Klaus Barbie

Gestapo-Chef (1913-1991)

Jennifer Striewski (Bonn)

Klaus Barbie, Porträtfoto.

Ni­ko­laus „Klaus" Bar­bie war ein deut­scher Na­tio­nal­so­zia­list, SS-Haupt­sturm­füh­rer und Chef der Ge­sta­po in Ly­on. Be­kannt wur­de er un­ter dem Na­men „Der Schläch­ter von Ly­on" we­gen der Fol­te­rung, De­por­ta­ti­on und Hin­rich­tung zahl­rei­cher fran­zö­si­scher Ju­den und Ré­sis­tan­ce-Mit­glie­der.

Klaus Bar­bie wur­de am 25.10.1913 in Bad Go­des­berg (heu­te Stadt Bonn) als un­ehe­li­cher Sohn der bei­den Leh­rer Ni­ko­laus Bar­bie und An­na Hees ge­bo­ren. Auf­ge­wach­sen in der Ei­fel, konn­te Bar­bie nach dem Tod des ty­ran­ni­schen und al­ko­hol­kran­ken Va­ters und des äl­te­ren Bru­ders 1933 nicht, wie ur­sprüng­lich ge­plant, ei­ne aka­de­mi­sche Kar­rie­re ein­schla­gen. Des­halb ab­sol­vier­te er, nach­dem er 1934 nur knapp am Trie­rer Fried­rich-Wil­helm-Gym­na­si­um die Ab­itur­prü­fun­gen be­stan­den hat­te und kei­ne Ar­beit fand, zu­nächst ei­nen frei­wil­li­gen Ar­beits­dienst in ei­nem NS­DAP-Reichs­ar­beits­la­ger. Er trat der Hit­ler­ju­gend bei und er­le­dig­te Bo­ten­gän­ge für die Par­tei.

 

Der Trie­rer Orts­grup­pen­lei­ter brach­te Bar­bie schlie­ß­lich in der lo­ka­len Dienst­stel­le des Si­cher­heits­diens­tes des Reichs­füh­rers-SS un­ter. Nach ei­ner Be­geg­nung mit Hein­rich Himm­ler (1900-1945) ge­lang­te er 1935 nach Ber­lin, wo er vom Si­cher­heits­dienst (SD) zum ers­ten Mal mit der Ver­fol­gung von Ju­den, Ho­mo­se­xu­el­len, Sin­ti und Ro­ma und an­de­ren Rand­grup­pen be­auf­tragt wur­de. Im fol­gen­den Jahr ver­rich­te­te Bar­bie ver­schie­de­ne Tä­tig­kei­ten für die SS im Ober­ab­schnitt West (Düs­sel­dorf), so­wie im Ab­schnitt Dort­mund, be­vor er 1937 der NS­DAP bei­trat und mit gro­ßem Ein­satz für die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ideo­lo­gie agi­tier­te. An­fang des Jah­res 1940 wur­de Klaus Bar­bie zum SS-Un­ter­sturm­füh­rer er­nannt.

Nach der Be­set­zung der Nie­der­lan­de durch die deut­sche West­of­fen­si­ve wur­de Bar­bie En­de 1940 dem Si­cher­heits­dienst in Ams­ter­dam zu­ge­teilt und gleich­zei­tig zum SS-Ober­sturm­füh­rer be­för­dert. Hier wur­de Bar­bie er­neut mit der Ver­trei­bung von „un­lieb­sa­men Per­so­nen", haupt­säch­lich Ju­den und Wi­der­stands­kämp­fern, be­auf­tragt. Sei­ne Auf­ga­ben er­füll­te er mit äu­ßers­ter Bru­ta­li­tät und Rück­sichts­lo­sig­keit; als Ju­den­re­fe­rent des Reichs­si­cher­heits­haupt­am­tes in Den Haag fol­ter­te er bei­spiels­wei­se den ös­ter­rei­chi­schen Schrift­stel­ler Jean Áme­ry (1912-1978).

Im Mai 1942 wur­de Bar­bie nach Gex im be­setz­ten Teil Frank­reichs ver­setzt. Nach dem Ein­marsch deut­scher Trup­pen in das bis da­hin von der Vichy­re­gie­rung ver­wal­te­te Süd­frank­reich, über­nahm er schlie­ß­lich im No­vem­ber 1942 als Chef der Ge­sta­po in Ly­on die Lei­tung der Sek­ti­on IV der Si­cher­heits­po­li­zei. Dem Reichs­füh­rer SS un­ter­stell­te Po­li­zei­or­ga­ni­sa­ti­on, be­stand seit 1936 aus der Kri­mi­nal­po­li­zei und der Ge­sta­po. Mit der Schaf­fung des Reichs­si­cher­heits­haupt­am­tes (RSHA) am 27.9.1939 wur­de die Si­cher­heits­po­li­zei mit dem Si­cher­heits­dienst (SD) zu­sam­men­ge­legt. 1946 durch den In­ter­na­tio­na­len Mi­li­tär­ge­richts­hof in Nürn­berg zur ver­bre­che­ri­schen Or­ga­ni­sa­ti­on er­klärt und ver­bo­ten.  und des Si­cher­heits­diens­tes. In sei­ner Funk­ti­on als Ge­sta­po-Chef war Bar­bie für die De­por­ta­ti­on fran­zö­si­scher Ju­den so­wie für die Fol­te­rung und Er­mor­dung zahl­rei­cher Mit­glie­der der Ré­sis­tan­ce ver­ant­wort­lich. Un­ter den von Bar­bie ver­haf­te­ten Wi­der­stands­kämp­fern be­fand sich 1943 auch der Ré­sis­tance­füh­rer Jean Mou­lin (1899-1943), dem wäh­rend der täg­li­chen Ver­hö­re bei­de Ar­me und Bei­ne so­wie meh­re­re Rip­pen ge­bro­chen wur­den. Am 9.2.1943 lei­te­te Bar­bie ei­ne Raz­zia in Ly­on, bei der 84 Men­schen fest­ge­nom­men, ge­fol­tert und de­por­tiert wur­den. Er war eben­falls ver­ant­wort­lich für das Mas­sa­ker in St. Ge­nis-La­val und zahl­rei­che Er­schie­ßun­gen im Ge­fäng­nis Fort Mont­luc. Tau­sen­de Män­ner und Frau­en wur­den von Bar­bie ge­fol­tert, in Ver­nich­tungs­la­ger ge­schickt oder ge­tö­tet. Am 6.4.1944 über­fie­len Be­waff­ne­te auf Bar­bies Be­fehl ein Heim für jü­di­sche Kin­der in Izieu; 41 ver­schlepp­te Kin­der im Al­ter zwi­schen drei und 13 Jah­ren star­ben we­nig spä­ter in den Gas­kam­mern von Ausch­witz.

Im Lyo­ner Ho­tel Ter­mi­nus, wo die Ge­sta­po 20 Zim­mer zu Ver­neh­mungs­räu­men um­funk­tio­niert hat­te, ließ Bar­bie Kin­der hun­gern und ver­stüm­meln, nack­te Frau­en bis zur Be­wusst­lo­sig­keit ver­prü­geln und ka­tho­li­sche Geist­li­che mit Elek­tro­schocks fol­tern. In den zwei Jah­ren sei­ner Tä­tig­keit als Ge­sta­po­chef von Ly­on war er für die Er­mor­dung von mehr als 4.300 Men­schen, die De­por­ta­ti­on von un­ge­fähr 7.500 Ju­den und die Fol­te­rung von cir­ca 14.300 Wi­der­stands­kämp­fern ver­ant­wort­lich. Die Grau­sam­kei­ten, mit de­nen Bar­bie sei­ne Op­fer fol­ter­te, um an In­for­ma­tio­nen über Ré­sis­tan­ce-An­hän­ger und Ju­den zu ge­lan­gen, brach­ten ihm den Bei­na­men „Der Schläch­ter von Ly­on" ein.

Kurz vor der Be­frei­ung Ly­ons durch die Al­li­ier­ten am 3.9.1944 kehr­te Bar­bie, nach­dem er am 11.8.1944 den letz­ten Trans­port nach Ausch­witz ge­schickt hat­te, nach Deutsch­land zu­rück. Dort wur­de er am 9. No­vem­ber zum SS-Haupt­sturm­füh­rer be­för­dert. In Fol­ge der deut­schen Ka­pi­tu­la­ti­on am 7.5.1945 tauch­te Klaus Bar­bie un­ter und nahm ei­ne neue Iden­ti­tät an. Un­ter dem Na­men Klaus Alt­mann führ­te er zu­nächst ein Ka­ba­rett und be­trieb um­fas­sen­den Schwarz­han­del.

Be­reits am 31.8.1945 hat­te das Stän­di­ge Mi­li­tär­ge­richt in Ly­on ei­nen Haft­be­fehl ge­gen den un­ter­ge­tauch­ten SS-Mann er­ho­ben, doch Bar­bie war im Nach­krieg­s­cha­os zu­nächst nicht auf­zu­fin­den. Erst als die­ser am 16.5.1947 von ei­nem Ge­richt in Ly­on in Ab­we­sen­heit zum To­de ver­ur­teilt wur­de und sich auch die üb­ri­gen Al­li­ier­ten für ihn zu in­ter­es­sie­ren be­gan­nen, nut­ze Bar­bie sei­ne al­ten Ver­bin­dun­gen, um sich in den Dienst des ame­ri­ka­ni­schen Coun­ter In­tel­li­gence Corps (CIC) zu stel­len. In Bay­ern bau­te er für die Ame­ri­ka­ner ein Spit­zel­netz auf, das kom­mu­nis­ti­sche Or­ga­ni­sa­tio­nen, Ge­werk­schaf­ten und Par­tei­en un­ter­wan­dern soll­te und die fran­zö­si­schen und so­wje­ti­schen Ge­heim­agen­ten über­wach­te. Mit Hil­fe des CIC ge­lang ihm 1951 schlie­ß­lich die Flucht nach Bo­li­vi­en, wo er 1957 un­ter sei­nem Pseud­onym Klaus Alt­mann die bo­li­via­ni­sche Staats­bür­ger­schaft an­nahm. Bar­bies Kennt­nis­se in der Par­ti­sa­nen­ab­wehr wa­ren bei der bo­li­via­ni­schen Mi­li­tär­re­gie­rung äu­ßerst ge­fragt. Ab 1964 ar­bei­te­te er für das bo­li­via­ni­sche In­nen­mi­nis­te­ri­um als Aus­bil­der und Be­ra­ter der Si­cher­heits­kräf­te des Dik­ta­tors Hu­go Ban­zer Suá­rez (1926-2002).

Un­ter­des­sen lie­fen seit 1952 bei der „Zen­tra­len Stel­le der Lan­des­jus­tiz­ver­wal­tung zur Auf­klä­rung na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ver­bre­chen" in Lud­wigs­burg Er­mitt­lun­gen ge­gen Klaus Bar­bie. Gleich­zei­tig wur­de er in Ly­on we­gen Gräu­el­ta­ten ge­gen die Zi­vil­be­völ­ke­rung und den fran­zö­si­schen Wi­der­stand ein zwei­tes Mal zum To­de ver­ur­teilt. Doch auch ein drit­ter Pro­zess vor dem Mi­li­tär­ge­richt in Ly­on 1954, in dem Bar­bie für das Mas­sa­ker in St. Ge­nis-La­val und für die Er­schie­ßun­gen im Ge­fäng­nis Mont­luc er­neut zum To­de ver­ur­teilt wur­de, führ­ten nicht zu ei­ner Fest­nah­me des ehe­ma­li­gen Ge­sta­po-Chefs, ins­be­son­de­re, weil sich die Ame­ri­ka­ner wei­ger­ten, den Auf­ent­halts­ort ih­res Ge­heim­agen­ten preis­zu­ge­ben.

Erst im Ja­nu­ar 1972 ge­lang es der Be­auf­trag­ten der „In­ter­na­tio­na­len Li­ga ge­gen An­ti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus", Bea­te Klars­feld, Klaus Bar­bie wäh­rend ih­rer Er­mitt­lun­gen ge­gen NS-Ver­bre­cher in La Paz auf­zu­spü­ren. Die For­de­run­gen der deut­schen Jus­tiz und der fran­zö­si­schen Re­gie­rung Bar­bie aus­zu­lie­fern, wur­den je­doch wie­der­holt von Bo­li­vi­en ab­ge­lehnt. En­de 1972 schei­ter­te au­ßer­dem ein Ent­füh­rungs­ver­such, der Bar­bie zu­rück nach Frank­reich hät­te brin­gen sol­len. Da­her konn­te Bar­bie 1980 Ge­ne­ral Lu­is Gar­cia Me­za (1932-2018) bei des­sen Staats­streich un­ter­stüt­zen.

Nach dem Re­gie­rungs­wech­sel in Bo­li­vi­en 1983 und der Ein­set­zung ei­ner de­mo­kra­tisch ge­wähl­ten Re­gie­rung un­ter Hernán Si­les Zu­a­zo (1914–1996) nahm die bo­li­via­ni­sche Po­li­zei Bar­bie am 19.1.1983 fest. Nur kur­ze Zeit spä­ter wur­de er an Frank­reich aus­ge­lie­fert und dort vor Ge­richt ge­stellt. Der Pro­zess be­gann am 11.5.1987 und er­reg­te welt­weit Auf­merk­sam­keit, weil Bar­bies Ver­tei­di­ger Jac­ques Ver­gès (1924-2013) mehr­fach die Kol­la­bo­ra­ti­on Frank­reichs mit den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten an­sprach, um für sei­nen Man­dan­ten ei­nen Frei­spruch zu er­lan­gen. Nach ei­nem Auf­tritt zu Pro­zess­be­ginn lehn­te Bar­bie im Fol­gen­den sei­ne Teil­nah­me an dem Ge­richts­ver­fah­ren in Ly­on ab und ge­stand kei­ner­lei Schuld ein. Er wur­de im Lau­fe des Ver­fah­rens für die De­por­ta­ti­on von min­des­ten 843 Men­schen aus Ly­on und der Um­ge­bung der Stadt ver­ant­wort­lich ge­macht. We­gen Ver­bre­chens ge­gen die Mensch­lich­keit in 177 Fäl­len ver­ur­teil­te ihn das Ge­richt am 4.7.1987 zu ei­ner le­bens­läng­li­chen Haft­stra­fe. Am 25.9.1991 starb Klaus Bar­bie wäh­rend der Haft in Ly­on an Krebs.

Literatur

An­del, Horst J., Kol­la­bo­ra­ti­on un­d ­Ré­sis­tan­ce. Der Fall Bar­bie, Mün­chen 1987.
Bo­wer, Tom, Klaus Bar­bie. Ly­on, Augs­burg, La Paz. Kar­rie­re ei­nes Ge­sta­po-Chefs, Ber­lin 1984.
Klars­feld, Ser­ge, Die Kin­der von Izieu, Ber­lin 1991.
Sán­chez Sa­la­zar, Gus­ta­vo, Bar­bie in Bo­li­vi­en, Ber­lin 1989.
Ur­sel­mann, Ka­rin, Die Be­deu­tung des Bar­bie-Pro­zes­ses für die fran­zö­si­sche Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung, Fran­furt am Main 2000.

Online

Stahl, Da­ni­el, Der Fall Klaus Bar­bie (In­for­ma­ti­on in L.I.S.A., dem Wis­sen­schafts­por­tal der Ger­da-Hen­kel-Stif­tung). [On­line]

Klaus Barbie, Erkennungsbild des SS-Ausweises, vor 1935.

 
Zitationshinweis

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Striewski, Jennifer, Klaus Barbie, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/klaus-barbie-/DE-2086/lido/57c57307478122.48744499 (abgerufen am 14.12.2024)