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Der aus der evangelischen Diaspora der südlichen Rheinprovinz stammende Philipp Valentin Umbeck war als evangelischer Pfarrer eher dem Ausgleich als der Konfrontation der Konfessionen zugetan. In seinen Funktionen als Superintendent der Kreissynode Kreuznach, als Präses der rheinischen Provinzialsynode sowie als Generalsuperintendent der Rheinprovinz förderte er vorrangig die Gründung von evangelischen Kirchengemeinden.
Im rechtsrheinischen Städtchen Vallendar, einige Kilometer nördlich von Koblenz gelegen, wurde Philipp Valentin Umbeck am 13.11.1842 geboren. Er wuchs in einer Familie mit sieben Kindern auf, von denen allerdings drei noch im Kindesalter starben. Vallendar beherbergte damals nur wenige evangelische Familien, als ehemals kurtrierischer Flecken waren seine Einwohner zum allergrößten Teil katholisch. Folglich wurde Umbeck im benachbarten Bendorf getauft, wo die evangelischen Vallendarer eingepfarrt waren. Der Vater Johann Theodor Umbeck war Kaufmann. Der frühe Tod der Mutter Henriette (geboren 1849), geborene Bastian, erschütterte den zehnjährigen Knaben und die gesamte Familie.
Nach dem Besuch der örtlichen Elementarschule wurde Umbeck auf das Gymnasium im nahen Koblenz gesandt, wo er 1861 das Abitur ablegte. Danach begann er ein Studium der Theologie an der Universität Halle. Dort waren Friedrich August Gottreu Tholuck (1799-1877) und Willibald Beyschlag (1823-1900) seine prägenden Lehrer. Beyschlag hatte mit der Schrift „Wir lieben die Katholiken, aber wir hassen den Katholizismus als das kunstvollste und eben darum machtvollste Gewebe von Wahrheit und Lüge, Gottesreich und Weltfürstentum, welches die Geschichte je hervorgebracht hat" auf sich aufmerksam gemacht. Der fromme Tholuck war bereits 1825 vom preußischen Kultusminister gegen den Widerstand der ganzen Hallenser Fakultät zum Professor an der Universität ernannt worden, weil er die preußische Konfessionspolitik unterstützte, die Union von Lutheranern und Reformierten förderte und den „theologischen Rationalismus" in Halle entschieden bekämpfen wollte.
Umbeck studierte vier Semester in Halle, wo er auch philosophische Vorlesungen hörte. 1863 setzte er sein Studium an der Universität Utrecht in den Niederlanden fort. 1865 bestand er das erste und zwei Jahre später das zweite theologische Examen, beide mit der Note „gut".
Eine starke Neigung zum Lehrhaften, die auch später immer wieder in seinen Predigten aufleuchtete, veranlasste ihn, zunächst nicht ins Pfarramt zu streben, sondern eine Aufgabe in der Schulung von Lehrern zu suchen. Seine erste Stelle war deshalb am Seminar in Düsselthal (heute Stadt Düsseldorf), in dem sich seit dem frühen 19. Jahrhundert eine diakonische Anstalt befand, der später ein Seminar angegliedert wurde. Drei Jahre lang bildete er dort zukünftige Volksschullehrer aus.
1868 erreichte ihn ein Ruf auf die zweite evangelische Pfarrstelle in der Stadt Rees am Niederrhein. Diesem Ruf folgte er, vermutlich auch deshalb, weil mit der Stelle die Leitung der örtlichen Höheren Bürgerschule verbunden war. Diese traditionsreiche Schule wurde von immer weniger Schülern besucht und befand sich in einem schlechten Zustand. Der Rektor Umbeck hob ihr Ansehen und machte sie zu einer „guten Adresse", so dass bald nicht allein evangelische, sondern katholische und sogar jüdische Eltern ihre Kinder der Schule anvertrauten.
In Rees fand der junge Rektor und Pfarrer auch seine zukünftige Ehefrau Regina Jacoba van Randenborgh, die Tochter eines Reeser Kaufmanns. 1872 wurde geheiratet. Umbecks Frau gebar insgesamt sechs Kinder, drei Söhne und drei Töchter, allerdings starben zwei Töchter noch im Kindesalter. Insgesamt neun Jahre blieb Umbeck in Rees, dann zog es ihn wieder in den heimischen Süden der Rheinprovinz. 1877 übernahm er die Pfarrei in Windesheim im Kirchenkreis Kreuznach (heute Bad Kreuznach), eine Gemeinde in einer konfessionell zersplitterten Region an der Nahe, die erst durch die französischen Revolutionstruppen und den Wiener Kongress politisch vereinheitlicht worden war. Etliche Kirchen dort wurden damals noch von beiden Konfessionen genutzt, meist waren die Protestanten in der Minderzahl. Als ehemaliger Besitz der Rhein- und Wildgrafen war die Gemeinde Windesheim bereits im 16. Jahrhundert lutherisch geworden, doch die Kirche wurde simultan genutzt, ein Zustand, der erst 1898 beendet wurde. Aus Windesheim gibt es die ersten Urteile über den Pfarrer Umbeck. Er wird als ein temperamentvoller, etwas beleibter Prediger geschildert, der den weltlichen Genüssen gegenüber durchaus aufgeschlossen war. Mit seinem katholischen Amtskollegen, mit dem er das Kirchgebäude teilte, scheint er gut ausgekommen zu sein.
Zum besonderen Schwerpunkt seiner Arbeit entwickelte Umbeck die Seelsorge. Der Pfarrer unternahm zahlreiche Hausbesuche, jede Familie in seiner Gemeinde wollte er mindestens einmal im Jahr betreuen und ihre Sorgen und Nöte direkt kennenlernen. Der Schule blieb er weiter zugewandt, so nahm er auswärtige Schüler in sein Pfarrhaus und seine Familie auf. Schon bald machte er in der Kreissynode auf sich aufmerksam; diese wählte ihn 1884 zu ihrem Superintendenten. Zwei Jahre später verließ Umbeck Windesheim und folgte dem Ruf auf die Pfarrstelle in der Kreisstadt Kreuznach.
Die Diaspora-Situation der evangelischen Gemeinden im Süden der Rheinprovinz war Umbeck von seiner Heimat Vallendar vertraut. Er kann kaum als Gegner eines katholischen Konfessionalismus bezeichnet werden. Der Kulturkampf Krise des Deutschen Kaiserreiches unter Reichskanzler Otto von Bismarck und der römisch-katholischen Kirche sowie der politisch-parlamentarischen Vertretung der katholischen Bevölkerung des Reiches (insbesondere der Zentrumspartei) zwischen 1871 und 1891. Streitpunkte waren die Aufhebung der katholischen Abteilung des preußischen Kultusministeriums durch Bismarck, das Festhalten der Kirche am Unfehlbarkeitsdogma, die Einführung der Zivilehe sowie die Repressionen gegen katholische Geistliche und der Einfluss des Staates auf die Kirche. Nach dem "Kanzelparagraphen" 1871 (Änderung des Strafgesetzbuches, wonach es Geistlichen aller Religionen verboten war, sich in Ausübung ihres Amtes in öffentlichen Stellungnahmen politisch zu äußern, galt bis 1953), dem Verbot der Jesuitenniederlassungen 1872 und der Einführung der staatlichen Schulaufsicht, bildeten die sogenannten Maigesetze 1873 (staatliche Kontrolle von Ausbildung und Einstellung der Geistlichen) den Höhepunkt des Kulturkampfes. Die Verschärfung der Bestimmungen über die Verwaltung des Kirchenvermögens beendete 1878 die Kulturkampfgesetzgebung. Die 1886 und 1887 erlassenen "Friedensgesetze" führten schließlich zur Beilegung des Konflikts. war vorbei. Umbeck strebte nach Harmonie und Ausgleich, seine mehrmaligen Wiederwahlen zum Superintendenten seines Kirchenkreises, dazu seine Wahl 1890 zum Assessor, 1893 zum Präses der rheinischen Provinzialsynode mit der eindrucksvollen Mehrheit von 87 von 88 Stimmen zeigen dies deutlich. Auch gegenüber der konkurrierenden Konfession vermied er die Konfrontation.
Doch bereits als Kreuznacher Superintendent, dann als Präses der rheinischen Provinzialsynode und schließlich als rheinischer Generalsuperintendent war er darum bemüht, das „evangelische Profil" zu kräftigen und zu stärken. So war er einer der Initiatoren bei der Gründung eigenständiger evangelischer Gemeinden in seinem Sprengel, wenn die Anzahl evangelischer Gemeindeglieder, die damals oft in raschem Wachsen begriffen war, diesen Schritt erlaubte. Seine häufig vorgebrachte Begründung für einen derartigen Schritt lautete dann, dass die katholische Kirche ihrerseits ebenfalls selbständige Gemeinden, zum Beispiel in der neuen Siedlung Bingerbrück, errichte, und so müsse „es als eine Ehrenpflicht der dortigen Evangelischen nicht nur, sondern der rheinischen evangelischen Kirche, ja aller Evangelischen Deutschlands erscheinen, an diesem ....Orte mit den Anstrengungen der Katholischen zum mindesten gleichen Schritt zu halten." „Parität" mit den Katholiken, das war sein Bestreben, und er forderte in derartigen Fällen sogar eine staatliche Hilfe für die „evangelische Sache".
Diesem Ziel diente ebenfalls seine breite Unterstützung der Aktivitäten evangelischer Vereine. Als zum Beispiel Pfarrer Hermann Hugo Reich (1854-1935), der Geschäftsführer des rheinischen Provinzial-Ausschusses für Innere Mission, 1884 Überlegungen zur Gründung eines zweiten rheinischen Diakonissen-Mutterhauses – nach Kaiserswerth (heute Stadt Düsseldorf) – für den Süden der Rheinprovinz entwickelte, fand er in Umbeck einen eifrigen Förderer seines Anliegens. Der Kreuznacher Superintendent leitete das „Aktionskomitee", das die Gründung der diakonischen Anstalt vorbreitete, die 1889 in Sobernheim errichtet und 1898 nach Kreuznach verlegt wurde. Und später stellte er sich für den Vorstand des Trägervereins zur Verfügung.
Seine Unterstützung fanden auch die vielen anderen evangelischen Vereine im Rheinland, zum Beispiel das Gustav-Adolf-Werk für die Evangelischen in der Diaspora, dazu die vielfältigen diakonischen Vereine, die in der „Inneren Mission" zusammengefasst waren, die Enthaltsamkeits- und Sittlichkeitsvereine, die Erziehungsvereine, der Rheinisch-Westfälische Jünglingsbund, die Missionsvereine, an ihrer Spitze die Rheinische Mission in (Wuppertal-) Barmen und die „Evangelische Frauenhülfe", die 1899 in Berlin als Dachverband evangelischer Frauen-Hilfsvereine von der deutschen Kaiserin Auguste Victoria (1858-1921) aus der Taufe gehoben worden war und 1901 als rheinischer Provinzialverband die „Hülfsvereine" in den Gemeinden unter ihre Fittiche nahm. Zu der Zeit war Umbeck bereits rheinischer Generalsuperintendent.
Umbecks Amtszeit als Präses der rheinischen Provinzialsynode währte nur wenige Jahre. Er leitete die Provinzialsynoden der Jahre 1896 und 1898 und wurde noch im selben Jahr zum Generalsuperintendenten ernannt. Sein Vorgänger Wilhelm Baur (1826-1897) war kurz vor der Emeritierung gestorben. Es war im Rheinland nicht ungewöhnlich, dass ein beliebter Synodalpräses vom Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin – der kirchenleitenden Behörde - zum Vorgesetzten aller Pfarrer der Provinz befördert wurde. Mit besonderer Genugtuung hat Umbeck in seinem Amt die Errichtung ungewöhnlich vieler neuer Kirchengebäude erlebt; von April 1898 bis zum Februar 1911 wurden im Rheinland 88 (!) neue Kirchen eingeweiht, woran der Generalsuperintendent häufig direkt beteiligt war. Philipp Valentin Umbeck starb am 4.2.1911 in Koblenz, wo er auch begraben wurde.
Quellen
Verhandlungen der Kreissynode Kreuznach ab 1884.
Literatur
Dünhof, Karl, Leben und Wirken der Superintendenten der Kreissynode Kreuznach, Seibersbach 1949.
Franzen, Werner, Gottesdienststätten im Wandel. Evangelischer Kirchenbau im Rheinland 1860-1914, 2 Bände, Düsseldorf 2004.
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Wittmütz, Volkmar, Valentin Umbeck, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/valentin-umbeck/DE-2086/lido/57c93998ba6942.91840198 (abgerufen am 06.12.2024)