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Paul Henckels war ein erfolgreicher deutscher Schauspieler, Bühnenregisseur und Theaterdirektor, der vor allem als Darsteller hintergründig-komischer Figuren auf der Bühne wie im Film sich großer Beliebheit erfreute. Unvergessen ist er in der Rolle des „Professor Bömmel“ in der Verfilmung der „Feuerzangenbowle“ von 1944 und des „Schneider Wibbel“.
Aus der bekannten Solinger Unternehmerfamilie Henckels stammend, wurde er am 9.9.1885 als Sohn von Paul Abraham Henckels (1855-1923) und der Schauspielerin Cäcilia Warszawska in Hürth geboren. Kindheit und Jugend verbrachte Paul Henckels hauptsächlich in Düsseldorf. Bereits als Gymnasiast zog es ihn zum Schauspiel: Um sich dramaturgischen Unterricht leisten zu können, verkaufte er einmal sogar sein Briefmarkenalbum. Mit 20 Jahren gelang es ihm, an der Theaterakademie des Düsseldorfer Schauspielhauses unter Louise Dumont und Gustav Lindemann als Schüler aufgenommen zu werden. Als er nach seinem Abschluss 1908 dort ein festes Engagement erhielt, begann seine über 60-jährige erfolgreiche Karriere als Schauspieler, Bühnenregisseur und Theaterdirektor. Seit 1911 arbeitete er in Düsseldorf auch als Regisseur.
Seinen Durchbruch als Schauspieler hatte Henckels zwei Jahre später, 1913, mit der Rolle des „Schneider Wibbel“ in der Uraufführung des gleichnamigen Stückes: Der Satz „Oh-nä oh-nä, ooch nein! Wat bin ich für’nen schöööne Leich!“ machte ihn berühmt. Als er 1915 an der „Hochschule für Bühnenkunst“ als jüngster Regisseur eine Klasse für Mimik und Gestik leitete, lernte er seine zweite Ehefrau Thea Grodtczinsky (1893-1978) kennen, die als Schülerin an dem Kurs teilnahm. In erster Ehe war er mit der ehemaligen Schauspielerin Cecilia Brie verheiratet. Mit ihr hatte er drei Kinder. Nach ihrer Scheidung heiratete Cecilia Brie 1920 den Maler Eberhard Wiegener (1890-1967). Von 1919 bis 1920 fungierte Henckels zusammen mit Fritz Holl (1883-1942) als Direktor des Düsseldorfer Schauspielhauses.
1920 zogen Paul und Thea Henckels von Düsseldorf nach Berlin, da Robert Friedlaender-Prechtl (1874-1950) Paul Henckels gebeten hatte, die Intendanz des neugegründeten Schlosspark-Theaters zu übernehmen, das 1921 unter seiner Leitung mit dem Stück „Timon“ eröffnet wurde. Während der nächsten 25 Jahre trat er zudem auf fast allen Berliner Bühnen auf. 1936 engagierte Gustav Gründgens (1899-1963) – wie er ein Dumont-Schüler – ihn für das Preußische Staatstheater am Gendarmenmarkt.
Seit Beginn der 1920er Jahre wirkte Henckels in vielen Filmproduktionen mit. Sein Filmdebüt feierte er 1921 mit einer Nebenrolle in dem Film „Das Geheimnis der sechs Spielkarten, 5. Teil – Herz König“. Bis zu seinem Tod wirkte er in über 230 Filmen mit, meistens als Nebendarsteller. Dabei arbeitete er mit Regisseuren wie Arnold Fanck (1889-1974), Fritz Lang (1890-1976), Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931), Lupu Pick (1886-1931), Josef von Sternberg (1894-1969) und Helmut Weiss (1907-1967) zusammen. Meist spielte er die Rollen von komischen, gutmütigen Nachbarn und schusseligen Professoren, leicht vertrottelten Beamten oder zerstreuten älteren Herren, wobei sein rheinischer Akzent zu seinem Markenzeichen wurde. Bis heute unvergessen ist sein Satz „Wat is en Dampfmaschin? Da stelle mer uns mal janz dumm …“ als Gymnasialprofessor Bömmel in der Verfilmung der „Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann nach dem Roman von Heinrich Spoerl aus dem Jahre 1944.
Weil seine Ehefrau Jüdin war, galt er nach Erlass der Nürnberger Gesetze als Halbjude. Eine „Privilegierung“ Theas durch Joseph Goebbels (1897-1945) bot ihr aber – zumindest bis 1943 – Schutz vor der Deportation. Goebbels setzte Henckels zudem auf die sogenannte „Gottbegnadetenliste“, so dass ihm der Einzug zur Wehrmacht erspart blieb. Stattdessen zog man ihn wie andere Schauspielkollegen an drehfreien Tagen zum sogenannten „Künstlereinsatz“ in Fabriken und Werkstätten heran. Er arbeitete als Maler in der Berliner Hochschule für bildende Kunst, wo er mit leuchtenden Farben kleine Orientierungsschilder für die Armaturenbretter der Flugzeuge anfertigte. Während der letzten Kriegsmonate war er für kurze Zeit in einem Potsdamer Edelstahlwerk eingesetzt, bevor er durch Wolfgang Liebeneiner (1905-1987) eine Stelle bei der Ufa erhielt, für die er Beurteilungen für eingereichte Filmexposés schrieb. Obwohl Henckels während der NS-Zeit in zahlreichen Film- und Theaterproduktionen mitspielte, fehlt in seinen Autobiographien eine kritische Reflexion seiner Tätigkeit während dieser Jahre.
In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde Henckels als Synchronsprecher für russische Filme, die ins Deutsche übersetzt wurden, tätig. Außerdem trat er auf zahlreichen Vortragsveranstaltungen auf und interpretierte klassische und moderne Dichtungen. Er begann auch bald wieder als Film- und Theaterschauspieler zu arbeiten.
1948 holte ihn Gustav Gründgens – seit 1947 Generalintendant des Düsseldorfer Schauspielhauses – zurück nach Düsseldorf. In den nächsten Jahren folgten neben dem Engagement in Düsseldorf weitere in Essen, Freiburg und Köln. In Berlin trat er in Boulevardstücken wie „Ein Monat voller Sonntage“ oder „Ich – erste Person Einzahl“ auf. Nach seiner Darstellung des verständnisvollen Gerichtspräsidenten in Paul Mays „Via Mala“-Verfilmung nach dem Roman von John Knittel (1891-1970) zog sich Henckels 1961 von der Schauspielerei zurück und beschränkte sich auf die Arbeit als Moderator, wie zu Beginn der 1960er Jahre in der Fernsehserie „Nachsitzen für Erwachsene“.
Paul Henckels wurden hohe Ehrungen zuteil: Anlässlich seines 75. Geburtstages 1960 erhielt er das Verdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und als Ehrung des Senats der Stadt Berlin den Berliner Bären. Mit dem Filmband in Gold 1962 wurde sein langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film anerkannt.
Henckels starb am 27.5.1967 in Kettwig (heute Stadt Essen). Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Südfriedhof in Düsseldorf. An ihn erinnert in Berlin-Steglitz der Paul-Henckels-Platz, in seiner Geburtsstadt Hürth wurde 2006 die Bürgerhausgastronomie in „Henckels“ umbenannt.
Filme (Auswahl)
1923 - I.N.R.I.
1924 - Dudu, ein Menschenschicksal.
1926 - Das Haus der Lüge.
1927 - Der Kampf des Donald Westhof.
1928 - Du sollst nicht ehebrechen!
1928 - Geschlecht in Fesseln.
1929 - Napoleon auf St. Helena.
1929 - Meineid.
1929 - Morgenröte.
1930 - Die letzte Kompagnie.
1930 - Cyankali.
1930 - Dreyfus.
1930 - Die Frau ohne Nerven.
1930 - Schneider Wibbel.
1930 - Pension Schöller.
1931 - Bomben auf Monte Carlo.
1931 - Kadetten.
1932 - Der tolle Bomberg.
1932 - Der Stolz der 3. Kompanie.
1933 - Polizeiakte 909.
1934 - Charleys Tante.
1934 - Der verlorene Sohn.
1935 - Der alte und der junge König.
1936 - Mädchenjahre einer Königin.
1937 - Kapriolen.
1938 - Der Maulkorb.
1938 - Napoleon ist an allem schuld.
1939 - Der Florentiner Hut.
1939 - Das unsterbliche Herz.
1940 - Friedrich Schiller – Der Triumph eines Genies.
1941 - Männerwirtschaft.
1942 - Der große König.
1942 - Wiener Blut.
1942 - Zwischen Himmel und Erde.
1942 – Rembrandt.
1944 - Die Feuerzangenbowle.
1944 - Junge Adler.
1945 - Das seltsame Fräulein Sylvia.
1946 - Allez Hopp.
1948 - Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B.
1949 - Die Frühreifen.
1950 - Insel ohne Moral.
1951 - Rausch einer Nacht.
1952 - Ferien vom Ich.
1953 - Königliche Hoheit.
1954 - Clivia.
1955 - Die Mädels vom Immenhof.
1956 - Kirschen in Nachbars Garten.
1956 - Der Fremdenführer von Lissabon.
1957- Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull.
1958 - Woyzeck.
1958 - Liebe kann wie Gift sein.
1959 - Hier bin ich – hier bleib ich.
1960 - Sooo nicht, meine Herren.
1961 - Via Mala.
Werke (Autobiographien)
Ich war kein Musterknabe. Eines Lebenskünstlers lachende Weisheit, Berlin 1956.
Heiter bis wolkig. Ein Lebens-Wetterbericht, Düsseldorf 1960.
Allerlei Heiterei. Hobelspäne von den Brettern, die die Welt bedeuten, Berlin 1966.
Literatur
Drewniak, Boguslaw, Das Theater im NS-Staat. Szenarium deutscher Zeitgeschichte, 1933-1945, Düsseldorf 1983.
Hermanni, Horst O., Paul Henckels, in: Das Film-ABC, Band 3, Norderstedt 2009, S. 373-381.
Klee, Ernst, Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt a. M. 2009, S. 211.
Loup, Kurt (Hg.), Paul Henckels. Sonderausstellung 31. Mai - 27. Juni 1969 im Dumont-Lindemann-Archiv Düsseldorf, Düsseldorf 1969.
Moeller, Felix, „Ich bin Künstler und sonst nichts“. Filmstars im Propagandaeinsatz, in: Sarkowicz, Hans (Hg.), Hitlers Künstler. Die Kultur im Dienst des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M./Leipzig 2004, S. 135-175.
Weniger, Kay, Das große Personenlexikon des Films, Band 3, [o. O]. 2001, S. 630-631-632.
Online
Artikel Paul Henckels im Digitalen Kunst- und Kulturarchiv Düsseldorf.
Paul Henckels als Schneider Wibbel im Düsseldorfer Schauspielhaus.
Scherr, Louis, „Henckels, Johann Abraham“, in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 520. (Onlinefassung)
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Schild, Stefanie, Paul Henckels, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-henckels/DE-2086/lido/57c82b11a03d74.58314821 (abgerufen am 06.12.2024)