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Klaus von Bismarck war gelernter Landwirt, Offizier, Sozialamtsleiter, Intendant des Westdeutschen Rundfunks, Vordenker der „Neuen Ostpolitik“ und der Verständigung mit Osteuropa und Präsident des Goethe-Instituts.
Klaus Hans Herbert von Bismarck entstammte dem ostelbisch-protestantischen Landadel. Am 6.3.1912 kam er auf dem zum Pfarrort Jarchlin (heute Jarchlino/Polen) gehörenden Gut Kniephof (Konarzewo) in Westpommern zur Welt. Seine Eltern waren Gottfried von Bismarck (1881-1928) und Gertrud Koehn (geboren 1890), die aus großbürgerlichen Berliner Kreisen in die Familie eingeheiratet hatte. Aus der Ehe gingen neben dem „Stammhalter“ Klaus drei weitere Söhne und zwei Töchter hervor. Der Urgroßvater Bernhard von Bismarck (1810-1893) war ein Bruder des Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck (1815-1898), der einen Teil seiner Kindheit auf Kniephof verbracht hatte. Bismarcks Vater Gottfried hatte in England Musik studiert, war anglophil, interessierte sich für Archäologie und war als Nonkonformist laut Klaus von Bismarck eine „Fehlfarbe“ unter den ostelbischen Junkern.
Von 1925 bis 1931 besuchte Klaus von Bismarck das Humanistische Gymnasium in Bad Doberan. Während dieser Zeit logierte er bei seiner Großmutter mütterlicherseits, die sich während des Ersten Weltkrieges zu einer glühenden Pazifistin entwickelt hatte und in deren Bücherschrank der junge Bismarck Literatur entdeckte, die, wie er meinte, „nur schwerlich in einem hinterpommerschen Gutshaus zu finden gewesen wäre“, etwa: Bertolt Brecht (1898-1956), Alfred Döblin (1878-1857), Franz Kafka (1883-1924), Erich Maria Remarque (1898-1970) oder Rosa Luxemburg (1871-1919).
Nach dem Tod des Vaters 1928 und dem Abitur im Jahre 1931 begann Bismarck eine landwirtschaftliche Ausbildung. Am 1.4.1934 trat er in das Infanterie-Regiment 4 in Kolberg ein, zwei Jahre später wurde er zum Leutnant der Reserve befördert. Von der NSDAP hielt Bismarck sich fern, da ihm Adolf Hitler (1889-1945) nach eigenen Worten widerlich war. Im Frühjahr 1939 quittierte er den Dienst und arbeite in einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb. Am 15.7.1939 heiratete er Ruth-Alice von Wedemeyer (geboren 1920). Aus der Ehe gingen acht Kinder hervor.
Von 1939 bis 1945 diente Bismarck – abgesehen von einer Freistellung zur Verwaltung des Familienbesitzes von Sommer 1943 bis Herbst 1944 – als Offizier in der Wehrmacht, zuletzt ab 1944 als Kommandeur des Grenadier-Regiments 4; dreimal wurde er verwundet und mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz hochdekoriert. Persönliche und familiäre Kontakte bestanden zu Exponenten des militärischen Widerstandes wie Henning von Tresckow (1901-1944), Fabian von Schlabrendorff (1907-1980) oder den Brüdern Hans Bernd (1905-1944) und Werner (1908-1944) von Haeften beziehungsweise zur Bekennenden Kirche: seine Schwägerin Maria von Wedemeyer (1924-1977) war mit dem Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) verlobt. Obwohl ihm eine Mitwirkung am Widerstand gegen das NS-Regime nahegelegt worden sei, konnte Bismarck bis ins hohe Alter keine „schlüssige Erklärung“ für seine abwartende Haltung finden.
1945 wurde er per Schiff nach Schleswig-Holstein evakuiert und geriet dort in britische Kriegsgefangenschaft. Die Nachricht von der Kapitulation nahm er nach eigenen Worten mit Erleichterung auf. Schon früh akzeptierte er die Realität des Verlustes der Ostgebiete und zog die entsprechenden Konsequenzen: auf dem Kirchentag 1954 erklärte er seinen Verzicht auf Kniephof. Im Jahre 1961 gehörte Bismarck zu den Unterzeichnern des Tübinger Memorandums und fortan zu den Verfechtern der „Neuen Ostpolitik“ der Ära Willy Brandt (1913-1992). Die Versöhnung mit Osteuropa, insbesondere mit Polen, wurde zu einem Leitthema seines Wirkens. Im Dezember 1970 gehörte Bismarck der Delegation an, die Bundeskanzler Willy Brandt (Amtszeit 1969-1974) zur Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages nach Warschau begleitete.
Gleichermaßen prägend war seine Wandlung vom Kirchgänger zum Christen, sein Engagement beim Deutschen Evangelischen Kirchentag (1949-1995), im Weltkirchenrat (1961-1968) und sein dezidierter Einsatz für die Ökumene und die Dritte Welt.
Im Herbst 1945 wurde Bismarck Leiter des Jugendamtes des Landkreises Herford, 1946 Leiter des Jugendhofes in Vlotho und 1949 Leiter des Sozialamtes der Evangelischen Kirchen in Villigst. Am 17.12.1960 wurde der parteilose Bismarck vom Verwaltungsrat des WDR zum Intendanten gewählt. Er übte das Amt über drei Amtsperioden bis zum 30.2.1976 aus.
Prägende Entwicklungen der Ära Bismarck im WDR war der Ausbau der innerbetrieblichen Mitbestimmung, die Zügelung der Begehrlichkeiten politischer Parteien nach Einflussnahme auf das Programm und Stellenbesetzungen, das heißt die Wahrung der Unabhängigkeit des Senders, und schließlich die stürmische Entwicklung des neuen Mediums, des Fernsehens. In der Ära Bismarck verdoppelte sich die Zahl der festangestellten Mitarbeiter von 2.000 auf 4.000. Parallel dazu stieg der Raumbedarf für Büros, Fernsehstudios und den Ausstattungsbetrieb mit Neubauten in der Kölner Innenstadt (Vierscheibenhaus, Filmhaus) sowie auf dem Produktionsgelände in Köln-Bocklemünd.
Auch beim WDR war Bismarck um die Verbesserung der Beziehungen zu Osteuropa bedacht. 1964 reiste er zu Verhandlungen über einen Programm- und Kulturaustausch mit dem polnischen Rundfunk nach Warschau und besuchte das Konzentrationslager Ausschwitz. In Bismarcks Amtszeit fällt die Gründung der ARD-Büros Warschau (1961).
Akten mit „Umstrittenen Sendungen“ aus Bismarcks Intendanz füllen ganze Regalmeter. Sie dokumentieren Beschwerden über Sendungen des „Rotfunks“ und die Versuche zur Einflussnahme seitens der politischen Parteien oder von Lobbygruppen, aber auch Bismarcks dezidiertes Eintreten für die Freiheit der Meinungsäußerung und das liberale Profil des Senders. Fernsehdirektor Werner Höfer brachte dies in seiner Abschiedsrede auf den Punkt, wenn er ausführte: „Sie haben – manchmal gegen ihren Geschmack, nie gegen ihr Gewissen, schon gar nicht gegen ihre Verantwortung – den Programmmachern jede Freiheit gelassen, die Gesetz und Auftrag gestatten, wenn nicht verlangen.“
1977 wurde Klaus von Bismarck Präsident des Goethe-Instituts in München, ein Amt, das er bis 1989 bekleidete. Auch hier stand der Ausbau der Beziehungen nach Ost- und Südosteuropa – etwa mit der Eröffnung von Instituten in Ungarn und Rumänien - und die Wahrung der politischen Unabhängigkeit der Bildungsarbeit im Zentrum seines Interesses.
Anlässlich einer Reise nach Minsk im Jahre 1986 besuchte Bismarck die Gedenkstätte Katyn. Der Besuch geriet für ihn zum „Schock“, der den Mythos von der „sauberen Wehrmacht“ bei ihm ins Wanken brachte und die Erkenntnis beförderte, auf einer „Insel des Selbstbetrugs“ gelebt zu haben. Im März 1995 eröffnete er in Hamburg die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Kriegsverbrechen der Wehrmacht 1941-1944“, die „Wehrmachtsausstellung“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung.
Klaus von Bismarck starb am 22.5.1997 in Hamburg.
„Es gibt einen Grad an innerer Unabhängigkeit jenseits dessen es eigentlich keine Rolle mehr spielt, ob jemand links oder rechts, alt oder jung ist. Ebendiese innere Souveränität zeichnete Klaus von Bismarck aus...“, beginnt Robert Leicht seinen Nachruf auf Klaus von Bismarck vom 30.5.1997 in der „Zeit“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Klaus von Bismarck, Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband (1989) gehört zu den herausragenden, gesellschaftspolitisch prägenden Persönlichkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Werke
Aufbruch aus Pommern. Erinnerungen und Perspektiven, München 1992.
Literatur
Lorenz, Klaus-Peter, Die Demokraten-Macher. Politische Bildner im Nachkriegsdeutschland. Das Beispiel Jugendhof Vlotho 1946–1949, Essen 2004.
Schmid, Josef, „Ich fühle mich in Dienst genommen“. Klaus von Bismarck in Äußerungen zu Zeitfragen seit 1945, München 2000.
Schmid, Josef, „Wir haben auf einer Insel des Selbstbetrugs gelebt“. Klaus von Bismarcks Weg vom Dienst in der Wehrmacht zur Eröffnung der „Wehrmachtsausstellung“ 1995 in Hamburg, in: Zwischen Fremd- und Feindbildern, hg. von Jennifer Wasmuth, Münster 2000, S. 33-49.
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Bernard, Birgit, Klaus von Bismarck, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/klaus-von-bismarck-/DE-2086/lido/57c583816b8971.70468958 (abgerufen am 14.11.2024)