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Margarete (Grete) Willers war eine der renommiertesten Textilkünstlerinnen im Westen Deutschlands. Sie erhielt 1927 ein Atelier am Bauhaus Dessau und arbeitete mit in der Versuchswerkstatt für Handweberei unter Anleitung von Paul Klee. Mit der bewussten Hinwendung zum textilen Kunstschaffen öffnete sich die ausgebildete Malerin der textilen Materialvielfalt, dem modernen Farb- und Materialexperiment und wandte sich der abstrakten Formensprache zu. Als Dozentin der Folkwang Schule für Gestaltung in Essen von 1928 bis 1943 blieb Grete Willers der Bauhauspädagogik von Johannes Itten und der Kunsttheorie von Paul Klee verbunden. Nach dem Krieg gehörte sie zu den Botschafterinnen des Bauhauses: Als freischaffende Künstlerin und Dozentin setzte sie sich ihr Leben lang mit der Bauhaus-Idee auseinander.
Margarete Elisabeth Karoline Willers wurde am 30.7.1883 in Oldenburg geboren. Ihre evangelischen Eltern – sie heirateten am 3.10.1882 in Oldenburg – waren der Kaufmann Heinrich August Hilbert Willers (geboren 1855) und die Haustochter Anna Charlotte Dorothee Willers (geboren 1858). Grete Willers besuchte 1889–1899 eine höhere Mädchenschule, zunächst bis 1896 in Minden, dann in Essen. Es folgte ab 1900 eine Ausbildung am Mindener Lehrerinnenseminar, wozu ein Fremdsprachenaufenthalt in Genf gehörte. Dabei erlernte sie neben der französischen Sprache auch das Zeichnen. 1904-1907 lebte sie in Essen und nahm in Düsseldorf, in der Eifel und in München an Zeichen- und Malkursen teil. 1912 zog sie für zwei Jahre nach Paris und ließ sich in privaten Zeichenschulen weiter ausbilden. Schon in der französischen Metropole stellte sie selbstgefertigte Stickereien in der Galerie Druet aus. In den folgenden Jahren arbeitete sie als Malerin und nahm mit Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen an Ausstellungen in Essen, Köln, Mannheim und Frankfurt am Main teil. In Düsseldorf präsentierte sie ihre Werke im Rahmen der modernen Kunstvereinigung „Das junge Rheinland“.
Nach dem Ersten Weltkrieg entschied sich Grete Willers für einen künstlerischen Neuanfang. Sie wandte sich dem textilen Gestalten zu, ging 1921 an das Bauhaus in Weimar, in die Fachklasse für Weberei, die in Deutschland einen vorzüglichen Ruf genoss. In Weimar besuchte sie zuerst einen Vorkurs bei Johannes Itten (1888-–1967). Hier beschäftigten sie sich wie ihre Kurskolleginnen und -kollegen mit geometrischen Grundformen und den einzelnen Materialeigenschaften. Im Anschluss an den Vorkurs wurde sie in die Webereiwerkstatt unter Georg Muche (1895-1987) und Helene Börner (1867-1962) aufgenommen. In Weimar freundete sie sich mit dem Maler Max Peiffer Watenphul (1896-1976) an, der sie in einem Ölgemälde porträtierte, das sich heute in den Kunstsammlungen in Weimar befindet. In einem vergleichbar exaltierten Duktus sollte er sie Jahre später fotografisch festhalten.
Von Weimar führte ihr Weg nach Krefeld an die Webereischule, wo sie zwischen Oktober und Dezember 1922 einen Kurs belegte. Einen vergleichbaren Schritt in der Ausbildung gingen „zwei der begabtesten Studierenden“ des Weimarer Bauhauses: Gunta Stölzl (1897-1983) und Benita Koch-Otte (1892-1976). Zurück in Weimar besuchte Grete Willers, wohl im Sommersemester 1923, Kurse in der Webereiwerkstatt. Aus dieser Studienzeit haben sich einige ihrer Arbeiten (gewebte Stoffe) zumindest bildlich erhalten. Einen Wandbehang gliederte sie mittels einer Streifenstruktur.
Grete Willers machte sich 1923 mit einer eigenen Werkstatt in Essen selbständig. Sie besaß einen Flachwebstuhl und fertigte Decken, die sie über das Essener Kaufhaus „Eick & Söhne“ vertrieb. Sie stellte ihre Textilien in den Städten des Ruhrgebiets und darüber hinaus aus. Beruflich kehrte Grete Willers an das Bauhaus zurück. Sie verließ das Ruhrgebiet und fand 1927 eine Anstellung in Dessau, wohin das Bauhaus 1925 umgezogen war. Sie war an einer Klasse für Weberei an der Bauhausschule Dessau zwischen März und Juli 1927 zuerst als Mitarbeiterin, dann als Leiterin der Modell- und Probierwerkstatt angestellt. Im Dessauer Bauhaus bekam sie ein eigenes Atelier zugewiesen und besuchte Kurse bei Paul Klee (1879-1940) und Wassily Kandinsky (1866-1944).
Die Künstlerin kehrte wieder zurück nach Essen. Hier im Ruhrgebiet nahm ihre Lebens- und Arbeitssituation eine neue Wendung, indem sie zum 1.1.1928 die Leitung der Webereiklasse an der Essener Handwerker- und Kunstgewerbeschule antrat. Die renommierte Schule unter der Leitung des Architekten Alfred Fischer (1881-1950) wurde im gleichen Jahr in Folkwangschule für Gestaltung umbenannt. Willers war die einzige Frau in einem hochkarätig besetzten Lehrkörper. Ihre Rolle als Folkwanglehrerin entsprach ihrer gesellschaftlichen Stellung in der Stadt Essen: Sie galt als renommierte Künstlerin, die an Ausstellungen im Museum Folkwang teilnahm. In den folgenden Jahren arbeitete sie als Lehrerin und stellte parallel Textilien her, die sie ausstellte und verkaufte. Willers beschrieb 1929 ihre Aufgabe und Tätigkeit als Leiterin der Abteilung für Weberei und Stickerei anlässlich eines gemeinsamen Auftritts der Lehrer ihrer Schule in der Essener Allgemeinen Zeitung. Jeder Lehrer wurde mit einem kleinen Porträt in dem zweiseitigen Beitrag vorgestellt. Bei der Weberin Willers wurde betont, dass es ihr im Rahmen der Ausbildung wichtig sei, „[…] den Nadelarbeiten aller Art neuen Reiz abzugewinnen“. Ihre Schülerinnen würden lernen, auf allen Stoffen die Muster aufzusticken. Detailliert ging Grete Willers auf ihre Ausbildungsziele ein: „An einem Hochwebstuhl wird die Knüpftechnik, die Gobelin- und Kelimweberei gelehrt. – Stoffe zu Kissen, Decken, Vorhängen, Wandbehängen fertigen wir an auf Flachwebstühlen mit Schaftbetrieb. Hierzu ist nötig die Kenntnis der Bindungslehre und der Einrichtung des Webstuhls. Dieser Zweig der Handweberei bedeutet ein ideales Lehrmittel zur Schulung des Materialgefühls, zur Ausbildung der Phantasie und der Erfindungsgabe für alle die jungen Mädchen, die später in der Textilbranche als entwerfende oder ausführende Mitarbeiterinnen tätig sind. Unser Ziel ist, zur Selbständigkeit zu gelangen in der geschmackvollen Ausgestaltung des Innenraums mitsamt den Dingen des täglichen Bedarfs, soweit die Textilkunst daran beteiligt ist.“
Das Museum Folkwang stellte 1928 Grete Willers in einer Ausstellung als Teil der „Künstler von der Margarethenhöhe“ vor. Außer ihren Arbeiten waren Werke von Elisabeth Treskow, Kurt Lewy (1898-1963), Frida Schoy (1889-1962), Edith Samuel (1907-1964) und weiterer Künstlerinnen (Grete Jungfer, Ruth Johow) zu sehen. Die Essener Allgemeine Zeitung hielt fest: „Von Margarethe Willers sieht man farbenfrohe und schön gemusterte Webarbeiten.“ Privat lebte sie 1924–1936 in der Virchowstraße und zog dann in die nahe Pelmanstraße um, wo sie bis 1941 in den Adressbüchern der Stadt Essen zu finden ist. Beide Wohnungen lagen in Rüttenscheid, nahe der Handwerker- und Kunstgewerbeschule auf der einen und der Künstlersiedlung Margarethenhöhe auf der anderen Seite. Innerhalb dieser Künstlergemeinschaft war sie mit Elisabeth Treskow und Frida Schoy befreundet. Gemeinsam war man – zusammen mit Max Peiffer Watenphul – 1923 zu einem Urlaub an den Gardasee aufgebrochen. Aus Malcesine schrieben Treskow, Willers, Schoy und Peiffer Watenphul gemeinsam eine Postkarte an den Architekten der Margarethenhöhe in Essen, Georg Metzendorf (1874–1934): „Es ist fabelhaft schön hier und Ihre Befürchtungen es sei zu heiß, sind gar nicht eingetroffen. Ferien sind das Schönste was es gibt. Wir haben eine Essener-Kolonie begründet, die Sie recht herzlich grüßt.“
Seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 verschlechterte sich die Situation von Grete Willers an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen zunehmend. Ihre Zukunft unter dem neuen Schulleiter Albert Mankopf (1904-1986), einem Nationalsozialisten, war ungewiss. Die Schule erhöhte ihr Stundendeputat und löste gleichzeitig ihren Vertrag als festangestellte Lehrerin auf. Nun mussten die Kursteilnehmer die Gebühren jeweils an ihre Lehrerin überweisen, so dass sie von der Zahl der Schüler abhängig war. Ihre finanzielle Situation verschlechterte sich im Laufe des Zweiten Weltkrieges zunehmend. 1943 zog sie – bedingt durch die Bombardierungen Essens und die Schäden an ihrer Schule – nach Bückeburg, wo sie die Handweberei „Bäuerlicher Hausfleiß“ leitete. Nach Kriegende bemühte sie sich erfolglos, wieder an der Essener Schule als Lehrerin angestellt zu werden.
Stattdessen unterrichtete sie weiter im niedersächsischen Bückeburg und hatte eine Stelle bis 1955 als Lehrmeisterin in der Handweberei inne. Zwischen 1955 und 1960 führte sie noch Arbeiten am Hochwebstuhl aus, fertigte Wandbehänge und kleinere Textilien, bevor sie sich aufgrund von Arbeitsunfähigkeit aus dem Beruf zurückziehen musste. Die Presse würdigte 1953 ihre Leistungen anlässlich ihres 70. Geburtstages mit nur wenigen Zeilen. In der Rheinischen Post erschien der Artikel „Margarete Willers 70 Jahre“, der knapp ihren beruflichen Werdegang referierte. Auf Ausstellungen seien ihre „kultivierten wie stilvollen Arbeiten und Entwürfe“ komponiert nach Material, Form und Farbe zu finden. Grete Willers starb am 12.6.1977 in Essen.
Literatur
Grütter, Heinrich Theodor/Heimsoth, Axel (Hg.), Aufbruch im Westen. Die Künstlersiedlung Margarethenhöhe, Essen 2019.
Heimsoth, Axel, Die Weberin Margarethe Willers. Eine Bauhausschülerin an der Essener Folkwangschule für Gestaltung, in: Essener Beiträge 131 (2019), S. 143-169.
Heimsoth, Axel, Der Künstlerkreis auf der Margarethenhöhe. Ein kulturpolitischer Aufbruch Essens in der Weimarer Republik, in: Essener Beiträge 133 (2020), S. 238-273.
Hippel, Katrin, Art. Willers, Margarete, in: Beyer, Andreas/Savoy, Bénédicte/Tegethoff, Wolf (Hg.), Allgemeines Künstlerlexikon – Internationale Künstlerdatenbank – Online, Berlin New York 2022.
Wernz-Kaiser, Heike, Die Malerin und Weberin Margarete Willers (1883-1977). Die Jahre am Bauhaus in Weimar und Dessau, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, Neue Folge, Band 3 (2018,) S. 178-188.
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Heimsoth, Axel, Margarete Willers, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/margarete-willers/DE-2086/lido/63d8dc3ebcd077.72234321 (abgerufen am 05.11.2024)