Maria Wachendorf

Montessori-Pädagogin (1913-1998)

Manfred Berger (Dillingen an der Donau)

Maria Wachendorf in jungen Jahren. (Ida-Seele-Archiv)

Ma­ria Wa­chen­dorf war ei­ne der füh­ren­den Ver­tre­te­rin­nen der Montes­so­ri-Päd­ago­gik in Deutsch­land nach 1945. Es war ihr Mit­ver­dienst, dass die Päd­ago­gik von Ma­ria Montes­so­ri (1870-1952) vor al­lem in den ka­tho­li­schen Kin­der­gär­ten brei­ten Ein­gang ge­fun­den hat. Sie war die ers­te Fach­be­ra­te­rin für ka­tho­li­sche Kin­der­gär­ten und bau­te vor al­lem in den Diö­ze­sen Aa­chen un­d ­K­öln das ka­tho­li­sche Kin­der­gar­ten­we­sen ziel­stre­big aus und sorg­te für des­sen päd­ago­gi­sche (montes­so­ria­ni­sche) Qua­li­fi­zie­rung. Heu­te ist sie un­ge­ach­tet ih­rer Ver­diens­te fast un­be­kannt.

 

Ger­trud He­le­ne Ma­ria wur­de am 18.12.1913 als fünf­tes von sechs Kin­dern des Groß- und Ein­zel­han­dels­kauf­manns Wil­helm Hu­bert Wa­chen­dorf und des­sen Ehe­frau Ma­ria Ger­trud, ge­bo­re­ne Hei­li­ger, in Düs­sel­dorf ge­bo­ren. Un­mit­tel­bar nach ih­rer Ge­burt über­sie­del­te die Fa­mi­lie nach Aa­chen, wo der Va­ter ein Ei­sen­wa­ren­ge­schäft über­nahm. Als Ma­ria drei Jah­re alt war, fiel der Va­ter im Ers­ten Welt­krieg in Nord­frank­reich. Die Mut­ter, die den Be­trieb mit Hil­fe ih­rer Schwes­ter und von An­ge­stell­ten bis An­fang der 1930er Jah­ren wei­ter­führ­te, ach­te­te auf ei­ne ka­tho­li­sche Er­zie­hung und Bil­dung ih­rer Kin­der. Schon ab dem Al­ter von et­wa zehn Jah­ren küm­mer­te sich Toch­ter Ma­ria mit be­mer­kens­wer­tem Ei­fer um das Wohl­er­ge­hen an­de­rer, meist jün­ge­rer Kin­der. Nach Ab­schluss der Bür­ger­schu­le ab­sol­vier­te sie das Ly­ze­um St. Leon­hard (heu­te St. Leon­hard Gym­na­si­um) und an­schlie­ßend 1930-1932 am Frö­bels­e­mi­nar (So­zi­al­päd­ago­gi­sches Se­mi­nar) un­ter der Lei­tung von He­le­ne Hel­ming (1888-1977) die Aus­bil­dung zur Kin­der­gärt­ne­rin und Hort­ne­rin. Die Schul­lei­te­rin war ei­ne über­zeug­te Montes­so­ria­ne­rin, wes­halb Ma­ria Wa­chen­dorf für Montes­so­ri-Päd­ago­gik zu­erst durch ih­re Aus­bil­dung am Aa­che­ner Frö­bels­e­mi­nar und nicht zu­letzt durch ih­re Freund­schaft zu He­le­ne Hel­ming, die bis zu de­ren Tod 1977 währ­te, ge­prägt. Nach Ab­schluss ih­rer Aus­bil­dung ar­bei­te­te die jun­ge Kin­der­gärt­ne­rin in vor­schu­li­schen Ein­rich­tun­gen und Hor­ten in Aa­chen.

Nach drei Jah­ren prak­ti­scher Er­fah­rung ent­schied sich Ma­ria Wa­chen­dorf für die Ju­gend­lei­te­rin­nen­aus­bil­dung, die sie eben­falls am So­zi­al­päd­ago­gi­schen Se­mi­nar in Aa­chen ab­sol­vier­te. Dort er­leb­te sie, wie ih­re ge­lieb­te Leh­re­rin He­le­ne Hel­ming am 3. 12.1935, erst 47 Jah­re alt, zwangs­wei­se in den Ru­he­stand ge­schickt wur­de. Im An­schluss an ih­re Aus­bil­dung be­gann Ma­ria Wa­chen­dorf ih­re be­ruf­li­che Tä­tig­keit in Köln als Fach­be­ra­te­rin beim „Zen­tral­ver­band Ka­tho­li­scher Kin­der­hor­te und Klein­kin­der­an­stal­ten Deutsch­lands e.V.“, dem heu­ti­gen "Ver­band Ka­tho­li­scher Ta­ges­ein­rich­tun­gen für Kin­der (KTK) - Bun­des­ver­band e.V." Dort war sie bis zur Zer­stö­rung der Dienst­stel­le durch Bom­ben­an­grif­fe im Zwei­ten Welt­krieg tä­tig. Wäh­rend der Jah­re 1933-1945 setz­te sie sich mu­tig für die Ver­tie­fung und Ver­fes­ti­gung ka­tho­li­schen Ge­dan­ken­guts und Le­bens im Kin­der­gar­ten ein.

Das ehemalige Fröbelseminar in Aachen. (Gemeinfrei)

 

Nach dem En­de des „Drit­ten Rei­ches“ half Ma­ria Wa­chen­dorf beim Wie­der­auf­bau des Zen­tral­ver­ban­des und ar­bei­te­te wie­der als Fach­be­ra­te­rin für die ka­tho­li­schen Ta­ges­ein­rich­tun­gen in Köln und in der Diö­ze­se Aa­chen. Das er­mög­lich­te es ihr, sich ver­stärkt für die Ein­füh­rung der Montes­so­ri-Päd­ago­gik in den Kin­der­gär­ten der bei­den Bis­tü­mer ein­zu­set­zen. Um da­für pro­fes­sio­nel­ler agie­ren zu kön­nen, ab­sol­vier­te sie den ers­ten In­ter­na­tio­na­len Montes­so­ri-Kurs nach 1945, der vom 24. 4.-15.8.1954 in Frank­furt am Main statt­fand. In die­ser Zeit wur­de in An­we­sen­heit von Ma­rio Montes­so­ri (1898-1982), Sohn von Ma­ria Montes­so­ri, die „Ka­tho­li­sche Ar­beits­ge­mein­schaft für Montes­so­ri-Päd­ago­gi­k“ ins Le­ben ge­ru­fen, um die ka­tho­lisch-christ­li­chen Ele­men­te in der Päd­ago­gik Montes­so­ris vol­ler und tie­fer zu er­fas­sen und zu prak­ti­zie­ren. Dar­aus ging die „Montes­so­ri-Ver­ei­ni­gung e.V. Sitz Aa­chen“ her­vor. Die Aa­che­ner Ver­ei­ni­gung schloss sich mit Un­ter­stüt­zung von Ma­ria Wa­chen­dorf dem „Montes­so­ri-Ver­ein Ber­lin“ und der „Deut­schen Montes­so­ri-Ge­sell­schaf­t“ in Frank­furt am Main zur „Ar­beits­ge­mein­schaft Deut­scher Montes­so­ri-Ver­ei­ni­gun­gen“ zu­sam­men, die sich spä­ter zur „Ak­ti­ons­ge­mein­schaft Deut­scher Montes­so­ri-Ver­ei­ne e.V.“ mit vie­len El­tern­ver­ei­nen er­wei­ter­te. Ma­ria Wa­chen­dorf ge­hör­te dem Vor­stand die­ser Ver­ei­ni­gun­gen seit dem Grün­dungs­jahr 1954 an und war bis 1980 de­ren Ge­schäfts­füh­re­rin. 

1954 wur­de sie be­auf­tragt, im ka­tho­li­schen Kin­der­gar­ten St. Agnes in Köln den Auf­bau und die Lei­tung ei­ner Montes­so­ri-Grup­pe zu über­neh­men und schuf sie da­mit das ers­te ent­spre­chen­de Mo­dell im rhei­ni­schen Raum. Acht Jah­re spä­ter wech­sel­te Ma­ria Wa­chen­dorf auf Wunsch von Ca­ri­tas­di­rek­tor Prä­lat Pe­ter Fir­me­nich (1905-1977) von Köln nach Aa­chen, wo sie ih­re Tä­tig­keit als Fach­be­ra­te­rin für Ta­ges­ein­rich­tun­gen im Ca­ri­tas-Ver­band wei­ter­führ­te und das ka­tho­li­sche Kin­der­gar­ten­we­sen ziel­stre­big aus­bau­te und päd­ago­gisch qua­li­fi­zier­te. Da­zu er­wei­ter­te sie als ei­ne der ers­ten Diö­ze­san­re­fe­ren­tin­nen das zu­stän­di­ge Fach­re­fe­rat im Diö­ze­san­ver­band, lan­ge be­vor die Ge­mein­sa­me Syn­ode der Bis­tü­mer Deutsch­lands den sys­te­ma­ti­schen Aus­bau ei­nes Fach­be­ra­tungs­sys­tems für al­le ka­tho­li­schen Ta­ges­ein­rich­tun­gen für Kin­der for­der­te.

Maria Wachendorf im Alter. (Ida-Seele-Archiv)

 

Als Frucht ih­rer lang­jäh­ri­ge Er­fah­rung in der Klein­kind­päd­ago­gik ver­öf­fent­lich­te Ma­ria Wa­chen­dorf 1963 zu­sam­men mit He­le­ne Hel­ming das sei­ner­zeit hoch­ge­schätz­te Buch „Der re­li­gi­ons­päd­ago­gi­sche Auf­trag der Kin­der­gärt­ne­rin“. Die Au­to­rin­nen ho­ben her­vor, dass die Kin­der­gärt­ne­rin für die re­li­giö­se Er­zie­hung des Kin­des stär­ker mit­ver­ant­wort­lich sei als frü­her und dar­um das Ni­veau des Kin­der­gar­tens ge­ho­ben, die Bil­dung der Kin­der­gärt­ne­rin er­wei­tert und ih­re Re­li­gio­si­tät ver­tieft wer­den müs­se.  Nach 46 Dienst­jah­ren ging Ma­ria Wa­chen­dorf in den Ru­he­stand (1978). Auch da­nach setz­te sie sich wei­ter ak­tiv für die Montes­so­ri- und Klein­kind­päd­ago­gik ein. So ge­hör­te sie bis 1996 dem Re­dak­ti­ons­kreis der Zeit­schrift „Montes­so­ri“ an. Die ver­dienst­vol­le Päd­ago­gin starb am 30.4.1998 in Aa­chen. 

Schriften

Er­wä­gun­gen beim Ein­kauf von Weih­nachts­spiel­zeug, in: Kin­der­heim 1938/H. 6, S. 163-166.

Sprü­che und Lie­der zu na­tio­na­len Fei­ern, in: Kin­der­heim 1939b/H. 2, S. 36-41.

Dü­rers Mut­ter, ein Bild­be­trach­tung mit Hort­kin­dern zum Mut­ter­tag, in: Kin­der­heim 1939/H. 2, S. 34-36.

Pfingst­fei­er­stun­de mit Hort­kin­dern als Vor­be­rei­tung auf die hei­li­ge Fir­mung, in: Kin­der­heim 1939/H. 3, S. 72-75.
 
Spiel­zeug im Früh­ling und Som­mer, in: Kin­der­heim 1939/H. 3, S. 75-78.

Heut ist ein freu­den­rei­cher Tag, daß man den Som­mer ge­win­nen mag, in: Kin­der­heim 1939/H. 4, S. 96-100.

Zur Ver­eh­rung der En­gel und Hei­li­gen in Kin­der­gar­ten, Hort und Heim, in: Kin­der­heim 1939a/H. 5, S. 115-120.

Auch wir Kin­der hel­fen spa­ren. Er­zie­hung zur Spar­sam­keit und Ma­te­ri­al­ver­wer­tung in Kin­der­gar­ten und Hort, in: Kin­der­heim 1940a/H. 1, S. 17-19.

Der all­ge­mei­ne deut­sche Kin­der­gar­ten. Zum 18. Ju­ni 1940, in: Kin­der­heim1940b/H. 1, S. 21-26.

Die Mut­ter führt ihr Kind zur Ma­ria, in: Kin­der­heim 1948/H. 5, S. 127-135.
Frö­bel­jahr 1952, in: Kin­der­heim 1952/H. 1, S. 6-12.

Bil­der­bü­cher für un­se­re Kin­der, in: Kin­der­heim 1954/H. 6, S. 238-239.

Be­richt über die Montes­so­ri-Grup­pe im Kin­der­gar­ten St. Agnes, Köln, Strom­stra­ße, in: Kin­der­heim 1956/H. 2, S. 90-93.

Die Pfle­ge der tä­ti­gen Be­zie­hung zur Na­tur, in: Kin­der­heim 1962/H. 2, S. 88-92.

[zu­sam­men mit] Hel­ming, He­le­ne, Der re­li­gi­ons­päd­ago­gi­sche Auf­trag der Kin­der­gärt­ne­rin. Ein Hand­buch für die re­li­gi­ons­päd­ago­gi­sche Ar­beit der Kin­der­gärt­ne­rin. Mit Vor­schlag ei­nes Lehr­pla­nes für Fach­schu­len, Düs­sel­dorf 1963.

Re­li­giö­se Er­zie­hung, in Montes­so­ri-Werk­brief 1963/Nr. 1, S. 6-8.

Kin­der er­for­schen die Welt, in: Montes­so­ri-Werk­brief 1963/Nr. 1, S. 11-16.

Ei­ne Aus­stel­lung mit be­son­de­re­m  Cha­rak­ter, in: Montes­so­ri-Werk­brief 1971/Nr. 8, S. 14-17.

Frö­bels­e­mi­nar Aa­chen, in: Montes­so­ri-Werk­brief 1972/Nr. 9, S. 12-13.

Zum 70. Ge­burts­tag von Lui­se Ras­kin, in: Montes­so­ri-Werk­brief 1979/Nr. 16, S. 30.

Über die An­fän­ge un­se­rer „Montes­so­ri-Ver­ei­ni­gun­g“, in: Montes­so­ri-Werk­brief 1985/Nr. 23, S. 111-113.

Literatur (Auswahl)

Ber­ger, Man­fred, Der Kin­der­gar­ten im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus.„Drum be­ten wir deut­schen Kin­der: Den Füh­rer er­hal­te uns Got­t“. Ein Bei­trag zur Ge­schich­te der öf­fent­li­chen Klein­kin­der-/Kin­der­gar­ten­päd­ago­gik in den Jah­ren 1933 bis 1945, Göt­tin­gen 2019.

Ber­ger, Man­fred, Wa­chen­dorf, Ger­trud Ma­ria He­le­ne, in: Bautz, Trau­gott (Hg.), Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon, Band 22, Nord­hau­sen 2003, Sp. 1483-1490.

Ras­kin, Lui­se, Ma­ria Wa­chen­dorf – ei­ne Wür­di­gung zum 70. Ge­burts­tag (1983), in: Lud­wig, Ha­rald/Fi­scher, Chris­ti­an/Fi­scher, Rein­hard (Hg.), Montes­so­ri-Päd­ago­gik in Deutsch­land. Rück­blick – Ak­tua­li­tät – Zu­kunfts­per­spek­ti­ven: 40 Jah­re Montes­so­ri.-Ver­ei­ni­gung e.V., Müns­ter [u.a.] 2002, S. 145-146.

wdk: Dank an Ma­ria Wa­chen­dorf, in: Welt des Kin­des 1979/H. 2, S. 95-96.

Online

Ber­ger, Man­fred, Frau­en in der Ge­schich­te des Kin­der­gar­tens: Ma­ria Wa­chen­dor­f https://www.kin­der­gar­ten­pa­e­dago­gik.de/fach­ar­ti­kel/ge­schich­te-der-kin­der­be­treu­ung/man­fred-ber­ger-frau­en-in-der-ge­schich­te-des-kin­der­gar­tens/148 [zu­letzt ab­ge­ru­fen am 29.08.2022]. [On­line]

Publikation von Helene Helming und Maria Wachendorf zur Arbeit im Kindergarten. (Ida-Seele-Archiv)

 
Zitationshinweis

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Berger, Manfred, Maria Wachendorf, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/maria-wachendorf/DE-2086/lido/630cced32c2c68.57092485 (abgerufen am 23.04.2024)