Otto (Felix) Mannesmann

Erfinder, Kolonialist, Diplomat und Soldat (1874-1916)

Horst A. Wessel (Hilden)

Otto und Robert Mannesmann mit Scheich Hamed von Tarudant in Marokko, 1912. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

Ot­to Man­nes­mann war ein ge­nia­ler Tech­ni­ker und Na­tur­wis­sen­schaft­ler. Ihm ge­lang die Er­fin­dung des hän­gen­den Gas­glüh­lichts, das we­gen sei­ner Qua­li­tät und vor al­lem we­gen der gro­ßen En­er­gie­er­spar­nis das neue, be­que­me­re elek­tri­sche Glüh­licht in sei­ner Ver­brei­tung um et­wa zehn Jah­re zu­rück­warf. Sei­ne Er­fin­dung fand welt­wei­te Ver­brei­tung und wird noch heu­te ge­nutzt. Die durch die Ver­wer­tung er­ziel­ten Ge­win­ne wur­den un­ter an­de­rem zum Er­werb von Län­de­rei­en in Ma­rok­ko ver­wen­det. Ot­to Man­nes­mann be­saß meh­re­re Groß­far­men, die er nach mo­derns­ten Me­tho­den und mit neus­ter Tech­nik nach­hal­tig be­wirt­schaf­te­te. Auch wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs war er in be­son­de­rem Auf­trag des Aus­wär­ti­gen Am­tes in Nord­afri­ka als Ein­zel­kämp­fer im Ein­satz.

Ot­to Fe­lix wur­de am 10.5.1874 als sechs­ter Sohn so­wie elf­tes und letz­tes Kind des er­folg­rei­chen Fei­len- und Stahl­fa­bri­kan­ten Rein­hard Man­nes­mann und des­sen Ehe­frau Kla­ra, ge­bo­re­ne Ro­choll, in Rem­scheid-Blie­ding­hau­sen ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie war evan­ge­lisch-lu­the­risch. Ob­wohl das Un­ter­neh­men A. Man­nes­mann, an dem der Va­ter be­tei­ligt war und des­sen Pro­duk­ti­on die­ser mit au­ßer­or­dent­li­chem Er­folg lei­te­te, an­sehn­li­che Ge­win­ne er­wirt­schaf­te­te, wur­de Ot­to wie sei­ne äl­te­ren Ge­schwis­ter ein­fach und nach stren­gen Grund­sät­zen er­zo­gen. Al­ler­dings be­wohn­te die viel­köp­fi­ge Fa­mi­lie ein gro­ßzü­gi­ges Do­mi­zil in der Nä­he der Fa­brik. Als Jüngs­ter der Ge­schwis­ter, wur­de er - ins­be­son­de­re von den fünf Schwes­tern - ver­wöhnt und durf­te auch sonst auf Nach­sicht rech­nen. Be­reits früh ent­wi­ckel­te er ei­ge­ne Vor­stel­lun­gen und wuss­te die­se auch zu ver­tre­ten.

Otto Mannesmann. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

 

Er be­such­te die Ober­re­al­schu­le zu­nächst in Rem­scheid und Len­nep (heu­te Stadt Rem­scheid) und, weil hier die Hoch­schul­rei­fe noch nicht er­wor­ben wer­den konn­te, schlie­ß­lich in Kiel. Es ist nicht be­kannt, ob die in­zwi­schen er­wor­be­nen Kennt­nis­se nicht aus­ge­reicht ha­ben oder die Auf­merk­sam­keit des Schü­lers Ot­to ab­ge­lenkt war, je­den­falls schien des­sen Ver­set­zung nach Ober­pri­ma der­art ge­fähr­det, dass die El­tern, die sich da­mals ge­ra­de mit ei­ni­gen ih­rer Kin­der in Ägyp­ten auf­hiel­ten, schon ein Stu­di­um oh­ne Ab­itur in den USA er­wo­gen. Er schaff­te je­doch die Ver­set­zung und mach­te 1892 sein Ab­itur. An­schlie­ßend stu­dier­te er, sei­ner Nei­gung ent­spre­chend, an den TH in Mün­chen und (Ber­lin-) Char­lot­ten­burg Phy­sik und Che­mie. Er war im Corps der Mün­che­ner Fran­ken ak­tiv. Nach dem Er­werb des In­ge­nieur-Di­ploms wur­de er be­reits 1897 an der Uni­ver­si­tät Tü­bin­gen mit der Ar­beit „Luft­wi­der­stands­mes­sun­gen mit ei­nem neu­en Ro­ta­ti­ons­ap­pa­ra­t“, die mit der No­te „ma­gna cum lau­de“ be­wer­tet wur­de, zum Dr. rer. nat. pro­mo­viert. Au­ßer­dem hat­te er sei­ne ein­jäh­ri­ge Mi­li­tär­dienst­pflicht beim Ula­nen­re­gi­ment Nr. 20 in Lud­wigs­burg ab­sol­viert und war zum Leut­nant der Re­ser­ve be­för­dert wor­den. Die wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se er­laub­ten es ihm, sei­ne Phy­sik­stu­di­en an der Uni­ver­si­tät Nea­pel fort­zu­set­zen, wo er sei­ne Kennt­nis­se der eng­li­schen und fran­zö­si­schen Spra­che durch das Ita­lie­ni­sche er­wei­ter­te. An­schlie­ßend weil­te er län­ge­re Zeit zur In­for­ma­ti­on über den tech­ni­schen Stand des Ei­sen­hüt­ten­we­sens in Nord­ame­ri­ka.  

Be­reits wäh­rend sei­nes Stu­di­ums hat­te Ot­to Man­nes­mann sich in­ten­siv mit den Pro­ble­men der seit dem ers­ten Drit­tel des Jahr­hun­derts in Deutsch­land ver­brei­te­ten Gas­be­leuch­tung be­fasst, die da­mals mit dem elek­tri­schen Glüh­licht ei­nen ernst zu neh­men­den Wett­be­wer­ber er­hielt. Er ar­bei­te­te hier eng mit sei­nen Brü­dern Rein­hard un­d Max zu­sam­men, die auf die­sem Ge­biet seit 1890 pa­tent­ge­schütz­te Er­fin­dun­gen mach­ten. Bald je­doch war Ot­to der füh­ren­de Kopf bei den durch­ge­führ­ten Ver­su­chen, ei­ne mög­lichst hell und ge­ruchs­frei bren­nen­de so­wie preis­wer­te Gas­mi­schung zu fin­den und au­ßer­dem ei­nen Bren­ner mit eben die­sen Ei­gen­schaf­ten, ins­be­son­de­re mit ei­ner we­sent­lich bes­se­ren Nut­zung des Brenn­ma­te­ri­als, zu ent­wi­ckeln. Im Fe­bru­ar 1900 be­an­trag­ten so­wohl Rein­hard und Max als auch Ot­to mit Er­folg Pa­tent­schutz für von ih­nen er­fun­de­ne Ver­fah­ren zur Her­stel­lung von Gas­glüh­licht. Bei­de Er­fin­dun­gen be­tra­fen die Um­keh­rung des von Carl Au­er von Wels­bach (1858-1929) ein­ge­führ­ten und da­mals all­ge­mein ver­brei­te­ten Sys­tems, bei dem der Glüh­strumpf im Lam­pen­kör­per auf­recht stand. Die Kon­struk­ti­on von Ot­to, mit hän­gen­dem Glüh­strumpf, zeich­ne­te sich vor al­lem da­durch aus, dass sie ei­ne Ga­ser­spar­nis von bis zu 60 Pro­zent brach­te. Sie hat sich rasch welt­weit durch­ge­setzt, und al­le Her­stel­ler von Gas­glüh­licht wur­den, teil­wei­se nach lang­wie­ri­gen Pro­zes­sen bis zum Reichs­ge­richt, die al­le­samt zu­guns­ten des Er­fin­ders aus­gin­gen, aus­nahms­los Li­zenz­neh­mer.

Die Ent­wick­lung des elek­tri­schen Lichts wur­de da­durch um et­wa zehn Jah­re ver­zö­gert – hier hat je­doch ne­ben der Kos­ten­er­spar­nis auch ei­ne Rol­le ge­spielt, dass die Ein­rich­tun­gen für die Er­zeu­gung und Ver­tei­lung von Gas vor­han­den und seit Jahr­zehn­ten er­probt wa­ren. Au­ßer­dem be­fan­den sich bei der ört­li­chen Ga­ser­zeu­gung die mit Ge­räusch und vor al­lem Ge­ruch ar­bei­ten­den Pro­duk­ti­ons­an­la­gen meist am Ran­de der Stadt, wäh­rend die E-Wer­ke sys­tem­be­dingt in un­mit­tel­ba­rer Nä­he der Ab­neh­mer ih­ren Stand­ort hat­ten. Die­se nutz­ten zur Strom­er­zeu­gung Dampf­ma­schi­nen, de­ren Be­trieb mit Ru­ße­mis­sio­nen ein­her­ging und zu­dem ex­plo­si­ons­ge­fähr­det war. Die Er­fin­dung von Ot­to Man­nes­mann war, wie ein of­fi­zi­el­les Gut­ach­ten 1910 fest­stell­te, eben­so ver­blüf­fend ein­fach wie er­folg­reich: Der mit Luft ge­misch­te gas­för­mi­ge Brenn­stoff wird in den hän­gen­den Glüh­strumpf in ei­ne nicht den gan­zen Quer­schnitt aus­fül­len­de Säu­le ein­ge­führt. Der Bren­ner­kopf be­sitzt ei­ne Aus­strö­mungs­öff­nung, um den Brenn­stoff selbst bei ge­rin­gem Gas­druck bis in den vom Bren­ner ent­fern­tes­ten Teil des Glüh­strump­fes brin­gen zu kön­nen.

Die Brü­der Man­nes­mann grün­de­ten zur Ver­wer­tung die­ser Er­fin­dun­gen die Man­nes­mann­licht GmbH, die ih­ren Sitz zu­nächst in Ber­lin, dann dau­er­haft in Rem­scheid hat­te; die­se un­ter­hielt Nie­der­las­sun­gen in Ber­lin, Lon­don, Pa­ris, Wien, Ams­ter­dam, Brüs­sel, Bar­ce­lo­na, Ko­pen­ha­gen und schlie­ß­lich auch in Ma­rok­ko. In Rem­scheid wur­de ei­ne Lam­pen­fa­brik er­rich­tet. Die Lei­tung der so­ge­nann­ten Spar­licht­ge­sell­schaft lag in den Hän­den der Brü­der Carl und Ot­to Man­nes­mann. In der Fol­ge­zeit wur­den welt­weit die meis­ten Be­leuch­tungs­an­la­gen auf das Sys­tem Man­nes­mann um­ge­rüs­tet; bis zum Aus­bruch des Ers­ten Welt­krie­ges be­zie­hungs­wei­se bis zum Aus­lau­fen der Pa­ten­te im Jah­re 1915 ha­ben die Brü­der sehr viel Geld mit dem von ih­nen er­fun­de­nen Gas­glüh­licht ver­dient. Vor al­lem da­mit ha­ben sie ih­re Ak­ti­vi­tä­ten im Au­to­mo­bil­bau und ins­be­son­de­re in Ma­rok­ko und am obe­ren Ama­zo­nas fi­nan­ziert. Noch heu­te ist das Sys­tem Man­nes­mann bei der Gas­be­leuch­tung all­ge­mein ver­brei­tet. In der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf sind der­zeit noch rund 15.000 der­ar­ti­ger Gas­lam­pen in Be­trieb.

1907 ging Ot­to mit sei­nen Brü­dern Al­fred und Ro­bert nach Ma­rok­ko, wo Bru­der Rein­hard seit ei­nem Jahr tä­tig war. Wäh­rend die­ser auf die berg­bau­tech­ni­sche Er­schlie­ßung des vor al­lem von Frank­reich als Ein­fluss­ge­biet be­trach­te­ten Lan­des aus­ge­rich­tet war, er­war­ben die Brü­der ge­mein­sam so­wie teil­wei­se auch un­ab­hän­gig von­ein­an­der Land, kul­ti­vier­ten es und be­trie­ben Groß­far­men. Die er­zeug­ten Gü­ter, Nah­rungs­mit­tel und in­dus­tri­el­le Roh­stof­fe, wur­den durch ei­ge­ne Han­dels­ge­sell­schaf­ten eu­ro­pa­weit ver­mark­tet; die­se über­nah­men auch die Ein­fuhr und den Ver­trieb von Wa­ren, die nicht im Lan­de er­zeugt, je­doch nach­ge­fragt wur­den. Ot­to er­rich­te­te ei­ge­ne Far­men im Sü­den des Lan­des, in Spa­nisch- Ma­rok­ko, in If­ny bei Sa­fi am At­lan­ti­schen Oze­an. Al­lein da­für wur­den nach dem Frie­dens­ver­trag, der ei­ne Tä­tig­keit der Deut­schen in Ma­rok­ko ver­bot, vom Reichs­ent­schä­di­gungs­amt Li­qui­da­ti­ons­schä­den in Hö­he von mehr als 1,5 Mil­lio­nen Gold­mark an­er­kannt. Die Leis­tun­gen, die die Brü­der Man­nes­mann bei der land­wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung des Lan­des er­brach­ten, sind all­ge­mein, so­gar von Sei­ten Frank­reichs, an­er­kannt wor­den. Sie tra­ten nicht wie Ko­lo­ni­al­her­ren auf und wa­ren all­ge­mein, un­ab­hän­gig von po­li­ti­schem Rang und ge­sell­schaft­li­cher Stel­lung, an­ge­se­hen und be­liebt. Sie ver­moch­ten es so­gar, sich auf Ara­bisch zu ver­stän­di­gen.

Porträt des jungen Otto Mannesmann als Corpsstudent, aus der Todesanzeige seines Corps Franconia München. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

 

In An­be­tracht der po­li­ti­schen Ver­hält­nis­se war es nicht un­ge­wöhn­lich, dass ih­re Ak­ti­vi­tä­ten von den Ein­fluss­mäch­ten Frank­reich und Spa­ni­en arg­wöh­nisch be­ob­ach­tet wur­den. Zwar ste­hen die in Ver­bin­dung mit Ma­rok­ko im­mer wie­der ge­nann­ten Er­eig­nis­se wie die Kon­fe­renz von Al­ge­ci­ras oder der „Pan­ter­sprung nach Aga­dir“ in kei­ner oder nur ge­rin­ger Be­zie­hung zur Fa­mi­lie Man­nes­mann, aber die Brü­der, un­ter ih­nen auch Ot­to, sind durch­aus Ge­gen­stand in­nen­po­li­ti­scher und di­plo­ma­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen ge­wor­den. So emp­fing Ot­to mit sei­nen Brü­dern den ma­rok­ka­ni­schen Au­ßen­mi­nis­ter im Mai 1908 in Rem­scheid, als die­ser auf der Rei­se nach Ber­lin war, um die Deut­sche Reichs­re­gie­rung im Auf­trag sei­nes Herr­schers zu bit­ten, sich stär­ker in Ma­rok­ko zu en­ga­gie­ren. 1910 kam es zu ei­ner er­regt ge­führ­ten Sit­zung im Deut­schen Reichs­tag über die An­sprü­che der Fa­mi­lie Man­nes­mann in Ma­rok­ko. Ei­ne in die­sem Zu­sam­men­hang in der Pres­se ver­öf­fent­lich­te Ka­ri­ka­tur zeigt die Brü­der, die er­kenn­bar sind, beim Kar­ten­spiel, bei ei­ner „Par­tie Ta­rok­ko“. Die Ber­li­ner Il­lus­trier­te Zei­tung bil­de­te die Brü­der Ro­bert und Ot­to Man­nes­mann mit dem Scheich Ha­med auf der Ti­tel­sei­te ih­rer Aus­ga­be vom 9.7.1912 ab.

Beim Aus­bruch des Ers­ten Welt­krie­ges hielt sich Ot­to Man­nes­mann zu­fäl­lig in Deutsch­land auf. Im Haus sei­ner Ver­bin­dung hielt er ei­ne Re­de und be­wog vie­le sei­ner Corps­brü­der, sich frei­wil­lig zum Dienst fürs Va­ter­land zu mel­den. Er selbst wur­de am zwei­ten Mo­bil­ma­chungs­tag als Ober­leut­nant ein­ge­zo­gen und er­hielt vom Gro­ßen Ge­ne­ral­stab den Auf­trag, sich als Kon­sul nach Tri­po­lis in Li­by­en, das un­ter ita­lie­ni­schem Ein­fluss stand, zu be­ge­ben. Sei­ne Auf­ga­be soll­te dar­in be­ste­hen, die ein­hei­mi­schen Stäm­me im Kampf ge­gen die Fran­zo­sen zu ak­ti­vie­ren; au­ßer­dem soll­te er über das Ver­hal­ten der Ita­lie­ner be­rich­ten, de­nen man hin­sicht­lich ih­rer Bünd­nis­treue nicht trau­te. Sei­ne Kennt­nis­se Nord­afri­kas und sei­ner Be­völ­ke­rung so­wie der eng­li­schen, der fran­zö­si­schen, der ita­lie­ni­schen und der ara­bi­schen Spra­che be­güns­tig­ten sei­nen Auf­trag; au­ßer­dem hat­te er ein ei­ser­nes Trai­ning ab­sol­viert. Um sich im Fein­des­land nicht als Deut­scher zu ver­ra­ten, ant­wor­tet er selbst im Halb­schlaf nicht auf Deutsch, son­dern auf Eng­lisch oder Fran­zö­sisch. Wie phan­ta­sie­reich er da­bei vor­ging, zeigt ein Bei­spiel: Um die Ara­ber mit der Über­le­gen­heit der Deut­schen über die Fran­zo­sen zu be­ein­dru­cken und so de­ren Un­ter­stüt­zung zu ge­win­nen, ließ er die Be­rich­te über die Schlach­ten des Krie­ges von 1870/71 ins Ara­bi­sche über­set­zen und mit­tels Luft­bal­lons im Lan­de ver­tei­len.

Au­ßer­dem such­te er den di­rek­ten Kon­takt mit den Stam­mes­füh­rern. Sei­ne statt­li­che Er­schei­nung, wie sei­ne Brü­der war er über 1,90 Me­ter groß, sei­ne über­durch­schnitt­li­chen Reit- und Schie­ß­küns­te so­wie nicht zu­letzt der gu­te Ruf des Na­mens Man­nes­mann in der ge­sam­ten Re­gi­on hal­fen ihm, sei­nen Auf­trag er­folg­reich aus­zu­füh­ren. Es ge­lang ihm, die ein­hei­mi­schen Stäm­me zum Auf­stand ge­gen die Fran­zo­sen zu ver­an­las­sen. Zu den in West­al­ge­ri­en in­ter­nier­ten Deut­schen, dar­un­ter ehe­ma­li­ge An­ge­stell­te der Man­nes­mann-Ge­sell­schaf­ten, konn­te er durch Ver­mitt­lung ei­nes der Fa­mi­lie seit Jah­ren ver­bun­de­nen ma­rok­ka­ni­schen Stam­mes­fürs­ten Ver­bin­dung auf­neh­men.

Dem Be­richt von Mit­te De­zem­ber 1914 an das Aus­wär­ti­ge Amt ist zu ent­neh­men, dass al­le Ara­ber­chefs von Süd­west-Al­gier bis Ma­rok­ko so­wie im Sü­den von Tu­nis mit Er­folg ge­gen die Fran­zo­sen kämpf­ten. Die Ita­lie­ner, die zwar mit Deutsch­land und Ös­ter­reich ver­bün­det wa­ren, aber al­les un­ter­bin­den woll­ten, was Eng­land scha­den könn­te, sa­hen es nicht ger­ne, dass die Ara­ber of­fen ih­re Sym­pa­thie für Deutsch­land be­kun­de­ten. Des­halb wur­de dem deut­schen Kon­su­lat der Ver­kehr mit den Ein­hei­mi­schen nach Mög­lich­keit ab­ge­schnit­ten und ver­schie­dent­lich Ara­ber, die mit Ot­to Man­nes­mann in Ver­bin­dung stan­den, un­ter ei­nem Vor­wand in­haf­tiert. Er konn­te da­her nur noch heim­lich nachts mit den Ara­bern zu­sam­men­tref­fen.

Als er sich im Mai 1915 in Ber­lin zum Rap­port auf­hielt, wur­de sein Auf­trag er­wei­tert. Nun ging es dar­um, den Auf­stand auch ge­gen die Bri­ten und oben­drein ge­gen die in den Krieg ge­gen die Mit­tel­mäch­te ein­tre­ten­den Ita­lie­ner zu or­ga­ni­sie­ren. Da­zu soll­te er mit den ara­bi­schen Füh­rern Kon­takt auf­neh­men und die­se über­re­den, den Kampf aus­zu­wei­ten; au­ßer­dem soll­te er den po­li­tisch und mi­li­tä­risch ein­fluss­rei­chen je­doch stark zer­strit­te­nen is­la­mi­schen Or­den der Se­n­us­sen be­we­gen, in Nord­afri­ka ei­ne Front ge­gen die Bri­ten zu bil­den. Das war für ei­nen auf sich al­lein ge­stell­ten Sol­da­ten, weit­ab von al­len Res­sour­cen, der nur an­läss­lich ge­le­gent­li­cher Auf­ent­hal­te deut­scher U-Boo­te mit sei­ner Füh­rung Ver­bin­dung hal­ten konn­te, ei­ne kaum zu be­wäl­ti­gen­de Auf­ga­be. Ihm muss das be­wusst ge­we­sen sein; denn der in Ver­bin­dung mit dem dienst­li­chen Auf­ent­halt in Ber­lin ge­nutz­te Be­such im el­ter­li­chen Haus in Rem­scheid war, wie die schrift­lich fest­ge­hal­te­ne Fa­mi­li­ener­in­ne­rung be­legt, ein „stil­ler, end­gül­ti­ger Ab­schie­d“. Ein U-Boot brach­te Ot­to Man­nes­mann samt Waf­fen und Mu­ni­ti­on für sei­ne Mit­strei­ter nach Li­by­en.

Sei­ner Mis­si­on war zu­nächst er­neut der be­reits bei sei­nem ers­ten Auf­ent­halt er­run­ge­ne Er­folg be­schie­den. Wie ei­nem Schrei­ben vom 30.12.1915 an die Ge­schwis­ter in Rem­scheid zu ent­neh­men ist, war es ihm ge­lun­gen, das Ver­trau­en der Se­n­us­sen zu er­wer­ben. Si­di Ach­med, der Groß-Se­n­us­se, hat­te ihm den „hei­li­gen Man­tel mit Zo­bel“, den nur pri­vi­le­gier­te Se­n­us­sen-Hei­li­ge tra­gen durf­ten, ge­schenkt. Er galt da­mit als Ach­meds Bru­der und als ho­her Stam­mes­ge­nos­se, der sich im ge­sam­ten Herr­schafts­ge­biet frei be­we­gen durf­te. Un­ter­wegs trat er teils als Se­n­us­sen­ma­jor auf, teils als deut­scher Of­fi­zier, teils als fried­li­cher Kon­sul. Im Au­gust hat­te er zwei eng­li­sche U-Boo­te an die Küs­te ge­lockt und H.M.S. B-11 un­ter dem Kom­man­do des be­rühm­ten und mit dem Vic­to­ria Cross aus­ge­zeich­ne­ten Lieu­ten­ant Nor­man Hol­brook (1888-1976) be­schä­digt. Wäh­rend die Geg­ner fünf Ge­fal­le­ne zu be­kla­gen hat­ten, war Ot­to Man­nes­mann mit sei­nen vier Mit­strei­tern oh­ne Ver­lus­te ge­blie­ben.

Die deut­sche Bot­schaft in Kon­stan­ti­no­pel teil­te dem Reichs­kanz­ler­amt am 8.7.1915 mit, dass die Se­n­us­sen die Ita­lie­ner fast ganz auf die Küs­te zu­rück­ge­drängt und zahl­rei­che Ge­schüt­ze mit Mu­ni­ti­on er­beu­tet hat­ten. Fer­ner, dass die­se die Ab­sicht hät­ten, „nun­mehr auch ge­gen die Eng­län­der in Ägyp­ten zu ope­rie­ren. Zwar ver­sprach sich der tür­ki­sche Kriegs­mi­nis­ter von den Se­n­us­sen kei­nen durch­schla­gen­den Er­folg, aber „da­durch wur­den nicht un­er­heb­li­che eng­li­sche Streit­kräf­te...ge­bun­den.“ Mit dem tür­ki­schen Ge­ne­ral und Ober­be­fehls­ha­ber in Nord­afri­ka, Nu­ri Pa­scha, stand Ot­to Man­nes­mann in en­ger Ver­bin­dung; al­ler­dings lehn­ten die Se­n­us­sen ein Zu­sam­men­ge­hen mit der tür­ki­schen Ar­mee ab. Die Vor­stel­lung Ot­tos, die er in sei­nem letz­ten Schrei­ben an die Ge­schwis­ter ge­äu­ßert hat­te, näm­lich dass er mit vie­len Hoff­nun­gen in das neue Jahr rei­te und „auf dem klei­nen Um­weg über Al­gier hof­fent­lich wie­der nach Blie­din­g“(hau­sen) zu­rück­kom­men wer­de, die soll­te sich so nicht er­fül­len. Zwar kehr­te er zu­rück, aber als ge­fal­le­ner Kriegs­held. 

Als Ka­pi­tän­leut­nant Wal­ter Forst­mann (1883-1973), ei­ner der er­folg­reichs­ten U-Boot-Kom­man­dan­ten in bei­den Welt­krie­gen, mit S.M. U-39 im Ju­li 1916 in der gro­ßen Syr­te an­ker­te, er­fuhr er von Ein­hei­mi­schen, dass Ot­to Man­nes­mann im In­nern von Tri­po­lis er­mor­det wor­den sei. Ein­zel­hei­ten wa­ren nicht be­kannt. Ober­leut­nant Paul Frei­herr von To­den­warth (1876-1965) wur­de ab­ge­setzt, um nach dem Schick­sal von Ot­to Man­nes­mann zu for­schen. Als Forst­mann im Ok­to­ber er­neut mit sei­nem U-Boot in der gro­ßen Syr­te an­ker­te, um Mu­ni­ti­on, Geld, tür­ki­sche Of­fi­zie­re und ho­he ara­bi­sche Wür­den­trä­ger nach Nord­afri­ka zu brin­gen, brach­te von To­den­warth die sterb­li­chen Über­res­te von Ot­to Man­nes­mann, der am 10.4.1916 ums Le­ben ge­kom­men war. Die Ge­bei­ne wur­den an Bord ge­nom­men und im da­mals ös­ter­rei­chi­schen Ma­ri­ne­stütz­punkt Cat­ta­ro, an der dal­ma­ti­ni­schen Küs­te, ob­du­ziert.

Das Aus­wär­ti­ge Amt hat sich da­mals be­müht, Klar­heit über den Tod von Ot­to Man­nes­mann zu er­hal­ten. Zwar sind die Um­stän­de der Tat weit­ge­hend ge­klärt, nicht je­doch die Mo­ti­ve. Es wur­de be­reits dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Se­n­us­sen zer­strit­ten wa­ren. Ei­ni­ge von ih­nen hat­te sich ge­gen den Groß-Se­n­us­sen, den Be­schüt­zer Ot­tos, er­ho­ben und ver­han­del­ten mit den Bri­ten. De­ren An­füh­rer hat­te den Deut­schen fest­ge­nom­men. Zwar hat­te er sich los­kau­fen und mit sei­ner Ka­ra­wa­ne auf­bre­chen kön­nen, aber nur, um kur­ze Zeit spä­ter er­neut in Ge­fan­gen­schaft zu ge­ra­ten. Nach­dem er sich mit sei­nen Leu­ten ein wei­te­res Mal frei­ge­kauft hat­te, wur­de Ot­to Man­nes­mann, der sich in Be­glei­tung ei­nes Ara­bers aus Tu­nis zwei Reit­stun­den vor sei­ner Ka­ra­wa­ne be­fand, von Sol­da­ten des Se­n­us­sen-Un­ter­füh­rers, der ihn zu­vor ge­fan­gen ge­setzt hat­te, ein­ge­holt und vom Pferd ge­schos­sen. Die am 3. No­vem­ber in Cat­ta­ro durch­ge­führ­te Ob­duk­ti­on fand ein­deu­ti­ge Hin­wei­se auf töd­li­che Schuss­ver­let­zun­gen im Ober­kör­per und am Kopf. Die Gold­zäh­ne des To­ten wa­ren her­aus­ge­bro­chen wor­den. Der gro­ße Ge­ne­ral­stab in­for­mier­te am 13.11.1916 das Ula­nen-Re­gi­ment Nr. 20 in Lud­wigs­burg: „Der Ober­leut­nant d. R. des dor­ti­gen Re­gi­ments, Ot­to Man­nes­mann, ist vor et­wa 1 ½ Jah­ren in be­son­de­rem Auf­tra­ge der hie­si­gen Stel­le und des Aus­wär­ti­gen Am­tes nach dem Ori­ent ent­sandt wor­den, hat dort auf ein­sa­men Pos­ten un­ter denk­bar schwie­rigs­ten Ver­hält­nis­sen sehr wert­vol­le Diens­te ge­leis­tet und ist vor ei­ni­ger Zeit im Kamp­fe mit feind­li­chen Stäm­men den Hel­den­tod ge­stor­ben [...]“ 

Die sterb­li­chen Über­res­te von Ot­to Man­nes­mann, den die Se­n­us­sen zum Sche­rif­fen, die tür­ki­sche Ar­mee zum Ma­jor und die deut­sche zum Ritt­meis­ter der Re­ser­ve er­nannt hat­ten und der mit ho­hen Kriegs­or­den aus­ge­zeich­net wor­den war, wur­den in ei­nem ver­lö­te­ten Zink­be­häl­ter, der von ei­nem Holz­sarg um­ge­ben wur­de, mit der Ei­sen­bahn nach Deutsch­land über­führt; den Sarg be­deck­ten die deut­sche, die ös­ter­rei­chi­sche und die tür­ki­sche Flag­ge. In Rem­scheid-Blie­ding­hau­sen wur­de er auf dem Süd­fried­hof im neu­en (heu­te noch er­hal­te­nen) Fa­mi­li­en­grab im Bei­sein von Ver­tre­tern der Obers­ten Hee­res­lei­tung und des Aus­wär­ti­gen Am­tes am 20. No­vem­ber bei­ge­setzt.

Quellen

Salz­git­ter AG-Kon­zernar­chiv/Man­nes­mann-Ar­chiv, Mül­heim an der Ruhr.
Po­li­ti­sches Ar­chiv des Aus­wär­ti­gen Am­tes, Ber­lin. 

Literatur

Brandt-Man­nes­mann, Rut­hild, Do­ku­men­te aus dem Le­ben der Er­fin­der, Rem­scheid 1965.
Wes­sel, Horst A., Glo­ba­le Un­ter­neh­mens­ak­ti­vi­tä­ten im Span­nungs­feld von un­ter­neh­me­ri­schem Ge­stal­tungs­wil­len und (wirt­schafts-) po­li­ti­schen Rea­li­tä­ten. Das Bei­spiel der Fa­mi­lie Man­nes­mann aus Rem­scheid, in: Hil­ger, Su­san­ne/Soé­ni­us, Ul­rich S. (Hg.), Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men im Rhein­land im 19. und 20. Jahr­hun­dert, Köln 2009, S. 66-102.
Wes­sel, Horst A., Die Tech­ni­ker der Fa­mi­lie Man­nes­mann, in: We­ber, Wolf­hard (Hg.), In­ge­nieu­re im Ruhr­ge­biet,, Müns­ter 1999, S. 123-148.
Wes­sel, Horst A., Ot­to Fe­lix Man­nes­mann (1874-1916) – ein zu Un­recht ver­ges­se­ner Pio­nier der Gas­be­leuch­tung, in: Der Zünd­fun­ke. Das Gas­la­ter­nen-Jour­nal Nr. 88, 9/2016), Ausg. 9-10.
Her­zog, Bo­do, Ein sen­sa­tio­nel­les Do­ku­ment im Zu­sam­men­hang mit dem mys­te­riö­sen Tod des „Deut­schen La­wrence of Ara­bi­a“: Ritt­meis­ter Dr. Ot­to Man­nes­mann, in: Mi­li­ta­ria 1/2008, S. 14-17. 

Otto und Robert Mannesmann mit Scheich Hamed von Tarudant in Marokko, 1912. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

 
Zitationshinweis

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Wessel, Horst A., Otto (Felix) Mannesmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/otto-felix-mannesmann/DE-2086/lido/5b7a7d4318f176.23908723 (abgerufen am 05.12.2024)