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Theodor von der Goltz gilt neben Julius Kühn (1825-1910) als bedeutendster deutschsprachiger Agrarwissenschaftler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sein Forschungsfeld umfasste die landwirtschaftliche Betriebslehre sowie die von ihm als Teildisziplin der Landwirtschaftslehre etablierte Agrarpolitik. Hier widmete er sich im Besonderen der sozialpolitisch brisanten Landarbeiterfrage. Als akademischer Lehrer nahm er darüber hinaus auch Einfluss auf die Entwicklung des agrarwissenschaftlichen Studiums.
Theodor Alexander Ludwig Georg Freiherr von der Goltz wurde am 10.7.1836 in Koblenz geboren. Er war der jüngste von drei Söhnen des preußischen Oberstleutnants Alexander von der Goltz (1800-1870) und dessen Ehefrau Marie Göbel (1802-1864). Bei seinen Brüdern handelte es sich um den Landrat des Kreises Mettmann Alexander von der Goltz (1831-1912) und den evangelischen Theologen Hermann von der Goltz (1835-1906). In seinem von pietistischen Maximen bestimmten Elternhaus lag sowohl seine stark ausgeprägte Religiosität, als auch das für sein späteres Wirken entscheidende Verständnis für die Nöte der sozialen Unterschicht begründet.
Goltz besuchte das Gymnasium in Koblenz, an dem er zu Ostern 1853 die Prüfungen zum Abitur bestand. Sein Wunsch Landwirtschaft zu studieren scheiterte zunächst an ökonomischen Erwägungen. Da er nicht vermögend war und die Aussicht auf absehbare Zeit ein eigenes Gut übernehmen zu können als gering eingestuft wurde, entschied er sich für eine Laufbahn im juristischen Staatsdienst. Im Sommersemester 1853 immatrikulierte er sich an der juristischen Fakultät der Universität Erlangen. Mit Beginn des Wintersemesters 1854/1855 übersiedelte er nach Bonn, um seine Studien an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität fortzusetzen. Hier schloss er sich, wie bereits zuvor in Erlangen, dem christlichen Wingolf an, jedoch zwang ihn noch im Herbst desselben Jahres ein schweres Nerven- und Augenleiden zum vorzeitigen Abbruch des Studiums.
Nach einjähriger Genesungszeit entschloss er sich, nicht zuletzt auf Anraten seines Arztes, zum Studium der Landwirtschaft, das er mit dem Ziel verband, Lehrer an einer agrarwissenschaftlichen Bildungseinrichtung zu werden. Die zur Aufnahme in eine landwirtschaftliche Lehranstalt erforderliche Lehrzeit absolvierte er zwischen 1856 und 1858. Nachdem er auf Gut Besselich unweit von Koblenz seine ersten praktischen Erfahrungen gesammelt hatte, volontierte er auf dem pommerschen Rittergut Ramelow, dessen Besitzer Wilhelm Flügge (1819-1879) ein Freund seines Vaters war, und auf der Domäne Einsiedel bei Tübingen. Vom Wintersemester 1858/1859 bis zum Ende des Sommersemesters 1860 studierte er an der Höheren Landwirtschaftlichen Lehranstalt Poppelsdorf. Unmittelbar nachdem er die Abgangsprüfung am 10.8.1860 mit der Bewertung „Vorzüglich“ bestanden hatte, erhielt er eine Anstellung als Lehrer für Landwirtschaft und Naturwissenschaften an der Ackerbauschule Gut Riesenrodt in Westfalen. Im Frühjahr 1862 promovierte er in Leipzig zum Doktor der Philosophie.
Neben seinen Arbeiten zur landwirtschaftlichen Betriebslehre beschäftigte sich Goltz seit Mitte der 1860er Jahre intensiv mit Fragen der Sozialpolitik und dabei vor allem mit der ökonomischen Verelendung der Landarbeiter. Zwischen 1871 und 1876 war er als freier Mitarbeiter für die von Lorenz Nagel (1828-1895) herausgegebene Wochenschrift „Concordia. Zeitschrift für die Arbeiterfrage“ tätig, wobei er in seinen Beiträgen nicht mit scharfer Kritik an den gesellschaftlichen Hierarchien im Deutschen Reich sparte, auf die vor allem der preußische Großgrundbesitz mit öffentlichen Anfeindungen reagierte.
Im Anschluss übersiedelte Goltz nach Ostpreußen, wo er als Gutsadministrator und Lehrer an der Landwirtschaftlichen Akademie Waldau zum 1.8.1862 in den Dienst des preußischen Staates trat. Während seiner siebenjährigen Tätigkeit begründete er hier mit seiner 1867 veröffentlichten Schrift „Über die landwirtschaftliche Betriebsführung“ seinen Ruf als einer der führenden deutschen Agrarökonomen. Seit 1865 war er mit seiner Cousine Bertha von der Goltz (1838-1901) verlobt, die er am 23.7.1869 in Königsberg heiratete. Aus der Ehe ging als einziges Kind die Tochter Dora hervor.
Zum Wintersemester 1869/1870 erhielt Goltz die von ihm angestrebte Professur für Agrarwissenschaften an der philosophischen Fakultät der Albertus-Universität in Königsberg. Bereits im Jahr 1870 wurde ihm darüber hinaus die Verantwortung für den Aufbau eines universitätseigenen Landwirtschaftlichen Instituts übertragen. Die Umsetzung des Projektes gestaltete sich jedoch schwierig und erstreckte sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren, innerhalb derer sich Goltz als ebenso beharrlicher wie energischer Wissenschaftsorganisator erwies. Nachdem im Wintersemester 1876/1877 der Lehrbetrieb aufgenommen werden konnte, widmete sich Goltz in den folgenden Jahren als Direktor dem weiteren Ausbau desselben, ehe er zum Wintersemester 1885/1886 einem Ruf an die landwirtschaftliche Lehranstalt der Universität Jena folgte. Das im Jahr 1826 durch den Agrarökonomen Friedrich Gottlob Schulze (1795-1860) gegründete Jenaer Institut befand sich aufgrund sinkender Studierendenzahlen in einer existentiellen Krise. Seine Rettung stellte für Goltz, dessen Wirken durch die Schriften Schulzes entscheidend beeinflusst worden war, eine besondere Herausforderung dar. Trotz der bedeutenden Konkurrenz durch die Landwirtschaftlichen Institute an den nahegelegenen Universitäten Halle und Leipzig, gelang es ihm, die Attraktivität des Standortes Jena durch verschiedene infrastrukturelle Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen deutlich zu erhöhen. Auch die von ihm initiierte Reform der Prüfungsordnung nach preußischem Vorbild und die Verleihung des Promotionsrechts trugen zu einer deutlichen Steigerung und Stabilisierung der Frequenz bei.
Im Jahr 1895 folgte Goltz einem Ruf auf den Lehrstuhl für landwirtschaftliche Betriebslehre und Agrarpolitik der Universität Bonn und übernahm zugleich die Leitung der Landwirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf. Auch an seiner neuen Wirkungsstätte gelang es ihm, die Verwaltung zu ordnen, den akademischen Betrieb effizienter zu gestalten und vor allem den Ausbau der Akademie entscheidend zu forcieren. In seiner Amtszeit konnten unter anderem das Institut für Bodenlehre und Pflanzenbau und das Tierphysiologische Institut fertiggestellt werden. Außerdem wurde die akademische Gutswirtschaft Dikopshof (Wesseling) erworben; bis 2009 wurde der Dikopshof von der Universität Bonn als Freilandversuchsgut genutzt. Weitere Projekte wie die Einrichtung des Instituts für Tierzucht und Molkereiwesen wurden kurz nach seinem Tod abgeschlossen.
An sämtlichen seiner Wirkungsstätten legte Goltz großen Wert auf einen engen Kontakt zu seinen Studenten, der sich unter anderem in der Verleihung der Ehrenmitgliedschaften der Akademisch Landwirtschaftlichen Vereine Agronomia Königsberg (1883), Agronomia Jena (1885) und Agraria Bonn (1896) wiederspiegelt. Die Nachhaltigkeit seines Wirkens dokumentiert nicht zuletzt die hohe Zahl seiner Doktoranden, zu denen herausragende Agrarwissenschaftler des 20. Jahrhunderts wie Friedrich Aereboe (1865-1942), Johannes Hansen (1863-1938) oder Theodor Brinkmann (1877-1951) zählten.
Sein umfangreiches publizistisches Gesamtwerk krönte Goltz mit seiner zwischen 1900 und 1902 niedergeschriebenen zweibändigen „Geschichte der deutschen Landwirtschaft“, die bis in die Gegenwart zur Standardliteratur der agrarhistorischen Forschung zählt und ihren Autor als einen landwirtschaftswissenschaftlichen Universalgelehrten ausweist.
Während einer Reise nach Oberitalien erkrankte Goltz im Jahr 1901 an einer Rippenfellentzündung, die seine Gesundheit trotz mehrerer Kuraufenthalte nachhaltig schwächte. Seit März 1905 war es ihm nicht mehr möglich seine Amtsgeschäfte auszuüben. Theodor von der Goltz starb am 6.11.1905 im Rang eines Geheimen Regierungsrats in Bonn.
Werke (Auswahl)
Über die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit landwirtschaftlicher Assoziationen nebst Vorschlägen zu deren Organisierung, Dissertationsschrift, Leipzig 1862.
Die lanwirtschaftliche Buchführung, Berlin 1866.
Die ländliche Arbeiterfrage und ihre Lösung, Danzig 1872.
Agrarwesen und Agrarpolitik, Jena 1889.
Die Aufgaben der Kirche gegenüber dem Arbeiterstande in Stadt und Land, Leipzig 1891.
Landwirtschaftliche Taxationslehre, Berlin 1892.
Die ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat, Jena 1893.
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 2 Bände, Stuttgart 1902-1903.
Literatur
Kühner, Martin, Freiherr von der Goltz - der Betriebswirtschaftler und Agrarhistoriker, in: Kühner, Martin / Morgen, Herbert, Pflügende Hand - Forschender Geist. Lebensbilder denkwürdiger Bahnbrecher und Führer des Nährstandes, Berlin 1934, S. 149-159.
Munier, Kurt, Theodor Freiherr von der Goltz. Ein Bild seines Lebens und Schaffens, Berlin 1921.
Nerée, Donata von, Theodor Freiherr von der Goltz (1836-1905) - ein Sozialreformer?, in: Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg 29 (1995), S. 663-677.
Online
Haushofer, Heinz, Artikel "Goltz, Theodor Alexander Georg Ludwig von der", in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 635-636
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Thomann, Björn, Theodor von der Goltz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/theodor-von-der-goltz/DE-2086/lido/57c6c999e37905.98306866 (abgerufen am 05.12.2024)