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Magdalene von Waldthausen war eine Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung in der Evangelischen Kirche während der Weimarer und der Nachkriegszeit. Sie engagierte sich führend in verschiedenen Bereichen der evangelischen Frauenarbeit: in der Evangelischen Frauenhilfe, in der übergeordneten Frauenverbandsarbeit, in der Synode, in Gremien der rheinischen Provinzialkirche, der preußischen Landeskirche, schließlich in der Evangelischen Kirche im Rheinland sowie in der Frauenarbeit der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD).
Magdalene von Waldthausen wurde am 31.10.1886 als Tochter des preußischen Offiziers, späteren Generals der Infanterie und Kriegsministers Heinrich von Goßler (1841-1927) und seiner Ehefrau Emma geborene von Sperber (1848-1914) in Berlin geboren. Dort wuchs sie auch in der tief protestantisch geprägten Familie auf. 1908 heiratete sie den königlich-preußischen Bergassessor Gottfried-Heinrich von Waldthausen (1875-1954). Die weitverzweigte Industriellenfamilie von Waldthausen war seit dem 17. Jahrhundert in Essen ansässig. Die Stadt wurde Lebensmittelpunkt für sie und ihre Familie mit fünf Kindern. Nach der kriegsbedingten Zerstörung ihres Essener Wohnhauses lebte die Familie auf der Müggenburg in Norf (heute Stadt Neuss), die bis heute der Familie von Waldthausen gehört. Auch hier engagierte sich Magdalene von Waldthausen mit der ihr eigenen Energie und ihrem Organisationstalent. Sie war maßgeblich an der Gründung einer evangelischen Gemeinde für die nach Norf gekommenen evangelischen Flüchtlinge und Vertriebenen beteiligt.
Wie viele ihrer Generation musste sie sich mit ihren – in ihrem Falle kirchlichen – Ämtern in demokratischen wie in Zeiten großer Repression einrichten. In der Weimarer Zeit wurde die verfasste Evangelische Kirche mit den Emanzipationsbestrebungen der Frauen konfrontiert und musste nach 1918 das volle Wahlrecht für Frauen auch bei den Wahlen der Kirchenparlamente umsetzen. Die verfasste rheinische Provinzialkirche schuf, verstärkt vor dem Hintergrund der veränderten politisch-gesellschaftlichen Gegebenheiten, ausdrücklich neue Formen des Wirkens. Mit Funktionspfarrämtern und kirchlichen Dauerausschüssen etwa begegnete sie politisch aktiven Zielgruppen, wie etwa der Arbeiterschaft oder der Frauen, die mit ihrer neu gewonnenen politischen Gleichberechtigung auch in Gremien mit Entscheidungsbefugnis vertreten sein wollten.
Diese neuen gesellschaftspolitischen Räume nahm Magdalene von Waldthausen wahr und kämpfte für die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche. In gleich mehreren Funktionen war sie eine der Frauen der ersten Stunde, indem sie eins der ersten vier weiblichen Mitglieder der rheinischen Provinzialsynode und Mitglied der Generalsynode der preußischen Landeskirche wurde. Als 1926 in der rheinischen Kirche ein kirchlicher Dauerausschuss für Frauen unter dem Vorsitz von Präses Walther Wolff eingerichtet wurde, wurde die Essenerin mit ihrem frauenverbandlichen und verfasst-kirchlichen Hintergrund ein wichtiges Mitglied.
Die Basis ihres Engagements aber lag für Magdalene von Waldthausen bei der Evangelischen Frauenhilfe in Essen. 1916 wurde sie zur Vorsitzenden des Kreisverbandes gewählt – ein Amt, das sie bis 1951 ausübte. In Essen gründete und begleitete sie zahlreiche soziale Einrichtungen, ein Säuglingsheim, ein Erholungsheim für Mütter und Kinder, eine Mütterschule für junge Frauen, ein Obdachlosenheim und anderes mehr. Unter ihrer Ägide konnte sich die soziale wie die eigene verbandliche Frauenhilfe in Essen stark ausweiten. In den 1920er Jahren zählte der Essener Kreisverband 29 Gruppen mit mehr als 10.000 Mitgliedern. 1929 wurde Magdalene von Waldthausen auch Vorsitzende des Provinzialverbands der Rheinischen Frauenhilfe, der in Wuppertal-Barmen im Auguste-Victoria-Heim seine Zentrale hatte. Auch dieses Amt hatte sie bis 1951 inne.
Während der Zeit des Nationalsozialismus betätigte sich die engagierte Protestantin zusammen mit ihrem Ehemann in der Bekennenden Kirche. Sie setzte sich dafür ein, die Organisation der Evangelischen Frauenhilfe mit der Bekennenden Kirche zu verbinden. Das blieb nicht ohne Folgen und Magdalene von Waldthausen wurde unter Druck gesetzt. Da sie die Frauenhilfe nicht gefährden wollte, bot sie ihren Rücktritt als Vorsitzende an. In einer Briefaktion bekannte sich die Mehrheit der Mitglieder der Frauenhilfe im Rheinland zu ihr und bat sie, den Vorsitz zu behalten. Mit den Repressalien waren auch finanzielle Probleme verbunden. Da der Frauenhilfe im Rheinland die Konten gesperrt worden waren und Sammlungen und Kollekten verboten waren, organisierte Magdalene von Waldthausen Sonderkollekten.
Auf der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland 1951 würdigte Präses Heinrich Held im Rückblick auf diese Zeit Magdalene von Waldthausens Wirken mit folgenden Worten: „Sie hat durch die Jahre des Kirchenkampfes hindurch eindeutig und unerbittlich sich zu denen gehalten, denen das Evangelium der einige Trost im Leben und im Sterben ist, und daraus ist auch ein Segen erwachsen für die Fortführung unserer Frauenarbeit nach 1945.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg rief Magdalene von Waldthausen die Vertreterinnen der evangelischen Frauenverbände zu Tagungen der Evangelischen Frauenarbeit im Rheinland, wie die Vereinigung im Rheinland jetzt hieß, in Düsseldorf zusammen. Auch war sie Fachvertreterin der Frauenhilfe auf den ersten rheinischen Landessynoden.
Ein Rückschritt für die Stellung der Frau in der evangelischen Kirche bedeutete es, dass bei der nach dem Krieg erforderlichen Neuordnung der nunmehrigen rheinischen Landeskirche eine Beteiligung der Frauen nur am Rande vorgesehen war. Hatte sich die Provinzialsynode 1946 beim Thema Wählbarkeit der Frauen in Presbyterien nach zwei theologischen Gutachten noch mehrheitlich für das aktive und passive Wahlrecht der Frauen ausgesprochen, stand auf der Landessynode 1948 die Frage der Leitung der rheinischen Kirche zur Debatte. Den Frauen wurde zwar weiterhin das aktive Wahlrecht zugestanden, das passive Wahlrecht allerdings war im Entwurf zur neuen Wahlordnung für die beiden Landeskirchen im Rheinland und in Westfalen nicht mehr verankert. Die Verfasser begründeten die Maßnahme damit, dass der „unbiblische“ Einbruch demokratischen Gedankenguts nach 1918 rückgängig gemacht werden müsse.
Magdalene von Waldthausen prangerte auf der Synode an, dass sich in der entsprechenden Ausschussdebatte keine Stimme dafür gefunden hatte, Frauen an der Leitung zu beteiligen: „Wir erhoffen und wünschen uns aber für die Zukunft, daß durch den Dienst und durch die Mitarbeit der evangelischen Frau sich immer mehr die Erkenntnis durchsetzen möchte, daß ein Zusammenwirken zwischen Mann und Frau auch in Gremien der Leitung sich segensreich auswirken kann.“ Das Ergebnis war, dass die Synode letztlich das volle Wahlrecht der Frauen auf allen Ebenen der Kirche beschloss.
Magdalene von Waldthausen nahm nach dem Krieg verschiedene Funktionen wieder auf. So wurde sie zur Vorsitzenden des kirchlichen Dauerausschusses für Frauenarbeit gewählt. Außerdem wurde sie als Mitglied der CDU in den neu gegründeten nordhein-westfälischen Landtag berufen, dem sie aber nur kurzzeitig vom 2.10.1946-19.4.1947 angehörte. Mit Elly Heuss-Knapp (1881-1952) gründete sie 1950 das Müttergenesungswerk.
1951 gab Präses Held ihren Rücktritt von allen Ämtern aus gesundheitlichen Gründen bekannt. 1961 erhielt sie das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. 1966 wurde in Neuss-Norf eine Straße nach ihr benannt.
Magdalene von Waldthausen starb am 20.1.1972 in ihrem Feriendomizil in Oberstdorf im Allgäu. Sie wurde begraben in der Familiengrabstätte auf dem Friedhof in Essen–Bredeney.
Die Evangelische Kirche im Rheinland erinnert seit 2019 mit einem überlebensgroßen Wand-Porträt im ersten Obergeschoss des Landeskirchenamtes in Düsseldorf an die engagierte Christin und Streiterin für die Interessen von Frauen in Kirche und Gesellschaft.
Literatur
Busch, Christine (Hg.), 100 Jahre Evangelische Frauenhilfe in Deutschland. Einblicke in ihre Geschichte, Düsseldorf 1999.
Mybes, Fritz, Geschichte der Evangelischen Frauenhilfe in Quellen unter besonderer Berücksichtigung der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland, Gladbeck 1975.
Schlösser-Kost, Kordula, Magdalene von Waldthausen, in: Schneider, Thomas Martin/Conrad, Joachim/Flesch, Stefan (Hg.), Zwischen Bekenntnis und Ideologie. 100 Lebensbilder des rheinischen Protestantismus im 20. Jahrhundert, Leipzig 2018, S. 106-108.
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Schlösser-Kost, Kordula, Magdalene von Waldthausen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/magdalene-von-waldthausen/DE-2086/lido/621dc3e6ca0ca1.30122746 (abgerufen am 05.12.2024)