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Paul Clemen war als erster Provinzialkonservator der Rheinprovinz ein prominenter Mitbegründer der modernen Denkmalpflege in Europa. Zeitweise zugleich als Professor für Kunstgeschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn wirkend, war er auch die treibende Kraft bei der Entstehung des „Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz" (heute „Landschaftsschutz").
Paul Clemen wurde am 31.10.1866 als zweites Kind des evangelischen Theologen Dr. phil. Lic. theol. Christian August Julius Clemen und dessen Frau Helene, geborene Voigt, in Sommerfeld bei Leipzig geboren. Nach Schulbesuch und Abitur in Grimma, Sachsen, und Ableistung des einjährigen Militärdienstes 1885-1889 studierte er Kunstgeschichte, deutsche Philologie und Geschichte an den Universitäten Leipzig, Bonn und Straßburg, wo er mit einer Dissertation über „Die Portraitdarstellungen Karls des Großen" promoviert wurde.
1890 übertrug ihm die „Kommission der Denkmälerstatistik der Rheinprovinz" im Auftrag der Provinzialverwaltung in fester Anstellung die Inventarisation der gesamten Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Bereits ein Jahr später erschien als erster Band der Reihe „Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz" der Kreis Kempen. Unter seiner Verantwortung und weitgehend persönlichen Beteiligung entstanden bis 1937 mit dem Band zum Dom in Köln 56 Bände. Mit diesem bis heute Respekt abverlangenden Standardwerk hat der Name Clemen vom Rheinland ausgehend für die Denkmalpflege eine herausragende Bedeutung erlangt.
1892 bewarb sich Clemen in einem Initiativschreiben beim damaligen Landesdirektor der Rheinprovinz Dr. Wilhelm Klein um die neu einzurichtende Stelle eines „Konservators der Kunstdenkmäler der Rheinprovinz". Hatte ihn seine schon seit Schulzeiten ausgeprägte Reiselust unmittelbar nach dem Studium nach Frankreich, England, Österreich und Ungarn geführt, so erhielt er 1893 die Nachricht von seiner Wahl zum Provinzialkonservator der Rheinprovinz während eines ausgedehnten Studienaufenthaltes in Italien mit einem Abstecher nach Nordafrika. Seine Stellung war zunächst befristet auf fünf Jahre und in ehrenamtlicher Ausübung neben seiner Inventarisationstätigkeit wahrzunehmen.
Im Juni des gleichen Jahres meldete er sich zur Habilitation in der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn für das Fach mittlere und neuere Kunstgeschichte an. Angesichts seiner ansehnlichen Publikationen sowie weiterer Kenntnisse und Fähigkeiten, die ihn zur Lehre befähigten, wurde ihm die Habilitationsschrift erlassen. Die Semesterferien danach verbrachte Clemen in der Metzer Domhütte, um sich in die für seine Arbeit wichtigsten Techniken und Materialfragen des Bauens einführen zu lassen. Im Anschluss daran begann er im Sommersemester 1894 mit seinen Vorlesungen.
Im März 1898 erfolgt seine einstimmige Wiederwahl zum Provinzialkonservator für fünf weitere Jahre. Wenig später ernannte man den Privatdozenten zum außerordentlichen Professor in der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn. 1899 wurde er außerdem zum ordentlichen Lehrer der Kunstgeschichte und Literatur an der Königlichen Kunstakademie in Düsseldorf bestimmt.
In Straßburg wählte ihn die Generalversammlung des „Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine" zum stellvertretenden Vorsitzenden der „Commission für Denkmalpflege". Neben der Ausübung seiner Ämter befand sich Clemen seit 1897 wiederholt auf Studienreisen, die ihn nach Frankreich, in die Türkei und nach Griechenland führen. 1901 begleitete er den Kronprinzen nach Belgien und in die Niederlande und wurde nach dessen Immatrikulation in Bonn für zwei Semester sein Lehrer. Ende des Jahres wurde er durch „Allerhöchst vollzogene Bestallung" in Bonn zum ordentlichen Professor ernannt mit der Verpflichtung, „die Kunstwissenschaft in ihrem gesamten Umfang in Vorlesungen und Übungen zu vertreten". Interventionen aus dem Umfeld des Kronprinzen bewegten den Landeshauptmann der Rheinprovinz dazu, Clemen gleichzeitig in der Funktion des Provinzialkonservators zu belassen. 1902 war Clemen Organisator der „Kunsthistorischen Ausstellung" in Düsseldorf im Rahmen der „Industrie- und Gewerbeausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke verbunden mit einer Deutsch-Nationalen Kunstausstellung". Wiederholt fungierte er wissenschaftlicher Reisebegleiter für Mitglieder des preußischen Königshauses, insbesondere 1903 von Kronprinz Wilhelm (1882-1951) und Prinz Eitel Friedrich (1883-1942) nach Italien, Ägypten und Griechenland.
1904 wählte man ihn für weitere fünf Jahre zum Provinzialkonservator. Zugleich erhielt er die Leitung der „Internationalen Kunstausstellung, Kunsthistorische Ausstellung und große Gartenbauausstellung" in Düsseldorf. Am 20.10.1906 wurde im Isabellensaal des Kölner Gürzenichs der „Rheinische Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz" ins Leben gerufen, als dessen eigentlicher Spiritus rector Paul Clemen gelten darf. Aus Anlass des Deutsch-Amerikanischen Gelehrtenaustausches wirkte er 1907-1908 als Gastprofessor an der Harvard-Universität in Cambridge. Nachdem der Sitz des Provinzialkonservators und des Denkmälerarchivs mit Bibliothek anfänglich in Clemens Privatwohnung untergebracht war, entstand 1908 in der Bachstraße in Bonn das erste speziell für die Denkmalpflege eingerichtete Gebäude in Preußen überhaupt.
Im Januar 1911 für seine besonderen wissenschaftlichen Verdienste mit dem Titel „Geheimer Regierungsrat" ausgezeichnet, trat er im Oktober des gleichen Jahres vom Amt des Provinzialkonservators zurück bei gleichzeitiger Übernahme des Amtes des Vorsitzenden des neu gegründeten „Denkmalrates der Rheinprovinz" und unter Beibehaltung der Leitung der „Kommission für die Denkmälerstatistik". Im Ersten Weltkrieg erwarb sich Clemen große Verdienste als Kunstschutzoffizier bei Erfassung und Bewahrung der Kulturgüter in Belgien, Frankreich und auf dem Balkan. Nicht zuletzt auch für diese erfolgreiche Tätigkeit promoviert ihn die Technische Hochschule Karlsruhe 1918 zum Dr.-Ing. E. h.
Der mehrfach durch hohe und höchste Orden sowie durch ehrenvolle Mitgliedschaften in- und ausländischer wissenschaftlicher Institutionen Ausgezeichnete beendete zum Oktober 1935 offiziell seine Lehrtätigkeit. Anlässlich seines 70. Geburtstages am 31.10.1936 stiftete die Rheinische Provinzialverwaltung das „Paul Clemen-Stipendium für Rheinische Kunstgeschichte". Noch im gleichen Jahr nahm Clemen seinen Ruhesitz im oberbayerischen (Bad) Endorf. Der auch nach seiner Emeritierung mehrfach Geehrte kehrte 1946 letztmalig ins Rheinland zurück, um am 25. Juni im erst teilweise wiederhergestellten St. Quirinus-Münster in Neuss seine bewegende und zugleich programmatische Rede „Rheinische Baudenkmäler und ihr Schicksal – Ein Aufruf an die Rheinländer" zu halten. Am 8. Oktober ernannte ihn die Stadt Bonn in Würdigung seiner großen Verdienste um die rheinische Kunst und Kultur zu ihrem Ehrenbürger.
Im Alter von 80 Jahren starb Clemen am 8.7.1947 in Endorf und wurde dort beigesetzt. Bereits einen Monat später beschloss die Bonner Stadtverordnetenversammlung einstimmig, eine Straße nach ihm zu benennen, die, wie von einer weisen Voraussicht geleitet, direkt auf die heutige Museumsmeile zuführt.
In seinen über 400 Schriften hat Clemen den Grundstein für die heutige Denkmalpflege gelegt. Dazu gehörten der weit gefasste Denkmalbegriff, der das Stadtbild und die Landschaft mit einschließt, ebenso wie die Industrie- und Gartendenkmalpflege, aber auch eine kritische Position zu Rekonstruktionen. Namentlich in seinen Abhandlungen zur romanischen und gotischen Monumentalmalerei hat er sich als profunder Erforscher der rheinischen Kunst und Kultur ausgewiesen. Selbst zeichnend und malend stand er in regem Gedankenaustausch mit den bedeutendsten Künstlern seiner Zeit wie Rainer Maria Rilke (1875-1926), Auguste Rodin (1840-1917), Aristide Maillol (1861-1944), Peter Behrens (1868-1940), Hans Carossa (1878-1956) und vielen anderen.
Literatur
Hilger, Hans Peter, Paul Clemen und die Denkmäler – Inventarisation in den Rheinlanden, in: Kunstverwaltung, Bau- und Denkmalpolitik im Kaiserreich, Band 1, Berlin 1981, S. 382-398.
Lützeler, Heinrich, Ein Bewahrer und Erretter. Paul Clemen (1866-1947), in: Persönlichkeiten, Freiburg i.Br. 1978, S. 61-81.
Mainzer, Udo (Hg.), Paul Clemen. Zur 125. Wiederkehr seines Geburtstages, Köln / Kevelaer 1991.
„Der Rhein ist mein Schicksal geworden". Paul Clemen. 1866-1947. Erster Provinzialkonservator der Rheinprovinz, hg. vom Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Amt für Denkmalpflege in Verbindung mit dem Rheinischen Landesmuseum Bonn, Köln 1991.
Verbeek, Albert, Paul Clemen (1866-1947), in: Rheinische Lebensbilder 7 (1977), S. 181-201.
Wolff Metternich, Franz Graf, Paul Clemen und die Idee der Denkmalpflege, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 14 (1952), S. 226-233.
Online
Lützeler, Heinrich, Artikel "Clemen, Paul", in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 281. [Online]
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Mainzer, Udo, Paul Clemen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-clemen/DE-2086/lido/57c68cb2960da0.62165405 (abgerufen am 10.11.2024)