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Die Karriere des Nikolaus Eich war keineswegs vorgegeben – allerdings verfügte er über offensichtlich reichlich Talent und den ausgeprägten Willen, dieses zu nutzen. Der Junge aus einfachen Verhältnissen, der weder eine weiterführende Schule und erst recht keine Universität besucht hat und über kein Netzwerk verfügte, wurde an die Spitze eines der größten und erfolgreichsten deutschen Unternehmen berufen, befreite dieses von Altlasten und machte es krisenfest. Zu seinem Aufsichtsrat gehörten Bankiers wie Max Steinthal (1850-1940), Karl von der Heydt (1858-1922) und Carl Fürstenberg (1850-1933) sowie Industrielle wie Wilhelm Baare (1857-1938), Gottlieb von Langen (1858-1940), Arnold von Siemens (1853-1918) und Walther Rathenau (1867-1922) sowie der Reichstagsabgeordnete Ernst Bassermann (1854-1917), zu seinem engeren Bekanntenkreis der Politiker Gustav Stresemann (1878-1929).
Nikolaus Eich wurde am 18.7.1866 in Gönnersdorf in der Eifel (heute Verbandsgemeinde Obere Kyll) geboren. Die Eltern, Siegbert und Maria Anna, geborene Hausen, Eich, bewirtschafteten eine kleine Landwirtschaft, die trotz des Einsatzes der ganzen Familie kaum genug zum Leben ließ, weshalb der Vater mit einem Fuhrgeschäft einem Nebenerwerb nachging. Nikolaus Eich besuchte die Schule des nur wenige hundert Einwohner zählenden Dorfes und half nach Kräften in der elterlichen Landwirtschaft und im Fuhrgeschäft. Es kam vor, dass er das Vieh hüten oder eine Fuhre bis nach Antwerpen begleiten musste. Nach dem Abschluss der Volksschulausbildung fand der aufgeweckte Junge eine Lehrstelle auf dem Bahnhof Jünkerath, einer wichtigen Bahnstation zwischen Trier und Köln. Hier wurden die Weichen für seinen weiteren Lebensweg gestellt.
Die Überlieferung ist nicht eindeutig, wer daran beteiligt gewesen war, Reinhard Mannesmann jun. oder dessen Sekretär. Alles spricht jedoch dafür, dass es der junge Unternehmersohn und Erfinder war, dem der Schalterbeamte wegen seiner Tüchtigkeit auffiel und dem er riet, nach Remscheid zu kommen. Dort spielte die Feilen- und Stahlfabrik A. Mannesmann eine führende Rolle. Der junge Mann wurde zunächst in einer Sektion der Rhein.-Westf. Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft in Remscheid, in der der Firmenchef Einfluss hatte, untergebracht. Dort erweiterte und vertiefte er seine kaufmännischen und seine Fremdsprachen-Kenntnisse, im Wesentlichen durch Selbststudium.
Als 1890 die vier kontinentalen Mannesmannröhren-Gesellschaften zur großen Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG mit Sitz in Berlin zusammengeschlossen wurden, wechselte der nunmehr 24-jährige Eich auf Wunsch des Generaldirektors Reinhard Mannesmann jun. in die Reichshauptstadt, wo am Pariser Platz, gleich neben der französischen Botschaft am Brandenburger Tor, die repräsentative Generaldirektion des Unternehmens eingerichtet wurde. Innerhalb kurzer Zeit erwarb Eich sich das volle Vertrauen seines Förderers, der ihn als Protokollführer bei wichtigen Verhandlungen zuzog und zu seinem Sekretär machte. Außerdem bearbeitete er die Geheimsachen sowie die Patentangelegenheiten und verwaltete die Kasse der Berliner Zentrale.
Als 1892 mit Julius Franken (1848-1899) zusätzlich ein kaufmännischer Vorstand berufen wurde, wusste Eich auch diesen rasch von seinen ungewöhnlichen Fähigkeiten zu überzeugen. Umso schwerer fiel es Franken, nachdem die Erfinder Reinhard und Max Mannesmann Mitte 1893 aus dem Vorstand ausgeschieden waren, die Berliner Zentrale aufgelöst und die Verwaltung stark verkleinert nach Düsseldorf verlegt wurde, auch Eich entlassen zu müssen. Er brachte ihn in Mönchengladbach, seiner Heimat, unter, und versprach ihm, ihn sofort wieder einzustellen, wenn es die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft wieder erlaube.
Das Unternehmen war, weil die revolutionäre Erfindung des Schrägwalzens, mit dem Rohre nahtlos aus dem massiven Stahlblock gewalzt wurden, noch nicht industriereif gewesen war, jedoch auch die Qualität des Vormaterials kein wirtschaftliches Arbeiten zuließ, in eine schwierige Lage geraten. Diese wurde noch dadurch verschlimmert, dass die Schweißrohr- und die Gussrohrfabrikanten alles daran setzten, die sie gefährdende Konkurrenz nicht zum Zuge kommen zu lassen. Sie schlossen sich zu Kampfsyndikaten gegen Mannesmann zusammen und drohten den mit Mannesmann zusammenarbeitenden Röhrenhändlern, ihnen die Dimensionen, die Mannesmann nicht beziehungsweise noch nicht herstellen konnte, vorzuenthalten. Franken sah sich vor die Aufgabe gestellt, die Produktion gewinnbringend zu gestalten und einen zweistelligen Millionenverlust abzutragen. Dazu gehörte eine Beschränkung der Produktion auf Rohrdimensionen, die wirtschaftlich zu fertigen waren, und ein Personalabbau, der den kaufmännischen wie den Verwaltungsbereich betraf.
Bereits wenige Monate später konnten Gewinne erwirtschaftet, und es konnte begonnen werden, den Bilanzverlust abzutragen. Eineinhalb Jahre nach seinem Ausscheiden in Berlin holte Franken im April 1895 Eich in die Dienste der Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG zurück, der fortan seine Lebensarbeit gelten sollte. Es waren erst wenige Mitarbeiter, die am Rande der Kernstadt von Düsseldorf in einem angemieteten Hause den Generaldirektor dabei unterstützten, das Unternehmen wirtschaftlich voranzubringen. Das gelang gut; innerhalb weniger Jahre zog man mehrfach in immer größere Häuser um, weil zur Verwaltung des rasch wachsenden Unternehmens immer mehr Personal eingestellt werden musste; außerdem verlangte der weltweite Absatz der Produkte eine entsprechende Absatzorganisation. Eich wurde Frankens unentbehrlicher Mitarbeiter und schließlich sogar sein Freund. Als Prokurist führte er (handschriftlich) vertrauliche Korrespondenzen, verhandelte mit wichtigen Geschäftspartnern und kontrollierte die Werke; während der häufigen Abwesenheiten Frankens übernahm er dessen Vertretung – auch beim Aufsichtsrat in Berlin (ein Sekretariat gab es damals noch nicht).
Eich scheint wenig Rücksicht auf seine wenig robuste Gesundheit genommen zu haben. Einem Schreiben seines Chefs an den Aufsichtsratsvorsitzenden von August 1899 ist zu entnehmen, dass er Eich wegen Überarbeitung zur Erholung ins Siebengebirge geschickt hatte. Der gute Mann hat eine längere Ruhe nötig, damit uns eine solche Kraft frisch erhalten bleibt. Max Steinthal, der Aufsichtsratsvorsitzende, gab eine bemerkenswerte Antwort: Ich bitte Sie, alles zu tun, was in Ihrer Kraft liegt, um eine baldige Wiederherstellung und Kräftigung des Herrn Eich herbeizuführen, denn es wäre recht schädlich für uns, wenn dieser tüchtige Arbeiter, der die Geschichte der Gesellschaft von Anfang an kennt, ernstlich erkranken sollte. So berechtigt die Sorgen um die angegriffene Gesundheit Eichs auch waren, war es Franken, der nur wenige Monate später, am 9.12.1899, anlässlich einer Dienstreise zur Übernahme der britischen Mannesmann-Gesellschaft nach einer kurzen Krankheit in Swansea/Wales im Alter von knapp 52 Jahren starb.
Bereits am 2.2.1900 wurde Nikolaus Eich zum Nachfolger bestellt. Zwar erhielt er mit dem bisherigen Geschäftsführer des Röhrensyndikats, Carl Johann Senfft (1858-1927), einen Vorstandskollegen. Abgesehen davon, dass dieser die weltweite Absatzorganisation aufbaute und häufig monatelang abwesend war, galt Eich von Anfang an unbestritten als der führende Mann des Unternehmens. 1908 wurde seine tatsächliche Stellung durch die Berufung zum Generaldirektor in aller Form offiziell bestätigt. Die öffentliche Anerkennung wurde ihm durch die Verleihung des Titels eines Kommerzienrats zuteil. Die Leistung des von ihm geführten Unternehmens war zum ersten Mal bereits 1902, anlässlich der großen Düsseldorfer Industrieausstellung, durch die Verleihung der Goldenen Staatsmedaille, die die Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke neben der Goldenen Ausstellungsmedaille erhalten hatten, gewürdigt worden.
Eich setzte die von seinem Vorgänger betriebene Arbeit, die auf eine weitere wirtschaftliche Gesundung des Unternehmens und die Stärkung seiner Unabhängigkeit gerichtet gewesen war, zügig und zielgerichtet fort. Binnen eines Jahres wusste er das vom Aufsichtsrat, insbesondere dessen Vorsitzenden, in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen; er gewann ein Selbstbewusstsein, das auch von den großen Anteileignern akzeptiert wurde. Steinthal, der seine Schreiben zunächst an die „Direktion“ richtete, ging bald zur Anrede Werter Herr Eich und schließlich zu Mein lieber Herr Eich über. Beide führten regelmäßig persönliche Besprechungen in Düsseldorf, in Berlin und an den Ferienorten Steinthals. Dabei waren sie nicht immer gleich einer Meinung, wobei Eich Steinthal fast immer von seiner Meinung zu überzeugen wusste.
Es gelang ihm, den hohen Verlustvortrag des Unternehmens bis 1905 abzutragen und 1906 eine angemessene Dividende zu zahlen sowie die Aktien mit Gewinn an der Börse einzuführen. Ab 1907 behauptete Mannesmann für seine gesamte Produktion die Kostenführerschaft. Durch die Gründung und den Kauf von Röhrenwerken im In- und Ausland erweiterte Eich das Unternehmen in horizontaler Sicht und zwang nach heftigen Preiskämpfen die Röhrenkartelle im Deutschen Reich und in Österreich zur Aufgabe ihres Kampfes mit Mannesmann. Weil er feststellen musste, dass die gemischten Werke immer weiter in die Verarbeitung drängten und die Kartelle zu ihrem Vorteil und zum Nachteil der Spezialisten nutzten, schuf er durch den Erwerb von Stahl-, Erz- und Kohlebergwerken sowie einer Kokerei eine eigene Rohstoff- und Halbzeugversorgung. Der Ausbau des Anfang 1914 in Huckingen (heute Stadtteil von Duisburg) erworbenen Stahl- und Blechwalzwerks zu einem integrierten Hüttenwerk konnte wegen des Ersten Weltkrieges erst nach seinem Tod realisiert werden. Mit Erfolg betrieb er den Ausbau so, dass das Unternehmen auch ohne beziehungsweise gegen die Kartelle bestehen konnte. Im Grunde kompromissbereit, war ihm sehr daran gelegen, die Gegensätze zwischen den gemischten Konzernen und den Unternehmen der verarbeitenden Industrie zu überwinden und zu einem tragfähigen Ausgleich zu kommen – allerdings ohne staatliche Initiative und ohne staatlichen Einfluss, der ihm suspekt war. Der Ausbruch des Krieges verhinderte einen Erfolg seiner Bemühungen.
Die Verwaltung wurde nach den Erfordernissen eines rasch und übersichtlich funktionierenden Betriebs strukturiert; dabei wurden auch moderne Bürogeräte – bis hin zu Hollerithmaschinen – eingesetzt. Unter seiner Leitung kam es zu einer bis dahin unbekannten engen technischen Zusammenarbeit der Werke. Außerdem wurde eine mittelfristige Investitions- und Finanzplanung eingeführt, die jeweils vier Jahre umfasste. Als er jedoch 1912 versuchte, die „englische Arbeitszeit“ in der Hauptverwaltung einzuführen, scheiterte er am Widerstand seiner „Beamten“, die lieber wie gewohnt zum Mittagessen nach Hause gingen und erst nach einer längeren Pause wieder an ihrem Arbeitsplatz erschienen. Eich wollte eine nur kurze Pause und den Verbleib im Hause, wofür er eine Kantine einrichtete, in der das Mittagessen eingenommen werden konnte. Er entschied keineswegs über die Köpfe seiner Mitarbeiter hinweg, sondern ließ darüber abstimmen. An den für ihn negativen Beschluss hielt er sich.
Unter Eichs Leitung entfaltete das Unternehmen erstmals seine ganze Kraft. Mannesmann behauptete die Kostenführerschaft. In den Jahren von 1900 bis 1919 wurde das Grundkapital von 34 auf 86 Millionen Mark erhöht, der Umsatz stieg fast auf das Siebzehnfache und der Reingewinn sogar auf das Neunzehnfache. Die Zahl der in den deutschen Betrieben der Mannesmannröhren-Werke beschäftigten Angestellten und Arbeiter wuchs von 866 auf über 20.500. 1910 beauftragte Eich den berühmten Architekten und Industriedesigner Peter Behrens (1868-1940) mit der Planung und dem Bau eines Verwaltungsgebäudes am Düsseldorfer Rheinufer, dem heutigen Mannesmannufer. Dieser und seine Assistenten, Le Corbusier (1887-1965), Mies van der Rohe (1886-1969) und Walter Gropius (1883-1969) verwirklichten ein Haus, das nicht allein den Ansprüchen eines dynamischen Unternehmens voll entsprach, sondern auch seinen repräsentativen Ansprüchen nach außen in jeder Hinsicht zu genügen wusste. Es war der erste Verwaltungsbau von Peter Behrens. Der Bau war und ist multifunktional, ein Kleinod der Düsseldorfer Architektur und weit darüber hinaus.
Auch in der Personalführung und in der betrieblichen Sozialpolitik schuf Eich Einrichtungen, die Maßstäbe setzten. Sein besonderes Interesse galt der sozialen Lage der Angestellten. Einen Paternalismus kruppscher Prägung und jede Bevormundung lehnte er jedoch ebenso ab wie den „Herr-im-Hause-Standpunkt“, wie er von Emil Kirdorf, August Thyssen und Hugo Stinnes vertreten und praktiziert wurde. Er hielt diese Einstellung für überholt und schädlich für die Industrieunternehmen wie für die gesamte Wirtschaft. 1914 äußerte er in einem Schreiben an Steinthal: Wenn mir 42cm Kruppsche Mörser zur Verfügung ständen, dann würde ich, darauf können Sie sich verlassen, mit den alten Zöpfen gründlich aufräumen. Er pflegte mit seinen Mitarbeitern einen kollegial geprägten Führungsstil, ließ jedoch keine Zweifel daran, wer die Zügel in der Hand hielt und die Verantwortung trug.
Er führte den bezahlten Urlaub ein und gewährte Alterszulagen; außerdem wurden Wohnungen für Arbeiter und Angestellte errichtet. Es gab eine preisgünstige Versorgung mit Lebensmitteln und eine Unterstützung invalider Mitarbeiter, bedürftiger Witwen und Waisen. Es wurden überdurchschnittlich hohe Löhne und Gehälter gezahlt sowie Sonderzulagen bei guten Geschäftsergebnissen. Allerdings war er gegen eine fest vereinbarte Gewinnbeteiligung; sie grenzte für ihn an „Staatssozialismus“. Nach Ausbruch des Krieges gab es Zuwendungen und andere Erleichterungen für die Familien eingezogener Mitarbeiter. Bei den Kommunen und den zuständigen staatlichen Institutionen setzte er sich für weitere Unterstützungen ein. Die Arbeitgeberverbände beschwor er, wie die Gewerkschaften die für Streikfälle zurückgelegten finanziellen Mittel zugunsten derartiger Unterstützungen zu verwenden.
Anlässlich seiner 20- beziehungsweise - je nach Zählweise - 25-jährigen Unternehmenszugehörigkeit erfreute ihn die Belegschaft mit einer Metallplastik, die zwei Arbeiter an einem Mannesmann-Schrägwalzwerk zeigen. Diese fand Aufstellung in seinem Freizeitdomizil, dem „Eichhof“ im Bröltal, in der Gemeinde Much, unweit des Siebengebirges, das Eich seit seinem Erholungsaufenthalt im Jahre 1899 vertraut war. Hier empfing er während seiner Urlaubsaufenthalte, manchmal auch an Wochenenden, seine leitenden Mitarbeiter zu Besprechungen. Heute wird die Hofanlage als soziale Einrichtung genutzt.
Eich war in zahlreichen Verbänden der Industrie und des Handels ehrenamtlich tätig. In den Jahren vor und während des Ersten Weltkriegs gehörte er dem Rat der Stadt Düsseldorf an; er war Mitglied der Industrie- und Handelskammer und zahlreicher Wohlfahrtsvereinigungen. Aktives Mitglied war er im 1909 gegründeten Hansabund für Gewerbe, Handel und Industrie, der eine Koalition der Mitte gegen die Rechte, nicht zuletzt gegen die Anhänger des konservativen und protektionistischen Bundes der Landwirte und der Schwerindustrie, von denen man sich bevormundet fühlte, zu bilden versuchte und zeitweise sogar eine Zusammenarbeit mit linken Kräften tolerierte. Konsequenterweise trat er 1909 aus dem Centralverein deutscher Industrieller (CVDI) aus. Bereits vorher hatte er die Erfüllung der von Gustav Stresemann geäußerten Bitte, die örtliche Organisation des Bundes der Industriellen im Raum Düsseldorf aufzubauen, ebenso abgelehnt wie den Wunsch Walther Rathenaus, er möge den stellvertretenden Vorsitz des Centralvereins übernehmen.
Eich war zunächst überzeugter Monarchist gewesen, jedoch mehr und mehr zu der Überzeugung gelangt, dass das Wilhelminische Deutschland „abgewirtschaftet“ hatte. In politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten hatte er von Anfang an liberales Gedankengut vertreten. Dazu gehörte auch die Forderung einer konsequenten Trennung von Staat und Wirtschaft – selbst in Kriegszeiten, die seiner Auffassung nach nicht einmal eine staatlich gelenkte Kriegswirtschaft rechtfertigten. Allenfalls war er für eine Mittelstandspolitik, weil er die Existenz von kleinen Unternehmen, vor allem aus sozialpolitischen Gründen, für wichtig erachtete. Den Ausgleich mit den Arbeitern und ihren politischen Vertretern hatte er schon lange angestrebt, und er hatte sich wiederholt entrüstet gezeigt über den „starren Egoismus der Großindustrie“. Allerdings lehnte er nicht allein die „Diktatur des Proletariats“ ab, sondern auch mitbestimmende Betriebsräte. Er war Realist auf dem Boden der neuen Demokratie. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung im Frühjahr 1919 kandidierte er – allerdings erfolglos – auf der Liste der Demokratischen Partei.
Die außenpolitische Lage hat Eich mehrfach nicht richtig eingeschätzt. Noch im Juli 1914 hatte er eine Kriegsteilnahme Deutschlands ausgeschlossen. Und selbst am 28. Juli war er nicht davon überzeugt, dass Russlands Eingreifen in den österreichisch-serbischen Konflikt zum großen Krieg führen würde. Eich setzte seine Tätigkeiten im In- und Ausland unbeirrt fort und zeigte sich dann unglücklich über den Kriegsausbruch und den plötzlichen Abbruch der seit Mai „flotten Beschäftigung“. Selbst mit seiner im November 1918 getroffenen Feststellung: Nach der heutigen Weltlage kann ich nicht daran glauben, dass innerhalb eines Menschenalters irgendein Staat als Angreifer aufs neue die Waffen ergreifen kann, sollte er irren. An die Dolchstoßlegende hat Eich nie geglaubt. Schuld an der Niederlage waren seiner Auffassung nach vor allem die erlahmende deutsche Technik sowie die beutegierigen und in sozialen Fragen unbeweglichen Manager der Stahlindustrie.
Die Sorge um das Unternehmen und seine Beschäftigten hatten Eich, der ja nicht zu den gesundheitlich Robusten gehörte, von Anfang an sehr in Anspruch genommen; während des Krieges hatte diese noch zugenommen. Die letzten Monate des Jahres 1918 und die ersten des Folgejahres mit dem militärischen Zusammenbruch, der Spartakusherrschaft in Düsseldorf und den Friedensverhandlungen mit den Alliierten, der Wiedereingliederung der heimgekehrten Soldaten und den Bemühungen, die Werke trotz der äußerst widrigen Umstände in Arbeit zu halten, hatten seine Gesundheit entscheidend geschwächt. Deshalb bat ihn Steinthal einmal mehr inständig, sich mehr zu schonen und mehr für sich zu sorgen. Eich war physisch und psychisch total erschöpft; sein Selbstverständnis als Unternehmer und sein Selbstvertrauen waren erschüttert. Nikolaus Eich ist am 16.9.1919 nach kurzer Krankheit im Alter von nur 53 Jahren verstorben, ist am 18.9.1919 in Hagen eingeäschert und auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof beigesetzt worden.
Nikolaus Eich war mit Elisabeth Gürtler (geboren am 15.1.1865 in Köln-Kalk) verheiratet gewesen. Das Paar hatte vier Söhne: Siegbert (1893), Gerhard Richard (1895-1918), Werner Franz (geboren 1898) und Helmuth Franz (1899-1920).
Quellen
Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv, Mülheim an der Ruhr (Schrift- und Bilddokumente).
Literatur
Strandmann, Hartmut Pogge von, Unternehmenspolitik und Unternehmensführung. Der Dialog zwischen Aufsichtsrat und Vorstand bei Mannesmann 1900 bis 1919, Düsseldorf 1978.
Dietrich, Yorck, Die Mannesmannröhren-Werke 1888 bis 1920, Stuttgart 1991.
Wessel, Horst A., Kontinuität im Wandel. 100 Jahre Mannesmann 1890 – 1990, Düsseldorf 1990.
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Wessel, Horst A., Nikolaus Eich, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/nikolaus-eich/DE-2086/lido/5df28fff3e86b0.08950039 (abgerufen am 05.12.2024)