Zu den Kapiteln
Schlagworte
In 37 Jahren als Professor für landwirtschaftliche Betriebslehre in Bonn erwarb sich Theodor Brinkmann das Verdienst, die betriebliche Agrarökonomie erstmalig wissenschaftlich systematisiert zu haben. Als erster Nachkriegsrektor der Bonner Universität setzte er in den Anfängen der Besatzungszeit wichtige Akzente zum Erhalt der Hochschule.
Geboren wurde Johann Heinrich Theodor Brinkmann als Sohn der katholischen Bauern und Gutsbesitzer Johann Theodor Brinkmann (1843-1922) und seiner Frau Josefine Strangemann (1852-1919) am 24.4.1877 im westfälischen Marl. Seine Eltern stammten beide aus seit Generationen dort ansässigen Bauernfamilien. Der Beginn seines Lebensweges versprach ihm dabei zunächst nicht, Wissenschaftler zu werden. Nach der Volks- und später der Rektoratsschule in Buer sowie der angesehenen Landwirtschaftsschule in Lüdinghausen, die er 1894 abschloss, arbeitete er sieben Jahre lang auf dem väterlichen Gut. Langfristig sollten diese Jahre der Praxis allerdings prägend für ihn und seine Forschungsschwerpunkte sein.
An der damaligen Landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn-Poppelsdorf nahm Brinkmann 1901 sein Studium mit den Schwerpunkten Tierzucht und Betriebslehre auf, das er nach seinem Wechsel an die Universität Jena mit der Prüfung zum Tierzuchtinspektor beendete. Noch in Jena wurde er als Schüler des Botanikers Wilhelm Edler (1855-1939) über die dänische Schweinezucht promoviert. Bereits mit dieser Schrift erregte Brinkmann ein gewisses internationales Aufsehen. Noch orientierte sich Brinkmann am Gebiet der Tierzucht, weshalb er 1906 eine Assistenz an der Versuchsstation und Lehranstalt für Molkereiwesen in Kiel annahm. Nach der Habilitation an der Thüringer Alma Mater 1908 wechselte er zurück nach Bonn, um in Poppelsdorf den Lehrstuhl des schon damals sehr bekannten Agrarökonomen Friedrich Aeroboe (1865-1942) weiterzuführen. Brinkmann wurde mit seiner Berufung 1911 zu dessen Nachfolger und zum ordentlichen Professor an der Landwirtschaftlichen Hochschule ernannt. Gleichzeitig wurde er zum Direktor des Instituts für landwirtschaftliche Betriebslehre berufen.
Wie viele seiner Kollegen wurde auch Brinkmann, der seinen Wehrdienst als Einjährig-Freiwilliger 1897/1898 abgeleistet hatte, im August 1914 als Oberleutnant d. R. ins preußische Heer eingezogen. Bis zum Ende des Krieges diente er in verschiedenen Funktionen, zuletzt als Hauptmann d. R., im Stabsdienst des 6. Armeekorps. Von dort konnte er ungehindert noch im selben Jahr an die Landwirtschaftliche Hochschule Bonn-Poppelsdorf zurückkehren und den Lehrbetrieb wieder aufnehmen.
Obschon Brinkmann 1919 Rufe aus Breslau und Leipzig erhielt, blieb er der Bonner Hochschule treu, was wohl auch deren Nähe zur Universität geschuldet war, an der er auch mit Genehmigung der Philosophischen Fakultät las. Mit seinem 1914 fertiggestellten und 1922 im „Grundriß der Sozialökonomik“ erschienen Hauptwerk „Die Ökonomik des landwirtschaftlichen Betriebes“ lenkte er die internationale Aufmerksamkeit auf seine betriebswirtschaftlichen Forschungen. Das Buch fand schnell so viel Resonanz, dass es nicht nur ins Englische und Französische, sondern auch ins Russische und Japanische übersetzt wurde, wodurch die Bonner Landwirtschaftliche Hochschule und die hiesige Agrarwissenschaft im Allgemeinen gleichsam zum internationalen Magneten wurde. Darin entwickelte Brinkmann die Überlegungen der berühmten preußischen Agrarwissenschaftler Albrecht Thaer (1752-1828) und Johann Heinrich von Thünen (1783-1850) weiter. Brinkmanns Forschungsschwerpunkte lagen vor allem bei den Fragen von Intensität und Rentabilität, Produktionsrichtung und Betriebsorganisation der Landwirtschaft. Damit trug er wesentlich zur theoretischen Fundierung der landwirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre bei. Zentral in seinen Untersuchungsergebnissen war die Standort- beziehungsweise Intensitätslehre. Die Standortlehre besagt im Wesentlichen, dass externe wie interne, integrierende wie differenzierende Kräfte die Standortorientierung, das heißt die regionale Differenzierung der Betriebsformen beeinflusst. Die natürlichen Standortverhältnisse wie auch den wirtschaftlichen Entwicklungsstand einzubeziehen, korrespondiert mit seiner Forderung, jeweils auch die Betriebsleiterpersönlichkeit als Qualitätsfaktor in der Landbauwirtschaft anzuerkennen. Insgesamt betrachtet, erkannte Brinkmann im landwirtschaftlichen Betrieb eine organische Einheit.
Im Rahmen einer Kommission, die unterstützt vom Reichslandwirtschaftsministerium durch die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft in die USA 1925 für mehrere Monate entsandt wurde, studierte Brinkmann die dortigen betriebswirtschaftlichen Verhältnisse, um die Fortschritte in der US-amerikanischen Landwirtschaft mit der deutschen Entwicklung vergleichen zu können. Einige Jahre später entsandte ihn die Reichsregierung erneut nach Übersee, diesmal von 1928 bis 1930 als landwirtschaftlichen Sachverständigen des Deutschen Gesandten in Buenos Aires. Hier untersuchte er die Bedingungen zwischen Nutztierhaltung und Boden- wie Betriebsorganisation in Argentinien, Chile, Uruguay und Paraguay. Das Angebot der argentinischen Regierung, dauerhaft für sie als Sachverständiger tätig zu sein, schlug er dann jedoch aus.
Bereits von 1926 bis 1928 stand Brinkmann der Poppelsdorfer Hochschule als Rektor vor. Mit der von der NS-Preußenregierung verfügten Eingliederung der Hochschule als Landwirtschaftliche Fakultät in die Universität 1934 wurde Brinkmann nun auch dort ordentlicher Professor. Als langjähriges Mitglied der Zentrums-Partei und praktizierender Katholik stand Brinkmann den Nationalsozialisten ohnehin äußerst distanziert gegenüber. Zum moralisch-ideologischen Abstand gesellten sich zudem noch fachliche Differenzen zur nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Theorie und insbesondere zur Reichserbhofgesetzgebung. Der reinen Quantifizierung der Landwirtschaftsproduktion widersprach er ebenso rigoros wie auch die Erbregelung die von Brinkmann geforderte Qualifizierung und das Talent des Betriebsleiters konterkarierte. Dafür beriet er erfolgreich das Kloster Fulda im Rechtsstreit mit dem Reich, das auf Bodeneigentum des Klosters einen Truppenübungsplatz errichten wollte. Papst Pius XII. (Pontifikat 1939-1958) verlieh Brinkmann daraufhin 1939 zum Dank das Komturkreuz des Gregoriusordens. Da ein wissenschaftliches Fortkommen auf seinem Spezialgebiet kaum noch möglich war, verlegte Brinkmann seinen Forschungsschwerpunkt auf die Frage der Fruchtfolge. Dabei gelang ihm mit seinen 1943 publizierten Untersuchungen Beachtliches. Brinkmann systematisierte und ordnete die chaotische Fruchtfolge im deutschen Landbau. Er wählte dazu eine Systematik der Frucht vom tragenden Glied (zum Beispiel Hackfrucht) zum abtragenden Glied (zum Beispiel Getreide) und entwickelte daraus eine Abfolge von Fruchtfolgen beziehungsweise Fruchtfolgengrundrisse. „Brinkmann hat mit diesem gedanklich neuen Konzept das Verständnis für Fruchtfolgefragen in der Praxis gestärkt, aber auch der wissenschaftlichen Fruchtfolgeforschung nachhaltige Impulse gegeben. Seine Fruchtfolgesystematik fand Eingang in alle pflanzenbaulichen Hochschullehrbücher.“ (Böhm)
Obschon Brinkmann altersgemäß hätte emeritiert werden können, musste er kriegsbedingt seine Professur fortführen – zum Vorteil für die Bonner Universität. Im April 1945 mit dem kämpfenden Einmarsch von US-Truppen in Bonn übergab der bisherige NS-Rektor Karl Chudoba (1898-1976) Brinkmann als politisch Unverdächtigem die Leitung der Amtsgeschäfte. Dabei erreichte dieser, dass die Universität von den weiteren Kampfhandlungen verschont blieb. In den ersten Monaten der Besatzung unternahm Brinkmann alle möglichen Schritte in den Verhandlungen mit den Amerikanern, die Institution und ihren Lehrkörper zu erhalten. So öffnete er auch – zum Ärger einiger Ordinarien – die Versuchsgärten der Landwirtschaftlichen Fakultät für die Versorgung der Kranken im Universitätsklinikum. In die Bonner Geschichte ging er ferner als „Vater des Maisbrotes“ ein, da er dafür warb, aus den USA importiertes Maismehl zum Brotbacken zu verwenden. Auch nach seinem mehr unfreiwilligen Rücktritt vom Amt des provisorischen Rektors blieb Brinkmann für die Universität Bonn ein wichtiger Mitarbeiter in städtischen Ausschüssen der Stadt Bonn. Denn vom Sommer bis zum Ende 1945 trug die Stadt die finanzielle und aufsichtsrechtliche Verantwortung für die Alma Mater.
1948 wurde Brinkmann emeritiert. Bis zu seinem Tode am 11.8.1951 blieb ihm jedoch keine Zeit mehr, seine im Laufe seiner langjährigen Forschung zusammengetragenen Erkenntnisse in einem systematisierenden Handbuch der landwirtschaftlichen Betriebslehre niederzuschreiben. Schon kurz nach seinem Ableben schied auch seine Ehefrau Charlotte Nießen (1891-1951) dahin, die er 1915 geehelicht hatte. Theodor Brinkmann und seine Frau hinterließen zwei Söhne und eine Tochter.
Die Landwirtschaftliche Fakultät der Universität Bonn ehrt noch heute das Andenken an Brinkmann mit dem seit 1971 durch die Theodor-Brinkmann-Stiftung e.V. alle zwei Jahre vergebenen Theodor-Brinkmann-Preis. Mit ihm werden Personen ausgezeichnet, die sich durch besondere Arbeiten zur landwirtschaftlichen Unternehmensführung und agrarischen Wirtschaft hervorgetan haben. Ferner fördert seit 2008 die Theodor-Brinkmann-Graduiertenschule den promovierenden Nachwuchs der Fakultät. Unweit von Brinkmanns Wirkungsstätte, der ehemaligen Landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn-Poppelsdorf, erinnert eine nach ihm benannte Straße an den bedeutenden Wissenschaftler.
Werke (Auswahl)
Die Entwicklung der Schweinezucht in Dänemark, Merseburg 1906.
Die Ökonomik des Landwirtschaftlichen Betriebes, Tübingen 1922.
Aus dem Betrieb und der Organisation der amerikanischen Landwirtschaft. Ergebnisse einer im Jahre 1925 durchgeführten Studienreise, Berlin 1927.
Das Fruchtfolgebild des deutschen Ackerbaues, Bonn 1943.
Literatur
Böker, Hugo, Zum Gedenken an Prof. Dr. Dr. h.c. Theodor Brinkmann, in: Rothes, Georg (Hg.), Vorträge der 6. Hochschultagung der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn-Poppelsdorf vom 15.-17. September 1952, Hiltrup 1952, S. 16-34.
Böker, Hugo, Theodor Brinkmann 1877-1951, in: Bonner Gelehrte, Band. 6: Landwirtschaftswissenschaften, Bonn 1971, S. 49-59.
Böhm, Wolfgang, Biographisches Handbuch zur Geschichte des Pflanzenbaus, München 1997, S. 34f.
Becker, Thomas, Zwischen Diktatur und Neubeginn. Die Universität Bonn im „Dritten Reich“ und in der Nachkriegszeit, Bonn 2008.
Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871-1945, Band 1, A-F, Paderborn 2000, S. 290f.
George, Christian, Studieren in Ruinen. Die Studenten der Universität Bonn in der Nachkriegszeit (1945-1955), Bonn 2010.
Wenig, Otto (Hg.), Verzeichnis der Professoren und Dozenten der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität zu Bonn 1818-1968, Bonn 1968, S. 36.
Online
Wortmann, Heinrich, Brinkmann, Theodor, in: Neue Deutsche Biographie [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Jüngling, Andreas, Theodor Brinkmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/theodor-brinkmann-/DE-2086/lido/57c58906ce3299.25509424 (abgerufen am 03.12.2024)