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Richard Thoma, seit 1928 Professor an der Universität Bonn, gehörte in der Weimarer Republik zu den wenigen Staatsrechtslehrern, die die demokratische Republik fachlich wie politisch verteidigten. Er war Mitherausgeber des Standardhandbuchs zum deutschen Staatsrecht.
Richard Thoma wurde am 19.12.1874 in Todtnau im Schwarzwald als Sohn eines Fabrikanten geboren und studierte neben Naturwissenschaften Rechtswissenschaft an den Universitäten Freiburg im Breisgau, München und Berlin. Promoviert wurde er mit einer zivilrechtlichen Arbeit 1900 in Freiburg bei Ulrich Stutz). Die Habilitation für die Fächer Staats- und Verwaltungsrecht folgte 1906 ebendort mit der bis heute grundlegenden Arbeit „Der Polizeibefehl im badischen Recht" unter der Betreuung von Heinrich Rosin (1855-1927), einem der Pioniere des Sozialrechts in Deutschland. Es folgte eine rasche und steile akademische Karriere: 1908/1909 ordentlicher Professor für öffentliches Recht am Kolonialinstitut Hamburg, 1909/1911 an der Universität Tübingen, 1911 bis 1928 in Heidelberg (1921 Ablehnung eines Rufes an die Berliner Universität) und schließlich seit 1928 in Bonn. Thoma wurde 1945 in Bonn emeritiert, bot jedoch angesichts der Not der Nachkriegszeit bis 1950 weiter Lehrveranstaltungen an. Während der Arbeit des Parlamentarischen Rates am Grundgesetz fungierte Thoma als Berater durch die Anfertigung von Rechtsgutachten zu Grundgesetzentwürfen. Er starb am 26.6.1957 in Bonn und wurde auf dem Südfriedhof bestattet.
Richard Thoma gehörte vom Kaiserreich bis zur frühen Bundesrepublik zu den führenden Vertretern der deutschen Staatsrechtslehre. Bemerkenswert ist sein klares Eintreten für die parlamentarische Demokratie in der Weimarer Republik. Im Kaiserreich Mitglied der Nationalliberalen propagierte er – vorzüglich belegt durch die Habilitationsschrift – ein liberales, an Rechtsstaatlichkeit ausgerichtetes Staatsbild, etwa in Fragen des Polizeirechts. Zwischen 1919 und 1933 gehörte Thoma zu den wenigen Staatsrechtslehrern, ja Hochschullehrern insgesamt, die sich fachlich wie politisch für die neue Staatsordnung einsetzten. Thoma engagierte sich ab 1918 in Heidelberg für die Deutsche Demokratische Partei, den (links-)liberalen Flügel der so genannten Weimarer Koalition. 1926 war er Mitbegründer der „Vereinigung verfassungstreuer Hochschullehrer", 1931 in „Weimarer Kreis" umbenannt. Zusammen mit seinem Heidelberger Fakultätskollegen Gerhard Anschütz (1867-1948) vertrat Thoma methodisch die „positivistische Richtung", die in enger Normanlehnung und mit spezifisch juristischer Methodik Angriffe und Umbildungsversuche in Bezug auf die Weimarer Reichsverfassung abwehrte. Bei Thoma war dies methodisch durch Konzepte Max Webers (1864-1920) – mit dem er in Heidelberg persönlich verbunden war – angeleitet. Im so genannten Methoden- und Richtungsstreit der Weimarer Staatsrechtslehre – einem Höhepunkt der Disziplin bis heute – erschien diese Position aus Sicht des Faches zunächst konventionell, ja konservativ, politisch erwiesen sich die so erzielten Ergebnisse als liberal-fortschrittlich. Der methodische Gegenpol war die „antipositivistische" Richtung, welche so unterschiedliche Persönlichkeiten wie die Vertreter der „geisteswissenschaftliche Richtung", Rudolf Smend (1882-1975), Günter Holstein (1892-1931), Erich Kaufmann (1880-1972), katholisch-konservative Dezisionisten wie Carl Schmitt oder sozialdemokratische Staatsrechtler wie Hermann Heller (1891-1933) umfasste. Thoma befand sich 1932, als sein zusammen mit Anschütz herausgegebenes und von ihm maßgeblich mitverfasstes, bis heute wichtiges zweibändiges Handbuch des Deutschen Staatsrechts erschien, auf der Höhe seines Ansehens. Die Republik, deren Staatsrecht dort in Form des Standardwerks ausgebreitet wurde, befand sich zu dieser Zeit schon im Niedergang.
In der Zeit des Nationalsozialismus versiegte die Publikationstätigkeit Thomas zunächst weitgehend. Von seinen bisher vertretenen Positionen konnte er das Regime nur in kritischer Distanz beobachten – für einen Staatsrechtler eine heikle Situation. Sein 1937 erschienenes Werk „Die Staatsfinanzen in der Volksgemeinschaft" stellt letztlich eine volkswirtschaftlich-politische Programmschrift dar, die zu Zugeständnissen an die herrschende Ideologie bereit war, fachlich wie inhaltlich verunglückt erscheint und weder bei Thoma noch in der Staatsrechtslehre oder Nationalökonomie Folgen gezeitigt hat. Es kann nicht mehr eindeutig festgestellt werden, ob dieses Werk eine Reaktion Thomas auf partielle Lehrverbote aus dem Jahr 1936 darstellt.
Erst in der Formierungsphase des entstehenden westdeutschen Teilstaates trat Thoma als einer der wenigen unbelasteten Fachvertreter wieder einflussreich hervor. Sein Ansehen dokumentierte sich nicht zuletzt darin, dass er 1949 als Ehrenvorsitzender die Tagungen der angesehenen, 1921 von ihm mit gegründeten Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer wieder eröffnen durfte. Sein unmittelbar vor seinem Tod vollzogener und publik gemachter Austritt aus der Katholischen Kirche ist bis heute rätselhaft.
Schriften (Auswahl)
Anschütz, Gerhard, Thoma, Richard (Hg.), Handbuch des deutschen Staatsrechts, 2 Bände, Tübingen 1930/1932.
Der Polizeibefehl im badischen Recht, Tübingen 1906.
Die Staatsfinanzen in der Volksgemeinschaft. Ein Beitrag zur Gestaltung des deutschen Sozialismus, Tübingen 1937.
Grundriss der allgemeinen Staatslehre, Bonn 1848.
Über Wesen und Erscheinungsformen der modernen Demokratie, Bonn 1948.
Literatur
Anschütz, Gerhard, Thoma, Richard (Hg.), Handbuch des deutschen Staatsrechts, 2 Bände, Tübingen 1930/1932.
Der Polizeibefehl im badischen Recht, Tübingen 1906.
Die Staatsfinanzen in der Volksgemeinschaft. Ein Beitrag zur Gestaltung des deutschen Sozialismus, Tübingen 1937.
Grundriss der allgemeinen Staatslehre, Bonn 1848.
Über Wesen und Erscheinungsformen der modernen Demokratie, Bonn 1948.
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Waldhoff, Christian, Richard Thoma, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/richard-thoma/DE-2086/lido/57c93e046d4ef6.99929913 (abgerufen am 05.12.2024)