Werner Eggerath

Schriftsteller, von 1947 bis 1952 Ministerpräsident von Thüringen, DDR-Diplomat (1900-1977)

Helmut Müller-Enbergs (Berlin)

Porträtfoto von Werner Eggerath im Jahr 1950. (Bundesarchiv, Bild 183-19000-3828 / CC-BY-SA 3.0)

Ge­bo­ren wur­de Wer­ner Eg­gerath am 16.3.1900 als Sohn ei­nes Stuk­ka­teurs in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal). Nach der Volks­schu­le ar­bei­te­te er als Schlos­ser, Bau- und Ha­fen­ar­bei­ter und als Hei­zer. Von Sep­tem­ber 1918 bis März 1919 war er Sol­dat im Ers­ten Welt­krieg, zu­nächst An­ge­hö­ri­ger ei­nes Pio­nier­ba­tail­lons, zu­letzt beim Frei­korps Bal­ti­ku­mer, das beim Grenz­schutz Oberst-Ost ein­ge­setzt war. Un­ter dem Ein­druck der Kriegs­er­leb­nis­se or­ga­ni­sier­te er sich ge­werk­schaft­lich, schrieb als „Ar­bei­ter­kor­re­spon­den­t“ Zei­tungs­ar­ti­kel, und trat in die Ro­te Ar­mee ein, die sich im Ruhr­ge­biet mi­li­tä­risch ge­gen den Putsch von Kapp und Lütt­witz zu weh­ren such­te. Nach de­ren Nie­der­la­ge flüch­te­te er in die nie­der­län­di­sche Pro­vinz Lim­burg, wo er ab 1923 im deut­schen Grenz­ort Gan­gelt leb­te. 1924 or­ga­ni­sier­te er sich in der KPD, in der er auf ört­li­cher Ebe­ne ei­ne Rei­he von Funk­tio­nen über­nahm. Bis 1927 war er Berg­ar­bei­ter in Heer­len (Nie­der­lan­de). Bei den Kom­mu­nal­wah­len in Neuss am Rhein wur­de er 1929 zum Stadt­ver­ord­ne­ten ge­wählt, sei­ne Par­tei be­stimm­te ihn 1932 zum Lei­ter des Un­ter­be­zirks Wup­per­tal. Er ent­wi­ckel­te sich zu ei­nem der hoff­nungs­vol­len Ka­der der KPD, wes­halb er von Ok­to­ber 1932 bis 1934 zur In­ter­na­tio­na­len Le­n­in­schu­le in Mos­kau de­le­giert wur­de.

Nach sei­ner Rück­kehr nach Deutsch­land ge­hör­te er dem Se­kre­ta­ri­at der un­ter­des­sen il­le­ga­len Re­vo­lu­tio­nä­ren Ge­werk­schafts­op­po­si­ti­on an, zu­gleich war er zeit­wei­se Mit­glied der Lan­des­lei­tung der KPD, zu­stän­dig für die po­li­ti­sche Ar­beit in den Be­zir­ken Ruhr­ge­biet – Nie­der­rhein – Mit­tel­rhein und Süd­west­deutsch­land, für die ge­werk­schaft­li­che Ar­beit in Ber­lin so­wie für den Li­te­ra­tur­ver­trieb und Ka­de­ran­ge­le­gen­hei­ten der KPD. Sein Wir­ken blieb nicht un­be­merkt, am 21.1.1935 er­folg­te sei­ne Ver­haf­tung, de­nen Ver­hö­re im Ber­li­ner Ge­fäng­nis Prinz-Al­brecht-Stra­ße, im Co­lum­bia­haus und in der Un­ter­su­chungs­haft in Ber­lin-Moa­bit folg­ten. Im April 1936 ver­ur­teil­te ihn der I. Se­nat des Volks­ge­richts­hofs we­gen „Vor­be­rei­tung zum Hoch­ver­ra­t“ zu 15 Jah­ren Zucht­haus, die er im Zucht­haus in Müns­ter und in der Straf­an­stalt über­wie­gend in Ein­zel­haft ver­bü­ßen muss­te; zu­letzt ge­hör­ter er im Zen­tral­ge­fäng­nis in Bo­chum ei­nem Spreng­kom­man­do an.

 

Im Ju­ni 1945 ging Wer­ner Eg­gerath nach Eis­le­ben, wo er die „Par­tei der Werk­tä­ti­gen“ ins Le­ben rief, ei­ne Epi­so­de, zu der er spä­ter in der Pu­bli­ka­ti­on „fröh­li­che Beich­te“ ge­stand, war Chef­re­dak­teur der „Eis­le­be­ner Zei­tun­g“ und wur­de im Ju­li Land­rat des Mans­fel­der See­krei­ses. Zu­gleich war er in der wie­der zu­ge­las­se­nen KPD ak­tiv, die ihn am 1.10.1945 zum 1. Se­kre­tär der Be­zirks­lei­tung Thü­rin­gen wähl­te. Bei den Land­tags­wah­len in Thü­rin­gen 1946 kan­di­dier­te er für die SED und wur­de Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter. In je­ner Zeit ge­hör­te Wer­ner Eg­gerath zu den be­stim­men­den deut­schen Kom­mu­nis­ten, wes­halb ihn die SED 1946/1947 zum Lan­des­vor­sit­zen­den in Thü­rin­gen be­stimm­te. Von Mai bis Ok­to­ber 1947 wur­de er zum Mi­nis­ter des In­nern Thü­rin­gens ge­wählt, wo­mit er zu­gleich Stell­ver­tre­ten­der Mi­nis­ter­prä­si­dent war, und an­schlie­ßend zum Mi­nis­ter­prä­si­den­ten des Lan­des. In die­ser Funk­ti­on traf er 1949 auf Tho­mas Mann (1875-1955) wäh­rend des­sen Auf­ent­hal­tes in Wei­mar, der ge­gen­über Eg­geraths Haft­ent­beh­run­gen we­gen „schwer sei­ne Ach­tung ver­sa­gen kan­n“. Die her­aus­ra­gen­de Rol­le in­ner­halb Thü­rin­gens er­hielt auch in der So­wje­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne ih­re Ent­spre­chung. Wer­ner Eg­gerath wur­de 1948 Mit­glied des Deut­schen Volks­ra­tes, aus dem nach Bil­dung der DDR die Volks­kam­mer ent­stand, der er bis 1954 an­ge­hö­ren soll­te. Mit der Um­struk­tu­rie­rung der Län­der in der DDR in Be­zir­ke ver­lor Eg­gerath sei­ne Stel­lung als Mi­nis­ter­prä­si­dent, wes­halb er zu­nächst auf DDR-Ebe­ne mit Funk­tio­nen ver­se­hen wur­de. Er wur­de 1952 zum Staats­e­kre­tär beim Mi­nis­ter­prä­si­den­ten der DDR er­nann­te, lei­te­te in die­ser Funk­ti­on die für ihn ge­schaf­fe­ne Ko­or­di­nie­rungs- und Kon­troll­stel­le für die ört­li­chen Or­ga­ne in der DDR. 

Wer­ner Eg­gerath wech­sel­te 1954 in den di­plo­ma­ti­schen Dienst des Mi­nis­te­ri­ums für Aus­wär­ti­ge An­ge­le­gen­hei­ten und war bis 1957 Bot­schaf­ter der DDR in Ru­mä­ni­en. Nach sei­ner Rück­kehr ge­hör­te er dem Frie­dens­rat und sei­nem Prä­si­di­um so­wie der Li­ga für Völ­ker­freund­schaft an. Zu­gleich er­hielt er am 8.3.1957 die emi­nent wich­ti­ge und neu ge­schaf­fe­ne Funk­ti­on ei­nes Staats­se­kre­tärs für Kir­chen­fra­gen, in der er zu den ein­zi­gen staats­un­ab­hän­gi­gen In­sti­tu­tio­nen, den evan­ge­li­schen und ka­tho­li­schen Kir­chen dif­fe­ren­zier­te Be­zie­hun­gen zu un­ter­hal­ten hat­te.

Begrüßung von Thomas Mann in Weimar durch Werner Eggerath und Frau Dr. Thorhorst. (Bundesarchiv, Bild 183-S86720 / CC-BY-SA 3.0)

 

Al­ler­dings muss­te er die­se Auf­ga­be 1960 aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den auf­ge­ben, blieb je­doch wei­ter­hin ak­tiv. Als frei­schaf­fen­der Schrift­stel­ler ver­fass­te er bis zu sei­nem Tod am 16.6.1977 ins­ge­samt vier Bü­cher, wo­bei er be­reits seit Jah­ren Ar­bei­ten ver­öf­fent­licht hat­te, die re­gel­mä­ßig Ei­gen­er­le­ben ro­man­haft ver­ar­bei­ten. 1947 er­schien in Wei­mar der Ti­tel „Nur ein Men­sch“, in dem er sich dem Wi­der­stand ge­gen die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten wid­met, 1948 „Mar­xis­mus und Ar­bei­ter­klas­se. Kampf um die deut­sche De­mo­kra­tie“, 1949 der agi­ta­ti­ons­ori­en­tier­te Er­leb­nis­be­richt „10000 Ki­lo­me­ter durch das So­wjet­lan­d“, 1952 im SED-Ver­lag über das Er­star­ken der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten die Er­zäh­lung „Die Stadt im Tal“, 1956 „Die Ent­schei­dung des Dr. Ring­ler und an­de­re Skiz­zen“, 1959 „Kein Trop­fen ist um­sonst ver­gos­sen“, ei­nem Ro­man, in dem es um den Streik der rhei­ni­schen Berg­ar­bei­ter zur Zeit der Rhein­land­be­set­zung nach dem Ers­ten Welt­krieg geht, und 1960 der Ro­man „Was­ser­ein­bruch“, der ei­ne Na­tur­ka­ta­stro­phe im Mans­fel­der Kup­fer­berg­bau­ge­biet li­te­ra­risch ver­ar­bei­tet, so­wie 1960 „Fahrt ins Do­nau­tal und an­de­re Re­por­ta­gen aus Ru­mä­ni­en“.

Wäh­rend die­se Ar­bei­ten noch ne­ben­her er­schie­nen, wid­me­te er sich in den nächs­ten Jah­ren – er hat­te le­dig­lich 1962/1963 die Funk­ti­on des Par­tei­se­kre­tärs im Be­zirks­ver­band des Deut­schen Schrift­stel­ler­ver­ban­des über­nom­men – 1963 „Ko­sa­ken­ge­ne­ral und an­de­re bun­te Ge­schich­ten“, 1964 „Land der blau­en Flam­men, Wie­der­se­hen mit Ru­mä­ni­en“, 1965 die Er­zäh­lung „Quo va­dis Ger­ma­nia?“ und der „Ko­sa­ken­ge­ne­ral. Er­zäh­lun­gen“ und zwei Jah­re vor sei­nem Ab­le­ben, mehr­fach auf­ge­legt, „Die fröh­li­che Beich­te. Ein Jahr mei­nes Le­bens“, in der es um den Ver­ei­ni­gungs­pro­zess von SPD und KPD in Thü­rin­gen geht.

Wer­ner Eg­gerath wird in der öf­fent­li­chen Wahr­neh­mung heu­te über­wie­gend we­gen sei­ner Rol­le als Staats­se­kre­tär für Kir­chen­fra­gen er­in­nert, wäh­rend sei­ne Ro­ma­ne le­dig­lich ei­nen mar­gi­na­len Stel­len­wert ein­neh­men, ins­be­son­de­re we­gen ih­rer aus­ge­prägt un­kri­ti­schen mar­xis­tisch-le­ni­nis­ti­schen Ein­stel­lung.

Werke (Auswahl)

Nur ein Mensch. Thü­rin­ger Volks­ver­lag, Wei­mar 1947.

„Mar­xis­mus und Ar­bei­ter­klas­se. Kampf um die deut­sche De­mo­kra­tie“. Thü­rin­ger Volks­ver­lag, Wei­mar 1948.

10000 Ki­lo­me­ter durch das So­wjet­land, 1949.

Die Stadt im Tal,, Ber­lin 1952.

Die Ent­schei­dung des Dr. Ring­ler und an­de­re Skiz­zen, Ber­lin 1956.

Kein Trop­fen ist um­sonst ver­gos­sen, Ber­lin 1959.

Was­ser­ein­bruch! Ber­lin 1960.

Fahrt ins Do­nau­tal und an­de­re Re­por­ta­gen aus Ru­mä­ni­en, 1960.

Der Ko­sa­ken­ge­ne­ral und an­de­re Ge­schich­ten, Ber­lin 1961.

Im Land der blau­en Flam­men, Leip­zig 1964.

Quo Va­dis Ger­ma­nia, Ber­lin 1965.

Die fröh­li­che Beich­te. Ein Jahr mei­nes Le­bens, Ber­lin 1975.

Literatur

Bo­yens, Ar­min, Das Staats­se­kre­ta­ri­at für Kir­chen­fra­gen, in: Vollnhals, Cle­mens (Hg.), Die Kir­chen­po­li­tik von SED und Staat. Ei­ne Zwi­schen­bi­lanz, Ber­lin 1997, S. 120–138.

Bo­yens, Ar­min/We­ber,Her­mann/Herbst, An­dre­as, Deut­sche Kom­mu­nis­ten. Bio­gra­phi­sches Hand­buch 1918 bis 1945, Ber­lin 2008, S. 211-212.

Go­er­ner, Mar­tin Ge­org, Zu den Struk­tu­ren und Me­tho­den der SED-Kir­chen­po­li­tik in den fünf­zi­ger Jah­ren, in: Schro­eder Klaus (Hg.), Ge­schich­te und Trans­for­ma­ti­on des SED-Staa­tes. Ber­lin 1994, S. 112– 129.

Jungaktivisten aus dem Kali-Bergwerk Kaiserroda im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten Eggerath. (Bundesarchiv, Bild 183-R89617 / CC-BY-SA 3.0)

 
Zitationshinweis

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Müller-Enbergs, Helmut, Werner Eggerath, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/werner-eggerath/DE-2086/lido/613f0cf1552050.65427946 (abgerufen am 24.04.2024)