Louis Hagen

Bankier (1855-1932)

Boris Gehlen (Bonn)

Louis Hagen, Gemälde. (Industrie- und Handelskammer Köln)

Louis Ha­gen war im Kai­ser­reich und in der Wei­ma­rer Re­pu­blik ei­ner der füh­ren­den deut­schen Ban­kiers und ein po­li­tisch ein­fluss­rei­cher Ak­teur im Rhein­land.

Louis Ha­gen er­blick­te als Louis Heymann (spä­ter: Her­mann) Le­vy als zwei­tes von vier Kin­dern der Ehe­leu­te Her­mann Abra­ham (1825-1873) und Jo­han­na Le­vy (ge­bo­ren 1832) am 15.5.1855 in Köln das Licht der Welt. Er stamm­te aus ei­ner jü­di­schen Ban­kiers­fa­mi­lie, die je­doch nicht zu den füh­ren­den in der Köl­ner Ge­sell­schaft ge­hör­te: Sein Va­ter lei­te­te seit 1858 das Bank­haus A. Le­vy, in das Louis Ha­gen nach des­sen Tod 1873 ein­trat und bei dem er seit 1877 als Teil­ha­ber fun­gier­te. Die Mut­ter war ei­ne Toch­ter des So­lin­ger Stahl- und Waf­fen­fa­bri­kan­ten Alex­an­der Cop­pel (1791-1887).

 

Ha­gen hat­te zu­vor das Fried­rich-Wil­helm-Gym­na­si­um in Köln und die Han­dels­hoch­schu­le in Ant­wer­pen be­sucht, ehe er bei Ja­cob Land­au (1822-1882) in Ber­lin sei­nen Aus­bil­dungs­weg im Bank­fach fort­setz­te. Ber­lin wur­de mit sei­ner Bör­se ne­ben Köln, dem da­mals füh­ren­den Ban­ken­zen­trum im Wes­ten, zu Ha­gens Haupt­wir­kungs­ort. Rasch mach­te er durch ge­schick­te Trans­ak­tio­nen auf sich auf­merk­sam, und die ge­ho­be­ne Kund­schaft im Rhein­land griff im­mer häu­fi­ger auf sei­ne Diens­te zu­rück. Über die­se Kon­tak­te lern­te er auch sei­ne Frau An­na Em­ma Ha­gen (ge­stor­ben 1929) ken­nen, de­ren Va­ter, Gott­fried Ha­gen (1829-1900), ein an­ge­se­he­ner Köl­ner Me­tall­händ­ler und Blei­rohr­fa­bri­kant war. An­läss­lich der Hoch­zeit 1886 kon­ver­tier­te Ha­gen zum Ka­tho­li­zis­mus und nahm schlie­ß­lich 1893 den Fa­mi­li­en­na­men sei­ner Frau an. Aus der Ehe gin­gen zwei Töch­ter her­vor, Eli­sa­beth (1886-1979) und Ma­ria (1889-1943), die spä­ter in die hö­he­re Be­am­ten­schaft und den Adel ein­hei­ra­te­ten.

Louis Hagen, Gemälde. (Industrie- und Handelskammer Köln)

 

Die Hoch­zeit und wohl auch sei­ne As­si­mi­la­ti­on eb­ne­ten Ha­gen end­gül­tig den Weg in die ge­ho­be­ne Köl­ner Ge­sell­schaft. Sei­ne zahl­rei­chen und wach­sen­den Kon­tak­te in der Dom­stadt und ins rhei­nisch-west­fä­li­sche Wirt­schafts­ge­biet ge­ne­rell mach­ten Ha­gen bald zum Mitt­ler bei Un­ter­neh­mens­zu­sam­men­schlüs­sen, die ge­wis­ser­ma­ßen zu sei­nem Mar­ken­zei­chen wur­den: Die Ver­ei­nig­ten Stahl­wer­ke van der Zy­pen & Wis­se­ner Ei­sen­hüt­ten AG, der Eschwei­ler Berg­werks­ver­ein und Fel­ten & Guil­leau­me zähl­ten – ne­ben vie­len an­de­ren – auf Ha­gens Rat bei der Ex­pan­si­on ih­rer Un­ter­neh­mun­gen; auch den Zu­sam­men­schluss der Hör­der Berg­werks- und Hüt­ten AG mit der Pho­enix AG für Berg­bau und Hüt­ten­be­trieb trieb der Köl­ner Ban­kier ent­schei­dend vor­an. Häu­fig ko­ope­rier­te er mit dem Bank­haus Sal. Op­pen­heim & Cie., so auch bei der Sa­nie­rung des Scherl-Ver­lags. Nach dem Ers­ten Welt­krieg, 1922, bil­de­ten die bei­den Bank­häu­ser ei­ne In­ter­es­sen­ge­mein­schaft und Ha­gen wur­de Teil­ha­ber bei Sal. Op­pen­heim.

Louis Ha­gen wur­de nicht sel­ten als „Hei­rats­ver­mitt­ler" für Un­ter­neh­men ka­ri­kiert, da er in der Pha­se der Gro­ß­kon­zern­bil­dung seit den 1890er Jah­ren und ver­stärkt noch­mals in der In­fla­ti­on der frü­hen 1920er Jah­re di­rekt und auf in­for­mel­lem We­ge Zu­sam­men­schlüs­se be­glei­te­te oder in­iti­ier­te. Er be­schränk­te sich da­bei nicht auf in­dus­tri­el­le Un­ter­neh­mun­gen, son­dern er­kann­te be­reits früh­zei­tig, dass auch Ban­ken der In­dus­trie „hin­ter­her­wach­sen" muss­ten. So ver­band er et­wa den tra­di­ti­ons­rei­chen A. Schaaf­hau­sen’schen Bank­ver­ein zu­nächst mit der Dresd­ner Bank, schlie­ß­lich mit der Dis­con­to­ge­sell­schaft.

Frag­los ge­hör­te Ha­gen zu den ein­fluss­reichs­ten Ban­kiers sei­ner Zeit – do­ku­men­tiert auch in sei­nen zahl­rei­chen Auf­sichts­rats­man­da­ten, die häu­fig Re­sul­tat sei­ner Be­ra­ter­tä­tig­keit wa­ren. 1912 saß er in 39, 1925 in 63, 1927 in 68 und zu Be­ginn der 1930er Jah­re schlie­ß­lich in 90 Kon­troll­gre­mi­en. Hin­zu ka­men Ver­pflich­tun­gen in Ver­bän­den und po­li­ti­schen Gre­mi­en, zum Bei­spiel saß er im Vor­stand des Deut­schen In­dus­trie- und Han­dels­ta­ges, im Vor­läu­fi­gen Reichs­wirt­schafts­rat, Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­land­tag und Preu­ßi­schen Staats­rat und war fer­ner Mit­glied im ex­klu­si­ven Ge­ne­ral­rat der Reichs­bank.

Al­lei­ne die enor­me Zahl sei­ner Man­da­te mag ver­deut­li­chen, dass Ha­gen kein Ban­kier im en­ge­ren Sin­ne war, son­dern Ex­po­nent ei­nes ver­gleichs­wei­se jun­gen Ty­pus in der Wirt­schafts­eli­te, den man als In­vest­ment­ban­ker für „Mer­gers & Ac­qui­si­ti­ons" avant la lett­re kenn­zeich­nen könn­te. Er be­zog aus sei­ner Ver­net­zung Kennt­nis­se, die er wie­der­um – ge­gen Ver­gü­tung – bei Fu­sio­nen und sons­ti­gen Be­ra­tungs­dienst­lei­tun­gen zur Ver­fü­gung stell­te. Ein re­gu­lä­res Bank­ge­schäft mit Ein­la­gen oder Kre­di­ten gab es bei A. Le­vy im Grun­de nicht, son­dern die Bank fun­gier­te eher als Dienst­leis­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on für die Pro­jek­te Ha­gens. Es über­rascht da­her kaum, dass A. Le­vy sei­nen prä­gen­den Kopf nur um we­ni­ge Jah­re über­leb­te; das Bank­haus wur­de aus rein wirt­schaft­li­chen Grün­den 1936 von Ro­bert Pferd­men­ges still li­qui­diert, der Sal. Op­pen­heim in­zwi­schen treu­hän­de­risch für die Fa­mi­lie Op­pen­heim führ­te. For­mal war an der Li­qui­da­ti­on auch noch der seit 1934 in der Schweiz le­ben­de Braun­koh­len­in­dus­tri­el­le Paul Sil­ver­berg be­tei­ligt, den Ha­gen 1930 in ei­nem Ver­trag zu sei­nem Nach­lass­ver­wal­ter und zum Kom­man­di­tis­ten bei A. Le­vy be­stimmt hat­te.

Sil­ver­berg war Ha­gen auch im Herbst 1932 kurz­zei­tig als Prä­si­dent der Köl­ner (In­dus­trie- und) Han­dels­kam­mer nach­ge­folgt, der der Ban­kier seit 1915 vor­ge­stan­den hat­te, nach­dem er zu­vor be­reits drei Jah­re stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der ge­we­sen war. Ha­gen führ­te folg­lich die Köl­ner Wirt­schaft durch die un­si­che­ren Zei­ten von Welt­krieg, In­fla­ti­on und Wirt­schafts­kri­sen, mehr aber noch präg­te er die po­li­ti­sche Dis­kus­si­on im Rah­men der Rhein­land­fra­ge seit 1918/ 1919. Doch be­reits zu­vor war Ha­gen als Grenz­gän­ger zwi­schen Wirt­schaft und Po­li­tik un­ter­wegs; seit 1909 saß er für ins­ge­samt 19 Jah­re in der Köl­ner Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung, zu­nächst für die Li­be­ra­len, seit 1919 für das Zen­trum.

Die­ser Wech­sel war auch auf das freund­schaft­li­che Ver­hält­nis zu Kon­rad Ade­nau­er zu­rück­zu­füh­ren, des­sen Wahl zum Ober­bür­ger­meis­ter er be­reits 1917 tat­kräf­tig un­ter­stützt hat­te. In der po­li­tisch fra­gi­len Si­tua­ti­on der Rhein­land­be­set­zung ko­ope­rier­ten bei­de Ak­teu­re be­son­ders eng: Ade­nau­er mo­bi­li­sier­te die Po­li­tik, Ha­gen die rhei­ni­sche Wirt­schaft. Er stand dem „Wirt­schafts­aus­schuss für die be­set­zen Ge­bie­te" vor, ei­nem pri­va­ten Ver­band, der aus der eben­falls von Ha­gen ge­lei­te­ten „Ver­ei­ni­gung der Han­dels­kam­mern des be­setz­ten Ge­bie­tes" ent­stan­den war, aber dar­über hin­aus auch Ver­tre­ter der Land­wirt­schafts- und Hand­werks­kam­mern so­wie pri­va­ter In­ter­es­sen­ver­ei­ni­gun­gen um­fass­te.

In den an­fäng­li­chen Dis­kus­sio­nen 1919 schien Ha­gen nicht ab­ge­neigt, der Bil­dung ei­nes selb­stän­di­gen Rhe­in­staa­tes zu­zu­ar­bei­ten, wech­sel­te aber rasch, wie vie­le an­de­re, ins prag­ma­ti­sche La­ger, das ver­such­te, die Si­tua­ti­on im Rhein­land zu ver­bes­sern und die Er­rich­tung ei­nes ei­ge­nen West­staa­tes nur als äu­ßers­te Lö­sung zu be­trach­ten. Als sich 1923 nach Ein­füh­rung der Ren­ten­mark und der da­mit fak­ti­schen Ab­tren­nung des Rhein­lands vom deut­schen Wäh­rungs­ge­biet die Dis­kus­sio­nen er­neut ver­schärf­ten, er­reich­te Ha­gen – in Ab­stim­mung mit Ade­nau­er und ei­ner klei­nen Grup­pe rhei­ni­scher Ban­kiers und Un­ter­neh­mer – die Zu­stim­mung der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­macht, die Rhei­ni­sche Gold­no­ten­bank zu grün­den. De­ren Kon­zep­ti­on als Zen­tral­bank des Rhein­lands stell­te frag­los ei­nen Schritt zur Tren­nung vom Reich dar, nahm die ihr zu­ge­dach­te Funk­ti­on aber in­fol­ge (wäh­rungs-)po­li­ti­scher Ent­wick­lun­gen und schlie­ß­lich der Aus­sicht auf den Da­wes-Plan gar nicht erst auf.

Sei­ne Rol­le in der Rhein­land­fra­ge war zwar be­son­ders pro­mi­nent, doch bei­lei­be nicht sei­ne ein­zi­ge po­li­ti­sche Ak­ti­vi­tät. Er stand fer­ner Ade­nau­er bei den Pro­jek­ten der Stadt­er­wei­te­rung – zum Bei­spiel Köl­ner Mes­se, Nieh­ler Ha­fen – be­ra­tend zur Sei­te und for­cier­te den Neu­bau der Ge­bäu­de der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer, der schlie­ß­lich 1930 be­schlos­sen wur­de. Frei­lich agier­te er bei sol­chen Pro­jek­ten nicht völ­lig un­ei­gen­nüt­zig, sorg­te er doch über A. Le­vy häu­fig für ei­ne (Teil-)Fi­nan­zie­rung städ­ti­scher Aus­ga­ben.

Mit den zu­neh­men­den Pro­ble­men des Ka­pi­tal­markts in Deutsch­land seit En­de der 1920er Jah­re wur­de al­ler­dings die von Ha­gen ver­mit­tel­te Fi­nan­zie­rung über kurz­fris­ti­ge Aus­lands­an­lei­hen im­mer ris­kan­ter und zu ei­nem Pro­blem für Bank und Kom­mu­ne, die in der Welt­wirt­schafts­kri­se auch auf­grund ih­rer ho­hen kurz­fris­ti­gen Ver­schul­dung – wie vie­le an­de­re Ge­mein­den auch – kaum mehr zah­lungs­fä­hig war.

Ha­gen war frei­lich stets in bes­ter bür­ger­li­cher Tra­di­ti­on be­strebt, das Köl­ner Ge­mein­we­sen zu för­dern und en­ga­gier­te sich für Kunst und Wis­sen­schaft – auch über die Gren­zen der Dom­stadt hin­aus. So setz­te er sich an pro­mi­nen­ter Stel­le zum Bei­spiel für das Schnüt­gen- und das Rau­ten­strauch-Joest-Mu­se­um ein und war auch an der Grün­dung der Kai­ser-Wil­helm-Ge­sell­schaft be­tei­ligt. Sein ge­sell­schaft­li­ches Wir­ken do­ku­men­tie­ren die zahl­rei­chen Eh­run­gen Ha­gens, der 1904 zum Kom­mer­zi­en­rat er­nannt wor­den war und die Eh­ren­dok­tor­wür­den der Uni­ver­si­tät Bonn (1914), der Tech­ni­schen Hoch­schu­le Aa­chen (1920) und auch der Köl­ner Uni­ver­si­tät (1919) ver­lie­hen be­kam, de­ren Neu­grün­dung er ma­ß­geb­lich un­ter­stützt hat­te; die Köl­ner Uni­ver­si­tät mach­te ihn da­her auch 1925 zum Eh­ren­bür­ger.

Ha­gen wur­de als in­tel­li­gent, ehr­gei­zig und flei­ßig be­schrie­ben, war da­bei durch­aus auch den schö­nen Din­gen des Le­bens zu­ge­neigt und galt als her­vor­ra­gen­der Gast­ge­ber und ge­win­nen­de Per­sön­lich­keit. Er blieb zeit­le­bens ak­tiv und zog sich nicht aus dem wirt­schaft­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Le­ben Kölns zu­rück, bis er im Al­ter von 77 Jah­ren am Mor­gen des 1.10.1932 in Köln an den Fol­gen ei­nes Schlag­an­falls starb; drei Ta­ge spä­ter wur­de er auf dem Me­la­ten­fried­hof bei­ge­setzt.

Literatur

Kel­len­be­nz, Her­mann, Louis Ha­gen (1855-1932) ins­be­son­de­re als Kam­mer­prä­si­dent, in: Rhei­nisch-West­fä­li­sche Wirt­schafts­bio­gra­phi­en 10 (1974), S. 138-195.
Mos­se, Wer­ner E., Zwei Prä­si­den­ten der Köl­ner ­In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer: Louis Ha­gen und Paul Sil­ver­berg, in: Jut­ta Bohn­ke-Koll­witz (Hg.), Köln und das rhei­ni­sche Ju­den­tum. Fest­schrift Ger­ma­nia Ju­dai­ca 1959-1984, Köln 1984, S. 308-340.
Stür­mer, Mi­cha­el / Teich­mann, Ga­brie­le / Treue, Wil­helm, Wä­gen und Wa­gen. Sal. Op­pen­heim jr. & Cie. Ge­schich­te ei­ner Bank und ei­ner Fa­mi­lie, Mün­chen 1989.

Online

Treue, Wil­helm, Ar­ti­kel "Ha­gen, Louis", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 7 (1966), S. 479-480.

Louis Hagen, Porträt. (Stiftung Rheinisch Westfälisches Wirtschaftsarchiv Köln)

 
Zitationshinweis

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Gehlen, Boris, Louis Hagen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/louis-hagen-/DE-2086/lido/57c825706614f3.63630629 (abgerufen am 06.12.2024)