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Sybille Schmitz war eine Theater- und Filmschauspielerin, die mit ihrer androgynen Erscheinung von den 1930er Jahren bis in die frühen 1950er Jahre als das geheimnisvollste Gesicht des deutschen Films galt. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb ihr Werk allerdings künstlerisch wie kommerziell unbedeutend.
Sybille Maria Christine Schmitz wurde am 2.12.1909 in Düren, Oberstraße 93 (heute: 63) als erstes Kind von Joseph Schmitz und seiner Ehefrau Anna geborene Dahmen geboren. Der Vater war Konditor, die Mutter stammte aus der Familie eines Matratzenfabrikanten aus Birkesdorf bei Düren. Die Familie war katholisch. In der Oberstraße 93 befand sich seit 1907 das Café Schmitz, eine Filiale der alteingesessenen, im Stadtzentrum gelegenen Konditorei Schmitz, die Sybilles verwitweter Großmutter gehörte. Joseph Schmitz hatte sein Handwerk im elterlichen Betrieb erlernt und bei großen Konditoreien in Leipzig, Dresden und Wien verfeinert, ehe er nach Düren zurückkehrte und heiratete.
Der Familie wurden neben Sybille vier weitere Kinder geboren: Christel (1912), Agnes (1914), Fritz (1916) und Willi (1921). 1913 zog die Familie an die Zülpicher Straße 11 um. Nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg machte sich Sybilles Vater selbständig und gründete einen Süßwarengroßhandel. Die Familie zog zurück in die Oberstraße und bezog an der Hausnummer 117 eine geräumige Villa, umgeben von einem Garten mit altem Baumbestand. In ihren ersten Schuljahren besuchte Sybille das Katholische Lyzeum an der Tivoli-Straße. Ab September 1920 wurde Sybille Schmitz für drei Jahre Schülerin des Internats der Dillinger Franziskanerinnen in Lohr am Main, das schon ihre Mutter besucht hatte. Früh hegte Sybille den Wunsch, Schauspielerin zu werden.
Durch die Hyperinflation von 1923 verlor Sybilles Vater seine wirtschaftliche Grundlage. Sybille kehrte Anfang 1924 nach Düren zurück und zog eineinhalb Jahre später mit Eltern und Geschwistern nach Köln, wo ihr Vater das „Eigelstein-Casino“ übernahm, eine Mischung aus Restaurant, Tanzcafé und Kabarett. Nach Ende ihrer Schulzeit besuchte Sybille auf Anraten ihres Vaters eine Handelsschule und begann für eine Hausverwaltung zu arbeiten. Bald darauf bewarb sie sich bei der Schauspielschule des Kölner Schauspielhauses und wurde nicht zuletzt dank der Fürsprache der renommierten Schauspielerin Louise Dumont aufgenommen. Mit einem Empfehlungsschreiben ihrer Förderin machte sich Sybille Schmitz im Herbst 1927 auf nach Berlin, wo sie am Deutschen Theater von Max Reinhardt (1873-1943) mit einem Dreijahresvertrag als Ensemblemitglied engagiert wurde. Ab Januar 1928 spielte sie dort zunächst Nebenrollen. Im Sommer 1928 stand sie für einen abendfüllenden Werbefilm der SPD erstmals vor der Kamera: „Freie Fahrt! Ein Film vom erwachten Menschenrecht“ (Regie: Ernö Metzner) zeigt sie als junge, hochschwangere Arbeiterin in einer Buchbinderwerkstatt. Weitere Stummfilme und größere Theaterrollen folgten, so in Georg Wilhelm Pabsts (1885-1967) „Tagebuch einer Verlorenen“ (1929) oder am Deutschen Theater, gemeinsam mit Gustaf Gründgens (1899-1963) und Hans Albers (1891-1960), in Ferdinand Bruckners (1891-1958) „Die Verbrecher“. Schmitz‘ Kollegin Marianne Hoppe (1909-2002), die sie in dieser Zeit kennenlernte, urteilte über sie: „Sie war vom Typ her in between. Das machte sie enorm anziehend. Privat war sie klug und warmherzig. Dabei wirkte sie auf mich immer höchst gefährdet, weil sie in allem, was sie tat, so intensiv war. Ihr Spiel war von großer Klarheit.“
Im Frühjahr 1930 erhielt Sybille Schmitz erstmals eine Hauptrolle in einem Tonfilm: „Vampyr“ (Regie: Carl Theodor Dreyer) erzählt die Geschichte zweier Schwestern in den Fängen eines Blutsaugers. Ihr anfänglicher Ausruf „Ach könnt‘ ich doch sterben!“ sollte zum Leitmotiv für Karriere und Leben von Sybille Schmitz werden. Im Sommer 1930 wechselte sie für eine Spielzeit an das Hessische Landestheater nach Darmstadt. Zurück in Berlin, trat sie in einer Inszenierung von Max Reinhardt als Lady Milford in Schillers „Kabale und Liebe“ wieder am Deutschen Theater auf.
Ihren Durchbruch als Filmschauspielerin erlebte Sybille Schmitz in der Ufa-Produktion „F.P.1 antwortet nicht“ (1932, Regie: Karl Hartl). In dem seinerzeitigen utopischen Abenteuerspektakel um eine künstliche Meeresplattform zum Auftanken von Überseeflugzeugen spielte sie eine Reederei-Erbin, die an der Seite eines Piloten (Hans Albers) zu einer Rettungsaktion aufbricht, nachdem die Plattform von Saboteuren gekapert wurde. Ihr Auftritt in Ledermontur und Fliegerbrille prägte das androgyne Image der 23-Jährigen. Der Kritiker Herbert Ihering (1888-1977) würdigte Schmitz: „Endlich ein neuer Typ, endlich ein neuer Ton. Ohne Ausbrüche, ohne Theater. Wirklich Tonfilm: Ausdruck auf den Tonfall gebracht und auf wenige andeutende mimische Nuancen.“[1]
Es folgte, ebenfalls für die Ufa, „Rivalen der Luft“ (1934, Regie: Frank Wysbar) und eine Reihe weiterer Filme, in denen Sybille Schmitz Hauptrollen spielte, so in dem Chopin-Porträt „Abschiedswalzer“ (1934, Regie: Géza von Bolváry) als George Sand (1804-1876), die Geliebte des Komponisten. Ebenfalls im Künstlermilieu angesiedelt waren die Komödie „Musik im Blut“ (1934, Regie: Erich Waschneck), „Stradivari“ (1934, Regie: Géza von Bolváry) und „Wenn die Musik nicht wär´“ (1935, Regie: Carmine Gallone). Von besonderer Eindringlichkeit ist in Carl Froelichs (1875-1953) Kriminalfilm „Ich war Jack Mortimer“ (1935) ihre Rolle als unglücklich verheiratete Ehefrau eines despotischen Dirigenten, die damit droht, sich eher umzubringen, als länger an seiner Seite zu bleiben.
Ein erster Höhepunkt von Schmitz‘ Karriere wurde ihre Titelrolle in Frank Wysbars (1899-1967) „Fährmann Maria“ (1936). In der spätexpressionistischen Sagenverfilmung, angesiedelt in einer verwunschenen Moorlandschaft, rettet die ‘Heimatlose‘ ihren sterbenskranken Geliebten vor dem Tod, in dem sie mit diesem, in Gestalt eines düsteren Fährgastes, tanzt. Die Kritik befand: „Ein Gesicht, dessen melancholische Insichgekehrtheit unendliche Sehnsucht vermittelt.“[2] Ebenfalls mit Wysbar entstand „Die Unbekannte“ (1936), eine freie Bearbeitung des französischen Mythos der ‘Inconnue de la Seine‘ um den Abstieg einer ehrenwerten Frau, der kein Glück vergönnt ist und die ins Wasser geht. Erbaulicher war Schmitz‘ Auftritt in „Die Umwege des schönen Karl“ (1938, Regie: Carl Froelich) als Tochter eines Reichstagsabgeordneten, die ein Provinzkellner (Heinz Rühmann) vor einem Handtaschenraub bewahrt, worauf sie seinen gesellschaftlichen Aufstieg befördert.
Bei allem Kinoerfolg, der Sybille Schmitz Mitte der 1930er Jahre zahlreiche Film-Engagements einbachte, arbeitete die Schauspielerin weiterhin für die Bühne, etwa in der Titelrolle von August Strindbergs (1849-1912) Drama „Königin Christine“, mit der Schmitz im Herbst 1937 erstmals an die Münchner Kammerspiele kam.
Zu einem künstlerischen Höhepunkt für Sybille Schmitz geriet 1938 ihre Mitwirkung in Hans Steinhoffs (1882-1945) „Tanz auf dem Vulkan“. In dem Film über den französischen Komödianten und Revolutionär Jean-Gaspard Debureau (1796-1846), dargestellt von Gustaf Gründgens, spielt sie dessen Geliebte, die Gräfin Héloise Cambouilly. Ihren Mann (Theo Lingen), einen Hoflakaien, verachtet sie, König Karl X. (Ralph Arthur Roberts), der sie zu seiner Mätresse machen will, geht sie aus dem Weg. Einzig dem Satiriker Debureau, der in seinem Théâtre Funambules allabendlich die Massen mit seinen Spottgesängen gegen die Obrigkeit hinreißt, gehört ihre Sympathie. Schlagfertige Dialoge prägen die Szenen zwischen Schmitz und Gründgens, in denen sich die beiden Rheinländer spürbar auf Augenhöhe befinden.
Ein von Sybille Schmitz überliefertes, im Herbst 1938 durch Propaganda- und Filmminister Joseph Goebbels (1897-1945) gegen sie ausgesprochenes Berufsverbot ist nicht nachweisbar. Vielmehr erschienen zwischen 1939 und 1945 weitere Filme mit ihr, wenn auch, kriegsbedingt, in größeren Abständen.
Als ebenso schöne wie mysteriöse russische Agentin im Zwiespalt zwischen politischem Auftrag und persönlicher Neigung ist Sybille Schmitz in dem Melodram „Hotel Sacher“ (1939) von Erich Engels (1889-1971) zu sehen. Dort trifft sie als Nadja Woroneff am Sylvesterabend des Jahres 1914 zufällig ihre alte Liebe wieder, den österreichischen Staatsbeamten Stephan Schefcuk (Willy Birgel), der wegen Hochverrats einsaß. Hatte sie ihn einst verraten?
Anfang 1940 heiratete Sybille Schmitz in Berlin den Drehbuchautor Harald G. Petersson (1904-1977), den sie bei der Arbeit an einem ihrer Filme kennengelernt hatte. Bald darauf verlegte das Ehepaar seinen Lebensmittelpunkt aus dem bombenbedrohten Berlin nach Krimml im österreichischen Pinzgau, wo es bis Kriegsende blieb.
Ein lebhaftes verbales Florettfechten liefern sich Sybille Schmitz und Hans Albers in „Trenck, der Pandur“ (1940, Regie: Herbert Selpin). Angesiedelt im 18. Jahrhundert handelt der Film von der ungleichen, auf Distanz bleibenden Beziehung zwischen dem draufgängerischen Kommandeur eines Pandurenregiments (Albers), der eine junge Prinzessin (Schmitz) auf der Flucht vor einem ungeliebten Eheanwärter als Pandur in seinem Regiment versteckt.
Ihren letzten prominenten Auftritt in einer Produktion der NS-Zeit hatte Sybille Schmitz in dem antibritischen Tendenzfilm „Titanic“ (1942). Als reiche, vereinsamte Weltenbummlerin erfährt sie auf dem totgeweihten Schiff durch ein Telegramm vom Verlust ihres gesamten Vermögens, was sie mit Gleichmut quittiert. Im Moment des Untergangs der Titanic beweist sie selbstlosen Mut und hilft Frauen und Kindern in die Rettungsboote. Der Film, von Regisseur Herbert Selpin (1902-1942) begonnen, wurde nach dessen Denunziation wegen „defaitistischer“ Äußerungen während der Dreharbeiten und nach dessen Selbstmord in Untersuchungshaft von Werner Klingler (1903-1972) fertiggestellt, kam aber erst 1950 in die deutschen Kinos.
Den Beginn ihrer Nachkriegskarriere dokumentiert eindrucksvoll Harald Brauns (1901-1960) Trümmerfilm „Zwischen Gestern und Morgen“ (1947), in dem sie eine verfolgte Jüdin spielt, die sich in ein Münchner Hotel flüchtet und sich dort nach ihrer Entdeckung durch die Gestapo aus Angst vor der Deportation in den Tod stürzt. In den folgenden, durch Rastlosigkeit und häufige Wohnortswechsel geprägten Jahren tat sich Sybille Schmitz zunehmend schwer, in Produktionen der neu gegründeten westdeutschen Filmindustrie besetzt zu werden. Sybille Schmitz‘ überschaubares Œuvre der 1950er Jahre blieb künstlerisch wie kommerziell unbedeutend. Ausnahme: Rudolf Jugerts „Illusion in Moll“ (1952). Hier spielt sie mit großer Würde eine verwitwete Hotelbesitzerin an der Schwelle zum Alter, die sich in einen Filou verliebt, der es auf ihr Geld abgesehen hat und von ihrem Sohn (Hardy Krüger) und dessen Freundin (Hildegard Knef) zur Raison gebracht wird.
Ihre weniger gewordenen Filmengagements versuchte Sybille Schmitz durch Theaterarbeit zu kompensieren und trat in Frankfurt am Main im Theater am Zoo und im Münchner Atelier-Theater ihrer Freundin Beate von Molo (1908-1998) in Stücken vorzugweise existenzialistischer französischer Autoren auf. Alkohol- und Drogenprobleme prägten zunehmend den Alltag der Schauspielerin. Hinzu kamen wiederholt Selbstmordversuche des einstigen Filmstars, der jetzt für sich erkannte: „Ich habe mich so bemüht, wieder Anschluss zu finden, aber man kann mich nicht mehr brauchen!“[3]
Mit diesem Satz ihres Abschiedsbriefes schied Sybille Christina Schmitz, geboren im rheinischen Düren, am 13.4.1955 in München durch eine Überdosis Schlaftabletten freiwillig aus dem Leben. Eine Schauspielerin, über die der Filmkritiker Hans Schifferle in der Süddeutschen Zeitung schrieb: „Ein Hauch von Melancholie umgibt sie wie ein Heiligenschein. Sehnsucht zaubert sie auf die Leinwand, diese Exotin der Moderne, diese große Verlorene des deutschen Kinos, diese wahre femme du cinéma.“[4]
Literatur
Beyer, Friedemann, Schöner als der Tod. Das Leben der Sybille Schmitz, 2. Auflage, München 1998.
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Beyer, Friedemann, Sybille Schmitz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/sybille-schmitz/DE-2086/lido/621f29d21cb9b5.91670320 (abgerufen am 07.12.2024)