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Sophie von Hatzfeldt ließ sich von ihrem Ehemann in einem Aufsehen erregenden Prozess scheiden und wurde aufgrund ihres Engagements für die deutsche Arbeiterbewegung als „rote Gräfin" bekannt.
Sophie Gräfin von Hatzfeldt-Schönstein zu Trachenberg wurde am 10.8.1805 in Berlin geboren. Ihr Vater, Fürst Franz Ludwig von Hatzfeldt-Schönstein zu Trachenberg (1756-1827), stand zunächst als Militär, später als Diplomat in preußischen Diensten. Die Mutter, Friederike Karoline Sophie Gräfin von der Schulenburg-Kehnert (1779-1832), stammte aus einer bekannten preußischen Militär- und Beamtenfamilie. Sie soll durch ihr couragiertes Auftreten während einer Audienz bei Kaiser Napoleon 1806 ihren Ehemann vor der Todesstrafe bewahrt haben.
Sophie verbrachte ihre Kindheit vorwiegend auf dem schlesischen Schloss Trachenberg und in Berlin, bis sie 1822 im Alter von 17 Jahren aus wirtschaftlichen und familienpolitischen Gründen mit ihrem Cousin Edmund Fürst von Hatzfeldt-Wildenburg zu Trachenberg (1796-1874) verheiratet wurde. Am 10.8.1822 fand die kirchliche Trauung in der Kapelle von Schloss Allner und die zivile Trauung in Lauthausen (beide Orte heute zu Hennef) statt. Zwei Tage später wurde die Hochzeit auf Schloss Kalkum groß gefeiert. Schloss Kalkum im Norden Düsseldorfs war der Mittelpunkt der Besitzungen der Familie von Hatzfeldt-Wildenburg, wo Edmund residierte.
Die Ehe war für Sophie von Beginn an unglücklich. Edmund betrog sie und zeigte ihr gegenüber keinerlei Rücksicht oder Anerkennung, sondern setzte sie zahlreichen Schikanen aus. Er verbot ihr oft den Ausgang, entzog ihr sämtliche Finanzen und wurde sogar körperlich tätlich. Sophie verbrachte auf diese Weise viele einsame Jahre auf Schloss Kalkum. Einziger Trost waren ihre drei Kinder Alfred (1825-1911), Melanie (1828-1901) und Paul (1831-1901), die ihr von Edmund jedoch zunehmend entfremdet wurden. Den Demütigungen entfloh Sophie, wann immer es möglich war, in Reisen und Liebesabenteuer. Seit 1833 lebte sie faktisch von ihrem Mann getrennt. Es folgten mehrere so genannte „Versöhnungsversuche", die hauptsächlich Sophie dazu verpflichten sollten, sich standesgemäß zu verhalten und nicht gegen ihre Ehe aufzubegehren.
Sophies Verhalten war eine Auflehnung gegen die Moralvorstellungen des Adelsstandes, die ihr vorschrieben, sich in ihre Ehe zu fügen. Sie pochte darauf, als Frau eine eigenständige Persönlichkeit mit eigenen Rechten zu sein; eine zu Beginn des 19. Jahrhunderts unerhörte Forderung.
Schließlich kam es ab 1846 zu der acht Jahre dauernden gerichtlichen Auseinandersetzung „Hatzfeldt gegen Hatzfeldt", die vor über 30 verschiedenen rheinischen Gerichten geführt wurde. Unterstützt wurde Sophie dabei von dem 20 Jahre jüngeren Ferdinand Lassalle (1825-1864), der ihr 1846 vom Grafen Kayserlingk vorgestellt worden war. Lassalle sah den Prozess als politisches Betätigungsfeld in seinem Kampf gegen die soziale Unterdrückung. Der Scheidungsprozess wurde von beiden Seiten mit großer Härte und allen erdenklichen legalen und illegalen Mitteln geführt. Unsummen wurden für Bestechung und Spionage ausgegeben, um falsche Zeugenaussagen zu bekommen und die andere Seite zu kompromittieren.
Das Verfahren zog sich auch deshalb so lange hin, weil Sophie neben der Scheidung für ihr finanzielles Auskommen kämpfte. Ohne Alimente ihres Mannes war sie mittellos. Der Verlauf des Prozesses stand in engem Zusammenhang mit den Ereignissen der Märzrevolution 1848/1849. Während Sophie zunächst einige Erfolge verbuchen konnte, gaben die Gerichte nach 1850 keinem ihrer Anträge mehr statt. Die Richter standen wieder auf der Seite der alten Standesherren.
Ende Juli 1851 wurde die Ehe von Sophie und Edmund von Hatzfeldt schließlich rechtskräftig geschieden. Sophie verlor damit die ihr bis dahin zustehende Alimentation in Höhe von jährlich 8.000 Talern. 1854 schließlich kam ein Vergleich zustande, der Sophie ein regelmäßiges Einkommen garantierte. Davon profitierte auch Ferdinand Lassalle, dem Sophie nun sein Honorar auszahlen konnte.
Durch die Bekanntschaft mit Lassalle wurde Sophie in dieser Zeit zu einer unabhängigen, politisch aktiven Frau, die sich als erste in die damals ausschließlich männlich dominierte Domäne der Parteienpolitik vorwagte. Bereits während der Märzrevolution war ihre Düsseldorfer Wohnung ein Anlaufpunkt für Verfechter der demokratischen Sache und politisch Verfolgte. Zu den Besuchern zählten unter anderem Karl Marx und Ferdinand Freiligrath. Über ihren Sohn Paul, der zum Kassierer des Düsseldorfer Volksklubs gewählt worden war, wurde Sophie über die Interna der organisierten demokratischen Bewegung auf dem Laufenden gehalten. Sie begleitete Paul und Lassalle zu den verschiedenen Versammlungen, wobei das Trio, durchaus beabsichtigt, Aufmerksamkeit erregte. Von der Versammlung am 8.10.1848 in Gerresheim (heute Stadt Düsseldorf) kehrten sie demonstrativ in einem Wagen, der vorne mit einer roten Fahne und an den Seiten schwarz-rot-gold geschmückt war, nach Düsseldorf zurück. Sophies großes Engagement brachte sie immer wieder in Konflikt mit der Obrigkeit, der sie äußerst couragiert entgegen trat. Sophie und Lassalle standen in dieser Zeit unter permanenter Beobachtung durch die Polizei.
Die Jahre nach dem Abschluss ihres Scheidungsprozesses verbrachte Sophie mit verschiedenen Kuraufenthalten in Deutschland sowie mit Reisen nach Italien, auf denen sie Lassalle begleitete. 1859 folgte Sophie Lassalle nach Berlin, um ihn bei seinen politischen Aktivitäten zu unterstützen. Das Jahr 1863 markiert schließlich den Beginn der Lassalleschen Arbeiteragitation. Lassalle trat in westdeutschen Städten vor Arbeitern auf, um diese für seine sozialpolitischen Ideen und die Arbeiterbewegung zu gewinnen. Sophie unterstützte ihn entweder dadurch, dass sie ihn zu seinen Auftritten begleitete oder als Stützpunkt für die junge Arbeiterbewegung in Berlin agierte. Als Frau war es ihr aufgrund des preußischen Vereinsgesetzes verboten, dem im Mai 1863 von Lassalle initiierten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) beizutreten. Sophie unterstützte den Verein jedoch auf informelle Art und Weise.
Sophie war für Lassalle nicht nur eine politische, sondern auch eine wichtige moralische Stütze. Über das enge Verhältnis der beiden ist viel spekuliert worden. Allein die Tatsache, dass die adlige Gräfin mit einem 20 Jahre jüngeren bürgerlichen Juden ohne Trauschein zusammenlebte, war für die damalige Zeit skandalös. Sie waren zwei enge Vertraute, die einander brauchten, ohne ein Liebespaar zu sein. Denn beide hatten ihre Affären, wobei die Beziehung Sophies zu dem Offizier Wilhelm Rüstow (1821-1878) fast zum Bruch mit Lassalle geführt hätte.
Wie sehr Sophie jedoch ihren Freund verehrte, wird an ihrem Verhalten unmittelbar nach dem Tod Lassalles deutlich. Lassalle starb am 31.8.1864 in Genf an den Folgen eines Duells. Noch an seinem Totenbett schwor sie, Rache zu nehmen und die Ideen Lassalles in seinem Sinne weiterzuführen. Sophie beabsichtigte, den Leichnam Lassalles in einem Triumphzug durch alle Städte zu führen, in denen sich Ableger des ADAV gebildet hatten. Nach spektakulären Totenfeiern in Frankfurt am Main und Mainz erreichte Sophie am 12. September den Düsseldorfer Bahnhof, von wo aus der Leichnam per Dampfboot über den Rhein nach Köln gebracht werden sollte. Dieses Vorhaben wurde jedoch auf Intervention der Mutter Lassalles von der Polizei vereitelt. Lassalle wurde in seine Heimatstadt Breslau gebracht, wo er fast heimlich begraben wurde. Trotz des Scheiterns des Leichenzugs war damit der Lassalle-Kult geschaffen worden, der zu einem wichtigen Integrationsmittel für die Arbeiterbewegung wurde.
Sophie beabsichtigte, den ADAV als heimliche Präsidentin weiterzuführen, da sie sich als einzig berechtigte Verwalterin des Vermächtnisses Lassalles sah. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der anderen führenden Mitglieder des Vereins. Nachdem es ihr bei der Generalversammlung 1866 nicht gelungen war, einen eigenen Kandidaten für das Amt des Präsidenten durchzusetzen, gründete sie eine Gegenpartei, den Lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (LADAV), der vor allem in Sachsen erfolgreich war.
Sophie stieß auf immer mehr Ablehnung bei den frauenfeindlichen Arbeiterfunktionären. 1869 beteiligte sie sich am Wahlkampf für den Norddeutschen Reichstag. Als jedoch der Versuch, den LADAV mit dem ADAV zu vereinigen, im selben Jahr misslang, sank sie politisch in die Bedeutungslosigkeit. Letztlich waren ihre Versuche, in der Arbeiterbewegung gestaltend mitzuwirken, durch ihr starres Festhalten an dem Erbe Lassalles gescheitert. Dennoch bewies sie großen Mut, indem sie versuchte, in der männlich dominierten Welt ihre Vorstellungen durchzusetzen.
Nach weiteren rastlosen Jahren starb sie am 25.1.1881 in einem Hotel in Wiesbaden. Ihr Wunsch war es, „daß neben seinem [Lassalles] großen Namen der meinige einen bescheidenen Platz behalte als den seines besten und einzigen Freundes". Diese Ehre wurde ihr bisher nicht zuteil. Ein Erinnerungsort für die Freundschaft zwischen Sophie von Hatzfeldt und Ferdinand Lassalle existiert am Schloss Kalkum, wo eine Plakette an Sophie und eine Gedenkstätte im Schlosspark an Lassalle erinnert.
Quellen
Botschafter Paul Graf von Hatzfeldt: "Nachgelassene Papiere 1838-1901." Hg. und eingeleitet von Gerhard Ebel in Verbindung mit Michael Behnen, Boppard a. Rh. 1976.
Literatur
Gebhardt, Manfred, Sophie von Hatzfeldt. Ein Leben mit Lassalle. Biografie, Berlin 1991.
Herzig, Arno, Sophie von Hatzfeldt (1805-1881). Die erste Politikerin im modernen Parteienstaat, in: Heimat-Jahrbuch Wittlaer 28 (2007), S. 165-171.
Hirsch, Helmut, Sophie von Hatzfeld (1805-1881), in: Rheinische Lebensbilder 10 (1985), S. 121-139.
Kling-Mathey, Christiane, Gräfin Hatzfeldt 1805-1881. Eine Biographie, Bonn 1989.
Stein, Britta, Der Scheidungsprozeß Hatzfeldt (1846-1851), Münster 1999.
Online
Hentig, Hans Wolfram v., „Hatzfeldt-Trachenberg, Sophie Gräfin v.", in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 67-68.
Mayer, Gustav (Hg.), Ferdinand Lassalle. Nachgelassene Briefe und Schriften, Band 4: Lassalles Briefwechsel mit Gräfin Sophie von Hatzfeldt (Digitalisierte Ausgabe der Briefe und Schriften Ferdinand Lassalles durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften).
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Küntzel, Astrid, Sophie von Hatzfeldt, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/sophie-von-hatzfeldt/DE-2086/lido/57c827dfd26f99.41211646 (abgerufen am 05.12.2024)