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Walter Kaesbach prägte als Direktor der Kunstakademie Düsseldorf von 1924 bis 1933 deren Ruf als Förderin der Moderne. Er unterstützte die Künstler des Expressionismus und stiftete seine Privatsammlung seiner Heimatstadt Mönchengladbach.
Walter Carl Joseph Kaesbach wurde am 18.1.1879 in Mönchengladbach als Sohn des Gerichtssekretärs und späteren Syndikus der Handelskammer Carl (Karl) Josef Kaesbach (1839-1928) und seiner Ehefrau Anna Petronella, geborene Hülsmann (1844-1892), in eine katholische Kaufmannsfamilie hinein geboren. Der Bildhauer Rudolf Kaesbach (1873-1955) war einer seiner drei Brüder. Seinen einzigen Sohn, den 1917 unehelich geborenen Walter Joachim Kaesbach, geborener Passenheim, adoptierte er im Jahr 1923. Von 1931 bis zu seinem Lebensende wohnte er mit seiner Lebensgefährtin Margarete Pauline (Paula) Heß (1909-1991) zusammen, die seit 1930 seine Haushälterin war.
Nach dem Abitur auf der städtischen Oberrealschule Rheydt (heute Stadt Mönchengladbach) begann Kaesbach ab 1899 das Studium, zunächst der Nationalökonomie und dann der Kunstgeschichte unter anderem in Leipzig und Berlin, das der Vater finanziell großzügig unterstützte. Kaesbach wurde 1905 in Straßburg bei dem bekannten Kunsthistoriker Georg G. J. Dehio (1850-1932) zum Dr. phil. promoviert. Die Bekanntschaft mit dem Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus (1874-1921) in Hagen in Westfalen brachte ihn in Kontakt mit der modernen Kunst. Hier lernte er auch den Maler Christian F. Rohlfs (1849-1938) kennen. Von 1906 an arbeitete Kaesbach in der Nationalgalerie Berlin als Volontär bei Hugo von Tschudi (1851-1911) und ab 1919 als wissenschaftlicher Mitarbeiter unter Ludwig Justi (1876-1957).
Kaesbach unternahm mehrere Studienreisen ins Ausland. Er beteiligte sich 1911 an der Umbaukampagne der Nationalgalerie nach den Kriterien der Museumsreformbewegung. 1912 besuchte Kaesbach die „Internationale Ausstellung des Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler“ in Köln, von der entscheidende Impulse für die Moderne ausgingen. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 meldete er sich freiwillig als Krankenpfleger und wurde in einer Sanitätsabteilung in Flandern (Belgien) eingesetzt, wo er mit mehreren Künstlern Kontakte begann, die er später fortsetzte. 1916 organisierte Kaesbach die erste Kunstausstellung an der Westfront in Rethel (Ardennen, Belgien). Nach dem Ende des Kriegsdienstes 1918 war er bis 1919 am Aufbau der „Galerie der Lebenden“ im Berliner Kronprinzenpalais beteiligt. Als Direktor des Städtischen (Anger)Museums in Erfurt konnte Kaesbach in den Jahren 1920-1924 ein Museum im modernen Stil aufbauen und sein Netzwerk wichtiger Beziehungen ausbauen. Für die Ankäufe fand er große Unterstützung bei der Familie des jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess (1879-1931).
Seine Privatsammlung von 97 zeitgenössischen Werken, vorwiegend der deutschen Expressionisten, übertrug er durch den „Kunstverein der Dr.-Walter-Kaesbach-Stiftung e. V.“ der Stadt Mönchengladbach für eine Ausstellung, die 1922 eröffnet wurde. Die angemessene dauerhafte Präsentation der Sammlung bereitete der Stadt jedoch große Mühe, zumal die Werke der zeitgenössischen Kunst auf vielfache Ablehnung stießen; erst 1928 fand die Sammlung ihren endgültigen Standort. Im Zuge der nationalsozialistischen Kampagne „Entartete Kunst“ 1937 wurde der größte Teil der Sammlung beschlagnahmt, nach Berlin gebracht, weit unter Wert verkauft oder vernichtet. Als Teilersatz schenkte Kaesbach 1954 anlässlich seines 75. Geburtstages der Stadt Mönchengladbach seine neu angelegte Sammlung von Aquarellen und Zeichnungen von Heinrich Nauen. Mit der Ernennung zum Direktor der traditionsreichen Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf am 10.10.1924 begann der wichtigste Abschnitt im Wirken Kaesbachs im Rheinland. Auf Vorschlag des preußischen Kultusministers beziehungsweise Staatssekretärs Carl Heinrich Becker (1876-1933) wurde er als Nachfolger des Malers Fritz Roeber (1851-1924) ein durchsetzungsstarker Vertreter der Reform der in Erstarrung verharrenden Kunsthochschulen und Akademien in Preußen (laut Becker „geistige Antikenkammern“). Seine Berufung als erster Nichtkünstler in der Akademiegeschichte zum Vorgesetzten etablierter Künstler und Lehrer war höchst umstritten, da ihm der Ruf eines energischen, progressiven Modernisierers vorauseilte. Für Kaesbach galt es, nach der Schließung von Akademien aus Sparzwängen, die Existenz der einzigen noch verbliebenen preußischen Kunstakademie neben Berlin zu sichern. Ein neues Ausbildungskonzept, erweitert um die Bereiche Städtebau, Werbung und Bühnenkunst, sollte die Berufschancen der Akademieabsolventen in einer Zeit großer wirtschaftlicher Not verbessern. Die Zahl der Schüler wurde verringert, die Lehrerausbildung erweitert und die Akademieräume erhielten eine Modernisierung. Wegen der besseren konservatorischen Betreuung ließ Kaesbach 1932 die Kunstsammlungen der Akademie auf das Städtische Museum Düsseldorf übertragen. Mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit warb er für die Akademie. Im Januar 1932 standen erstmals sämtliche Ateliers für das Publikum offen, wie es noch bis heute während der „Rundgänge“ geschieht. Kaesbach gelang es, mit Anna Simons (1871-1951) eine angesehene Schriftkünstlerin und mehrere Vertreter der Moderne als Lehrer zu gewinnen, wie Heinrich Campendonk, Walter von Wecus (1893-1977), Werner Heuser (1880-1964), Alexander Zschokke (1894-1981), Clemens Holzmeister (1886-1983), Paul Klee (1879-1940) und Ewald Mataré.
Dabei bewegte sich Kaesbachs Berufungspolitik im Allgemeinen innerhalb des etablierten zeitgenössischen Spektrums. Jedoch wurde die Berufung Klees vom Bauhaus Dessau im Jahr 1931 heftig diskutiert. Das Betriebsklima an der Akademie litt stark unter den Berufungen und dem künstlerischen Richtungsstreit dieser Jahre. Jedoch fand Kaesbach bis 1933 die vorbehaltlose Rückendeckung durch das Preußische Kultusministerium in Berlin und den Regierungspräsidenten in Düsseldorf als Kurator der Akademie. In der Akademie verband ihn nicht nur mit dem bereits 1921 berufenen Professor und Maler Heinrich Nauen eine Freundschaft.
Die berufliche Karriere Kaesbachs endete abrupt mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933. Nach Hetzpropaganda, Intrigen und seinem vergeblichen kurzzeitigen Versuch eines Arrangements mit den neuen Machthabern wurde er am 29.3.1933 des Amtes enthoben und erhielt Hausverbot, um schließlich am 6.4.1933 bei einer erheblichen Kürzung seiner Bezüge zwangspensioniert zu werden. Anstelle Kaesbachs übernahm der konservative Tiermaler Julius Paul Junghanns (1876-1958) für rund ein halbes Jahr die kommissarische Leitung der Akademie, um einen drastischen Personalabbau durchzusetzen. Kaesbach verkaufte sein Düsseldorfer Haus und zog mit seiner Lebensgefährtin Heß nach Hemmenhofen (heute Gemeinde Gaienhofen) am Bodensee, um jederzeit bei Gefahr in Verzug mit einem Boot in die freie Schweiz flüchten zu können. Dort hielt er Kontakte zu seinen Künstlerfreunden und widmete sich der Gartenarbeit.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs veranstaltete die Stadt Überlingen am Bodensee unter Kaesbachs Verantwortung schon im Herbst 1945 die erste Ausstellung verfolgter und „entarteter“ Künstler mit dem programmatischen Titel „Deutsche Kunst unserer Zeit“. Bis zu seinem Tode unterhielt er ständige Kontakte ins Rheinland, unter anderem zum Leiter des Städtischen Museums Mönchengladbach, Heinrich Dattenberg (1902-1986). Das Engagement Kaesbachs für seine Geburtsstadt und die moderne bildende Kunst wurde mit Auszeichnungen gewürdigt. Die Stadt Mönchengladbach verlieh ihm 1954 den Goldenen Ehrenring, das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse erhielt er 1959 anlässlich der Vollendung seines 80. Lebensjahres.
Mit Walter Kaesbach starb am 1.6.1961 in Konstanz am Bodensee ein Förderer der modernen Kunst, insbesondere des Expressionismus in Deutschland und ein Reformer für eine fortschrittliche Künstler- und Kunstlehrerausbildung an der Kunstakademie Düsseldorf für das Rheinland.
Quellen
Kunowski, Lothar von, Die Kunsthochschule. Eine Einführung in Lehrgang u. Ziele, Düsseldorf 1929.
Die Kunsthochschule von heute, Kunstakademie Düsseldorf 1932.
Literatur
Bauer, Christoph/Stark, Barbara (Hg.), Walter Kaesbach – Mentor der Moderne, Katalog zur Doppelausstellung „Moderne am Bodensee. Walter Kaesbach und sein Kreis“, Langenwil 2008.
Fehlemann, Sabine, Walter Kaesbach, hg. von der Gladbacher Bank AG von 1922, Mönchengladbach 1991.
Fehlemann, Sabine, Walter Kaesbach Stiftung 1922-1937. Das Schicksal einer Sammlung „entarteter“ Kunst, 2. Auflage, Mönchengladbach 1991.
Klapheck, Anna, Walter Kaesbach und die zwanziger Jahre an der Düsseldorfer Kunstakademie, Ausgabe der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, erschienen zum Tod Walter Kaesbachs am 1. Juni 1961, Düsseldorf 1961.
Weiß, Lothar, Walter Kaesbach (1879-1961), Kunsthistoriker, in: Rheinische Lebensbilder 19 (2013), S. 221-252.
Wendland, Ulrike, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, Band 1, München 1999, S. 348-351.
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Weiß, Lothar, Walter Kaesbach, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/walter-kaesbach/DE-2086/lido/57c9310d9c0586.93184123 (abgerufen am 07.12.2024)