Zu den Kapiteln
Martin Schenk von Nideggen, Herr zu Afferden und Bleijenbeek, war ein in spanischen, niederländischen und kurkölnischen Diensten stehender Söldnerführer, der maßgeblichen Anteil an den kriegerischen Auseinandersetzungen im Rheinland während des 16. Jahrhunderts hatte.
Martin Schenk von Nideggen wurde um 1540 in Goch als Sohn des Dietrich Schenk von Nideggen und der Anna von Berlaer geboren. Er entstammte der Bastardlinie eines ursprünglich im Eifelgebiet, später an der Maas, im Geldrischen und im Herzogtum Jülich ansässigen Geschlechts, das seinen Namen nach dem von ihm verwalteten Schenkenamt der Grafen von Jülich führte.
Über seine Jugend ist nichts bekannt, doch verschrieb er sich wohl schon früh dem Kriegshandwerk. Der Stammsitz Bleijenbeek, in der heutigen niederländischen Provinz Limburg gelegen, war seinem Großvater 1549 abgesprochen worden. Dem Enkel gelang es 1576, den Familienbesitz zurückgewinnen. Seitdem richtete Schenk von Nideggen seine Handlungen stets am Erhalt von Bleijenbeek aus. Als Kriegsobrist focht er zunächst auf Seiten der aufständischen Niederlande, wechselte aber 1577 die Fronten und stellte sich in den Dienst der spanischen Krone, nachdem die Generalstaaten ihn zwangen, Bleijenbeek an den Vorbesitzer zurückzugeben.
In den nächsten Jahren entsetzte er das von den Truppen der aufständischen Niederländer hart bedrängte Straelen, brandschatzte anschließend das ganze Land bis vor die Tore von Nimwegen, Venlo, Geldern und Wachtendonk, befreite 1580 – mittlerweile mit einem Kommando über fast 4000 Mann betraut – die von den staatischen Truppen eingeschlossene Stadt Groningen und errang bei Goor einen glänzenden Sieg über seinen früheren Kampfgefährten Christoffel von Isselstein.
Auf diese Weise avancierte Schenk von Nideggen zu einem der am meisten gefürchteten Kriegsherren seiner Zeit, ehe er 1582 in niederländische Gefangenschaft geriet und erst 1584 freigelassen wurde. 1585 kehrte er, nach Konflikten mit der spanischen Generalität und aus Furcht, nun von den Spaniern zur Herausgabe seines Stammschlosses gedrängt zu werden, in den Dienst der Generalstaaten zurück. Im selben Jahr schloss er mit Gebhard Truchseß von Waldburg, dem abgesetzten Kurfürsten von Köln, einen Vertrag, der ihn zum kurkölnischen Feldmarschall bestellte. Sein Hauptquartier nahm er in der kurkölnischen Festung Rheinberg.
In der Folgezeit untermauerte Martin Schenk von Nideggen durch zahlreiche militärische Erfolge seinen Ruf als herausragender Stratege, musste aber auch einige empfindliche Niederlagen hinnehmen. Dem spanischen Obristen Johann Baptist von Taxis (1530-1610) entkam Schenk nur mit Mühe nach Wijk bei Durstede. Antwerpen, zu dessen Verteidigung er angetreten war, wurde von Alexander Farnese (1545-1592), Herzog von Parma, erobert, ehe Schenk genug Reiter und Fußknechte zu seinem Entsatz hatte anwerben können. Anfang 1586 entsandte ihn der englische Statthalter in den Niederlanden, Robert Dudley, Graf von Leicester (1531-1588), zur Verstärkung seiner Truppen zunächst nach Neuss. Von dort zog Schenk zusammen mit Hermann Friedrich Cloudt nach Werl in Westfalen. Es gelang ihm zwar nicht, das dortige Schloss einzunehmen, wohl aber die Stadt zu erobern und zur Plünderung freizugeben.
Im gleichen Jahr ließ Schenk im Auftrag des Grafen Leicester eine Schanze auf der klevischen Insel 's Grevenward errichten, die eine sichere Ausgangsbasis für alle künftigen generalstaatischen Unternehmungen am Niederrhein bildete. Nach ihrer Fertigstellung hieß sie zunächst Vossenhol, wurde dann aber in Schenkenschanz umbenannt und entwickelte sich zur stärksten niederländischen Grenzfeste gegen die Spanier.
Nach der erfolglosen Entsetzung der von Parma eingeschlossen Stadt Venlo wandte sich Schenk im November 1586 dem Stift Utrecht zu, wo er sich vorwiegend bei Leicester aufhielt, ihn auch für kurze Zeit vertrat und mit den Generalstaaten über den Schutz des Oberquartiers Geldern verhandelte. Ein entsprechender Vertrag ließ ihn zum alleinigen militärischen Gouverneur des Oberquartiers aufsteigen und ermöglichte ihm, sowohl Rhein wie Maas zu kontrollieren. Die finanzielle Ausbeute erwies sich jedoch als recht gering. Vielleicht richtete er deshalb von hier aus seinen Blick nach Jülich und Kleve. 1587 nahm er Ruhrort ein, das er verproviantierte und befestigte, während seine Truppen massive Plünderungszüge in das umliegende jülichsche und klevische Territorium unternahmen. Die Rückeroberung der Stadt durch die Spanier bedeutete für Schenk nicht nur eine schmerzliche militärische Niederlage, sondern war auch mit beträchtlichen persönlichen Einbußen verbunden.
Als sich Geldern schließlich mit Ausnahme Wachtendonks in spanischer Hand befand, marschierte Schenk gegen Bonn, das er am 24.12.1587 überrumpelte und besetzte. In der Folgezeit verstärkte er die Festungswerke und bemühte sich, Bonn als Verbindungspunkt zwischen den protestantischen Gebieten an Mittel- und Oberrhein und den Niederlanden auszubauen. Um seine Eroberungen dauerhaft halten zu können, fehlte es ihm jedoch an den notwendigen finanziellen Mitteln. Seine militärischen Kräfte hatten sich in dem von ihm perfektionierten Guerillakrieg zwar als effizient erwiesen, für die Umsetzung groß angelegter strategischer Konzeptionen war er jedoch auf Unterstützung angewiesen. Diese erhielt er allerdings weder von den protestantischen Reichsfürsten noch von den Generalstaaten. Auch Pfalzgraf Johann Kasimir (1543-1592), den Schenk 1588 aufsuchte, bewilligte ihm nur geringe Mittel an Truppen, Munition und Proviant, da er wenig Zutrauen zu dem Obristen hatte. Schließlich befahl Schenk seinem Befehlshaber Otto Gans von Puttlitz die Kapitulation Bonns nach sechsmonatiger Belagerung durch spanische Truppen im September 1588.
Über den Verlust der Stadt, der er große Bedeutung beimaß, war Schenk sehr verbittert, da er neben der Einbuße an politisch-militärischer Macht auch beträchtlichen materiellen Schaden hatte hinnehmen müssen. Zudem wurde 1588 über ihn die Reichsacht verhängt, und die Herrschaft Königsfeld strengte vor dem Reichskammergericht gegen ihn einen Prozess wegen Landfriedensbruch an.
Trotz verschiedentlicher Reibereien, zu denen es jetzt mit den Niederlanden kam, schloss Schenk am 16.5.1589 mit den Generalstaaten nochmals einen Vertrag ab, der die Beibehaltung der bisherigen Kontrakte festlegte und ihm außerdem den Besitz von Bleijenbeek sichern sollte. Die dortige Besatzung kapitulierte jedoch vor den spanischen Belagerern, bevor Schenk sein Stammschloss entsetzen konnte, für dessen Erhalt er seine ganze Tatkraft eingesetzt hatte. In den folgenden Monaten führte er einen erfolgreichen Kleinkrieg gegen die Spanier. Auf seinen Beutezügen fügte er ihnen nicht nur schwere materielle Verluste zu, sondern machte auch zahlreiche Gefangene.
Im Sommer des gleichen Jahres rüstete sich Schenk zu einem Zug gegen die Stadt Nimwegen. Am 10.8.1589 gab er den Befehl zu ihrer Erstürmung. Nachdem sie mit Schiffen und Pontons gelandet waren, gelang es den Angreifern, eine Bresche in das Sankt-Antonius-Tor an der Flussseite zu sprengen und bis zum Markt vorzudringen, wo ihr Vorstoß durch den organisierten Abwehrkampf der Bürger jedoch aufgehalten und zurückgeworfen wurde. Schenk und seine Söldner sahen sich zum Rückzug gezwungen.
Das ambitionierte militärische Unternehmen endete in einem Fiasko, da auch die von Land angreifenden Truppen unter der Führung von Otto von Puttlitz vom Abwehrfeuer der Verteidiger in Schach gehalten wurden. Bei dem Versuch sich auf den vor den Stadtmauern vor Anker liegenden Schiffen in Sicherheit zu bringen, kamen zahlreiche von Schenks Männern ums Leben, da viele der überladenen Schiffe untergingen. Auch Schenk selbst stürzte beim Sprung auf sein Schiff ins Wasser. Durch seinen Harnisch am Schwimmen gehindert, ertrank er und fand somit ein für einen Kriegsmann seines Schlages wahrhaft unrühmliches Ende.
Auf Beschluss des Rates von Nimwegen wurde dem aus dem Wasser gefischten Leichnam der Kopf abgeschlagen sowie der Körper gevierteilt und mit Ketten an vier aufgestellte Pfosten gehängt. Nach acht Tagen sorgte der spanische Heerführer Marquis de Varambon (gestorben 1598) dafür, dass Schenks Überreste im Kronenburger Turm notdürftig bestattet wurden. 1591 schließlich erhielt Schenk auf Betreiben seiner Frau in der Stephanus-Kirche in Nimwegen durch Moritz von Oranien (1567-1625) ein christliches Begräbnis.
Martin Schenk von Nideggen galt als tapfer bis zur Verwegenheit. Er bewies sein militärisches Talent vor allem bei seinen raschen und geschickten Überfällen und besaß Gespür für strategisch wichtige Plätze. Auch zeigte er sich als ein Meister der Verschanzung und Befestigung. Bei seinen Söldnern war er beliebt, sorgte er doch immer wieder für reichlich Beute. Verständnis für die Leiden der Zivilbevölkerung fehlte ihm hingegen; dem Kriegshandwerk als reinem Geschäft – wenngleich üblich – ist er in besonders unbarmherziger Weise nachgegangen. Seinen Auftraggebern und Soldherren gegenüber bewahrte er Loyalität, die aber an der Oberfläche blieb, sich mit der von ihnen vertretenen Sache nicht nachhaltig identifizierte und stets ihre Grenze an der Besitzsicherung von Bleijenbeek fand. Lediglich den schnellen materiellen Gewinn im Blick, vermochte er es nicht, seine militärischen Erfolge dauerhaft in politisches Kapital umzumünzen.
Literatur
Ferber, H., Geschichte der Familie Schenk von Nydeggen, insbesondere des Kriegsobristen Martin Schenk von Nydeggen, Köln und Neuss 1860.
Kossert, Karl, Martin Schenk von Nideggen oder die Fehltritte der Tapferkeit, Duisburg 1993.
Preuß, Heike, Martin Schenk von Nideggen (1540-1589) und der Truchsessische Krieg, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 49 (1985), S. 117-138.
Online
Müller, Pieter Lodewijk, „Martin Schenck von Nydeggen", in: Allgemeine Deutsche Biographie 31 (1890), S. 62-64. [Online]
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Preuß, Heike, Martin Schenk von Nideggen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/martin-schenk-von-nideggen/DE-2086/lido/57c946913fbd08.99522110 (abgerufen am 14.12.2024)