Paul Clemen

Provinzialkonservator der Rheinprovinz (1866-1947)

Udo Mainzer (Pulheim)

Paul Clemen, Porträtfoto: Dorothea Bleibtreu, Bonn. (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland)

Paul Cle­men war als ers­ter Pro­vin­zi­al­kon­ser­va­tor der Rhein­pro­vinz ein pro­mi­nen­ter Mit­be­grün­der der mo­der­nen Denk­mal­pfle­ge in Eu­ro­pa. Zeit­wei­se zu­gleich als Pro­fes­sor für Kunst­ge­schich­te an der Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät in Bonn wir­kend, war er auch die trei­ben­de Kraft bei ­der Ent­ste­hung des „Rhei­ni­schen Ver­eins für Denk­mal­pfle­ge und Hei­mat­schutz" (heu­te „Land­schafts­schutz").

 

Paul Cle­men wur­de am 31.10.1866 als zwei­tes Kind des evan­ge­li­schen Theo­lo­gen Dr. phil. Lic. theol. Chris­ti­an Au­gust Ju­li­us Cle­men und des­sen Frau He­le­ne, ge­bo­re­ne Voigt, in Som­mer­feld bei Leip­zig ge­bo­ren. Nach Schul­be­such und Ab­itur in Grim­ma, Sach­sen, und Ab­leis­tung des ein­jäh­ri­gen Mi­li­tär­diens­tes 1885-1889 stu­dier­te er Kunst­ge­schich­te, deut­sche Phi­lo­lo­gie und Ge­schich­te an den Uni­ver­si­tä­ten Leip­zig, Bonn und Straß­burg, wo er mit ei­ner Dis­ser­ta­ti­on über „Die Por­trait­dar­stel­lun­gen Karls des Gro­ßen" pro­mo­viert wur­de.

1890 über­trug ihm die „Kom­mis­si­on der Denk­mä­ler­sta­tis­tik der Rhein­pro­vinz" im Auf­trag der Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung in fes­ter An­stel­lung die In­ven­ta­ri­sa­ti­on der ge­sam­ten Kunst­denk­mä­ler der Rhein­pro­vinz. Be­reits ein Jahr spä­ter er­schien als ers­ter Band der Rei­he „Die Kunst­denk­mä­ler der Rhein­pro­vinz" der Kreis Kem­pen. Un­ter sei­ner Ver­ant­wor­tung und weit­ge­hend per­sön­li­chen Be­tei­li­gung ent­stan­den bis 1937 mit dem Band zum Dom in Köln 56 Bän­de. Mit die­sem bis heu­te Re­spekt ab­ver­lan­gen­den Stan­dard­werk hat der Na­me Cle­men vom Rhein­land aus­ge­hend für die Denk­mal­pfle­ge ei­ne her­aus­ra­gen­de Be­deu­tung er­langt.

1892 be­warb sich Cle­men in ei­nem In­itia­tiv­schrei­ben beim da­ma­li­gen Lan­des­di­rek­tor der Rhein­pro­vinz Dr. Wil­helm Klein um die neu ein­zu­rich­ten­de Stel­le ei­nes „Kon­ser­va­tors der Kunst­denk­mä­ler der Rhein­pro­vinz". Hat­te ihn sei­ne schon seit Schul­zei­ten aus­ge­präg­te Rei­se­lust un­mit­tel­bar nach dem Stu­di­um nach Frank­reich, Eng­land, Ös­ter­reich und Un­garn ge­führt, so er­hielt er 1893 die Nach­richt von sei­ner Wahl zum Pro­vin­zi­al­kon­ser­va­tor der Rhein­pro­vinz wäh­rend ei­nes aus­ge­dehn­ten Stu­di­en­auf­ent­hal­tes in Ita­li­en mit ei­nem Ab­ste­cher nach Nord­afri­ka. Sei­ne Stel­lung war zu­nächst be­fris­tet auf fünf Jah­re und in eh­ren­amt­li­cher Aus­übung ne­ben sei­ner In­ven­ta­ri­sa­ti­ons­tä­tig­keit wahr­zu­neh­men.

Paul Clemen (rechts) mit Provinzialkonservator Albert Ludorff (1848-1915) und Domkapitular Alexander Schnütgen, 1900, Repro: Manfred Steinhoff. (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland)

 

Im Ju­ni des glei­chen Jah­res mel­de­te er sich zur Ha­bi­li­ta­ti­on in der Phi­lo­so­phi­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Bonn für das Fach mitt­le­re und neue­re Kunst­ge­schich­te an. An­ge­sichts sei­ner an­sehn­li­chen Pu­bli­ka­tio­nen so­wie wei­te­rer Kennt­nis­se und Fä­hig­kei­ten, die ihn zur Leh­re be­fä­hig­ten, wur­de ihm die Ha­bi­li­ta­ti­ons­schrift er­las­sen. Die Se­mes­ter­fe­ri­en da­nach ver­brach­te Cle­men in der Met­zer Dom­hüt­te, um sich in die für sei­ne Ar­beit wich­tigs­ten Tech­ni­ken und Ma­te­ri­al­fra­gen des Bau­ens ein­füh­ren zu las­sen. Im An­schluss dar­an be­gann er im Som­mer­se­mes­ter 1894 mit sei­nen Vor­le­sun­gen.

Im März 1898 er­folgt sei­ne ein­stim­mi­ge Wie­der­wahl zum Pro­vin­zi­al­kon­ser­va­tor für fünf wei­te­re Jah­re. We­nig spä­ter er­nann­te man den Pri­vat­do­zen­ten zum au­ßer­or­dent­li­chen Pro­fes­sor in der Phi­lo­so­phi­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Bonn. 1899 wur­de er au­ßer­dem zum or­dent­li­chen Leh­rer der Kunst­ge­schich­te und Li­te­ra­tur an der Kö­nig­li­chen Kunst­aka­de­mie in Düs­sel­dorf be­stimmt.

In Straß­burg wähl­te ihn die Ge­ne­ral­ver­samm­lung des „Ge­samt­ver­eins der deut­schen Ge­schichts- und Al­ter­tums­ver­ei­ne" zum stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den der „Com­mis­si­on für Denk­mal­pfle­ge". Ne­ben der Aus­übung sei­ner Äm­ter be­fand sich Cle­men seit 1897 wie­der­holt auf Stu­di­en­rei­sen, die ihn nach Frank­reich, in die Tür­kei und nach Grie­chen­land füh­ren. 1901 be­glei­te­te er den Kron­prin­zen nach Bel­gi­en und in die Nie­der­lan­de und wur­de nach des­sen Im­ma­tri­ku­la­ti­on in Bonn für zwei Se­mes­ter sein Leh­rer. En­de des Jah­res wur­de er durch „Al­ler­höchst voll­zo­ge­ne Be­stal­lung" in Bonn zum or­dent­li­chen Pro­fes­sor er­nannt mit der Ver­pflich­tung, „die Kunst­wis­sen­schaft in ih­rem ge­sam­ten Um­fang in Vor­le­sun­gen und Übun­gen zu ver­tre­ten". In­ter­ven­tio­nen aus dem Um­feld des Kron­prin­zen be­weg­ten den Lan­des­haupt­mann der Rhein­pro­vinz da­zu, Cle­men gleich­zei­tig in der Funk­ti­on des Pro­vin­zi­al­kon­ser­va­tors zu be­las­sen. 1902 war Cle­men Or­ga­ni­sa­tor der „Kunst­his­to­ri­schen Aus­stel­lung" in Düs­sel­dorf im Rah­men der „In­dus­trie- und Ge­wer­be­aus­stel­lung für Rhein­land, West­fa­len und be­nach­bar­te Be­zir­ke ver­bun­den mit ei­ner Deutsch-Na­tio­na­len Kunst­aus­stel­lung". Wie­der­holt fun­gier­te er wis­sen­schaft­li­cher Rei­se­be­glei­ter für Mit­glie­der des preu­ßi­schen Kö­nigs­hau­ses, ins­be­son­de­re 1903 von Kron­prinz Wil­helm (1882-1951)  und Prinz Ei­tel Fried­rich (1883-1942) nach Ita­li­en, Ägyp­ten und Grie­chen­land.

1904 wähl­te man ihn für wei­te­re fünf Jah­re zum Pro­vin­zi­al­kon­ser­va­tor. Zu­gleich er­hielt er die Lei­tung der „In­ter­na­tio­na­len Kunst­aus­stel­lung, Kunst­his­to­ri­sche Aus­stel­lung und gro­ße Gar­ten­bau­aus­stel­lung" in Düs­sel­dorf. Am 20.10.1906 wur­de im Isa­bel­len­saal des Köl­ner Gür­ze­nichs der „Rhei­ni­sche Ver­ein für Denk­mal­pfle­ge und Hei­mat­schutz" ins Le­ben ge­ru­fen, als des­sen ei­gent­li­cher Spi­ri­tus rec­tor Paul Cle­men gel­ten darf. Aus An­lass des Deutsch-Ame­ri­ka­ni­schen Ge­lehr­ten­aus­tau­sches wirk­te er 1907-1908 als Gast­pro­fes­sor an der Har­vard-Uni­ver­si­tät in Cam­bridge. Nach­dem der Sitz des Pro­vin­zi­al­kon­ser­va­tors und des Denk­mä­ler­ar­chivs mit Bi­blio­thek an­fäng­lich in Cle­mens Pri­vat­woh­nung un­ter­ge­bracht war, ent­stand 1908 in der Bach­stra­ße in Bonn das ers­te spe­zi­ell für die Denk­mal­pfle­ge ein­ge­rich­te­te Ge­bäu­de in Preu­ßen über­haupt.

Im Ja­nu­ar 1911 für sei­ne be­son­de­ren wis­sen­schaft­li­chen Ver­diens­te mit dem Ti­tel „Ge­hei­mer Re­gie­rungs­rat" aus­ge­zeich­net, trat er im Ok­to­ber des glei­chen Jah­res vom Amt des Pro­vin­zi­al­kon­ser­va­tors zu­rück bei gleich­zei­ti­ger Über­nah­me des Am­tes des Vor­sit­zen­den des neu ge­grün­de­ten „Denk­mal­ra­tes der Rhein­pro­vinz" und un­ter Bei­be­hal­tung der Lei­tung der „Kom­mis­si­on für die Denk­mä­ler­sta­tis­tik". Im Ers­ten Welt­krieg er­warb sich Cle­men gro­ße Ver­diens­te als Kunst­schutz­of­fi­zier bei Er­fas­sung und Be­wah­rung der Kul­tur­gü­ter in Bel­gi­en, Frank­reich und auf dem Bal­kan. Nicht zu­letzt auch für die­se er­folg­rei­che Tä­tig­keit pro­mo­viert ihn die Tech­ni­sche Hoch­schu­le Karls­ru­he 1918 zum Dr.-Ing. E. h.

Der mehr­fach durch ho­he und höchs­te Or­den so­wie durch eh­ren­vol­le Mit­glied­schaf­ten in- und aus­län­di­scher wis­sen­schaft­li­cher In­sti­tu­tio­nen Aus­ge­zeich­ne­te be­en­de­te zum Ok­to­ber 1935 of­fi­zi­ell sei­ne Lehr­tä­tig­keit. An­läss­lich sei­nes 70. Ge­burts­ta­ges am 31.10.1936 stif­te­te die Rhei­ni­sche Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung das „Paul Cle­men-Sti­pen­di­um für Rhei­ni­sche Kunst­ge­schich­te". Noch im glei­chen Jahr nahm Cle­men sei­nen Ru­he­sitz im ober­baye­ri­schen (Bad) En­dorf. Der auch nach sei­ner Eme­ri­tie­rung mehr­fach Ge­ehr­te kehr­te 1946 letzt­ma­lig ins Rhein­land zu­rück, um am 25. Ju­ni im erst teil­wei­se wie­der­her­ge­stell­ten St. Qui­ri­nus-Müns­ter in Neuss sei­ne be­we­gen­de und zu­gleich pro­gram­ma­ti­sche Re­de „Rhei­ni­sche Bau­denk­mä­ler und ihr Schick­sal – Ein Auf­ruf an die Rhein­län­der" zu hal­ten. Am 8. Ok­to­ber er­nann­te ihn die Stadt Bonn in Wür­di­gung sei­ner gro­ßen Ver­diens­te um die rhei­ni­sche Kunst und Kul­tur zu ih­rem Eh­ren­bür­ger.

Im Al­ter von 80 Jah­ren starb Cle­men am 8.7.1947 in En­dorf und wur­de dort bei­ge­setzt. Be­reits ei­nen Mo­nat spä­ter be­schloss die Bon­ner Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung ein­stim­mig, ei­ne Stra­ße nach ihm zu be­nen­nen, die, wie von ei­ner wei­sen Vor­aus­sicht ge­lei­tet, di­rekt auf die heu­ti­ge Mu­se­ums­mei­le zu­führt.

In sei­nen über 400 Schrif­ten hat Cle­men den Grund­stein für die heu­ti­ge Denk­mal­pfle­ge ge­legt. Da­zu ge­hör­ten der weit ge­fass­te Denk­mal­be­griff, der das Stadt­bild und die Land­schaft mit ein­schlie­ßt, eben­so wie die In­dus­trie- und Gar­ten­denk­mal­pfle­ge, aber auch ei­ne kri­ti­sche Po­si­ti­on zu Re­kon­struk­tio­nen. Na­ment­lich in sei­nen Ab­hand­lun­gen zur ro­ma­ni­schen und go­ti­schen Mo­nu­men­tal­ma­le­rei hat er sich als pro­fun­der Er­for­scher der rhei­ni­schen Kunst und Kul­tur aus­ge­wie­sen. Selbst zeich­nend und ma­lend stand er in re­gem Ge­dan­ken­aus­tausch mit den be­deu­tends­ten Künst­lern sei­ner Zeit wie Rai­ner Ma­ria Ril­ke (1875-1926), Au­gus­te Ro­din (1840-1917), Aris­ti­de Mail­lol (1861-1944), Pe­ter Beh­rens (1868-1940), Hans Ca­ros­sa (1878-1956) und vie­len an­de­ren.

Literatur

Hil­ger, Hans Pe­ter, Paul Cle­men und die Denk­mä­ler – In­ven­ta­ri­sa­ti­on in den Rhein­lan­den, in: Kunst­ver­wal­tung, Bau- und Denk­mal­po­li­tik im Kai­ser­reich, Band 1, Ber­lin 1981, S. 382-398.
Lüt­zeler, Hein­rich, Ein Be­wah­rer und Er­ret­ter. Paul Cle­men (1866-1947), in: Per­sön­lich­kei­ten, Frei­burg i.Br. 1978, S. 61-81.
Main­zer, Udo (Hg.), Paul Cle­men. Zur 125. Wie­der­kehr sei­nes Ge­burts­ta­ges, Köln / Keve­la­er 1991.
„Der Rhein ist mein Schick­sal ge­wor­den". Paul Cle­men. 1866-1947. Ers­ter ­Pro­vin­zi­al­kon­ser­va­tor ­der Rhein­pro­vinz, hg. vom Land­schafts­ver­band Rhein­land, Rhei­ni­sches Am­t ­für Denk­mal­pfle­ge in Ver­bin­dung mit dem Rhei­ni­schen Lan­des­mu­se­um Bonn, Köln 1991.
Ver­beek, Al­bert, Paul Cle­men (1866-1947), in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 7 (1977), S. 181-201.
Wolff Met­ter­nich, Franz Graf, Paul Cle­men und die Idee der Denk­mal­pfle­ge, in: Wall­raf-Ri­ch­artz-Jahr­buch 14 (1952), S. 226-233.

Online

Lüt­zeler, Hein­rich, Ar­ti­kel "Cle­men, Paul", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 3 (1957), S. 281. [On­line]

Titelblatt des im Original kolorierten ‚Jahrbuches des Vereins für deutsches Altertum, Schriftentum und Kunst-Tafelrunde, Universität Leipzig 1887‘, angefertigt von Paul Clemen 1887, Repro: Klaus Lieven. (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland)

 
Zitationshinweis

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Mainzer, Udo, Paul Clemen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-clemen/DE-2086/lido/57c68cb2960da0.62165405 (abgerufen am 10.11.2024)