Tilman Joel von Linz

Kurfürstlicher Kanzler und Rat (um 1395-1461)

Andrea Rönz (Linz am Rhein)
Veröffentlicht am 02.09.2016, zuletzt geändert am 26.01.2023

Stifterbildnis Tilman Joels auf dem Gnadenstuhl, Mitte 15. Jahrhundert, Original in der alten Pfarrkirche St. Martin, Linz am Rhein.

Til­man Jo­el war ein aus Linz am Rhein stam­men­der kur­fürst­li­cher Di­plo­mat, Ge­sand­ter auf dem Kon­zil von Ba­sel und Probst von St. Flo­rin in Ko­blenz. In sei­ner Hei­mat­stadt ist er als Stif­ter der Rats­ka­pel­le, des Ma­ri­en­al­tars und des Gna­den­stuhls un­ver­ges­sen.

Til­man Jo­el wur­de um 1395 als Sohn von An­ton de Bo­tis und El­se Jo­el in ei­ne wohl­ha­ben­de und ein­fluss­rei­che Lin­zer Rats­fa­mi­lie ge­bo­ren. Sein On­kel Jo­han­nes Her­bordi de Bo­tis (ge­stor­ben 1418) stand als Dok­tor bei­der Rech­te un­ter an­de­rem in päpst­li­chen Diens­ten und war von 1397 bis zu sei­nem Tod Propst des Flor­ins­stifts. Sein Bru­der Wil­helm de Bo­tis (ge­stor­ben 1429) war Abt des Zis­ter­zi­en­ser­klos­ters Ma­ri­en­statt, sei­ne Schwes­ter Lu­cia Jo­el (ge­stor­ben 1448) Ehe­frau des Lin­zer Rats­herrn und Bür­ger­meis­ters Ja­kob Ruysch. Zwei sei­ner Nef­fen dien­ten eben­falls als kur­fürst­li­che Kanz­ler.

Stifterbildnis Tilman Joels auf dem Gnadenstuhl, Mitte 15. Jahrhundert, Original in der alten Pfarrkirche St. Martin, Linz am Rhein.

 

Til­man Jo­el wur­de 1420 nach kir­chen­recht­li­chen Stu­di­en an der Uni­ver­si­tät Köln als jun­ger Dok­tor Propst von St. Flo­rin in Ko­blenz. Zu die­ser Zeit stand er be­reits in Diens­ten des Trie­rer Erz­bi­schofs und Kur­fürs­ten Ot­to von Zie­gen­hain, mög­li­cher­wei­se durch Ver­mitt­lung sei­nes On­kels Jo­hann Her­bordi oder auch des eben­falls aus Linz stam­men­den päpst­li­chen Schrei­bers Jo­han­nes Ha­chen­berg. Im Ok­to­ber 1418 ge­hör­te er zum Ge­fol­ge des neu ge­wähl­ten Erz­bi­schofs bei des­sen Hul­di­gung in der Stadt Ko­blenz, 1419 trat er erst­mals of­fi­zi­ell als des­sen Se­kre­tär in Er­schei­nung und rück­te bald zum Kanz­ler auf. Als kur­trie­ri­scher Di­plo­mat be­währ­te sich Til­man Jo­el un­ter an­de­rem 1423 bei Ver­hand­lun­gen mit Her­zog Adolf VII. von Berg (Re­gie­rungs­zeit 1408-1437, ab 1423 als Her­zog von Jü­lich-Berg) be­züg­lich der Erb­fol­ge in den Her­zog­tü­mern Gel­dern und Jü­lich und über vie­le Jah­re als Ge­sand­ter am bur­gun­di­schen Hof. Nach dem Tod Erz­bi­schof Ot­tos 1430 dien­te Til­man Jo­el in den fol­gen­den drei Jahr­zehn­ten de­m Köl­ner Erz­bi­schof und Kur­fürs­ten Diet­rich II. von Mo­ers als kur­fürst­li­cher Rat mit wech­seln­den Auf­ga­ben. En­de 1432 reis­te er in die Schweiz, um als ei­ner der bei­den Ver­tre­ter des Erz­bi­schofs am Bas­ler Kon­zil (1431-1449) teil­zu­neh­men. 1434 er­hielt er den Auf­trag der All­ge­mei­nen De­pu­ta­ti­on, in Kon­stanz den seit Jah­ren of­fen ge­führ­ten Kon­flikt zwi­schen dem dor­ti­gen Dom­ka­pi­tel und Bi­schof Ot­to III. von Hach­berg (Epis­ko­pat 1410-1434) zu schlich­ten. Als Mit­glied von Kon­zils­ge­sandt­schaf­ten war er in den fol­gen­den Jah­ren au­ßer­dem an den Hus­si­ten­ver­hand­lun­gen, an der Bei­le­gung des Main­zer Streits zwi­schen Stadt und Kle­rus, dem Rin­gen um die ver­such­te und letzt­lich ge­schei­ter­te In­kor­po­ra­ti­on des Bis­tums Pa­der­born in das Erz­bis­tum Köln so­wie der Schlich­tung des Trie­rer Bis­tums­streits be­tei­ligt. Als Kö­nig Al­brecht II. (Re­gie­rungs­zeit 1438-1439) und die Kur­fürs­ten ih­re Neu­tra­li­tät im Streit zwi­schen Bas­ler Kon­zil und Papst Eu­gen IV. (Pon­ti­fi­kat 1431-1447) er­klär­ten, spiel­te Til­man Jo­el ei­ne wich­ti­ge Rol­le bei der Aus­ar­bei­tung der Be­schlüs­se.

Die Linzer Ratskapelle, Zeichung von Jean Wescher, 1908. (Stadtarchiv Linz am Rhein)

 

Ei­nen Hö­he­punkt in der di­plo­ma­ti­schen Lauf­bahn Til­man Jo­els bil­de­te sei­ne An­spra­che an Fried­rich III. (Re­gie­rungs­zeit 1440-1493, seit 1452 als rö­misch-deut­scher Kai­ser), die er als Mit­glied der kur­fürst­li­chen Wahl­ge­sandt­schaft in Wien an den neu ge­wähl­ten Kö­nig rich­te­te und die sei­ne be­deu­ten­de Po­si­ti­on als au­ßen- und kir­chen­po­li­ti­scher Be­ra­ter Diet­richs II. von Mo­ers wi­der­spie­gelt. Auch bei der Krö­nung Fried­richs 1442 in Aa­chen durch den Köl­ner Erz­bi­schof spiel­te Til­man als Ze­re­mo­ni­en­meis­ter ei­ne wich­ti­ge Rol­le. In wei­te­ren di­plo­ma­ti­schen Mis­sio­nen dien­te er sei­nem Lan­des­herrn als Pro­ku­ra­tor und Ge­sand­ter bei Kö­nig Hein­rich VI. von Eng­land (Re­gie­rungs­zei­ten 1422-1461, 1470-1471), als Ver­mitt­ler auf den Frie­dens­kon­fe­ren­zen zur Bei­le­gung der Soes­ter Feh­de oder Be­ra­ter bei den Ver­hand­lun­gen zur Er­b­lan­des­ver­ei­ni­gung mit dem Her­zog­tum Jü­lich-Berg.

Marienaltar, Tripychon, 1463, Original in der Katholischen Pfarrkirche St. Marien, Linz am Rhein.. (o.A.)

 

Til­man Jo­el traf häu­fig auf Ni­ko­laus von Ku­es, den er be­reits seit sei­ner Tä­tig­keit als Di­plo­mat Ot­tos von Zie­gen­hain kann­te. Eng zu­sam­men ar­bei­te­te er auch mit sei­nem Nef­fen Jo­han­nes Ruysch, ge­nannt Jo­el. Til­man hat­te den drei Söh­nen sei­ner Schwes­ter Lu­cia den Uni­ver­si­täts­be­such er­mög­licht und ih­nen den Weg in ein­fluss­rei­che Po­si­tio­nen ge­eb­net. Der äl­tes­te Sohn Jo­han­nes trat 1439 in die Diens­te Diet­richs II. von Mo­ers und stieg dort zum Kanz­ler auf. Seit 1442 war er au­ßer­dem Rek­tor der Lin­zer Pfarr­kir­che. Ja­kob Ruysch dien­te ab 1441 dem Trie­rer Erz­bi­schof Ja­kob I. von Sierck als Kanz­ler und er­scheint zeit­wei­se in der Rol­le ei­nes kö­nig­li­chen Pro­to­no­tars. Der jüngs­te Bru­der Pe­ter Ruysch über­nahm 1442 das Amt ei­nes Pro­ku­ra­tors der Deut­schen Na­ti­on an der Uni­ver­si­tät Bo­lo­gna.

Sei­ner Hei­mat­stadt Linz blieb Til­man Jo­el zeit­le­bens eng ver­bun­den. Mehr­fach griff er ihr mit Kre­di­ten un­ter die Ar­me und setz­te sich in sei­nen letz­ten Le­bens­jah­ren mit gro­ßzü­gi­gen Kunst­stif­tun­gen ein Denk­mal. Auf dem Markt­platz ließ er die 1462 ge­weih­te Ma­ri­en­ka­pel­le er­rich­ten (meist Rats- oder Markt­ka­pel­le ge­nannt, 1818 ab­ge­bro­chen) und sorg­te für ei­ne reich­hal­ti­ge Aus­stat­tung und Do­tie­rung. Dar­un­ter von be­son­de­rer Be­deu­tung sind zwei bis heu­te er­hal­te­ne spät­go­ti­sche Al­tar­bil­der, ein drei­flü­ge­li­ger Ma­ri­en­al­tar (seit 1967 Haupt­al­tar der Lin­zer Ma­ri­en­kir­che) und der so ge­nann­te Gna­den­stuhl, bei­de dem Köl­ner Meis­ter der Ly­vers­berg-Pas­si­on zu­ge­schrie­ben. An der An­nah­me, bei­de Wer­ke sei­en Stif­tun­gen Til­man Jo­els, gibt es seit der Re­stau­rie­rung vor we­ni­gen Jah­ren je­doch Zwei­fel. Da die Stif­ter­dar­stel­lun­gen und die Wap­pen auf Tri­pty­chon und Gna­den­stuhl nicht iden­tisch sind, geht die neue­re For­schung da­von aus, dass Til­man Jo­el Stif­ter des Gna­den­stuhls und des­sen Nef­fe Jo­han­nes Ruysch Stif­ter des Ma­ri­en­al­tars war.

Von Tilman Joel gestifteter Messkelch aus Gold mit gravierter Stifterinschrift, Original in der alten Pfarrkirche St. Martin, Linz am Rhein. (Förderverein St. Martin-Kirche Linz/Rhein)

 

Til­man Jo­el starb am 31.1.1461 in Köln und wur­de dort vor dem Ka­tha­ri­nen­al­tar der Stifts­kir­che St. An­dre­as be­gra­ben. Nach ihm ist in Linz am Rhein der Til­mann Jo­el-Park an St. Mar­tin be­nannt.

Literatur

Burg­hard, Her­mann/Kap­ser, Cor­du­la, Linz am Rhein. Die Ge­schich­te der Stadt von der Früh­zeit bis zur Ge­gen­wart, Köln/Wei­mar/Wien 2002.
Pod­lech, Wil­fried, Die spät­go­ti­schen Al­tä­re in Linz am Rhein. Gna­den­stuhl und Ma­ri­en­al­tar als Fa­mi­li­en­stif­tung in der ehe­ma­li­gen Rats­ka­pel­le, o.O. o.J. [Ko­blenz 2006].
Pod­lech, Wil­fried, Tes­ta­ment und Me­mo­ri­en­stif­tun­gen des Props­tes Til­mann Jo­el aus Linz, in: Hei­mat-Jahr­buch des Land­krei­ses Neu­wied 1972, S. 114-116.
Pod­lech, Wil­fried, Til­mann Jo­el von Linz, + 1461. Kanz­ler, Rat und Ge­sand­ter rhei­ni­scher Kur­fürs­ten, Neu­stadt a. d. Wein­stra­ße 1988.
Tritz, Syl­vie, „... uns Schät­ze im Him­mel zu sam­meln.“ Die Stif­tun­gen des Ni­ko­laus von Ku­es, Mainz 2008.

Der Tilmann Joel-Park in Linz am Rhein. (Stadtentwicklungs- und Touristikgesellschaft Linz)

 
Zitationshinweis

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Rönz, Andrea, Tilman Joel von Linz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/tilman-joel-von-linz/DE-2086/lido/57c93fa6a777e3.08420881 (abgerufen am 26.01.2025)