Luise Straus

Kunsthistorikerin und Journalistin (1893-1944)

Jürgen Pech (Bonn)

Luise Straus, Paris, um 1936.

Durch Ver­öf­fent­li­chun­gen und Re­cher­chen konn­te Lui­se Straus aus dem Schat­ten ih­res Man­nes, des da­da­is­ti­schen und sur­rea­lis­ti­schen Künst­ler­s Max Ernst, her­aus­tre­ten; seit 1980 ist sie als ei­gen­stän­di­ge Per­sön­lich­keit wie­der im Be­wusst­sein der Öf­fent­lich­keit prä­sent.

Sie war al­lein er­zie­hen­de Mut­ter, für fast ein Jahr kom­mis­sa­ri­sche Lei­te­rin des Wall­raf-Ri­ch­artz-Mu­se­ums in Köln und ei­ne weit über das Rhein­lan­d hin­aus­wir­ken­de Kunst- und Kul­tur­jour­na­lis­tin der Wei­ma­rer Re­pu­blik. Zur Er­in­ne­rung an Lui­se Straus, als Zei­chen und Mahn­mal, hat der Köl­ner Künst­ler Gün­ter Dem­nig (ge­bo­ren 1947) ei­nen sei­ner Stol­per­stei­ne vor ih­rer Woh­nung in den Bür­ger­steig der Em­ma­stra­ße 27 in Köln ein­ge­las­sen.

Die Toch­ter des jü­di­schen Fa­bri­kan­ten Ja­cob Straus (1859-1936) und sei­ner Ehe­frau Char­lot­te, ge­bo­re­ne Mey­er (1871-1919), wur­de am 2.12.1893 in Köln ge­bo­ren. Nach 1880 hat­te der Va­ter ei­ne Stroh- und Filz­hut­fa­brik mit­ge­grün­det, die sich „Lö­wens­tern & Straus“ nann­te. Wäh­rend der pros­pe­rie­ren­den Grün­der­zeit wur­de die Fir­ma er­heb­lich ver­grö­ßert und konn­te 1925 – so ei­ne An­zei­ge im „Hand­buch von Köln“ – als äl­tes­te Gro­ßhan­dels­fir­ma auf dem Ge­biet der Hut­fa­bri­ka­ti­on in Köln mit 100 An­ge­stell­ten auf­war­ten. Am 24.5.1899 wur­de ihr Bru­der Ri­chard Straus ge­bo­ren, der nach sei­ner Schul­aus­bil­dung in der vä­ter­li­chen Fir­ma tä­tig war und in sei­ner Frei­zeit als Cel­list re­üs­sier­te.

Von 1900 bis 1903 be­such­te Lui­se Straus in Köln die Städ­ti­sche Mitt­le­re Mäd­chen­schu­le und bis 1906 die Städ­ti­sche Hö­he­re Mäd­chen­schu­le. Nach dem Zeug­nis der Rei­fe, das sie an der Städ­ti­schen Stu­di­en­an­stalt der gym­na­sia­len Rich­tung am 13.3.1912 er­hielt, be­gann sie im Som­mer­se­mes­ter 1912 an der Rhei­ni­schen Fried­rich Wil­helms-Uni­ver­si­tät in Bonn ihr Stu­di­um mit den Fä­chern Kunst­ge­schich­te, Ar­chäo­lo­gie un­d ­Ge­schich­te. Sie wohn­te im Ve­nus­berg­weg 18 ge­gen­über dem Bo­ta­ni­schen Gar­ten des Pop­pels­dor­fer Schlos­ses und lern­te im No­vem­ber 1912 den zwei Jah­re äl­te­ren Kom­mi­li­to­nen Max Ernst ken­nen. Wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges war sie ab dem Som­mer­se­mes­ter 1915 für ein Jahr an der Uni­ver­si­tät Ber­lin ein­ge­schrie­ben. Nach Bonn zu­rück­ge­kehrt schloss sie bei Pro­fes­sor Paul Cle­men ih­re Dok­tor­ar­beit mit dem Ti­tel „Zur Ent­wick­lun­g ­des zeich­ne­ri­schen Stils in der Cöl­ner Gold­schmie­de­kunst des XII. Jahr­hun­derts“ ab. Das The­ma hat­te sie von dem Stu­di­en­kol­le­gen Karl Ot­ten (1889-1963) über­nom­men, der von 1913 bis 1914 an der Bon­ner Uni­ver­si­tät ein­ge­schrie­ben war. Die münd­li­che Pro­mo­ti­ons­prü­fung fand am 6.12.1916 statt. Sie be­kam am Köl­ner Wall­raf-Ri­ch­artz-Mu­se­um ei­ne An­stel­lung als wis­sen­schaft­li­che Hilfs­ar­bei­te­rin und hielt in die­ser Funk­ti­on am 7.3.1918 im „Köl­ner Frau­en­klub“ ei­nen Vor­trag über „Ein Wohn­haus im 16. Jahr­hun­der­t“.

Am 7.10.1918, ei­nen Mo­nat vor En­de des Ers­ten Welt­krie­ges, fand in Köln die Kriegs­trau­ung zwi­schen „Max Ernst, Leut­nant d. R.“ und „Lui­se Straus, Dr. phil.“ – so die Hei­rats­an­zei­ge – statt. Die Hoch­zeits­rei­se führ­te das jun­ge Paar nach Ber­lin, wo es sich ei­ne Wo­che spä­ter, am 14.10.1918, in das Gäs­te­buch des Kunst­händ­lers Her­warth Wal­den (1878-1941) ein­trug, der im Ja­nu­ar 1916 Ge­mäl­de und Zeich­nun­gen von Max Ernst in sei­ner Ga­le­rie „Der Stur­m“ ge­zeigt hat­te. Nach Köln zu­rück­ge­kehrt mie­te­te das Paar ei­ne Woh­nung im Kai­ser-Wil­helm-Ring 14. Die Adres­se fun­gier­te als Bü­ro der neu ge­grün­de­ten „Ge­sell­schaft der Küns­te“, die mit dem „Ar­beits­rat für Kunst“ in Kon­takt stand, der sich nach der No­vem­ber­re­vo­lu­ti­on in Ber­lin ge­bil­det hat­te. Uto­pi­sche Vor­stel­lun­gen von ei­ner neu­en Men­schen­ge­mein­schaft be­stimm­ten bei­de Grup­pie­run­gen und soll­ten durch die Frei­heit der Kunst, durch ei­nen le­ben­di­gen Kon­takt mit dem Volk so­wie durch ei­ne De­mo­kra­ti­sie­rung des Kunst­be­trie­bes er­reicht wer­den.

 

Im Ja­nu­ar 1919, nach dem Tod von Dr. Jo­seph Pop­pel­reu­ter, dem Di­rek­tor der Skulp­tu­ren- und An­ti­ken­samm­lung des Wall­raf-Ri­ch­artz-Mu­se­ums, über­nahm Dr. Lui­se Straus-Ernst kom­mis­sa­risch die Mu­se­ums­lei­tung, die sie bis zum En­de des Jah­res in­ne­hat­te; nach der Wahl von Pro­fes­sor Karl Schae­fer zum neu­en Di­rek­tor ver­ließ sie das Mu­se­um. Den Som­mer über reis­te das Ehe­paar zum Berg­stei­gen an den Kö­nigsee und be­such­te auf der Rück­rei­se den Künst­ler Paul Klee (1879-1940) in Mün­chen. Sie wähl­ten Aqua­rel­le und Zeich­nun­gen für ei­ne Aus­stel­lung aus, die dann doch nicht rea­li­siert wur­de. Statt­des­sen führ­ten die fol­gen­den Mo­na­te im Werk von Max Ernst zur ko­per­ni­ka­ni­schen Wen­de und zur Grün­dung der Köl­ner Da­da-Grup­pe, die sich im No­vem­ber von der „Ge­sell­schaft der Küns­te“ mit ei­ner Se­zes­si­ons-Aus­stel­lung im Köl­ni­schen Kunst­ver­ein dis­tan­zier­te. Im Licht­hof des Kunst­ge­wer­be­mu­se­ums fand im dar­auf fol­gen­den Mo­nat die „Aus­stel­lung für das werk­tä­ti­ge Vol­k“ statt, die von der „Ar­beits­ge­mein­schaft Köl­ner Künst­ler“ auf An­re­gung und un­ter Mit­wir­kung des „Ar­bei­ter­bil­dungs­aus­schus­ses“ der So­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei ver­an­stal­tet wur­de. Da­zu hielt Dr. Lui­se Straus-Ernst am 10.12.1919 im Pal­len­berg­saal ei­nen Vor­trag, der am Tag dar­auf vom „Köl­ner Stadt-An­zei­ger“ als „Lob­prei­sung auf die an­geb­lich glän­zen­den Volks­bil­dungs­be­stre­bun­gen So­wjet-Ru­ß­lands und die an­geb­lich eben­so glän­zen­den Be­mü­hun­gen der un­ga­ri­schen Rä­te­re­pu­blik“ kri­ti­siert wur­de. Der Ar­ti­kel führ­te wei­ter aus, dass die Vor­tra­gen­de „in dem Ex­pres­sio­nis­mus die glück­lichs­te Aus­drucks­form der jun­gen pro­le­ta­ri­schen Kunst sieht, die, wie sie aus­führ­te, im Be­griff ste­he, die ma­te­ri­el­le bür­ger­li­che Kul­tur ab­zu­lö­sen."

1920 schlos­sen sich wei­te­re Da­da-Ak­ti­vi­tä­ten an: im April er­schien die Pu­bli­ka­ti­on „die scham­ma­de“, im April/Mai fand die zwei­te Köl­ner Da­da-Aus­stel­lung im Brau­haus Win­ter in der Schil­der­gas­se statt und von En­de Ju­ni bis Au­gust war Max Ernst an der Grup­pen­aus­stel­lung „Ers­te In­ter­na­tio­na­le Da­da-Mes­se“ in Ber­lin be­tei­ligt. Kurz vor der Er­öff­nung wur­de am 24.6.1920 der Sohn Hans-Ul­rich ge­bo­ren, der nach den „Jim­mies“, den eng­li­schen Be­sat­zungs­sol­da­ten im Rhein­land, den Na­men Jim­my er­hielt (1920-1984). In den fol­gen­den zwei Jah­ren in­ten­si­vier­te Max Ernst sei­ne Kon­tak­te zur Da­da-Grup­pe in Pa­ris. Nach sei­ner Aus­stel­lung, die im Mai 1921 in der Buch­hand­lung „Au sans par­eil“ statt­fand, nach ei­nem Da­da-Tref­fen im ös­ter­rei­chi­schen Tar­renz bei Imst, der als ers­ter ge­mein­sa­mer Ur­laub von Lui­se, Jim­my und Max im Som­mer 1921 er­folg­te, nach dem Be­such des fran­zö­si­schen Dich­ters Paul Éluard (1895-1952) und sei­ner Frau Ga­la (1894-1982) An­fang No­vem­ber 1921 in Köln und nach ei­nem zwei­ten Da­da-Tref­fen in Tar­renz zog Max Ernst im Ju­li 1922 nach Pa­ris zu den Éluards. Am 5.4.1926 wur­de die Ehe of­fi­zi­ell ge­schie­den.

Nach Köln zu­rück­ge­kehrt brach­te Lui­se Straus sich und Jim­my, un­ter­stützt von der Haus­häl­te­rin Ma­ja Aretz, mit un­ter­schied­li­chen Tä­tig­kei­ten durch die In­fla­ti­ons­zeit. Sie ka­ta­lo­gi­sier­te ei­ne gro­ße Pri­vat­samm­lung mit Por­zel­lan aus Chi­na, war Buch­hal­te­rin in ei­ner Spit­zen- und Sti­cke­rei­fa­brik, bot Mu­se­ums­füh­run­gen an, gab Kur­se in Kunst­ge­schich­te und ar­bei­te­te als Se­kre­tä­rin in der Ga­le­rie von Al­fred New­man und Dr. An­dre­as Be­cker (1894-1972). In den fol­gen­den Jah­ren ver­stärk­te sie ih­re jour­na­lis­ti­sche Tä­tig­keit, nach­dem sie be­reits im „Köl­ner Ta­ge­blat­t“ vom 4.2.1917 ih­ren ers­ten Zei­tungs­ar­ti­kel mit dem Ti­tel „Al­brecht Dü­rer und die neue Kunst“ ver­öf­fent­licht hat­te, 1919 mit Bei­trä­gen in der „West­deut­schen Wo­chen­schrif­t“ so­wie in der mo­nat­lich er­schei­nen­den Kunst­zeit­schrift „Feu­er“ ver­tre­ten ge­we­sen war, 1920 für „Kunst­chro­nik & Kunst­mark­t“ und 1921 für die „Zeit­schrift für bil­den­de Kunst“ ge­schrie­ben hat­te. Ma­ß­geb­lich für die­se er­neu­te Hin­wen­dung zur kul­tu­rel­len Be­richt­er­stat­tung war die Aus­stel­lung „Asia­ti­sche Kunst“, die vom 1.10.-30.11.1926 im Köl­ni­schen Kunst­ver­ein statt­fand und die ihr Bon­ner Stu­di­en­kol­le­ge Al­fred Sal­mo­ny (1890-1958), seit 1920 Kus­tos am Köl­ner Mu­se­um für Ost­asia­ti­sche Kunst, or­ga­ni­siert hat­te.

Auf­grund ih­rer Be­schäf­ti­gung mit chi­ne­si­schem Por­zel­lan war Lui­se Straus für fach­kun­di­ge, die Aus­stel­lung be­glei­ten­de Ar­ti­kel prä­des­ti­niert und er­hielt vom Mu­se­um Emp­feh­lun­gen für Ta­ges­zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten. Die Kon­tak­te bau­te sie aus und ab nun er­schie­nen Tex­te von ihr im „Kunst­blat­t“, im Ber­li­ner „Quer­schnit­t“ und in den Zeit­schrif­ten „Rhei­ni­sche Hei­mat­blät­ter“, „Die Kunst“ so­wie „Deut­sche Kunst und De­ko­ra­ti­on“. Sie wur­de Kunst­be­richt­er­stat­te­rin für die an­ge­se­he­ne, in Ber­lin er­schei­nen­de „Vos­si­sche Zei­tun­g“ und stän­di­ge Kor­re­spon­den­tin für das Rhein­land der „Dresd­ner Neu­es­ten Nach­rich­ten“. Durch ih­re über­re­gio­na­le An­er­ken­nung wur­de sie schlie­ß­lich im „Ver­ein aus­wär­ti­ger Pres­se“ als Mit­glied auf­ge­nom­men. Auch für das noch jun­ge Me­di­um des Rund­funks war sie tä­tig. Im Funk­haus in der Köl­ner Da­go­bert­stra­ße 38 be­rich­te­te sie im Mai/Ju­ni 1929 in der Sen­de­rei­he „Kunst­wan­de­rung im Rhein­lan­d“ über ver­ges­se­ne Kunst­denk­mä­ler und zum To­de des Künst­lers Jan Thorn Prik­ker (1868-1932) sprach sie ei­nen Nach­ruf.

1928 zog Lui­se Straus mit Jim­my und der Haus­häl­te­rin Ma­ja Aretz in die Em­ma­stra­ße 27, im Stadt­teil Köln-Sülz ge­le­gen. Im sel­ben Jahr wur­den bei­de von dem Fo­to­gra­fen Au­gust San­der por­trä­tiert, der die Auf­nah­me in sei­nem groß an­ge­leg­ten Pro­jekt „Men­schen des 20. Jahr­hun­derts“ für die Map­pe „Mut­ter und Kin­d“ vor­ge­se­hen hat­te. Ei­nen Mo­nat, nach­dem Adolf Hit­ler (1889-1945) am 30.1.1933 Reichs­kanz­ler ge­wor­den war, durch­such­te die SS die Woh­nung von Lui­se Straus, die als Jü­din und In­tel­lek­tu­el­le für das neue Re­gime dop­pelt ver­däch­tigt war. Am 28.5.1933 ver­ließ sie Köln, um in Pa­ris zu le­ben und neue Ar­beits­mög­lich­kei­ten zu fin­den. Ei­ni­ge Kon­tak­te zu aus­län­di­schen Re­dak­tio­nen blie­ben je­doch be­ste­hen; so las­sen sich für den Zeit­raum von April 1933 bis Ju­li 1941 Bei­trä­ge von ihr in der „Neu­en Zür­cher Zei­tun­g“ nach­wei­sen.

Jim­my Ernst wohn­te wäh­rend die­ser Zeit bei ih­rem Va­ter Ja­cob Straus. An­fang Ju­ni 1935 be­gann er ei­ne Aus­bil­dung in der Dru­cke­rei Au­gus­tin in Glück­stadt bei Ham­burg, de­ren In­ha­ber Hein­rich-Wil­helm Au­gus­tin (1878-1938) Lui­se Straus durch des­sen Sohn Jo­han­nes Ja­kob Au­gus­tin ken­nen ge­lernt hat­te. Drei Jah­re spä­ter er­hielt Jim­my Ernst durch Letz­te­ren ein Aus­rei­se­vi­sum nach Ame­ri­ka und er­reich­te am 9.6.1938 New York, wo er in der Zweig­nie­der­las­sung der Fir­ma als Schrift­set­zer ar­bei­te­te.

In Pa­ris freun­de­te sich Lui­se Straus mit den Kunst­jour­na­lis­ten und Fo­to­gra­fen Fritz Neu­gass (1899-1979) an. In dem Ho­tel in der Rue Toul­lier 11, in dem er wohn­te und in dem 30 Jah­re zu­vor Rai­ner Ma­ria Ril­ke (1875-1926) sei­ne ers­ten Mo­na­te in Pa­ris ver­bracht hat­te, be­zog sie im Ok­to­ber 1933 eben­falls ein Zim­mer. Ne­ben Ar­ti­keln für die deut­sche Exil­pres­se schlug sich Lui­se Straus mit Deutsch­stun­den und Fran­zö­sisch­un­ter­richt für Emi­gran­ten durch. Un­ter dem Na­men Lou Ernst er­schien vom 31.12.1934 bis zum 6.2.1935 ihr Ro­man „Zau­ber­kreis Pa­ris“ in Fort­set­zun­gen im „Pa­ri­ser Ta­ge­blat­t“. Im Som­mer 1936 be­reis­ten Lui­se Straus und Fritz Neu­gass für über drei Mo­na­te Grie­chen­land und sand­ten Fo­to­re­por­ta­gen an fran­zö­si­sche, schwei­ze­ri­sche, eng­li­sche und ame­ri­ka­ni­sche Blät­ter.

Ab Ju­ni 1939 wohn­ten sie in Can­nes. Nach Aus­bruch des Zwei­ten Welt­krie­ges wur­de Fritz Neu­gass in An­ti­bes und an­schlie­ßend in Les Mil­les in­ter­niert. Von hier aus kam er im Rah­men ei­ner pa­ra­mi­li­tä­ri­schen Hilfs­ein­heit En­de Ja­nu­ar 1940 nach Ma­nos­que. Als im Mai 1940 die deut­schen Trup­pen in Frank­reich ein­mar­schiert wa­ren, wur­de Lui­se Straus wie vie­le Frau­en deut­scher und ös­ter­rei­chi­scher Her­kunft in das Sam­mel­la­ger Gurs na­he der spa­ni­schen Gren­ze ge­bracht. Nach drei Wo­chen konn­te sie am 21.6.1940 das La­ger ver­las­sen und zu­sam­men mit Fritz Neu­gass nach Can­nes zu­rück­keh­ren. Nach dem deutsch-fran­zö­si­schen Waf­fen­still­stand vom 22.6.1940 er­folg­te die Auf­tei­lung Frank­reichs in ei­ne be­setz­te und ei­ne un­be­setz­te Zo­ne. Im Fe­bru­ar 1941 wur­den bei­de aus dem Dé­par­te­ment Al­pes-Ma­ri­ti­mes aus­ge­wie­sen, er­reich­ten aber ei­nen vor­läu­fi­gen Auf­schub. Zur sel­ben Zeit er­hielt Lui­se Straus ein Te­le­gramm aus Mar­seil­le. Bei der ame­ri­ka­ni­schen Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on „Emer­gen­cy Res­cue Com­mit­tee“, die sich un­ter der Lei­tung von Va­ri­an Fry (1907-1967) seit ei­nem hal­ben Jahr um die Ret­tung be­kann­ter Per­sön­lich­kei­ten küm­mer­te, war ihr Vi­sum für Ame­ri­ka an­ge­kom­men. Jim­my Ernst hat­te es zu­sam­men mit dem sei­nes Va­ters be­an­tragt, der in Mar­seil­le eben­falls auf sei­ne Aus­rei­se war­te­te. Das ge­mein­sa­me Vi­sum wur­de aber nicht an­er­kannt, und den Vor­schlag von Max Ernst, er­neut zu hei­ra­ten, lehn­te sie ab. Als En­de Ju­ni 1941 ihr ei­ge­nes Aus­rei­se­vi­sum an­stand und sie le­dig­lich auf die Zu­tei­lung ih­rer Quo­ten­num­mer war­ten muss­te, wur­den die ame­ri­ka­ni­schen Ein­wan­de­rungs­ge­set­ze ge­än­dert und Vi­sa nur noch auf aus­drück­li­che An­wei­sung des Au­ßen­mi­nis­te­ri­ums in Wa­shing­ton er­teilt. Wäh­rend Fritz Neu­gass durch die Bürg­schaft sei­ner El­tern in New York die Aus­rei­se im De­zem­ber 1941 über Ca­sa­blan­ca ge­lang, hat­te Jim­my Ernst, der noch nicht die ame­ri­ka­ni­sche Staats­bür­ger­schaft be­saß, kei­ne wei­te­ren Chan­cen mehr.

1942 kam Lui­se Straus bei dem pro­ven­za­li­schen Schrift­stel­ler und Dich­ter Jean Gi­o­no (1895-1970) un­ter, den Fritz Neu­gass wäh­rend sei­ner Sta­tio­nie­rung in Ma­nos­que ken­nen ge­lernt hat­te. Hier ver­fass­te sie ih­re Le­bens­er­in­ne­run­gen, de­nen sie den Ti­tel „No­ma­den­gut“ gab, um ihr un­ru­hi­ges, un­si­che­res „Le­ben vol­ler Zu­fäl­le, vol­ler Über­ra­schun­gen und Aben­teu­er“ – wie sie selbst schrieb – zu cha­rak­te­ri­sie­ren. Am 29.4.1944 wur­de sie in der Nacht in ei­nem Ho­tel in Ma­nos­que fest­ge­nom­men. Das Da­tum ver­merk­te Jean Gi­o­no in sei­nem „Jour­nal de l’Oc­cupa­ti­on“. Nur fünf Wo­chen spä­ter lan­de­ten die al­li­ier­ten Trup­pen in der Nor­man­die und vom 19.-24.8.1944 fand die Be­frei­ung von Pa­ris statt. Das letz­te Le­bens­zei­chen von Lui­se Straus ist ei­ne Fo­to­gra­fie, die sie im Pro­fil zeigt und die im Mai 1944 im In­ter­nie­rungs­la­ger Dran­cy bei Pa­ris ent­stand. Am 30.6.1944 wur­de sie mit ei­nem der letz­ten Zü­ge nach Ausch­witz de­por­tiert.

Schriften

Straus, Lui­se, Zur Ent­wick­lung des zeich­ne­ri­schen Stils in der Cöl­ner Gold­schmie­de­kunst des XII. Jahr­hun­derts, Strass­burg 1917.
No­ma­den­gut, Han­no­ver 1999.
The First Wi­fe’s Ta­le. A Me­moir by Loui­se Straus-Ernst. New York 2004.

Literatur

Bau, Chris­ti­an/Dieck­hoff, Ar­tur, Zwie­bel­fi­sche. Jim­my Ernst, Glück­stadt – New York, Ham­burg 2010. (mit DVD)
Ernst, Jim­my, Nicht ge­ra­de ein Stil­le­ben. Er­in­ne­run­gen an mei­nen Va­ter Max Ernst, Köln 1985.
Lie­sen­feld, Su­san­ne, Lui­se Straus-Ernst – Ers­te Skiz­zen zu ei­ner Bio­gra­phie, in: Max Ernst in Köln. Die rhei­ni­sche Kunst­sze­ne bis 1922, Aus­stel­lungs-Ka­ta­log Köl­ni­scher Kunst­ver­ein, Köln 1980, S. 287-294.
Re­mus, Ute, Sollst je du sollst du Schwä­nin auf dem Oze­an, Hom­mage an Lou Straus-Ernst, Köln 2004. (Au­dio-CD)
Weiss­wei­ler, Eva, Not­re Da­me de Da­da. Lui­se Straus-Ernst - das dra­ma­ti­sche Le­ben der ers­ten Frau von Max Ernst, Köln 2016.
Winck­ler, Lutz, Loui­se Straus-Ernst: „Zau­ber­kreis Pa­ris“. Er­fah­rung und My­thos der „gro­ßen Stadt“, in: Exil­for­schung, Ein in­ter­na­tio­na­les Jahr­buch, Band 11, Frau­en und Exil. Zwi­schen An­pas­sung und Selbst­be­haup­tung, Mün­chen 1993, S. 88-105.

Online

Ent­wick­lung des zeich­ne­ri­schen Stils in der Cöl­ner Gold­schmie­de­kunst des 12. Jahr­hun­derts. [On­line]
Max-Ernst-Mu­se­um Brühl. [On­line]

Luise Straus-Ernst auf einem Gruppenfoto mit dem Architekten und Maler Hans Hansen, Max Ernst, Richard Straus und Johannes Theodor Baargeld, Köln, um 1919. (Max Ernst Museum Brühl des LVR, Stiftung Max Ernst)

 
Zitationshinweis

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Pech, Jürgen, Luise Straus, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/luise-straus/DE-2086/lido/57c95809e63620.22455007 (abgerufen am 12.11.2024)