si­schen Kom­po­nis­ten Alex­an­der Gret­scha­ni­now (1864-1956), der bei der Ur­auf­füh­rung an­we­send war und mit ste­hen­den Ova­tio­nen be­dacht wur­de. 1943 spiel­te Spen­cer in den Me­tro-Gold­wyn-Mey­er-Fil­men „Ca­bin in the Sky" (deutsch= „Ein Häus­chen im Him­mel“) mit rein afro­ame­ri­ka­ni­scher Be­set­zung un­ter der Re­gie von Vin­cen­te Mi­nel­li (1903-1986) und im Kriegs­film „Ba­ta­an" (Haupt­rol­le: Ro­bert Tay­lor) mit. In „Ba­ta­an“ ver­kör­per­te er die ers­te Rol­le in ei­nem ame­ri­ka­ni­schen Film, in dem ein Afro­ame­ri­ka­ner als eben­bür­tig mit Wei­ßen dar­ge­stellt wur­de und nicht als blo­ßer Be­fehls­emp­fän­ger oder Dienst­bo­te. 

Wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs nahm Ken­neth Spen­cer an Rei­sen zur Be­treu­ung der ame­ri­ka­ni­schen Trup­pen im Auf­trag der „United Ser­vice Or­ga­niza­t­i­ons“ (USO) teil. Die Künst­ler wur­den auf ei­ner wo­chen­lan­gen Zick­zack-Rou­te über den Pa­zi­fik nach Neu­gui­nea, Neu­ka­le­do­ni­en, Mun­dua, Ren­do­va und Gua­dal­ca­nal wie Of­fi­zie­re un­ter­ge­bracht und ver­pflegt. Die Er­näh­rung mit „Steak und Eis­creme täg­lich wäh­rend der gan­zen Rei­se“, so Spen­cer spä­ter, ver­än­der­ten die Fi­gur des bis­her schlak­si­gen Sän­gers hin zu sei­ner spä­ter be­kann­ten im­po­san­te­ren Er­schei­nung.

Nach Kriegs­en­de trat Ken­neth Spen­cer 1945/46 ei­ne Thea­ter­sai­son lang im Zieg­feld-Thea­ter am Broad­way in der Wie­der­auf­nah­me des Mu­si­cals „Show Boat" auf. Wäh­rend die­ser Zeit setz­te er sich da­für ein, den Chor und die Büh­nen­ar­bei­ter ge­werk­schaft­lich zu or­ga­ni­sie­ren. 1947 wur­de er von der New Yor­ker „News­pa­per Guil­d“ als „Per­for­mer of the Ye­ar“ aus­ge­zeich­net. Der Mu­sik­kri­ti­ker der „New York Ti­mes“, No­el Strauss, schrieb nach ei­nem sei­ner Auf­trit­te: „Mr. Spen­cer er­wies sich nicht nur als Be­sit­zer ei­ner vo­lu­mi­nö­sen Stim­me von un­ge­wöhn­li­chem Klang­reich­tum, son­dern zeig­te auch in­ter­pre­ta­to­ri­sche Ga­ben von be­acht­li­cher Qua­li­tät.“ 1948 trat Spen­cer als ers­ter Afro­ame­ri­ka­ner in Alas­ka auf.

Spen­cer in­iti­ier­te die Bil­dung ei­ner Kul­tur­ab­tei­lung in­ner­halb des NNC, die sich ab 1946 un­ter dem Na­men „Com­mit­tee for the Ne­gro in the Arts“ (CNA) ge­gen die Ras­sens­te­reo­ty­pen in der Film­in­dus­trie en­ga­gier­te. Im Ju­ni 1943 fand die ers­te „Ne­gro Free­dom Ral­ly“ statt, die von Spen­cer vor 20.000 Teil­neh­mern mit der ame­ri­ka­ni­schen Na­tio­nal­hym­ne im Ma­di­son Squa­re Gar­den er­öff­net wur­de. Im No­vem­ber 1944 war er da­bei, als Prä­si­den­ten­gat­tin Elea­nor Roo­se­velt (1884-1962) ein Be­treu­ungs­pro­jekt für Schul­kin­der in Har­lem be­such­te. Im März 1947 hielt er ei­ne Re­de auf der „Con­fe­rence for Free Ex­pres­si­on in the Ame­ri­can Arts“ in Man­hat­tan und plä­dier­te für die Mit­ar­beit von mehr Afro­ame­ri­ka­nern in Hol­ly­wood. Spä­ter im Jahr ver­an­stal­te­te die Kul­tur­ab­tei­lung ei­nen Ta­lent­wett­be­werb für schwar­ze Mu­si­ker, bei dem er in der Ju­ry saß.

Das CNA ge­riet in­des im­mer stär­ker in den Fo­kus des FBI, das ab 1947 auf Ge­heiß des US-ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten Har­ry S. Trum­an (1884-1972) ei­ne Schwar­ze Lis­te von ver­meint­li­chen Kom­mu­nis­ten er­stell­te („At­tor­ney Ge­ne­ral's List of Sub­ver­si­ve Or­ga­niza­t­i­ons"), die aus­spio­niert und dif­fa­miert wur­den und kaum mehr Ar­beit fan­den. Spen­cers Vor­bild Paul Ro­be­son et­wa wur­de der Rei­se­pass ent­zo­gen, und sei­ne Schall­plat­ten wur­den in den Lä­den nicht mehr an­ge­bo­ten. Vie­le Künst­le­rin­nen und Künst­ler ver­lie­ßen da­her die USA – dar­un­ter auch Ken­neth Spen­cer.

Im Mai 1945 hat­te Ken­neth Spen­cer die New Yor­ker Jour­na­lis­tin Jo­se­phi­ne Le­vin (ca. 1923-2002) bei ei­nem In­ter­view ken­nen­ge­lernt. Wie Jo­se­phi­ne Spen­cer spä­ter in In­ter­views be­rich­te­te, war den bei­den schon nach die­sem ers­ten Ken­nen­ler­nen klar, dass sie zu­sam­men­blei­ben wür­den. Die Be­zie­hung zwi­schen ei­nem schwar­zen Mann und ei­ner wei­ßen Frau jü­di­scher Her­kunft stieß auf fa­mi­liä­re Ab­leh­nung und auf öf­fent­li­che Res­sen­ti­ments.

1949 wur­de Spen­cer nach Frank­reich ein­ge­la­den, um bei den In­ter­na­tio­na­len Mu­sik­fes­ti­vals in Niz­za und Pa­ris auf­zu­tre­ten und er­hielt ei­ne be­geis­ter­te Re­so­nanz. Von dort aus reis­te er erst­mals nach Deutsch­land und hat­te ei­nen ge­fei­er­ten Auf­tritt im „Som­mer­gar­ten am Funk­tur­m“ in Ber­lin. Er er­hielt zahl­rei­che An­ge­bo­te, in Eu­ro­pa auf­zu­tre­ten. En­de 1949 reis­ten Spen­cer und Le­vin gleich­zei­tig nach Frank­reich – um Auf­se­hen zu ver­mei­den, auf ge­trenn­ten Schif­fen. Sie tra­fen sich in Pa­ris, wo sie am 8. De­zem­ber in der Mai­rie des 6. Ar­ron­dis­se­ment in St. Sul­pice hei­ra­te­ten. Ei­ne so­ge­nann­te „ge­misch­tras­si­ge“ Ehe­schlie­ßung war in Tei­len der USA zu­dem il­le­gal – ein wei­te­rer Grund, wes­halb das Paar ent­schied, künf­tig in Eu­ro­pa zu le­ben. 1951 wur­de der Sohn Wil­liam („Bil­ly“) in Pa­ris ge­bo­ren.

1953 zog die Fa­mi­lie nach Wup­per­tal, wo Freun­de von Ken­neth Spen­cer leb­ten. Der neue Wohn­ort war nach Spen­cers An­sicht „die schöns­te Stadt der Welt“.  Dort wohn­ten die Spen­cers zu­nächst in der Trep­pen­stra­ße, spä­ter in der Dön­ber­ger Stra­ße Nr. 89. Sie mach­ten die für sie be­fremd­li­che Ent­de­ckung, dass in Wup­per­tal Stra­ßen nach Marx und En­gels be­nannt wa­ren (Jo­se­phi­ne Spen­cer: „Die Na­men gal­ten in den USA als bö­se Worte“). 1956 er­hielt der Sän­ger die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit.

In den USA war Spen­cer nach ei­ge­nen An­ga­ben Mit­glied in fünf Ge­werk­schaf­ten ge­we­sen; zu sei­nem Er­stau­nen war es spä­ter in Deutsch­land aus­rei­chend, Mit­glied in nur ei­ner Ge­werk­schaft zu wer­den. Im­mer wie­der wur­de in den deut­schen Me­di­en be­tont, wie po­pu­lär Spen­cer in Deutsch­land sei und wie er und sei­ne Fa­mi­lie sich wohl in Eu­ro­pa fühl­ten. Er wur­de vor­zugs­wei­se als „kind­lich be­schei­de­ner, freund­lich la­chen­der Ne­ger“ mit ei­nem „Baß in Sam­t“ por­trä­tiert. Sein po­li­ti­sches En­ga­ge­ment in den USA blieb hin­ge­gen un­er­wähnt, ob­wohl er es wei­ter fort­führ­te. Die Fra­ge, ob Spen­cer dies mit Be­dacht ver­schwieg oder ob die deut­schen Zei­tun­gen mehr am Pri­vat­le­ben der Fa­mi­lie in­ter­es­siert wa­ren als an die­ser Fa­cet­te von Spen­cers Per­sön­lich­keit, muss un­be­ant­wor­tet blei­ben.

Ken­neth Spen­cer be­herrsch­te ein gro­ßes mu­si­ka­li­sches Spek­trum: Er sang Spi­ri­tu­als und Cho­rä­le, Mu­si­cal-Songs, Opern­ari­en, deut­sche Kunst­lie­der, fran­zö­si­sche Chan­sons, Jazz, Volks­lie­der und Schla­ger. Er selbst be­kann­te, dass sein Herz dem klas­si­schen deut­schen Lied und dem Spi­ri­tu­al ge­hö­re. Zu sei­nen Ge­sangs­spra­chen ge­hör­ten Eng­lisch, Deutsch, Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch, Rus­sisch und He­brä­isch. 1952 trat er im bel­gi­schen Gent erst­mals als Sa­ras­tro in Mo­zarts Zau­ber­flö­te auf. 1953 sang er die­sen Part in Lon­don, 1958 in Salz­burg und 1962 er­neut in Lon­don. Am 10. März 1956 hat­te er in Nürn­berg ein ein­ma­li­ges Gast­spiel als Sa­ras­tro, un­ter der mu­si­ka­li­schen Lei­tung von Kon­rad Pe­ter Man­nert (1924-1995) und an der Sei­te des Te­nors Jo­sef Tra­xel (1916-1975) (Ta­mi­no) und der Schwei­zer So­pra­nis­tin Gi­se­la Vi­va­rel­li (1926-1993) (Kö­ni­gin der Nacht). Schlag­zei­len mach­te ein Auf­tritt von Spen­cer in Is­ra­el im Jah­re 1951, bei dem ihm von der is­rae­li­schen Zen­sur­be­hör­de un­ter­sagt wur­de, Lie­der von Brahms und Schu­bert auf Deutsch zu sin­gen. Mehr­fach stand er mit Edith Piaf (1915-1963) auf der Büh­ne. 1961 hat­te der „Ne­ger­sän­ger vom Broad­way“ (so die da­ma­li­gen Zei­tun­gen) in der Leip­zi­ger Kon­gress­hal­le un­ter dem Ti­tel „Ich hö­re Ame­ri­ka sin­gen“ sei­nen ers­ten Auf­tritt in der DDR, 1962 gas­tier­te er in meh­re­ren dor­ti­gen Städ­ten.

In den Win­ter­mo­na­ten mach­te Spen­cer häu­fig Tour­ne­en durch die USA und durch Ka­na­da und nutz­te die Be­su­che in der Hei­mat, um sich an Bür­ger­rechts­ak­tio­nen zu be­tei­li­gen oder Kon­zer­te für de­ren Fi­nan­zie­rung zu ge­ben. Im Ber­gi­schen Land und der wei­te­ren Um­ge­bung in Deutsch­land er­rang er be­son­de­re Be­liebt­heit, da er zu mo­dera­ten Ga­gen mit hei­mi­schen Chö­ren auf­trat: Als er et­wa 1962 bei den Kels­ter­ba­cher „Main-Spat­zen“ gas­tier­te, ver­lang­te er ei­ne Mark pro be­setz­tem Sitz­platz. Auch mach­te er für Co­lum­bia HMV Schall­plat­ten­auf­nah­men von klas­si­scher Mu­sik, Spi­ri­tu­als und Volks­lie­dern. Im März 1963 mu­si­zier­te er an der Sei­te der Kre­fel­der Di­xie­land-Band „Dark­town Strut­ters" beim ers­ten Jazz-Got­tes­dienst in Deutsch­land, der zu­dem im Fern­se­hen über­tra­gen wur­de. Rund vier Wo­chen vor sei­nem Tod stell­te „Herr Spen­cer“ im deut­schen Fern­se­hen so­ge­nann­te „si­tua­ti­ons song­s“ – ame­ri­ka­ni­sche Ar­bei­ter­lie­der – vor.

Spen­cer trat in dem fran­zö­si­schen Film „Les Joyeaux Pel­le­rins" (1951) auf und spiel­te in ei­ni­gen deut­schen Fil­men mit: „Mein Bru­der Jo­sua" (1956), „Gruß und Kuß vom Te­gern­see" (1957), „An je­dem Fin­ger Zehn" (1959) und „Un­ser Haus in Ka­me­run" (1961). Die Pro­duk­ti­on des Fil­mes „Bru­der Jo­sua“, der sei­ne Ur­auf­füh­rung in Wup­per­tal hat­te, wur­de von der US-Ar­my un­ter­stützt, um Vor­ur­tei­len ge­gen schwar­ze Sol­da­ten zu be­geg­nen: Das fil­mi­sche Re­sul­tat wur­de al­ler­dings im „Spie­gel“ als „gut ge­mein­te Ge­schich­te oh­ne künst­le­ri­sches For­ma­t“ be­spro­chen, das auf ame­ri­ka­ni­sche Sol­da­ten lach­haft wir­ke. 1958 spiel­te er die Haupt­rol­le in ei­ner TV-Pro­duk­ti­on von Eu­ge­ne O’Neills (1888-1953) Tra­gö­die „The Em­peror Jo­nes“ für die BBC; der Film wur­de 1961 im deut­schen Fern­se­hen un­ter dem Ti­tel „Kai­ser Jo­nes“ ge­zeigt.

Im Herbst 1963 hat­te Ken­neth Spen­cer sei­nen letz­ten öf­fent­li­chen Auf­tritt in Deutsch­land beim Pres­se­ball in Mün­chen; Fo­tos zei­gen ihn beim Tanz mit der Schau­spie­le­rin Ma­ri­an­ne Koch (ge­bo­ren 1931). Am 24. De­zem­ber be­rich­te­te die NRZ, dass er ab Ja­nu­ar ei­ne Tour­nee in Ame­ri­ka pla­ne. Am 25. Fe­bru­ar 1964 flog er mit der Eas­tern Air Li­nes 304 von Me­xi­ko nach New York, um bei ei­ner Ver­an­stal­tung der „Na­tio­nal As­so­cia­ti­on for the Ad­van­ce­ment of Co­lo­red Peop­le“ auf­zu­tre­ten. Nach ei­ner Zwi­schen­lan­dung in New Or­leans stürz­te das Flug­zeug am La­ke Pont­char­train im Mün­dungs­ge­biet des Mis­sis­sip­pi ab – des Flus­ses, den er so oft als „Ol' Man Ri­ver“ be­sun­gen hat­te. Bei dem Un­glück ka­men 57 wei­te­re Men­schen ums Le­ben. Tei­le sei­nes Kör­pers wur­den erst im Sep­tem­ber 1964 ge­fun­den und ge­bor­gen. Die sterb­li­chen Über­res­te wur­den auf dem Ever­green Fried­hof in Los An­ge­les ne­ben de­nen sei­nes Va­ters be­stat­tet. Ken­neth Spen­cer wur­de 51 Jah­re alt.

Die NRZ be­schrieb Spen­cer in ih­rem Nach­ruf als „ei­nen un­pre­ten­tiö­sen Vor­kämp­fer rei­ner Mensch­lich­keit und Brü­der­lich­keit“ – er sei „ei­ner von un­s“ ge­we­sen. Die „ Wup­per­ta­ler Nach­rich­ten“ spra­chen vom „gro­ßen Wahl-Wup­per­ta­ler“, der „Wup­per­tal lieb­te und von den Wup­per­ta­lern ge­liebt wur­de“. Im Film von En­no Hun­ger­land wur­de fol­gen­der Nach­ruf zi­tiert: „Mit sei­ner Frau Jo­se­fi­ne und Sohn Bil­ly in Wup­per­tal trau­ern Freun­de oh­ne Zahl um den Sän­ger und um ei­nen je­ner Men­schen, die man gern an Sonn­ta­gen tref­fen wür­de.“ 

Jo­se­phi­ne und Bil­ly Spen­cer blie­ben noch vier wei­te­re Jah­re in Wup­per­tal, bis sie in die USA zo­gen, da Bil­ly dort ei­ne Uni­ver­si­tät be­su­chen soll­te. Sechs Mo­na­te nach dem Um­zug starb der 18jäh­ri­ge im März 1969 an ei­nem un­er­kann­ten Herz­feh­ler. Die Wit­we Jo­se­phi­ne L. Spen­cer mach­te nach dem Tod ih­res Soh­nes ei­ne Um­schu­lung zur Leh­re­rin für be­hin­der­te Kin­der: „Das wä­re in Ken­neth‘ Sinn ge­we­sen“. Sie starb im März 2002 in den USA.

Quellen

Di­ver­se Zei­tungs­aus­schnit­te, be­reit­ge­stellt von E. Die­ter Frän­zel.

Di­ver­se Zei­tungs­aus­schnit­te, be­reit­ge­stellt vom Stadt­ar­chiv Wup­per­tal.

In­ter­view mit E. Die­ter Frän­zel am 19. April 2022. 

Literatur

Do­li­nar, Bri­an, The Black Cul­tu­ral Front. Black Wri­ters and Ar­tists of the De­pres­si­on Ge­ne­ra­ti­on, Jack­son 2012.

Frän­zel, Die­ter E./Rai­ner Wid­mann, Sounds li­ke Who­o­pata­al. Wup­per­tal in der Welt des Jazz, Es­sen 2006, S. 74-75.

Jef­fer­son, Mi­les M., The Ne­gro on Broad­way, in: Phy­lon Vol. 7, 2, 1946, S. 185-196.  

Film

Propst, Do­mi­ni­kus/Hun­ger­land, En­no, 'Ol' Man Ri­ver – Ken­neth Spen­cer, Do­ku­men­tar­film über Ken­neth Spen­cer, West­deut­scher Rund­funk 1987.

Internet

Abend­schau-Bar: Abend­schau-Bar: Ken­neth Spen­cer singt Si­tua­ti­ons Songs [On­line]

baye­ri­sches mu­si­ker le­xi­kon [On­line]

Ein­trag in der In­ter­na­tio­na­len Film­da­ten­bank [On­line]

WDR-Stich­tag 25. No­vem­ber 1911: Ken­neth Spen­cer wird ge­bo­ren [On­line]

 
Zitationshinweis

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Franz, Renate, Kenneth Spencer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/kenneth-spencer/DE-2086/lido/6458e956acf873.59355262 (abgerufen am 05.12.2024)