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Theodor Lerner war ein aus Antweiler (Eifel) stammender Polarforscher und Journalist. Er nahm als Forscher und Berichterstatter zwischen 1896 und 1914 an sieben Arktis-Expeditionen teil, darunter die erste Überwinterung von Menschen auf Spitzbergen. 1898/1899 scheiterte die von ihm geplante Annexion der Bäreninsel für das Deutsche Reich.
Lerner wurde am 10.4.1866 in Antweiler an der Ahr als Sohn des dortigen Bürgermeisters Julius Lerner (gestorben 1923) und dessen Frau Maria Magdalena geborene Mengelbier (gestorben 1924) geboren. 1871 zog die Familie nach Linz am Rhein, wo der Vater bis 1910 Stadtbürgermeister war. Theodor Lerner besuchte dort zunächst die katholische Volksschule und ab 1876 das Linzer Progymnasium (heute Martinus-Gymnasium). Die klassische altphilologische Ausrichtung der Schule entsprach seinen Talenten jedoch nicht, so dass er nach wenigen Jahren auf ein Gymnasium nach Düsseldorf (zwischenzeitlich auch auf das Gymnasium in Neuwied) wechselte. In Düsseldorf wurde kurz vor dem Abitur Lerners Zugehörigkeit zu einer verbotenen Schülerverbindung bekannt, weshalb er die Schule verlassen musste.
Theodor Lerner begann daraufhin ein Jura-Studium in Würzburg. Er trat der dortigen Burschenschaft Cimbria bei und erwarb sich schon bald den Ruf eines hervorragenden Fechters. Nach wenigen Semestern wechselte Lerner an die Universität Bonn, beendete sein Studium der Rechte, der Medizin und der Nationalökonomie jedoch ohne Abschluss. Auch das anschließende Volontariat bei der Bürgermeisterei in Linz brach Lerner nach kurzer Zeit ab.
Er zog stattdessen nach Bremen und unternahm von dort aus als Zahlmeisteranwärter mehrere Schiffsreisen nach England, Spanien und Südamerika. Bereits als Heranwachsenden in Linz hatte die Schifffahrt Theodor Lerner fasziniert. Er hatte jede freie Minute am Rhein verbracht und Freundschaft mit den Schiffern geschlossen. Sogar bei Eisgang war der gute Sportler im Rhein geschwommen. Es folgten Reisen in die USA als Tellerwäscher, Kohlentrimmer oder Vertreter für Würzburger Hofbräu. Fahrten auf Fischdampfern nach Norwegen und Island begeisterten ihn für die Arktis. Zwischendurch kehrte Lerner mehrfach nach Deutschland zurück, unter anderem, um einen einjährigen Militärdienst abzuleisten.
1896 und 1897 war Theodor Lerner auf Spitzbergen an den Vorbereitungen zur Expedition des Schweden Salomon August Andrée (1854-1897) beteiligt, der mit zwei weiteren Männern den Nordpol in einem Wasserstoff-Ballon überqueren wollte. Als Berichterstatter für einen Berliner Verlag hielt er die deutsche Öffentlichkeit über das vielbeachtete Unternehmen auf dem Laufenden. Nachdem die schwedische Expedition verschollen war, leitete Lerner 1898 auf dem ehemaligen Fischdampfer „Helgoland" eine mit Hilfe der Reichsmarine ausgerüstete Forschungsreise um Spitzbergen auf der vergeblichen Suche nach den Ballonfahrern. Im selben Jahr beanspruchte er die auf halbem Weg zwischen Nordkap und Spitzbergen gelegene Bäreninsel für das Deutsche Reich, die er aufgrund ihrer Kohlevorkommen und als geeigneten Stützpunkt für die deutsche Hochseefischerei auserkoren hatte. Doch da Russland ebenfalls Ansprüche auf die Bäreninsel erhob, versagte das Deutsche Reich Lerner 1899 die Unterstützung. In Norwegen verspottete man den verhinderten Kolonialherrn daraufhin als „Nebelfürst".
Theodor Lerner kehrte nach Deutschland zurück und heiratete 1902 in Berlin die Schriftstellerin Ilse von Stach (1879-1941). Die Ehe wurde nach nur wenigen Jahren geschieden. Im Sommer 1906 reiste er im Auftrag seines Berliner Verlags wieder nach Spitzbergen, um über die Expedition des Amerikaners Walter Wellman (1858-1934) zu berichten, der den Nordpol mit einem Luftschiff überqueren wollte. Vor Nordspitzbergen nahm sein Schiff die Passagiere des havarierten französischen Touristendampfers „Ile de France" auf. Lerner rühmte diese Begegnung später als „deutsch-französische Verbrüderung auf dem 80. Breitengrad". Wellmans Polquerung hatte unterdessen auf den Sommer 1907 verschoben werden müssen. Auch beim zweiten Versuch war Lerner wieder vor Ort. Diesmal stieg das Luftschiff auf, stürzte jedoch nach nur wenigen Kilometern wieder ab. Lerner machte sich sofort auf die Suche nach den Insassen und konnte diese auch tatsächlich bald von einem Gletscherfeld zurückführen.
1907/1908 erwarb sich Theodor Lerner Ruhm durch die erste Überwinterung von Menschen auf Spitzbergen. Zusammen mit dem Norweger Hjalmar Johansen (1867-1913), dem Gefährten Fridtjof Nansens (1861-1930) bei dessen Vorstoß zum Nordpol 1895, verbrachte er die Polarnacht in einer Hütte auf Kap Boheman. Ab April 1908 überquerten die beiden dann Nordspitzbergen über eine Distanz von etwa 300 Kilometern – auch dies eine Pionierleistung. Auf der Rückreise mit dem österreichischen Vergnügungsdampfer „Thalia" begegnete Lerner seiner späteren zweiten Ehefrau Lydia Stoltze (1873-1954), Tochter des Frankfurter Schriftstellers Adolf Stoltze (1842-1933). Zurück in Deutschland kam es für kurze Zeit zu einer Zusammenarbeit Lerners mit den Luftschiffkonstrukteuren August von Parseval (1861-1942) und Ferdinand Graf von Zeppelin (1838-1917), die unabhängig voneinander eine Polexpedition im Luftschiff planten.
1913 organisierte Lerner eine Hilfsaktion zur Rettung der verschollenen Arktis-Expedition von Herbert Schröder-Stranz (1884-1912). Sepp Allgeier (1895-1968), der spätere Kameramann Leni Riefenstahls (1902-2003), begleitete und verfilmte die letztlich vergebliche Suche Lerners nach der Expedition. Bereits im folgenden Jahr brach Lerner im Auftrag der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft und der Stadt Frankfurt erneut zu einer Forschungsreise nach Spitzbergen auf. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs beendete die Expedition jedoch vorzeitig. Lerner wurde an die Westfront abkommandiert und aufgrund großer Tapferkeit im Verlauf des Kriegs zum Leutnant und Kompanieführer befördert.
1926 war Lerner noch einmal an Verhandlungen zur Durchführung einer deutsch-russischen Arktis-Expedition mit Flugbooten der Friedrichshafener Dornier-Werke beteiligt. Da er zu dieser Zeit jedoch bereits schwer herzkrank war, wurden die Planungen eingestellt. Theodor Lerner starb am 12.5.1931 in Frankfurt und wurde auf dem dortigen Hauptfriedhof beigesetzt. Nach ihm sind die Lernerinseln im Norden von Spitzbergen, das Lernerkap an der Nordwestküste der zum König-Karl-Land zählenden Abelinsel und der Lernerweg auf der Bäreninsel benannt.
Werke
Polarfahrer. Im Banne der Arktis, hg. von Frank Berger, Zürich 2005.
Literatur
Mosebach, Martin, Der Nebelfürst (Roman), Frankfurt a. M. 2001.
Podlech, Wilhelm, Theodor Lerner. Polarforscher in der Arktis, in: Heimat-Kalender für den Kreis Neuwied 1962, S. 40-42.
Rönz, Andrea, Theodor Eduard Julius Lerner (1866-1931), Polarforscher, in: Rheinische Lebensbilder 19 (2013), S: 197-220.
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Rönz, Andrea, Theodor Lerner, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/theodor-lerner/DE-2086/lido/57c93f98cf4499.89117355 (abgerufen am 06.12.2024)