Zu den Kapiteln
Schlagworte
Der Anhänger „des von Kant und Adam Smith geprägten ostpreußischen Liberalismus“ (Gollwitzer) war ein preußischer Spitzenbeamter, der hohe Verwaltungsämter vom Landrat und Regierungspräsidenten bis hin zum und Oberpräsidenten inne hatte und dazwischen im politisch bewegten Jahr 1848 kurzzeitig Minister beziehungsweise preußischer Ministerpräsident war.
Rudolf Ludwig Cäsar von Auerswald wurde am 1.9.1795 in Faulen/Kreis Rosenberg als Sohn des Herrn auf Faulen und Plauthen/Kreis Marienwerder, nachmalig Landhofmeister des Königreiches Preußen (1811), preußischer Staatsrat und Oberpräsident in Ostpreußen, Westpreußen und Litauen Hans Jakob von Auerswald (1757–1830) und der Albertine geborene Burggräfin und Gräfin zu Dohna-Lauck (1760–1831) geboren. Die Familie war evangelischer Konfession. Rudolf von Auerswald heiratete am 31.7.1817 in Lauck seine Cousine Adelheid Burggräfin und Gräfin zu Dohna-Lauck (1795–1859). Aus der Ehe gingen mehrere Kinder hervor.
Auerswald wurde gemeinsam mit Prinz Wilhelm von Preußen, dem nachmaligen König und Kaiser Wilhelm I. (geboren 1797, Regentschaft 1858/1861-1888, ab 1871 Kaiser) erzogen, mutmaßlich im Privatunterricht. Ob er darüber hinaus eine öffentliche Schule in Königsberg besucht hat, ist fraglich. Ab 1811 studierte er in Königsberg Ökonomie und Rechtswissenschaften, im Mai 1812 trat er in das 1. Leibhusaren-Regiment ein, nahm im Armeekorps des Generals von Yorck zunächst am Feldzug gegen Russland teil, wurde am 21.10.1812 zum Sekondelieutenant ernannt und nahm später an den Befreiungskriegen 1813-1815 teil. Am 13.8.1816 zum Premierlieutenant ernannt, fungierte er ab Juni 1817 als Adjunkt der 13. Kavallerie-Brigade, am 9.4.1820 zum Rittmeister befördert. Auf Antrag wurde er am 21.1.1821 aus dem Heeresdienst entlassen.
Am 1.9.1824 trat er als Landrat des Kreises Heiligenbeil in den Staatdienst, von dort wechselte er am 1.7.1835 als Rat in die ostpreußische Landschaftsdirektion. 1838 trat er vorübergehend in den Dienst der Stadt Königsberg, als deren Oberbürgermeister er ab 21. August amtierte, ab 10.9.1840 mit dem Titel Geheimer Regierungsrat. Durch Allerhöchste Kabinettsordre vom 1.7.1842 wurde er zum Regierungspräsident in Trier ernannt und trat diese Stelle am 22. August an. Nach der Märzrevolution wurde er am 25.3.1848 als Vertreter des loyalen ostpreußischen Liberalismus zum Oberpräsidenten der Provinz Preußen ernannt, wechselte wenig später jedoch vorübergehend in das politisch unruhige Berlin, als er durch Kabinettsordre vom 25.6.1848 zum Präsidenten des preußischen Staatsministeriums unter gleichzeitiger Übernahme des Ministeriums des Äußern ernannt wurde. Es wurde zeitgenössisch von einem „Ministerium der Tat“ gesprochen (1), in dem David Hansemann (1790-1864) weiterhin als Finanzminister wirkte. Der Regierung Auerswald war jedoch nur eine kurze Lebensdauer beschieden. Ein bewaffneter Konflikt zwischen Militär und Bürgerwehr Ende Juli im schlesischen Schweidnitz führte zu mehreren Opfern auf Seiten der Bürgerwehr. Politisch wurde dieser Vorfall hochgespielt, und trotz beschwichtigender Versuche des Ministeriums kam es am 7. September zu einer Debatte in der preußischen Nationalversammlung, in der die Fronten nicht geklärt werden konnten. Auerswald erklärte daraufhin am 8. September den Rücktritt seines Kabinetts, den der König am 21. September akzeptierte. Auerswald kehrte in der Folge nach Ostpreußen zurück und übernahm wieder die Amtsgeschäfte des Oberpräsidenten in Königsberg.
Im zeitlichen Umfeld des Jahres 1848 betätigte sich von Auerswald auch rege politisch-parlamentarisch: Vor 1842 gehörte er dem Provinziallandtag der Provinz Preußen an und war zeitweise dessen stellvertretender Landtagsmarschall. 1842 wurde er Mitglied der Vereinigten ständischen Ausschüsse (für die Ritterschaft der Provinz Preußen). 1847 nahm er am Vereinigten Landtag in Berlin teil. 1848 war er Mitglied der preußischen Nationalversammlung (Wahlkreis Frankfurt an der Oder). 1849 bis 1850 gehörte er der preußischen Ersten Kammer in der I. Wahlperiode an (Wahlkreis Karthaus, Danzig, Neustadt, Amt Tiegenhof) und war vom 27.2./1.3.1849-25.2.1850 deren Präsident. Von der Ersten Kammer wurde er 1850 in das Staatenhaus des Deutschen Parlaments (Erfurter Unionsparlament) gewählt. Als (bis 21.3.1850 provisorischer) Präsident stand er dem Staatenhaus vom 20.3.-29.4.1850 vor. Als er bereits kein öffentliches Amt mehr bekleidete, ließ er sich ab 1852 im Wahlkreis Düsseldorf 2 regelmäßig in die preußische II. Kammer beziehungsweise das Abgeordnetenhaus wählen (bis 1862); bis 1855 gehörte er der Linken Fraktion an, danach war er fraktionslos. Im Abgeordnetenhaus spielte er eine nicht unwesentliche Rolle als Vertreter der liberalen Opposition.
Am 1.9.1850 wechselte er als Oberpräsident der Rheinprovinz nach Koblenz, blieb dort aber nur kurze Zeit, denn bereits am 30. 6.1851 stellte ihn das Ministerium unter dem hochkonservativen Otto Freiherrn von Manteuffel (1805-1882, preußischer Ministerpräsident 1850-1858), zu dem er in Opposition stand, zur Disposition. Im Ruhestand unternahm Auerswald eine zweijährige Reise durch die Länder des westlichen Mittelmeeres. Nachdem Prinz Wilhelm von Preußen, sein Freund aus Kindertagen, am 7.10.1858 zum Prinzregenten für seinen erkrankten Bruder Friedrich Wilhelm IV. (Regentschaft 1840-1858, gestorben 1861) bestellt worden war, ernannte er am 5.11.1858 Karl Anton Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen (1811-1885, preußischer Ministerpräsident 1858-1862) zum neuen Präsidenten des Staatsministeriums als Auftakt zur „Neuen Ära“. Diesem Kabinett wurde Auerswald am 6.11.1858 als preußischer Staatsminister ohne Ressort beigegeben, und (laut Kabinettsordre) mit Funktion und Besoldung eines Ministerpräsidenten ausgestattet; hierbei handelte es sich erkennbar eher um eine protokollarische als um eine tatsächliche politische Funktionsbezeichnung. Im Ministerium war Auerswald zuständig für den Staatsschatz, das Münzwesen und die seit 1850 zu Preußen gehörigen Hohenzollernschen Lande. Am 18.3.1862 schied er aus dem preußischen Staatsministerium aus, allerdings wurde die Urkunde auf den 17. März datiert wegen der unguten Assoziationen, die das revolutionäre Datum 18. März (1848) hervorrufen könnte. Anlässlich seines Ausscheidens ernannte ihn König Wilhelm I. zum Oberburggrafen der westpreußischen Marienburg. An Auszeichnungen wurden ihm der Rote Adler-Orden 2. Klasse mit Eichenlaub, das Eiserne Kreuz 2. Klasse, das Militärehrenzeichen 2. Klasse sowie der Kaiserlich-Russische St. Annenorden 2. Klasse zuteil.
Auerswald starb am 15.1.1866 in Berlin.
Quellen
Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38, Band 4/I und Band 4/II: 30. März 1848 bis 27. Oktober 1858, bearb. von Bärbel Holtz, Hildesheim [u.a.] 2003 (Acta Borussica NF 1. Reihe: Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817-1934/38).
Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38, Band 5: 10. November 1858 bis 28. Dezember 1866, bearb. von Rainer Paetau, Hildesheim [u.a.] 2001 (Acta Borussica Neue Folge, 1. Reihe: Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817-1934/38).
Literatur
Bär, Max, Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, Bonn 1919, Nachdruck Düsseldorf 1998.
Bußmann, Walter, Zwischen Preußen und Deutschland. Friedrich Wilhelm IV. Eine Biographie, Berlin 1990, Taschenbuchausgabe München 1992.
Haunfelder, Bernd, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus 1849-1867, Düsseldorf 1994, S. 50.
Lengemann, Jochen, Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850, München/Jena 2000, S. 67-68.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816–1945, Düsseldorf 1994, S. 334-335.
Online
Bardeleben, R. von, Auerswald, Rudolf von, in: Allgemeine Deutsche Biographie 1 (1875), S. 651-654 [Online]
Gollwitzer, Heinz, Auerswald, Rudolf von, in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 439-440 [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Lilla, Joachim, Rudolf von Auerswald, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/rudolf-von-auerswald/DE-2086/lido/5c66bec89df966.24073115 (abgerufen am 07.12.2024)