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Max von Laue war einer der bedeutendsten Physiker des vergangenen Jahrhunderts. Seine Entdeckung der Röntgenstrahlinterferenzen revolutionierte weite Bereiche der Forschung von der Medizin bis zur Materialwissenschaft.
Max (Theodor Felix) Laue wurde am 9.10.1879 in Pfaffendorf bei Ehrenbreitstein (heute Stadt Koblenz) als Sohn eines kaiserlichen Militärbeamten geboren. Seine protestantische Erziehung prägte ihn charakterlich stark und dauerhaft. Lange blieb er dem rheinischen Geburtsort allerdings nicht verbunden, da sein Vater häufig versetzt wurde. 1913 wurde dieser für seine Verdienste in den erblichen Adelsstand erhoben.
Entscheidenden Einfluss auf Laues umfassende Allgemeinbildung hatte seine Schulzeit am humanistischen Protestantischen Gymnasium in Straßburg. Nicht nur der Lehrer für Mathematik und Physik, sondern auch die Pädagogen für Religion, Deutsch und die alten Sprachen hatten maßgeblichen Einfluss auf seine Entwicklung. Hier liegen die Wurzeln für Laues hervorragende Kenntnis der antiken und deutschen Geistesgeschichte und für seine späteren bedeutenden Beiträge zur Geschichte der Physik und zur Lebensgeschichte großer Physiker. Aber schon in der Schulzeit überwog Laues Interesse an allen Naturvorgängen. Daher schrieb er sich nach dem Abitur an der Universität Straßburg für die Naturwissenschaften ein. Nach zwei Semestern wechselte er an die Universität Göttingen, wo er seine wissenschaftliche Berufung im Bereich der theoretischen Physik fand.
Im Sommer 1902 wechselte Laue nach Berlin über und besuchte dort sogleich die Vorlesungen von Max Planck (1858-1947). Noch am Ende dieses ersten Berliner Semesters bat er Planck um das Thema für eine Dissertation. Ein Jahr später, im Sommer 1903, wurde Laue mit einer Arbeit über Interferenzerscheinungen an planparallelen Platten promoviert. Nach zwei weiteren Semestern in Göttingen, um dort das Staatsexamen nachzuholen, bot Planck ihm in Berlin eine Assistentenstelle an. Die anschließende Zeit führte zu den ersten wissenschaftlichen Durchbrüchen. Gänzliches Neuland waren zwei Arbeiten über die Thermodynamik kohärenter Strahlenbündel-Arbeiten, die erst in der heutigen Quantenoptik in ihrer Bedeutung erkannt wurden. Das zweite große Ereignis in dieser Zeit war Laues Auseinandersetzung mit Albert Einsteins (1879-1955) spezieller Relativitätstheorie. Wie andere auch, war Laue den neuartigen Vorstellungen von Raum und Zeit zunächst mit Skepsis begegnet. Die Wende kam nach einem Besuch Laues bei Einstein in der Schweiz 1906. Von da an war Laue ein glühender Vertreter der Relativitätstheorie, was sich in seinem berühmten Buch „Das Relativitätsprinzip" manifestierte, das bis 1965 in sieben Auflagen erschien.
Laue hatte sich 1906 in Berlin habilitiert, 1909 aber seine Lehrbefugnis auf die Universität München umschreiben lassen, wo Arnold Sommerfeld (1868-1951) seine berühmte Schule der Theoretischen Physik aufbaute. In München kam Laue bald mit einer ganz anderen Physik in Berührung. Sommerfeld interessierte sich für die Theorie der Röntgenstrahlen. Diese Strahlen, die durch Materie hindurchgehen, 1895 von Konrad Röntgen entdeckt, gaben den Physikern große Rätsel auf. Waren es Wellen wie Licht, oder Korpuskeln (Masseteilchen) wie die Kathodenstrahlen? Sommerfeld hatte als Dissertationsthema das Verhalten von Lichtwellen in einer raumperiodischen Anordnung von Atomen vergeben. Der damit betraute Doktorand kam mit der Aufgabe nicht zurecht und suchte Rat bei Laue. Dieses Gespräch war der Auslöser für Laues bahnbrechende Entdeckung. Es brachte ihn auf die Idee, dass kürzere Wellen, eben Röntgenstrahlen, wenn es solche waren, in Kristallen die gleichen Beugungsphänomene wie Lichtwellen an in Glas geritzten Beugungsgittern hervorrufen müssten. Kurz darauf gewann er zwei junge Mitarbeiter des Physikalischen Instituts für die experimentelle Umsetzung seiner Idee: Nach anfänglichen Misserfolgen zeigte eine Durchstrahlungsaufnahme von Kupfersulfat einen Kranz abgebeugter Strahlen (siehe Abbildung). Dies war die Geburtsstunde der Entdeckung der Röntgenstrahlinterferenzen.
Die Nachricht von der fundamentalen Entdeckung verbreitete sich rasch in der wissenschaftlichen Welt. Sie besaß ein gewaltiges Anwendungspotenzial in Medizin, Naturwissenschaft und Technik. Während die für die Erforschung der Festkörper so entscheidende Kristallstrukturanalyse von anderen internationalen Forschern begründet wurde, beteiligte sich Laue an diesen weiteren Schritten kaum. Er war völlig zufrieden, als er sah, dass seine physikalischen Vorstellungen sich als richtig erwiesen hatten.
Die Anerkennung für Laues Entdeckung kam rasch. Bereits im Sommer 1912 folgte er einem Ruf auf ein Extraordinariat der Universität Zürich, zwei Jahre später erreichte ihn die Berufung nach Frankfurt am Main auf den ersten Lehrstuhl für Theoretische Physik der neu gegründeten Stiftungsuniversität. Im gleichen Jahr, 1914, wurde Laue der Nobelpreis für Physik zuerkannt, eine für damalige Verhältnisse erstaunlich prompte Würdigung, die die Bedeutung und unmittelbare Evidenz der Entdeckung nochmals unterstreicht. Als ihm 1917 zusammen mit Albert Einstein die Leitung des in Berlin neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik übertragen wurde, galt sein ganzes Streben einer dauerhaften Übersiedlung dorthin. In einem in der deutschen Universitätsgeschichte wohl einmaligen Lehrstuhltausch mit seinem Kollegen Max Born (1882-1970) übernahm er dessen Berliner Professur, während Born nach Frankfurt wechselte.
In Berlin bezog die Familie – er hatte 1910 geheiratet, aus der Ehe gingen ein Sohn (später in den USA Geschichtsprofessor) und eine Tochter hervor – ein schönes Haus in Zehlendorf, in dem es viel Geselligkeit gab.
Eine fundamentale Leistung Laues an der damaligen Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität war die Einrichtung des physikalischen Mittwochskolloquiums, das bald „Laue-Kolloquium" hieß und ein hohes Renommee entwickelte. Im Kaiser-Wilhelm-Institut teilten sich Einstein und Laue die Arbeit. Sie waren enge Freunde geworden. Umso schmerzlicher war es für Laue, als zu Beginn der 1920er Jahre die antisemitischen Angriffe auf Einstein, selbst aus dem Kollegenkreis, zunahmen. 1934 schrieb dieser ihm aus der amerikanischen Emigration „Lieber Kamerad! Wie hab ich mich … auch über Dich gefreut. Ich hab nämlich immer gewusst, dass Du nicht nur ein Kopf, sondern auch ein Kerl bist."
Die so einmalige Situation der Physik im Berlin der 20er Jahre verschlechterte sich schlagartig mit Hitlers Machtübernahme 1933. Laue war ein strikter Gegner des Nationalsozialismus. Er setzte sich weiterhin vehement für Einsteins Relativitätstheorie ein, veröffentlichte mutige Nachrufe auf verstorbene jüdische Kollegen und half bedrohten Kollegen. Dadurch verlor er in der von den Nationalsozialisten beherrschten Universitätslandschaft an Einfluss. Dennoch emigrierte er nicht, sondern hielt bis zum Kriegsende in Deutschland aus. Da zum Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik der so genannte „Uranverein" um Werner Heisenberg (1901-1976) gehörte, wurde auch Laue nach Kriegsende zunächst von den Alliierten interniert und verbrachte mit seinen Kollegen die erste Nachkriegszeit auf dem englischen Landsitz „Farmhall".
Nach der Rückkehr aus englischer Internierung nach Göttingen, wo sich als Nachfolger der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft die Max-Planck-Gesellschaft etablierte und Laue wieder stellvertretender Direktor des Instituts für Physik wurde, begann Laues zweite große Zeit in der Physik. Deren Wiederaufbau gestaltete er maßgeblich mit, begünstigt durch sein hohes Ansehen vor allem im Ausland. Im Juli 1946 wurde er als einziger Deutscher zur Kristallographentagung nach London eingeladen, wo der Vorsitzende eine Tischrede auf Laue hielt, in der er besonders dessen Haltung während des Nationalsozialismus würdigte. 1948 verlieh die Universität von Chicago Laue die Ehrendoktorwürde „as physicist and champion of freedom".
Noch in hohem Alter entwickelte Laue eine erstaunliche wissenschaftliche Aktivität. Im 72. Lebensjahr übernahm er die Leitung des Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem, das unter seinem Einfluss von der Max-Planck-Gesellschaft übernommen wurde. Er blieb auch in der Forschung aktiv, wobei er seine Interessen mit einigen Doktoranden auf den Gebieten der Relativitätstheorie, der Theorie der Supraleitung und der Röntgenstrukturanalyse mit Elan verfolgte.
Laue war, neben sportlichen Aktivitäten in Skilauf, Bergwandern und Segeln ein begeisterter Autofahrer, der auch noch in der Berliner Zeit dieser Leidenschaft intensiv nachging. Bei einer Fahrt über die „Avus" zu dem von ihm mitbegründeten Hahn-Meitner-Institut kam es zu einer Kollision, an deren Folgen er am 24.4.1960 verstarb. Seine letzte Ruhestätte fand er auf eigenen Wunsch auf dem Göttinger Friedhof in der Nähe der Physikerkollegen Max Planck und Walther Nernst (1864-1941).
Literatur
Beck, Friedrich, Max von Laue 1879-1960, in: Bethge, Klaus / Klein, Horst (Hg.), Physiker und Astronomen in Frankfurt, Neuwied 1989, S. 24-37.
Ewald, Peter Paul, Artikel Max von Laue 1879-1960, in: Biographical Memoirs of Fellows of The Royal Society 6 (1960), S. 135-156.
Laue, Max von, Mein physikalischer Werdegang. Eine Selbstdarstellung, in: Hans Hartmann, Schöpfer des neuen Weltbildes, Bonn 1952, S. 178-207.
Zeitz, Katharina, Max von Laue (1879-1960), Seine Bedeutung für den Wiederaufbau der deutschen Wissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 2006.
Online
Beck, Friedrich, Max von Laue (1879-1960) (Online-Ausgabe der aufgeführten Literatur auf der Website des Fachbereichs Physik der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main). [Online]
Hermann, Armin, "Laue, Max v.", in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 702-705. [Online]
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Beck, Friedrich, Max von Laue, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/max-von-laue/DE-2086/lido/57c93e14bf33d1.08914729 (abgerufen am 09.12.2023)