Peter Minuit

Kolonialpionier (1584/ 1595-1638)

Tobias Arand (Ludwigsburg)

Peter Minuit, Porträt, historisierende Darstellung.

Pe­ter Mi­nuit galt lan­ge als der Grün­der New Yorks und als be­deu­tends­ter Sohn der nie­der­rhei­ni­schen Stadt We­sel. Ob­wohl er gro­ßen An­teil an der Ent­wick­lung je­ner Sied­lung hat­te, aus der das heu­ti­ge New York er­wuchs, muss sei­ne Be­deu­tung im Licht der Quel­len heu­te dif­fe­ren­zier­ter be­trach­tet wer­den. Lan­ge Zeit ver­ges­sen, wird Mi­nuit seit dem 19. Jahr­hun­dert bis zur Ge­gen­wart in We­sel und in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten ver­ehrt. Um das Le­ben Mi­nuits ran­ken sich zahl­rei­che Le­gen­den. An­hand der we­ni­gen er­hal­te­nen zeit­ge­nös­si­schen Do­ku­men­te, die Auf­schluss über sein Le­ben ge­ben, las­sen sich My­thos und ‚Wahr­heit’ nur un­zu­rei­chend von­ein­an­der tren­nen. Es exis­tie­ren nur Schrift­quel­len, wie ei­ni­ge we­ni­ge Au­to­gra­phen Mi­nuits, Brie­fe von Ge­schäfts­freun­den und städ­ti­sche Auf­zeich­nun­gen; Bil­der oder Sach­quel­len zum Le­ben Mi­nuits sind ver­lo­ren.

Pe­ter Mi­nuit wur­de nach 1584 und vor 1595 in We­sel ge­bo­ren. Sein Va­ter war der wal­lo­nisch-re­for­mier­te Glau­bens­flücht­ling Jean Mi­nuit, der 1584 in den Kreis der We­seler Bür­ger­schaft auf­ge­nom­men wur­de. Der wohl­ha­ben­de Jean Mi­nuit (fran­zö­sisch „Mit­ter­nacht") war vor der re­li­giö­sen Un­ter­drü­ckung der Re­for­mier­ten in sei­ner Hei­mat in das to­le­ran­te Her­zog­tum Kle­ve aus­ge­wi­chen. 1613 hei­ra­te­te Pe­ter Mi­nuit die Kauf­mann­s­toch­ter Ger­trud Raets und da­mit in ei­ne wohl­ha­ben­de Kle­ver Fa­mi­lie ein. In We­sel ar­bei­te­te Mi­nuit wohl selbst als Kauf­mann. Even­tu­ell war er auch als Dia­kon in der Ar­men­pfle­ge tä­tig, doch feh­len für die­se Be­haup­tung letzt­lich über­zeu­gen­de Be­wei­se. Aus dem Jahr 1614 ist be­kannt, dass Mi­nuit die Vor­mund­schaft über die Kin­der sei­ner ver­stor­be­nen Schwes­ter Ma­ria an­trat.

1615 ist Mi­nuit mit sei­ner Gat­tin Ger­trud als Dia­mant­schlei­fer in Ut­recht nach­ge­wie­sen. War­um er We­sel ver­las­sen hat­te, ist un­be­kannt. Die Theo­rie, dass Mi­nuit als be­son­ders frei­heits­lie­ben­der und in der Stadt be­deu­ten­der Bür­ger vor der ver­meint­li­chen Un­ter­drü­ckung durch spa­ni­sche Trup­pen floh, die We­sel 1615 im Rah­men des Acht­zig­jäh­ri­gen Kriegs be­setz­ten, ist mög­lich, aber kei­nes­wegs ge­si­chert. Die­se Dar­stel­lung ist zwar bis heu­te po­pu­lär, wahr­schein­li­cher ist aber, dass dem Kauf­mann das Ge­schäfts­kli­ma in ei­ner be­setz­ten Stadt un­güns­tig er­schie­nen sein dürf­te. Im Jahr 1619 ver­zeich­net das We­seler Rats­pro­to­koll je­doch er­neut ei­ne Vor­mund­schafts­über­nah­me Pe­ter Mi­nuits, und das Pres­by­te­ri­al­pro­to­koll der re­for­mier­ten Ge­mein­de in We­sel nennt für das Jahr 1620 ei­nen Pe­ter Mi­nuit be­tref­fen­den Be­schluss. In die­sen Jah­ren könn­te Mi­nuit al­so trotz spa­ni­scher Be­sat­zung wie­der in We­sel an­säs­sig ge­we­sen sein.

Über die Zeit von 1620 bis 1624 ist nichts be­kannt. Mög­li­cher­wei­se stand Mi­nuit nach 1621 schon in Diens­ten der ge­ra­de ge­grün­de­ten hol­län­di­schen Han­dels- und Ko­lo­nial­or­ga­ni­sa­ti­on „West­in­di­sche Com­pa­gnie" (WIC), de­ren Auf­ga­be die wirt­schaft­li­che Er­schlie­ßung Ame­ri­kas und der Ka­ri­bik war. Im Ja­nu­ar 1625 reis­te Mi­nuit im Auf­trag der WIC nach Nieuw Ams­ter­dam, der klei­nen Haupt­stadt der hol­län­di­schen Ko­lo­nie Nieuw Neder­land. Nieuw Ams­ter­dam be­fand sich auf der In­sel Man­hat­tes, dem heu­ti­gen Man­hat­tan in New York. Als Dia­man­ten­ex­per­te soll­te er die dor­ti­gen Bo­den­schät­ze er­for­schen und dem un­fä­hi­gen Gou­ver­neur der Ko­lo­nie zur Sei­te ste­hen. Mi­nuit kam al­so in ei­ne be­reits be­ste­hen­de, al­ler­dings noch sehr klei­ne Ko­lo­nie, so dass von ei­ner Grün­dung des Or­tes als Keim­zel­le des spä­te­ren New York durch ihn nicht ernst­haft ge­spro­chen wer­den kann.

Nach­dem er sich für kur­ze Zeit wie­der in Hol­land auf­ge­hal­ten hat­te, lös­te Mi­nuit im Jahr 1626 den al­ten Gou­ver­neur der Ko­lo­nie in sei­nem Amt ab. In sei­ne Amts­zeit fällt der Aus­bau der Ko­lo­nie zu ei­ner wirt­schaft­lich flo­rie­ren­den Au­ßen­stel­le der WIC. Mi­nuit trieb die Be­sie­de­lungs­plä­ne der WIC er­folg­reich vor­an, in­dem er den Bau des Forts fort­führ­te und es ver­stand, mit den In­dia­nern fried­lich und zu­min­dest für die WIC und ei­ni­ge Kauf­leu­te vor Ort ge­winn­brin­gend zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. So stieg zum Bei­spiel in den Jah­ren 1629 bis 1632 die Zahl der jähr­lich aus der Ko­lo­nie in die Nie­der­lan­de ge­lie­fer­ten Bi­ber­fel­le von 5.913 auf 13.513 Stück, die der Ot­ter­fel­le von 681 auf 1.661 Stück. 1628 wur­de mit dem Auf­bau ei­ner Kir­chen­ge­mein­de und im Jah­re 1630 so­gar mit der Er­rich­tung ei­nes Ge­ne­ral­di­rek­to­ren­hau­ses für die klei­ne Ko­lo­nie von im­mer­hin 270 Sied­lern be­gon­nen. Wei­te­re Tä­tig­kei­ten, die un­ter dem en­er­gi­schen Gou­ver­neur ver­stärkt ein­setz­ten, wa­ren Ex­pe­ri­men­te mit Saat­gut und der Bau ei­ner Pfer­de­müh­le. Auch be­acht­li­che Men­gen Holz wur­den von Ame­ri­ka nach Hol­land für die Schiffs­bau­in­dus­trie ver­schickt. Ob al­ler­dings die Ge­samt­er­trä­ge der Ko­lo­nie zu ei­ner Re­fi­nan­zie­rung der In­ves­ti­tio­nen der WIC führ­ten, ist zwei­fel­haft. Das Zu­sam­men­le­ben mit den In­dia­nern ge­stal­te­te sich nicht im­mer fried­lich. Kurz nach Über­nah­me der Ko­lo­nie­lei­tung durch Mi­nuit kam es zu Zu­sam­men­stö­ßen zwi­schen Ko­lo­nis­ten und In­dia­nern. An­ders als vie­le Ko­lo­ni­sa­to­ren vor und nach ihm ver­such­te Mi­nuit je­doch, die un­aus­weich­li­chen Pro­ble­me mit der zu­neh­mend zu­rück­ge­dräng­ten in­di­ge­nen Be­völ­ke­rung fried­lich und mit ge­gen­sei­ti­gem Re­spekt zu lö­sen. Ob Mi­nuit den In­dia­nern aber tat­säch­lich Man­hat­tan für ei­ne bes­ten­falls sym­bo­li­sche Sum­me von 60 Gul­den ab­kauf­te, bleibt lei­der wie vie­les in sei­nem Le­ben un­ge­wiss. Es gibt nur ei­nen in­di­rek­ten, brief­li­chen Be­richt über den be­rühm­ten Kauf­akt, der in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten noch heu­te als Bei­spiel für ein cle­ve­res Ge­schäft mit be­son­ders ho­her Ren­di­te ge­fei­ert wird. In die­sem Be­richt nach Hö­ren­sa­gen wird zwar der Akt des Kaufs, nicht aber der Na­men des Käu­fers er­wähnt. Dass Mi­nuit aber hier mit dem ver­trag­lich be­sie­gel­ten Kauf des ei­gent­lich oh­ne­hin schon be­setz­ten Lan­des Rechts­si­cher­heit schaf­fen woll­te, ist zu­min­dest denk­bar.

Ei­ne In­tri­ge kos­te­te Mi­nuit im Jahr 1632 sei­nen Pos­ten als Gou­ver­neur. Er muss­te nach Ams­ter­dam rei­sen und den Di­rek­to­ren der WIC Re­chen­schaft über sei­ne Leis­tun­gen als Gou­ver­neur ab­le­gen. Im Lau­fe der An­hö­run­gen wur­den gra­vie­ren­de Be­schul­di­gun­gen ge­gen­über Mi­nuits Amts­füh­rung und Per­son er­ho­ben, de­ren Stich­hal­tig­keit sich heu­te nicht mehr über­prü­fen lässt. Un­ter an­de­rem wur­de ihm vor­ge­wor­fen, er ha­be ver­sucht, Ko­lo­nis­ten ver­hun­gern zu las­sen. Wei­ter­hin wur­de be­haup­tet, er sei ein Ver­schwen­der und so­gar ein Zu­häl­ter ge­we­sen. Mi­nuit wur­de sei­nes Amts ent­ho­ben und quit­tier­te den Dienst in der WIC.

Nach sei­nem Ab­schied aus hol­län­di­schen Diens­ten be­gab sich Pe­ter Mi­nuit zu­rück zu sei­ner Ehe­frau Ger­trud Raets, die wie­der in Kle­ve wohn­te. Zeit­wei­se wohn­te das Ehe­paar auch in Em­me­rich. 1635 emp­fing Mi­nuit das Bür­ger­recht der Stadt Kle­ve.

Im Win­ter 1637/ 1638 be­gab er sich er­neut auf ei­ne Rei­se nach Ame­ri­ka. Im Auf­trag der „Skepps­kom­pa­niet", dem 1629/ 1630 ge­grün­de­ten schwe­di­schen Ge­gen­stück zur WIC, soll­te er nun auch für Schwe­den ei­ne ame­ri­ka­ni­sche Ko­lo­nie auf­bau­en. Zu­vor hat­te Mi­nuit in ei­ner Denk­schrift die schwe­di­schen Re­gie­rung für die Idee be­geis­tern kön­nen, die­se Ko­lo­nie in Nach­bar­schaft zu Nieuw Neder­land zu eta­blie­ren. Mi­nuit kauf­te noch im Früh­jahr 1638 den Lena­pe-In­dia­nern am Fluss Min­qua­es­kil – ei­nem Sei­ten­arm des heu­ti­gen De­la­ware-Flus­ses – Land ab, grün­de­te dort die Ko­lo­nie Neu-Swe­den und er­rich­te­te Fort Chris­ti­na, das heu­ti­ge Wilming­ton im Bun­des­staat De­la­ware. Wilming­ton kann al­so mit mehr Recht als New York als ei­ne Grün­dung Mi­nuits an­ge­se­hen wer­den. Im Som­mer 1638 ge­riet Mi­nuit mit ei­nem sei­ner Schif­fe wäh­rend ei­ner Ge­schäfts­rei­se vor der west­in­di­schen In­sel St. Chris­to­pher in ei­nen Hur­ri­kan und fand bei die­sem Un­glück den Tod. Mi­nuit wur­de et­wa 44 Jah­re alt.

Die schwe­di­sche Ko­lo­nie in Nord­ame­ri­ka wur­de nach Mi­nuits Tod noch von ei­ni­gen Nach­fol­gern mit be­schei­de­nem Er­fol­gen ver­wal­tet. 1655 fiel sie in die Hän­de der Hol­län­der un­ter ih­rem be­kann­ten Gou­ver­neur Pie­ter Stuy­vesant (1612-1672), de­ren Ko­lo­nie und da­mit auch der ehe­mals schwe­di­sche Teil im Jah­re 1664 aber wie­der­um von den Eng­län­dern er­obert wur­de. Die Eng­län­der be­nann­ten Nieuw Ams­ter­dam in New York um.

Wenn­gleich vie­les da­für spricht, dass Mi­nuit ei­ne au­ßer­ge­wöhn­li­che Fi­gur der Ko­lo­ni­al­ge­schich­te war und ins­be­son­de­re sein nicht zeit­ty­pi­sches Be­mü­hen um ein fried­li­ches Aus­kom­men mit den Ko­lo­ni­sier­ten be­tont wer­den darf, soll­te nicht über­se­hen wer­den, dass er da­bei vor al­lem als ge­winn­ori­en­tier­ter Ge­schäfts­mann han­del­te. Die fa­ta­len Fol­gen der wirt­schaft­li­chen Aus­beu­tung Ame­ri­kas, die mit dem Ge­winn­stre­ben tüch­ti­ger Ge­schäft­leu­te sei­ner Ge­ne­ra­ti­on ein­setz­te und die mit der na­he­zu voll­stän­di­gen Aus­rot­tung der ame­ri­ka­ni­schen Ur­ein­woh­ner und ih­rer Kul­tur so­wie der rück­sichts­lo­sen Zer­stö­rung der ur­sprüng­li­chen Fau­na und Flo­ra en­den soll­te, wer­den für ihn nicht vor­her­seh­bar ge­we­sen sein.

Literatur

Arand, To­bi­as, Pe­ter Mi­nuit - Ein rhei­ni­scher Über­see­kauf­mann im 17. Jahr­hun­dert, in: Schö­ne Neue Welt. Rhein­län­der er­obern Ame­ri­ka, Wiehl 2001, S. 13-42.
Arand, To­bi­as, My­thos ­Pe­ter Mi­nuit - Le­ben und Nach­le­ben des We­seler Ko­lo­ni­al­pio­niers; in: Jahr­buch Kreis We­sel 2008,  S. 45-54.
Bak­ker, B., The Birth of New York. Nieuw Ams­ter­dam 1624-1664, Ams­ter­dam 1982.
Hoffecker, Ca­rol E., New Swe­den in Ame­ri­ca, Ne­wark, Lon­don 1995.
Rein­ders, Cle­mens, Der Mann der Man­hat­tan kauf­te und an­de­re Ge­schich­ten vom Nie­der­rhein, Duis­burg 2000.
Rink, Oli­ver A., Hol­land on the Hud­son. An Eco­no­mic and so­ci­al His­to­ry of Dutch New York, It­ha­ca, Lon­don 1986.

Online

Pohl, Mein­hard, "Mi­nuit, Pe­ter", in Neue Deut­sche Bio­gra­phie 17 (1994), S. 549. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Arand, Tobias, Peter Minuit, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peter-minuit/DE-2086/lido/57c94f63e62944.26800963 (abgerufen am 24.04.2024)