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Paul Laven war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Radiojournalisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Sportreporter trug der wesentlich zur Entwicklung der Sportreportage im Hörfunk bei.
Laven stammte aus einer kinderreichen, streng katholischen Mönchengladbacher Familie. Am 11.2.1902 wurde er dort als zweitältestes Kind des Volksschullehrers Johann Laven und seiner Frau Anna, geborene Bosch, geboren. Paul Laven absolvierte die Volksschule und im Anschluss daran das Gymnasium in Mönchengladbach, wo er im Jahre 1921 das Abitur ablegte. Schon früh versuchte er, der Beengtheit seiner kleinbürgerlichen Verhältnisse zu entfliehen, bewahrte jedoch, bei allem späteren Ruhm, eine starke Sympathie für das Leben der „kleinen Leute“.
Zum Sommersemester 1921 immatrikulierte er sich an der Universität Bonn zum Studium der Geisteswissenschaften (Literatur, Geschichte, Religionswissenschaft) und der Nationalökonomie. Zum Wintersemester 1922/1923 wechselte er nach Freiburg im Breisgau. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als „Werksstudent“ in der niederrheinischen Textilindustrie, dem Bergbau und der Landwirtschaft, aber auch als Bademeister oder Nachtwächter. Am 6.8.1926 promovierte er in Freiburg über den Theologen Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg (1774-1860) zum Dr. phil.
Im Jahre 1925 war Laven nach Frankfurt am Main gezogen, wo er zunächst als Hauslehrer tätig war. Erste Sporen als Journalist erwarb er als freier Mitarbeiter der „Frankfurter Zeitung“ und als Sportreporter bei der Frankfurter Südwestdeutschen Rundfunk AG (SÜWRAG), in deren Auftrag er am 28.6.1925 die Mainregatta kommentierte – eine Pionierleistung der SÜWRAG in Bezug auf die Möglichkeiten der Außenübertragung. Vermutlich ein Jahr später gelang der Sprung in eine Festanstellung. Vom 1.11.1926 bis 1930 leitete Laven die Morgengymnastik, 1927 wurde er Leiter des Lokalnachrichtendienstes. Seine Zuständigkeit erstreckte sich auf den sogenannten „Zeitfunk“ mit den Ressorts Sport und Nachrichten. Für die SÜWRAG arbeitete Laven als Sprecher, Reporter und Sportkommentator.
Laven war rhetorisch brillant, verfügte über journalistisches Talent und eine hervorragende Kenntnis der zu kommentierenden Sportarten. Sein Beitrag zur Entwicklung des Genres der Live-Reportage ist nicht hoch genug einzuschätzen. Zusammen mit Bernhard Ernst (Köln) und dem Berliner Alfred Braun (1888-1978) gehörte er zu den beliebtesten Sportreportern der Weimarer Republik und – zusammen mit Bernhard Ernst und Rolf Wernicke (1903-1953) – der NS-Zeit.
Einen Namen erwarb sich Laven als Fußballreporter und als Hauptkommentator von Motorrennen am Nürburgring, bei denen er viele Jahre lang die prominente Start-Ziel-Position inne hatte. Große Reportagen von sportlichen Ereignissen führten ihn bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in verschiedene europäische Länder und bis nach Nordafrika. So berichtete er etwa am 28.4.1929 vom Fußballländerspiel Italien gegen Deutschland aus Turin, am 6.10.1929 von der Galopprennbahn im Bois de Boulogne vom Rennen um den „Arc de Triomphe“, am 8.9.1935 vom Grand Prix aus Monza und am 7.5.1939 vom Großen Automobilpreis aus Tripolis. Den Zenit seiner Karriere erreichte Laven als Reporter bei den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen und den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin, wo er unter anderem die Eröffnungsfeiern kommentierte.
Parallel dazu arbeitete Laven stets auch als Zeitfunkreporter, indem er von tagesaktuellen Ereignissen berichtete, angefangen von einem Gastspiel des Zirkus Sarrasani in Frankfurt, über den Rosenmontagszug in Mainz, Ausstellungseröffnungen oder Reportagen aus Industriebetrieben und der Landwirtschaft, vom Frankfurter Dom bis hin zu radiophonen Experimenten wie der Übertragung aus einer Taucherglocke. Auslandsreisen Lavens als Sportberichterstatter verband der Frankfurter Sender häufig mit Aufträgen zu Städte- oder Landschaftsfeatures. So berichtete Laven etwa in der Karwoche des Jahres 1930 zusammen mit seinem Kollegen Carl Stueber (1893-1984) aus Rom, Neapel, Pompeji oder vom Vesuv.
Beliebt war Laven auch als Stegreiferzähler. Die Idee zur Sendereihe „Ein rheinischer Webejunge erzählt“ stammte von dem Schriftsteller Alfons Paquet (1881-1944), mit dem Laven, wie auch mit Rudolf G. Binding (1867-1938) und Hermann Kesser (1880-1952), private Kontakte pflegte.
Zu Beginn der 1930er Jahre war Laven unbestritten ein Star. Abgesehen vom Rundfunk verwertete er seine Arbeit stets multimedial, zum Beispiel als Vortragsreisender, als Printjournalist oder Buchautor oder als Sprecher oder Kleindarsteller beim Film. So arbeitete er unter anderm zusammen mit Rolf Wernicke als Sprecher und Textautor für Leni Riefenstahls (1902-2003) Olympia-Film von 1938.
Am 16.11.1933 heiratete Laven die 1907 in Mainz geborene Tänzerin und Ballettmeisterin Elinor von Obstfelder, eine Schülerin der Ausdruckstänzerin Mary Wigman (1886-1973). Aus den reichlich sprudelnden Finanzquellen hatte Laven im Jahre 1932 einen Gutshof in Bad Salzhausen in der Wetterau erstanden, den das Ehepaar in den folgenden Jahre als Kurbetrieb führte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor.
Zwischen 1933 und 1935 wurde Laven recht häufig auch zu Staatsfeiern oder Veranstaltungen der NSDAP herangezogen wie etwa dem Reichsparteitag in Nürnberg 1933, bei der Trauerfeier für Reichspräsident Hindenburg am Tannenbergdenkmal am 7.8.1934 oder im Vorfeld des Saarreferendums vom Januar 1935.
Laven galt als „Liberalist“ und Individualist, der die geforderte Mindestanpassung ans Regime erbrachte und aufgrund seiner „Starallüren“ kritisiert wurde, sich andererseits aber großer Beliebtheit im Publikum erfreute und für Qualität und Kontinuität der Rundfunkberichterstattung bürgte. Im Reichssender Frankfurt bei NS-Intendant Hanns-Otto Fricke (1896-1945) und in der Gauleitung Hessen-Nassau galt Laven als persona non grata. Zum 1.6.1936 wurde er daher an den Reichssender Leipzig versetzt, wo Carl Stueber in der Zwischenzeit Intendant geworden war. 1939 erhielt er den Titel eines Chefsprechers bei der Reichssendeleitung in Berlin. Bei Kriegsausbruch wurde Laven Kriegsberichterstatter bei der Propaganda-Ersatz-Abteilung in Potsdam. In dieser Eigenschaft berichtete er am 3.10.1939 von der Abnahme der Siegesparade durch Adolf Hitler (1889-1945) in Warschau.
Auf dem Rückweg nach Berlin ereignete sich am 7.10.1939 ein folgenschwerer Unfall, als der Dienstwagen des Propagandaministeriums mit Laven und Wernicke an Bord mit einem Pferdefuhrwerk zusammenstieß. Laven erlitt schwere Verletzungen an den Beinen und am Kopf. Zu 60 Prozent Invalide, wurde er aus der Propagandakompagnie ausgemustert und war im „Großdeutschen Rundfunk“ nur mehr sporadisch zu hören, etwa am 8.3.1941 beim Fußballländerspiel Deutschland-Schweiz aus Stuttgart. In der Hauptsache widmete sich Laven jetzt in Bad Salzhausen feuilletonistischen Arbeiten.
Das große comeback als Rundfunkreporter blieb Laven nach 1945 verwehrt. Die Gründe dafür sind vielschichtig. So war Laven mehrfach durch Angehörige der US-Army verhört und am 21.6.1947 im Rahmen seines Spruchkammerverfahrens in Büdingen mit einem „Freispruch erster Klasse“[1] entnazifiziert worden, doch standen ihm die Kontrolloffiziere von „Radio Frankfurt“ nach wie vor ablehnend gegenüber. Selbst nach der Gründung des Hessischen Rundfunks teilte die Control Branch dem Intendanten Eberhard Beckmann (1905-1962) 1949 mit, Laven sei „aus demokratischen Gründen nicht erwünscht“[2]. Auch wurde Lavens emphatischer Reportagestil, sein Pathos, nun als überholt und zu sehr mit der NS-Zeit identifiziert abgelehnt. Zwar vermochte Bernhard Ernst in Köln seinen Platz zu behaupten, doch gehörte die Zukunft jungen Sportreportern wie etwa Harry Valérien (1923-2012). Hinzu kamen Friktionen mit HR-Intendant Beckmann, der sich schließlich – Laven hatte seinen erbitterten „Kampf“ um seine Wiedereinstellung unter Rückendeckung durch die Zeitschrift „Hör Zu“ mit Unterschriftenkampagnen befeuert – weigerte, Laven wiedereinzustellen. Die „causa Laven“ wurde im HR endgültig ad acta gelegt; auch eine Lancierung an den Nordwestdeutschen Rundfunk in Hamburg scheiterte.
So bestritt Laven seinen Lebensunterhalt durch publizistische Arbeiten, mit Vorträgen, als Autor von Sportbüchern oder als Sportberichterstatter im Auftrag von Sportverbänden. Im Rundfunk war er nur gelegentlich beim SWF in den Landesstudios Mainz und Freiburg zu hören oder beim ZDF.
Paul Laven starb am 19.10.1979 in Bad Salzhausen an einem Krebsleiden. Für seine Verdienste um die Entwicklung des Hörfunks in Deutschland wurde er 1973 mit der Hans-Bredow-Medaille geehrt.
Werke (Auswahl)
Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg. Ein Beitrag zum Kulturproblem des Katholizismus in der deutschen Aufklärung und Romantik, Diss. phil. (Masch.), Freiburg (Br.) 1925.
Der Weg zum Rundfunkwerk, Heidelberg 1941.
Fair play, Stuttgart 1950 [später weitere Auflagen].
Fußball-Melodie, Erlebtes und Erlauschtes, 1953.
Bunte erregende Welt, Tübingen 1964/Frankfurt/M. 1965.
Aus dem Erinnerungsbrevier eines Rundfunkpioniers, Bad Salzhausen 1973.
Literatur
Biermann, Frank, Paul Laven, Münster 1989.
Diller, Ansgar, Die erste Sportübertragung im deutschen Rundfunk, in: Publizistik 17 (1972), Heft 3-4, S. 320-325.
Online
"Laven, Paul", in: Deutsches Rundfunkarchiv. [online]
Lerg, Winfried B., „Laven, Paul“, in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 751-752. [online]
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Bernard, Birgit, Paul Laven, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-laven/DE-2086/lido/5bbb1cc6cd4058.65351015 (abgerufen am 07.10.2024)