Wilhelm Frede

NS-Widerstandskämpfer (1875-1942)

Jennifer Striewski (Bonn)

Wilhelm Frede, Porträtfoto.

Wil­helm Fre­de war ein in nie­der­län­di­schen Diens­ten ste­hen­der deut­scher Di­plo­mat. We­gen sei­nes ka­tho­li­schen Glau­bens ein ent­schie­de­ner Geg­ner des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus, wur­de Fre­de 1942 ver­haf­tet und im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Sach­sen­hau­sen in­ter­niert, wo er am 13.3.1942 an den Fol­gen der Haft starb.

Wil­helm Fre­de wur­de am 29.6.1875 in Mei­de­rich (heu­te Stadt Duis­burg), als äl­tes­tes von sechs Kin­dern des In­dus­trie­ar­bei­ters Ju­li­us Fre­de und sei­ner Frau Adel­gun­de van Ue­dem ge­bo­ren. Ab 1882 be­such­te er die Volks­schu­le in Mei­de­rich, wel­che er ein hal­bes Jahr vor sei­nem Ab­schluss 1889 ver­ließ, um ei­ne Lehr­stel­le als Kauf­män­ni­scher An­ge­stell­ter bei den „Rhei­ni­schen Stahl­wer­ken" in Düs­sel­dorf an­zu­tre­ten. 1894 er­hielt er ei­ne An­stel­lung in der „Ver­lags­buch­hand­lung Hoff­mann" in Duis­burg. 1897 kam Wil­helm Fre­de durch die Ver­mitt­lung des Ka­plans Carl Mühl­hoff nach Kle­ve, wo er ei­ne Stel­le als Buch­hal­ter in der „Wein­gro­ßhand­lung Re­my" an­trat.

1898 wur­de Wil­helm Fre­des Ar­beit­ge­ber Carl Theo­dor Re­my zum eh­ren­amt­li­chen Kon­sul des Nie­der­län­di­schen Kon­su­lats er­nannt, und Fre­de über­nahm zu­sätz­lich zu sei­ner Tä­tig­keit als Bü­ro­an­ge­stell­ter die Auf­ga­ben ei­nes Kon­su­lats­be­diens­te­ten. Er er­lern­te im Selbst­stu­di­um die nie­der­län­di­sche, fran­zö­si­sche und eng­li­sche Spra­che und avan­cier­te auf­grund sei­nes Flei­ßes und Ar­beits­ei­fers zu ei­nem der wich­tigs­ten Mit­ar­bei­ter Re­mys. 1916 stieg Wil­helm Fre­de zum Kon­su­lats­se­kre­tär auf, 1926 folg­te die Er­nen­nung zum Vi­ze­kon­sul. Zu sei­nem 40-jäh­ri­gen Dienst­ju­bi­lä­um wur­de er am 28.4.1938 durch die nie­der­län­di­sche Kö­ni­gin Wil­hel­mi­na (1880-1962) zum Rit­ter des Or­dens von Ora­ni­en-Nas­sau er­nannt.

Fre­de war ne­ben sei­ner be­ruf­li­chen Kar­rie­re viel­sei­tig ak­tiv. So war er 1895 Mit­be­grün­der des Turn­ver­eins „Mer­kur" und ge­hör­te 1910 zu den Grün­dern des „Ver­ban­des der Ka­tho­li­schen Kauf­män­ni­schen Ver­ei­ne Deutsch­lands". Im glei­chen Jahr wur­de Fre­de Vor­stands­mit­glied der Zen­trums­par­tei Kle­ve, en­ga­gier­te sich im Sport­ver­ein „Deut­sche Ju­gend­kraft Rhen­a­nia Kle­ve" und be­treu­te in den Jah­ren 1920 bis 1933 die Ju­gend im Ver­ein „Lo­hen­grin". Für die Or­dens­schwes­tern im Sankt-An­to­ni­us Hos­pi­tal agier­te er häu­fig als Be­ra­ter und ge­hör­te dem Ku­ra­to­ri­um des Jung­mäd­chen­hei­mes an. Au­ßer­dem war er Vor­stands­mit­glied der Be­rufs­schu­le und des Kir­chen­vor­stan­des der Pfar­re Sankt Ma­riä Emp­fäng­nis und en­ga­gier­te sich im Orts­aus­schuss für Lei­bes­übun­gen so­wie im Ver­wal­tungs­aus­schuss der Volks­hoch­schu­le.

Nach der „Macht­er­grei­fung" der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten am 30.1.1933 ge­riet Wil­helm Fre­de we­gen sei­ner ka­tho­li­schen Über­zeu­gung im­mer stär­ker in in­ne­ren Wi­der­spruch zu den po­li­ti­schen Ver­hält­nis­sen. Er äu­ßer­te je­doch zu­nächst kei­ne öf­fent­li­che Kri­tik am Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und leis­te­te auch kei­nen ak­ti­ven Wi­der­stand. Doch 1933 ge­riet Fre­de ins Vi­sier der Ge­sta­po. Er wei­ger­te sich, den „Hit­ler-Gruß" aus­zu­füh­ren, hiss­te wei­ter­hin die schwarz-weiß-ro­te Fah­ne des Kai­ser­rei­ches an­statt der Ha­ken­kreuz­fah­ne und be­kann­te sich zu sei­nem ka­tho­li­schen Glau­ben durch die Teil­nah­me an Pro­zes­sio­nen und den re­gel­mä­ßi­gen Got­tes­dienst-Be­such. Da­her galt er schon früh als „po­li­tisch un­zu­ver­läs­sig" und als „fa­na­ti­scher Ka­tho­lik".

Wäh­rend der Reichs­po­grom­nacht vom 9. auf den 10.11.1938 stell­te Fre­de ei­ni­ge ju­gend­li­che Ran­da­lie­rer zur Re­de, die das Haus des jü­di­schen Vieh­händ­lers Bern­hard Gon­sen­hei­mer in Kle­ve mit Stei­nen be­wor­fen hat­ten. Er si­cher­te die­sem zu, von den El­tern der Jun­gen ei­ne Ent­schä­di­gung zu ver­lan­gen, wes­halb er von ei­nem Pas­san­ten be­schimpft und von die­sem spä­ter bei der Ge­sta­po we­gen „Ju­den­freund­lich­keit" an­ge­zeigt wur­de. Nach den Po­gro­men ge­gen die Kle­ver Ju­den be­müh­te sich Wil­helm Fre­de in sei­ner Funk­ti­on als Nie­der­län­di­scher Vi­ze­kon­sul, den ver­blie­be­nen Ju­den bei ih­rer Aus­rei­se zu hel­fen. 52 der 200 Kle­ver Ju­den konn­ten so ins Aus­land emi­grie­ren.

Nach der Be­set­zung der Nie­der­lan­de am 10.5.1940 durch deut­sche Trup­pen und der an­schlie­ßen­den Ka­pi­tu­la­ti­on am 15.5.1940 wur­de das Nie­der­län­di­sche Kon­su­lat in Kle­ve ge­schlos­sen. Gleich­zei­tig be­gann die Ge­sta­po mit der um­fas­sen­den Über­wa­chung Fre­des. Im Ju­ni 1940 über­nahm das Kö­nig­lich-Schwe­di­sche Vi­ze­kon­su­lat in Duis­burg den Schutz der in Deutsch­land ver­blie­be­nen nie­der­län­di­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen. Zu die­sem Zweck wur­de im ehe­ma­li­gen Nie­der­län­di­schen Kon­su­lat in Kle­ve die „Schwe­di­sche Hilfs­stel­le" ein­ge­rich­tet und Wil­helm Fre­de un­ter­stellt.

Im Ok­to­ber 1940 wei­te­te die Ge­sta­po die Ob­ser­va­ti­on Fre­des aus. Auf ste­ten und sich ver­stär­ken­den Druck sei­tens des na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Re­gimes wur­de er schlie­ß­lich am 6.10.1941 aus dem Dienst des Schwe­di­schen Kon­su­lats ent­las­sen; be­reits zwei Ta­ge spä­ter emp­fahl das Grenz­kom­mis­sa­ri­at in Kle­ve ,ihn we­gen Un­ter­stüt­zung ei­nes „Feind­staa­tes" in „Schutz­haft" zu neh­men.

Nicht mehr un­ter dem Schutz des Nie­der­län­di­schen und Schwe­di­schen Kon­su­lats ste­hend, wur­de Fre­de am 3.11.1941 in Kle­ve ver­haf­tet und ins Ge­fäng­nis ge­bracht. Mehr­fach wand­te sich sei­ne Fa­mi­lie an die Schwe­di­sche Bot­schaft in Ber­lin, doch al­le Ver­su­che ei­ner Haft­ent­las­sung schei­ter­ten. Bei sei­ner Ver­neh­mung durch die Ge­sta­po wur­den ins­be­son­de­re Fre­des re­li­gi­ös be­grün­de­te Wei­ge­rung zu ei­nem Ein­tritt in die NS­DAP und sei­ne „Ju­den­freund­lich­keit" wäh­rend der No­vem­ber­po­gro­me 1938 ge­gen ihn vor­ge­bracht. Am 19.12.1941 er­ging die An­ord­nung, Fre­de ins Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Sach­sen­hau­sen zu über­stel­len, wo er am 7.2.1942 in­haf­tiert wur­de.

Be­reits am 13.3.1942 starb Wil­helm Fre­de dort an den Fol­gen der Haft, nach­dem er als „ka­tho­li­scher Fa­na­ti­ker", „Deutsch­feind­li­cher", „Lan­des­ver­rä­ter" und „Ju­den­freund" mehr­fach ge­fol­tert wor­den war. Nach Aus­sa­ge ei­nes Mit­ge­fan­ge­nen er­fror Fre­de, nach­dem er bei ei­si­ger Wit­te­rung an ei­ner Wand auf­ge­hängt und mit Was­ser be­spritzt wor­den war. In der amt­li­chen Mit­tei­lung hieß es, Fre­de sei an Herz­schwä­che bei Bron­chop­neu­mo­nie ver­stor­ben. Sein Leich­nam wur­de ver­brannt.

In der Ge­denk­stät­te für Neu­zeit­li­che Mär­ty­rer in der Kryp­ta des Xan­te­ner Do­mes er­in­nern ei­ni­ge An­denken an Wil­helm Fre­de; in Kle­ve wur­den ei­ne Stra­ße so­wie ei­ne Schu­le nach ihm be­nannt. In der Kle­ver Stifts­kir­che Sankt Ma­riä Emp­fäng­nis er­in­nert ei­ne Bron­ze­ta­fel an den Di­plo­ma­ten.

Literatur

Kloi­dt, Franz, Ge­sta­po-Ak­ten III/4-F3/41g, Mar­ty­rer-Ak­ten Wil­helm Fre­de, Kre­feld 1966.
Küs­ters, Paul Ger­hard, Wil­helm Fre­de – Ich hal­te stand, Kle­ve 1998.
Küs­ters, Paul Ger­hard, Der Mär­ty­rer Wil­helm Fre­de, in: Rund­brief In­ter­na­tio­na­ler Karl-Leis­ner-Kreis 34 (1996), S. 32-34.
Küs­ters, Paul Ger­hard, Ge­wis­sen als obers­tes Ge­setz des Han­delns. Wil­helm Fre­de, ein Kle­ver Mär­ty­rer der Na­zi­herr­schaft, in: Ka­len­der für das Kle­ver Land 40 (1989), S. 34-36.
Moll, Hel­mut (Hg.), Zeu­gen für Chris­tus. Das deut­sche Mar­ty­ro­lo­gi­um des 20. Jahr­hun­derts, Pa­der­born 2000, S. 466-468.

Online

Küs­ters, Paul Ger­hard: Spä­te Eh­rung für Wil­helm Fre­de(Ar­ti­kel auf der Home­page des Kle­vi­schen Ver­eins für Kul­tur und Ge­schich­te Freun­de der Schwa­nen­burg e.V.). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Striewski, Jennifer, Wilhelm Frede, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-frede/DE-2086/lido/57c6bf0d5e3618.00860888 (abgerufen am 10.11.2024)