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Peter Fröhlich entstammt einer zehnköpfigen Kölner Arbeiterfamilie. Nach Tätigkeiten als Zeitungsverkäufer, Bauhilfsarbeiter und Maurer trat er 16jährig in den Arbeiter-Abstinenzler-Bund ein, wurde anschließend Gewerkschafter und Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend. Mit 22 Jahren trat er der KPD bei. 1927 wechselte er zur SPD. 1946 waren er und der spätere Oberbürgermeister Theo Burauen die ersten SPD-Mitglieder im Stadtrat. Fröhlich war dort über 20 Jahre Mitglied des Kulturausschusses. Aufgrund seiner von ihm in Kölsch verfassten Lebensgeschichte in Kölsch gehört er zu den wichtigen Kölner Mundartautoren.
Peter Fröhlich kam am 11.7.1901 in einer armen Familie zur Welt. Sein Großvater, zuvor ein kleiner Bauer aus dem Westerwald, war Flickschuster, seine Mutter Arbeiterin. „Sie war in keinem Internat gewesen und sprach kein Wort französisch“, so Peter Fröhlichs Erinnerungen. „Sie spielte auch nicht auf dem Klavier. Statt auf die Höhere Töchterschule war sie mit 14 Jahren als Arbeiterin in die Schokoladenfabrik Stollwerck gegangen.“ Wenn der Vater, ein Bauhilfsarbeiter, im Winter arbeitslos war und nicht betteln mochte, ging die Mutter zum Pastor, zum Armenvater oder zum Wohltätigkeitsverein, um für das Notwendigste zu sorgen. In der Straße „Unter Krahnenbäumen“ – in Köln UKB genannt – bewohnte die Familie Fröhlich wie fast alle anderen in UKB nur zwei Zimmer. Eine Wasserleitung gab es nur auf der Treppe, das Klo befand sich auf dem Hof. Bei Peters Taufe wurden Betten und Kleiderschrank auf den Flur gebracht, um Platz für die Gäste zu haben.
Es gab keinen Keller, Briketts („Klütten“) wurden im Winter unter einer Bank oder hinter dem Ofen gestapelt. Mit singendem Rufen zog der „Klütteboor“ mit seinem Pferdefuhrwerk durch die Straße. Für die Lumpensammler war UKB nicht attraktiv. Auch Peters Mutter brauchte Stoffreste als Flicken für die Hosen und Jacken der Kinder, deren Spielplatz die Straße war. Sie hörten den holländischen „Hirringsverkäufer“ mit seinem Ruf, den Scherenschleifer und den Verkäufer von Fliegenfängern. Italiener zogen mit Gipsfiguren durch die Straße und Markfrauen mit ihren Gemüsekarren. Im Kramladen war das Glas mit Bonbons für Peter am wichtigsten.
1906 konnte die Familie in eine etwas größere Wohnung umziehen, doch die Not blieb. In Köln starb jedes zweite Kind unter fünf Jahren. Die Kindersterblichkeit war bei Arbeitern viermal so hoch wie bei Akademikern. 1908 kam Peter in die katholische Volksschule. Die evangelische Schule war nicht weit entfernt davon. Bei Reibereien sangen katholische Kinder: „Evangelische Ratte / en Botter jebacke, / en Mähl jerührt / un zum Düvel jeführt.“ Die evangelischen sangen das gleiche Lied über die nun katholischen Ratten.
Kinder aus armen Familien liefen im Sommer, außer sonntags, barfuss herum. Klumpen – oben Leder, unten eine Holzsohle –, die sie vom Armenvater erhielten, zogen sie nur in der Schule und im Winter an. Manche Lehrer machten einen Unterschied zwischen „Klumpenträgern“ und den anderen. Das Schuhwerk bildete eine Art Klassenschranke, die oft zu Prügeleien führte. In dem auf dem Schulhof ausgetragenen Klassenkampf siegten meist die „Klumpedräjer“. „Kein Wunder“, so Peter Fröhlich, „es gab schon immer mehr Arme als Reiche.“
Vor der Reichstagswahl verteilte er 1912 für seinen Vater Flugblätter der in Köln erfolgreichen SPD. Ihrer Großveranstaltung für den Völkerfrieden folgte 1914 allerdings Kriegsbegeisterung. Peter hörte die Soldaten Lieder singen, die er in der Schule gelernt hatte: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall, wie Schwertgeklirr und Wogenprall…“
1915, nach Ende der Schulzeit, musste Peter Fröhlich Zeitungen verkaufen, weil die Invalidenrente des Vaters nicht zum Leben reichte. Dann verdiente er etwas Geld als Eilbote. 1917 arbeitete er zuerst in der Maschinenfabrik Humboldt in Köln-Kalk, dann in einer Munitionsfabrik in Troisdorf. Eine Woche nach seinem Arbeitsantritt kam es dort zu einer Explosion, die über 200 Menschen das Leben kostete.
Im äußerst kalten „Steckrübenwinter“ 1916/1917, in dem Rüben die Kartoffeln ersetzen mussten, verschlechterte sich die Versorgungslage der Bevölkerung dramatisch. Für die Bedürftigsten wurden Stadtküchen und Wärmehallen in Schulen und Turnhallen eingerichtet. Für die Lebensmittelversorgung war der Beigeordnete und spätere Oberbürgermeister Konrad Adenauer zuständig, dem diese Tätigkeit große Sympathien verschaffte. Er erfand das „Kölner Sparbrot“ – ein aus Mais, Reis und Gerste gebackenes Schrotbrot. „Obwohl die Masse hungerte, konnte sich derjenige, der das Geld dazu hatte, auf dem schwarzen Markt noch alles kaufen, ja es wurde ihm sogar ins Haus gebracht“, erinnerte sich Peter Fröhlich. „Das arme Volk ging ‚hamstern’. Wie aus der Dreigroschenoper entsprungen zogen sie truppweise, meistens Frauen und Kinder, über Land von Hof zu Hof, abgerissen mit hungrigen Augen hielten sie bei den Bauern solange um eine Schnitte Brot oder eine Kartoffel an, bis der Bauer weich wurde.“
Seit Kinderjahren hatte Peter Fröhlich erlebt, wie der Alkohol Familien gefährden, ja ruinieren konnte. An Lohntagen standen immer wieder Frauen an den Fabriktoren, um ihre Männer davon abzuhalten, sogleich die nächste Kneipe anzusteuern. Manche rissen zu Hause dann Fenster und Türen auf, wohl wissend, dass der Mann öffentliches Mithören scheute. Besonders bei den Hafen- und Bauarbeitern spielte der Schnaps eine große Rolle. Manchmal ruinierte der Suff des Mannes die Familie finanziell oder gesundheitlich. Peter Fröhlich, der das in der Nachbarschaft erlebte, wurde mit 16 Jahren Mitglied des „Arbeiter-Abstinenzlerbundes“ und sang dort ein „Kampflied“, das ein staatliches Alkoholverbot forderte.
Im Inflationsjahr 1923 war er als Maurer am Bau des Kölner Stadions in Köln-Müngersdorf beteiligt. Im Oktober hatten die Druckereien kein Papier mehr, um neues Geld zu drucken. Fröhlich erhielt als Obmann der Baustelle deshalb einen Scheck in Höhe von zehn Milliarden Mark. Nach Feierabend bestellte er – mittlerweile fern aller Abstinenz – für sich und neun Kollegen in der Kneipe Bier, Schnaps und Zigarren. Doch der Wirt wollte den Scheck nicht haben. Die Männer ließen also anschreiben. Der Vorgang wiederholte, und sie zogen, die Internationale singend, weiter. „Als ich den Scheck am anderen Tage dem Unternehmer wiedergab“, so Fröhlich, „war er das Papier nicht mehr wert, auf dem die Zahl ‚ Zehn Milliarden’ geschrieben war.“
Nach Beendigung der Arbeit im Stadion wurde er arbeitslos. Er trat der KPD bei, entschloss sich 1927 aber zu einem Wechsel und wurde in der SPD und der Baugewerkschaft aktiv. Von der Gewerkschaft erhielt er 1928 ein Stipendium zum Besuch der „Staatlichen Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung“ in Düsseldorf. Zwei Jahre später wurde er Gewerkschaftssekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund und vertrat von nun an Arbeitnehmer in Rechtsstreitigkeiten gegen ihre Arbeitgeber. Nach der Kommunalwahl im März 1933 gehörte er als Stadtverordneter der Sozialdemokratischen Stadtratsfraktion an. Doch nach der ersten Sitzung begann auch in Köln die braune Diktatur.
1939 wurde er vom Arbeitsamt dienstverpflichtet und musste am Bau des Westwalls mitwirken. „Für den Führer zu bauen“ war ihm „immer noch lieber, als für ihn zu sterben.“ Den Rückzug aus Frankreich kommentierte er mit den Worten: „In halb Europa haben wir Bunker gebaut und für den Endsieg gearbeitet.“ Doch er opponierte nicht, wollte nicht im letzten Moment noch aufgehängt werden. Beim zwangsläufigen „Heil-Hitler-Gruß“ innerlich zu fluchen, war für ihn „die geringste Art von Widerstand, die man sich leisten konnte“.
Im Mai 1945 machte er sich von Süddeutschland aus auf den Heimweg. „Ze Foß noh Kölle ze jon“ wäre langwierig gewesen, und so war er froh, die Reise wenigstens mit einem Fahrrad antreten zu können. Viele Rückkehrer hatten die Stadt erst nach langen Fußmärschen erreicht. Er sah Menschen mit Kinderwagen, Schubkarren, Handwagen, einige auch mit einem Pferdefuhrwerk. Die Stadt lag in Schutt und Asche, er entdeckte neben Elend und Not doch auch Zeichen von Galgenhumor. Auf eine Tür im Trümmerschutt hatte jemand mit Kreide geschrieben: „Kräftig drücken, Türe klemmt“. An einem Mauerrest las Peter Fröhlich den Hinweis „Schellen zwecklos, wir liegen im Keller“, an anderer Stelle: „Die Post ist im Himmel abzuholen.“
1946 wurde Peter Fröhlich in Köln erneut SPD-Ratsmitglied. In jenem Jahr erklärte der Kölner Kardinal Frings in seiner Silvesterpredigt, man lebe jetzt in Zeiten, in denen der Einzelne das zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit Notwendige nehmen dürfe, wenn er es „durch seine Arbeit oder durch Bitten nicht erlangen“ könne. Wegen der bitteren Kälte wurden oft Briketts geklaut, und „fringsen“ wurde zum geflügelten Wort. „Während ich bei einer Ratssitzung am Rednerpult stand und von Recht und Gerechtigkeit sprach“, so Zeitzeuge Fröhlich, „klauten meine Frau und meine Tochter am Güterbahnhof Klütten. Gewissensbisse hatte ich nicht.“
Über 20 Jahre lang war er Mitglied des Kulturausschusses. Nach seiner Pensionierung 1966 begann er, seine Erinnerungen an sein Leben und seine Heimatstadt „op kölsch“ wie auch auf Hochdeutsch aufzuschreiben – ein Kapitel erlebter Geschichte. Peter Fröhlich starb am 1.8.1984 in seiner Heimatstadt.
Werke
Kölle vör fuffzich Johre. Jeschichten us dem ahle Kölle, Band 1, 4. Auflage, Köln 1973; Band 2, 5. Auflage, Köln 1981.
Sulang dä Dom en Kölle steit, Köln 1974.
Es war ein langer Weg – Erinnerungen eines alten Kölners, Köln 1976.
Literatur
Schmidt, Klaus, Leben im Veedel – Peter Fröhlichs junge Jahre…, in: Ders., Kölns kleine Leute. Geschichten und Porträts, Köln 2011, S. 137-145.
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Schmidt, Klaus, Peter Fröhlich, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peter-froehlich/DE-2086/lido/64d6058df3f5c1.57412753 (abgerufen am 07.12.2024)