Zu den Kapiteln
Schlagworte
Peter Klöckner war ein bedeutender Unternehmer im frühen 20. Jahrhundert, dessen Karriere vom Kaufmannslehrling bis zum Konzernherrn führte. Sein Name lebt in Stiftungen und der von ihm gegründeten Firma „Klöckner & Co.“ bis heute fort, als Person ist er jedoch in der Öffentlichkeit weitgehend vergessen.
Peter Klöckner kam am 9.11.1863 in Koblenz zur Welt. Das soziale Milieu, in dem er aufwuchs, war das kleine, allenfalls mittelständische rheinische Wirtschaftsbürgertum. Seine Vorfahren väterlicherseits, auch der Vater Peter (1834-1904), waren Schiffsbaumeister und Werftbesitzer in Koblenz. Die Mutter war die Wirtstochter Anna Maria geborene Wenner (1837-1915). Die Familie war katholisch. Kurz vor dem Abitur verließ der 18-jährige Peter Klöckner das Realgymnasium und begann in Koblenz eine kaufmännische Lehre bei der führenden deutschen Eisenhandelsfirma Carl Spaeter. Einblicke in die Produktion erhielt er zwischenzeitlich während einer Tätigkeit bei der Burbacher Hütte im Saarland. 1888 ging Klöckner als Angestellter zur Niederlassung von Spaeter in Duisburg und wurde dort 1897 Teilhaber. Duisburg wurde ihm zweite Heimat, wo er sich im Grünen 1911/1912 das repräsentative „Haus Hartenfels“ errichten ließ.
Klöckners Branchenkenntnis und seine Netzwerke, gepaart mit Durchsetzungsstärke, kaufmännischer Kompetenz und intellektuellen Fähigkeiten, prädestinierten ihn in den 1890er Jahren dazu, das in Schieflage geratene Eisen- und Stahlwerk in (Hagen-)Haspe zu retten. Die beteiligten Banken fassten Vertrauen, und im Auftrag des Schaaffhausen’schen Bankvereins sanierte Klöckner anschließend den Lothringer Hüttenverein, der auch Zechen an der Ruhr besaß. Sanierung hieß in aller Regel: Rationalisierung, effizientere innerbetriebliche Organisation und planvolle Abstimmung von Rohstoffeinkauf und Weiterverarbeitung, so dass die Produktionskapazitäten optimal ausgelastet waren. Bald nannte man Klöckner, der 1905 den Titel Kommerzienrat verliehen bekam, halb bewundernd, halb ironisch „Sanitätsrat“. Der ehrgeizige Unternehmer verlor jedoch seine persönlichen Interessen nie aus den Augen und sicherte sich entscheidenden Einfluss in den sanierten Firmen. Wie hoch Klöckners Beteiligungen waren und wie er die Geschäfte finanzierte, ist jedoch noch unerforscht.
Klöckners Ziel war ein vertikaler Konzern, der von der Rohstoffförderung über die Weiterverarbeitung bis zum Endprodukt alles in einer Hand vereinte. Deshalb erwarb er noch im Kaiserreich zahlreiche Beteiligungen, zum Beispiel an der Maschinenfabrik Humboldt, der Düsseldorfer Eisen- und Drahtindustrie AG oder den Mannstaedt-Eisenwalzwerken. 1906 gründete er in Duisburg die Firma „Klöckner & Co.“ als Dachgesellschaft für seine Unternehmensgruppe. Das Herzstück bildete – anders als bei anderen Ruhrkonzernen – der Handel, vor allem mit Erz, Roheisen und Schrott. Niederlassungen waren über ganz Deutschland verteilt. Das Grundkonzept des vertikalen Konzerns – gestrickt um den Handel – verfolgte Klöckner unter wechselnden politischen Systemen und passte sich neuen Rahmenbedingungen an.
1913 schätzte ein Insider Klöckners jährliches Einkommen auf 500.000 Mark und sein Vermögen auf sieben bis acht Millionen Mark, womit er in der Liste der Millionäre in der Rheinprovinz auf Platz 95 rangierte. Politisch dachte Klöckner national und publizierte im Ersten Weltkrieg Vorschläge eines von Deutschland beherrschten westeuropäischen Wirtschaftsraums, während seine Unternehmen massiv von Rüstungsaufträgen profitierten. Die Revolution 1918 lehnte er strikt ab. Nur zwei Tage vorher war ihm der preußische Ehrentitel „Geheimer Kommerzienrat“ verliehen worden.
Durch die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg verlor Klöckner seinen Besitz in Lothringen, kam aber gleichwohl glimpflicher durch die Wirtschaftskrisen als viele Konkurrenten, weil der Handel stabile Gewinne abwarf. Hier investierte Klöckner weiter und gründete 1921 zum Beispiel die Klöckner Reederei und Kohlenhandel GmbH, die eine eigene Binnenschifffahrtsflotte betrieb. Im Handel expandierte Klöckner auch international. Nicht zuletzt dank staatlicher Entschädigungszahlungen für die Lothringer Werke konnte er parallel die Montanbasis seiner Unternehmensgruppe wieder stärken, indem er sich die Mehrheit am Osnabrücker Georgs-Marien-Bergwerks- und Hüttenverein sicherte sowie Kohlebergwerke im Ruhrgebiet erwarb. Mit der 1923 gegründeten Klöckner-Werke AG fasste er die produzierenden Betriebe unter einem Dach zusammen. Bei Klöckner & Co. konzentrierte er die Handelsgeschäfte. Letztlich war Klöckner ein Krisengewinner, auch weil er es verstand, Chancen aufzuspüren und zu ergreifen – öfter in scharfer Konkurrenz zu anderen Unternehmern. Zudem investierte er früh in Innovationen in der Kohlechemie (Produktion von synthetischem Stickstoff und Benzin).
Im Zentrum von Klöckners Denken stand zeitlebens die Wirtschaft, nicht die Politik. Unter den Großindustriellen war er eine Ausnahme, weil der gläubige Mann der katholischen, republiktreuen Zentrumspartei angehörte und diese auch mit Spenden unterstützte. Sein jüngerer Bruder Florian (1868-1947) spielte in der Partei als stellvertretender Vorsitzender eine herausgehobene Rolle, was dem Unternehmer Klöckner, der zudem 1921-1933 im Preußischen Staatsrat saß, exzellente Netzwerke bis in die Regierung sicherte. Politisch war Klöckner kein Scharfmacher. Einerseits pochte er in innerbetrieblichen Auseinandersetzungen auf seinen Vorrechten als Unternehmer, andererseits lehnte er den aggressiven Kurs vieler Industrieller gegen die Gewerkschaften ab und beteiligte sich auch nicht an Aussperrungen im „Ruhreisenstreit“. Er trat für Freihandel und Privatinitiative ein, kritisierte wie seine Standesgenossen die ihrer Meinung nach zu hohen Steuern, Soziallasten und Löhne. Doch gegen direkte staatliche Hilfen hatte Klöckner zeitweilig ebenso wenig einzuwenden wie gegen Arbeitszeitverkürzungen.
Seit ihrer Gründung im Januar 1928 gehörte Klöckner der „Ruhrlade“, einem informellen Kreis von zwölf führenden Industriellen an der Ruhr, an; außerdem saß er im Präsidium des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (1924-1933). Allerdings blieb er in den Verbänden eher Außenseiter, wofür die Sonderrolle seines Konzerns zwischen Produktion und Handel sowie mit wichtigen Werken außerhalb des Ruhrgebiets ursächlich war. Ansehen genoss Klöckner unzweifelhaft, ablesbar an zahlreichen Mandaten in Aufsichtsorganen, beispielsweise im Verwaltungsrat der Reichsbahn (seit 1924), oder an seinem Amt als Duisburger Stadtverordneter (1919-1929). 1919 verlieh ihm die Technische Hochschule Aachen den Titel Dr.-Ing. ehrenhalber.
An der Spitze einer Industriedelegation reiste Peter Klöckner 1931 in die Sowjetunion, wo sich der kapitalistische Großunternehmer vom kommunistischen System beeindruckt zeigte: Es „herrsche Ordnung“ und „die Führer seien von außerordentlicher Energie“. Eine gewisse politische Naivität ist nicht zu verkennen, aber ökonomisch bahnte die Reise Exportgeschäfte von zwei Milliarden Reichsmark an, für die Klöckner bei der Regierung in Berlin kämpfte. An den schweren Verwerfungen durch die Weltwirtschaftskrise änderte das allerdings nichts. Auch Klöckner entließ massenhaft Beschäftigte und kürzte Löhne. Nach Adolf Hitlers (1889-1945) Rede im Düsseldorfer Industrieklub im Januar 1932 soll Klöckner eindringlich vor nationalsozialistischen Experimenten gewarnt haben.
Der NSDAP trat er nie bei, sah die Eingriffe des NS-Staates in die Wirtschaft mit Sorge, fürchtete Enteignungen und plädierte nach wie vor für einen freien internationalen Handel. Im Dezember 1933 hatte er, so Konrad Adenauer in einem Brief, seinen Optimismus verloren. Zum „Wehrwirtschaftsführer“ wurde er nie ernannt, und offenkundig observierte ihn die Gestapo. Andererseits leistete Klöckner keinen erkennbaren Widerstand gegen das System, drückte stattdessen gelegentlich Bewunderung für den „Führer“ aus, blieb loyal zum Staat und arrangierte sich, zumindest nach außen.
Die ökonomische Situation hellte sich auf. Auch der Klöckner-Konzern profitierte von Rüstungskonjunktur und staatlichen Bauprojekten. Im Jahr 1938 standen die Klöckner-Werke, ohne den Handel, mit gut 43.000 Beschäftigten auf Rang 15 der deutschen Unternehmen. Zum Konzern gehörten Kohlezechen, Kokereien, Hochöfen, Stahl- und Walzwerke, Gießereien, Draht- und Hammerwerke, Maschinenbaubetriebe und manches mehr. Der Unternehmensverbund war von jeher verschachtelt und blieb fluide. Am Konzept, ihn durch den Erwerb weiterer Firmen langfristig zu arrondieren, hielt Klöckner fest. Noch 1938 entstand so die Klöckner-Humboldt-Deutz AG, ein bedeutender Motoren- und LKW-Hersteller. Der Ehemann seiner Stieftochter, Günter Henle (1899-1979), beschreibt Klöckner schon rein physisch als „Achtung gebietende Erscheinung“ und starke, gegenüber Mitarbeitern auch fordernde Persönlichkeit. Klöckner war von ungewöhnlicher Tatkraft und - in seinen eigenen Worten - ein unverbesserlicher Optimist. Aufbau und Weiterentwicklung seines Konzerns standen offenkundig im Zentrum seines Lebens. Im Betrieb führte er ein strenges Regiment, appellierte an Sparsamkeit, achtete auf Pünktlichkeit, Disziplin und Fleiß. Als er von einer befreundeten Bank um Auskunft über einen Bewerber gebeten wurde, antwortete Klöckner lakonisch: „Der Herr reist bei Tage.“ Angestellte, die er für Misserfolge verantwortlich machte, mussten gehen. Als Unternehmer zeichnete ihn ein Gespür für das Machbare und eine Witterung für neue Chancen aus. Kritische Zeitgenossen erkannten allerdings ein Janusgesicht: Klöckner habe sich schnell vom „rücksichtsvolle[n] Kaufmann zum rücksichtslosen Gewaltmenschen“ wandeln können, wenn das zum Erreichen des Ziels geeigneter schien, so der Fabrikant Oscar Funcke (1885-1965).
Klöckners erste Ehe mit Lilly geborene Müller (1867-1942), wurde 1911 geschieden. Aus dieser Ehe stammte eine Tochter. Noch 1911 vermählte er sich mit Hanna Küpper geborene Manger (1882-1949), die einen Sohn und eine Tochter mit in die Ehe brachte. Dazu kam bald noch der gemeinsame Sohn Waldemar (1913-1936). Private Passionen galten der Jagd. Mit dem rechtsliberalen Duisburger Oberbürgermeister Karl Jarres verband ihn eine langjährige Freundschaft.
Peter Klöckner starb am 5.10.1940 im Alter von 76 Jahren in Duisburg. Wie viele Familienunternehmer wollte er sein Lebenswerk erhalten und an kommende Generationen weitergeben. Nach dem Unfalltod seines Sohnes mündete die Nachfolgelösung in ein komplexes Konstrukt, in dessen Zentrum die „Peter Klöckner Familienstiftung“ stand, die fast alle Anteile an Klöckner & Co. sowie die Kontrolle über die Klöckner-Werke AG besaß. Dennoch hing Klöckners Erbe an einem seidenen Faden, weil die Nationalsozialisten den neuen Unternehmenschef Günter Henle ablösten und die Konzernspitze mit willigen Gefolgsleuten besetzten. Doch das ist eine neue Geschichte. Eine moderne Biographie dieses bedeutenden Industriellen und Kaufmanns ist ein Desiderat der Forschung.
Literatur
Goldbeck, Gustav, Klöckner, Peter, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 105-107. [Online]
Klöckner & Co. Milestones 1906-2006, Essen 2006.
Luntowski, Gustav, Hitler und die Herren an der Ruhr. Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten Reich, Frankfurt a. M. [u.a.] 2000.
Muthesius, Volkmar, Peter Klöckner und sein Werk, Essen 1941; 2., durchges. u. erg. Auflage, Essen 1959.
Pritzkoleit, Kurt, Männer Mächte Monopole. Hinter den Türen der westdeutschen Wirtschaft, Düsseldorf 1953, S. 89-102.
Pudor, Fritz (Bearb.), Nekrologe aus dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet, Jahrgang 1939-1951, Düsseldorf 1955, S. 33-35.
Reichert, Jakob, Peter Klöckner, in: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Bd. 7, Münster 1960, S. 85-104.
Weisbrod, Bernd, Schwerindustrie in der Weimarer Republik. Interessenpolitik zwischen Stabilisierung und Krise, Wuppertal 1978.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Stremmel, Ralf, Peter Klöckner, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peter-kloeckner/DE-2086/lido/60bf452fd77f66.98214885 (abgerufen am 11.02.2025)
Veröffentlicht am 08.06.2021, zuletzt geändert am 23.06.2021