Zu den Kapiteln
Nikolaus „Klaus" Barbie war ein deutscher Nationalsozialist, SS-Hauptsturmführer und Chef der Gestapo in Lyon. Bekannt wurde er unter dem Namen „Der Schlächter von Lyon" wegen der Folterung, Deportation und Hinrichtung zahlreicher französischer Juden und Résistance-Mitglieder.
Klaus Barbie wurde am 25.10.1913 in Bad Godesberg (heute Stadt Bonn) als unehelicher Sohn der beiden Lehrer Nikolaus Barbie und Anna Hees geboren. Aufgewachsen in der Eifel, konnte Barbie nach dem Tod des tyrannischen und alkoholkranken Vaters und des älteren Bruders 1933 nicht, wie ursprünglich geplant, eine akademische Karriere einschlagen. Deshalb absolvierte er, nachdem er 1934 nur knapp am Trierer Friedrich-Wilhelm-Gymnasium die Abiturprüfungen bestanden hatte und keine Arbeit fand, zunächst einen freiwilligen Arbeitsdienst in einem NSDAP-Reichsarbeitslager. Er trat der Hitlerjugend bei und erledigte Botengänge für die Partei.
Der Trierer Ortsgruppenleiter brachte Barbie schließlich in der lokalen Dienststelle des Sicherheitsdienstes des Reichsführers-SS unter. Nach einer Begegnung mit Heinrich Himmler (1900-1945) gelangte er 1935 nach Berlin, wo er vom Sicherheitsdienst (SD) zum ersten Mal mit der Verfolgung von Juden, Homosexuellen, Sinti und Roma und anderen Randgruppen beauftragt wurde. Im folgenden Jahr verrichtete Barbie verschiedene Tätigkeiten für die SS im Oberabschnitt West (Düsseldorf), sowie im Abschnitt Dortmund, bevor er 1937 der NSDAP beitrat und mit großem Einsatz für die nationalsozialistische Ideologie agitierte. Anfang des Jahres 1940 wurde Klaus Barbie zum SS-Untersturmführer ernannt.
Nach der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Westoffensive wurde Barbie Ende 1940 dem Sicherheitsdienst in Amsterdam zugeteilt und gleichzeitig zum SS-Obersturmführer befördert. Hier wurde Barbie erneut mit der Vertreibung von „unliebsamen Personen", hauptsächlich Juden und Widerstandskämpfern, beauftragt. Seine Aufgaben erfüllte er mit äußerster Brutalität und Rücksichtslosigkeit; als Judenreferent des Reichssicherheitshauptamtes in Den Haag folterte er beispielsweise den österreichischen Schriftsteller Jean Ámery (1912-1978).
Im Mai 1942 wurde Barbie nach Gex im besetzten Teil Frankreichs versetzt. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in das bis dahin von der Vichyregierung verwaltete Südfrankreich, übernahm er schließlich im November 1942 als Chef der Gestapo in Lyon die Leitung der Sektion IV der Sicherheitspolizei. Dem Reichsführer SS unterstellte Polizeiorganisation, bestand seit 1936 aus der Kriminalpolizei und der Gestapo. Mit der Schaffung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) am 27.9.1939 wurde die Sicherheitspolizei mit dem Sicherheitsdienst (SD) zusammengelegt. 1946 durch den Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zur verbrecherischen Organisation erklärt und verboten. und des Sicherheitsdienstes. In seiner Funktion als Gestapo-Chef war Barbie für die Deportation französischer Juden sowie für die Folterung und Ermordung zahlreicher Mitglieder der Résistance verantwortlich. Unter den von Barbie verhafteten Widerstandskämpfern befand sich 1943 auch der Résistanceführer Jean Moulin (1899-1943), dem während der täglichen Verhöre beide Arme und Beine sowie mehrere Rippen gebrochen wurden. Am 9.2.1943 leitete Barbie eine Razzia in Lyon, bei der 84 Menschen festgenommen, gefoltert und deportiert wurden. Er war ebenfalls verantwortlich für das Massaker in St. Genis-Laval und zahlreiche Erschießungen im Gefängnis Fort Montluc. Tausende Männer und Frauen wurden von Barbie gefoltert, in Vernichtungslager geschickt oder getötet. Am 6.4.1944 überfielen Bewaffnete auf Barbies Befehl ein Heim für jüdische Kinder in Izieu; 41 verschleppte Kinder im Alter zwischen drei und 13 Jahren starben wenig später in den Gaskammern von Auschwitz.
Im Lyoner Hotel Terminus, wo die Gestapo 20 Zimmer zu Vernehmungsräumen umfunktioniert hatte, ließ Barbie Kinder hungern und verstümmeln, nackte Frauen bis zur Bewusstlosigkeit verprügeln und katholische Geistliche mit Elektroschocks foltern. In den zwei Jahren seiner Tätigkeit als Gestapochef von Lyon war er für die Ermordung von mehr als 4.300 Menschen, die Deportation von ungefähr 7.500 Juden und die Folterung von circa 14.300 Widerstandskämpfern verantwortlich. Die Grausamkeiten, mit denen Barbie seine Opfer folterte, um an Informationen über Résistance-Anhänger und Juden zu gelangen, brachten ihm den Beinamen „Der Schlächter von Lyon" ein.
Kurz vor der Befreiung Lyons durch die Alliierten am 3.9.1944 kehrte Barbie, nachdem er am 11.8.1944 den letzten Transport nach Auschwitz geschickt hatte, nach Deutschland zurück. Dort wurde er am 9. November zum SS-Hauptsturmführer befördert. In Folge der deutschen Kapitulation am 7.5.1945 tauchte Klaus Barbie unter und nahm eine neue Identität an. Unter dem Namen Klaus Altmann führte er zunächst ein Kabarett und betrieb umfassenden Schwarzhandel.
Bereits am 31.8.1945 hatte das Ständige Militärgericht in Lyon einen Haftbefehl gegen den untergetauchten SS-Mann erhoben, doch Barbie war im Nachkriegschaos zunächst nicht aufzufinden. Erst als dieser am 16.5.1947 von einem Gericht in Lyon in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde und sich auch die übrigen Alliierten für ihn zu interessieren begannen, nutze Barbie seine alten Verbindungen, um sich in den Dienst des amerikanischen Counter Intelligence Corps (CIC) zu stellen. In Bayern baute er für die Amerikaner ein Spitzelnetz auf, das kommunistische Organisationen, Gewerkschaften und Parteien unterwandern sollte und die französischen und sowjetischen Geheimagenten überwachte. Mit Hilfe des CIC gelang ihm 1951 schließlich die Flucht nach Bolivien, wo er 1957 unter seinem Pseudonym Klaus Altmann die bolivianische Staatsbürgerschaft annahm. Barbies Kenntnisse in der Partisanenabwehr waren bei der bolivianischen Militärregierung äußerst gefragt. Ab 1964 arbeitete er für das bolivianische Innenministerium als Ausbilder und Berater der Sicherheitskräfte des Diktators Hugo Banzer Suárez (1926-2002).
Unterdessen liefen seit 1952 bei der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltung zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" in Ludwigsburg Ermittlungen gegen Klaus Barbie. Gleichzeitig wurde er in Lyon wegen Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung und den französischen Widerstand ein zweites Mal zum Tode verurteilt. Doch auch ein dritter Prozess vor dem Militärgericht in Lyon 1954, in dem Barbie für das Massaker in St. Genis-Laval und für die Erschießungen im Gefängnis Montluc erneut zum Tode verurteilt wurde, führten nicht zu einer Festnahme des ehemaligen Gestapo-Chefs, insbesondere, weil sich die Amerikaner weigerten, den Aufenthaltsort ihres Geheimagenten preiszugeben.
Erst im Januar 1972 gelang es der Beauftragten der „Internationalen Liga gegen Antisemitismus und Rassismus", Beate Klarsfeld, Klaus Barbie während ihrer Ermittlungen gegen NS-Verbrecher in La Paz aufzuspüren. Die Forderungen der deutschen Justiz und der französischen Regierung Barbie auszuliefern, wurden jedoch wiederholt von Bolivien abgelehnt. Ende 1972 scheiterte außerdem ein Entführungsversuch, der Barbie zurück nach Frankreich hätte bringen sollen. Daher konnte Barbie 1980 General Luis Garcia Meza (1932-2018) bei dessen Staatsstreich unterstützen.
Nach dem Regierungswechsel in Bolivien 1983 und der Einsetzung einer demokratisch gewählten Regierung unter Hernán Siles Zuazo (1914–1996) nahm die bolivianische Polizei Barbie am 19.1.1983 fest. Nur kurze Zeit später wurde er an Frankreich ausgeliefert und dort vor Gericht gestellt. Der Prozess begann am 11.5.1987 und erregte weltweit Aufmerksamkeit, weil Barbies Verteidiger Jacques Vergès (1924-2013) mehrfach die Kollaboration Frankreichs mit den Nationalsozialisten ansprach, um für seinen Mandanten einen Freispruch zu erlangen. Nach einem Auftritt zu Prozessbeginn lehnte Barbie im Folgenden seine Teilnahme an dem Gerichtsverfahren in Lyon ab und gestand keinerlei Schuld ein. Er wurde im Laufe des Verfahrens für die Deportation von mindesten 843 Menschen aus Lyon und der Umgebung der Stadt verantwortlich gemacht. Wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit in 177 Fällen verurteilte ihn das Gericht am 4.7.1987 zu einer lebenslänglichen Haftstrafe. Am 25.9.1991 starb Klaus Barbie während der Haft in Lyon an Krebs.
Literatur
Andel, Horst J., Kollaboration und Résistance. Der Fall Barbie, München 1987.
Bower, Tom, Klaus Barbie. Lyon, Augsburg, La Paz. Karriere eines Gestapo-Chefs, Berlin 1984.
Klarsfeld, Serge, Die Kinder von Izieu, Berlin 1991.
Sánchez Salazar, Gustavo, Barbie in Bolivien, Berlin 1989.
Urselmann, Karin, Die Bedeutung des Barbie-Prozesses für die französische Vergangenheitsbewältigung, Franfurt am Main 2000.
Online
Stahl, Daniel, Der Fall Klaus Barbie (Information in L.I.S.A., dem Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung). [Online]
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Striewski, Jennifer, Klaus Barbie, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/klaus-barbie-/DE-2086/lido/57c57307478122.48744499 (abgerufen am 14.12.2024)