Zu den Kapiteln
Wilhelm Grillo, der seine berufliche Laufbahn als Kaufmann für Eisenwaren in Mülheim an der Ruhr begann, entschloss sich 1849 zu einer Betätigung in der Industrie und gründete angesichts der wachsenden Nachfrage nach Erzeugnissen aus Zink mit einem Schwager als Partner ein Zinkwalzwerk an der Emscher in Hamborn (heute Stadt Duisburg). Sechs Jahre später entstand ein von ihm allein geführtes, größeres und moderneres Zinkwalzwerk in Oberhausen, dessen Produkte zunächst in Deutschland und seit den 1860er Jahren auch in anderen europäischen Ländern gefragt waren. 1869 stieg er in die lukrative Produktion des Weißpigments Zinkweiß ein. 1881 begann Grillo, das für die Oberhausener Betriebe benötigte Zink in einer eigenen Zinkhütte in Hamborn selbst herzustellen. Das von ihm geschaffene Unternehmen existiert als reines Familienunternehmen unter der Firma Grillowerke AG noch heute mit Sitz in Duisburg-Hamborn.
Wilhelm Grillo wurde am 15.10.1819 als ältester Sohn des Kaufmanns Wilhelm Grillo (1793–1827) und der Gertrud Grillo geborene Funke (1798–1839) in Essen geboren und war evangelischen (reformierten) Bekenntnisses. Seine Familie stammte aus Oberitalien, die ältesten bekannten Vorfahren väterlicherseits lebten Anfang des 17. Jahrhunderts in Sondrio (Sonders) im Veltlin, das von 1521 bis 1797 zur Schweiz gehörte, und waren Mitglieder der reformierten Kirche. Als im Jahre 1620 spanische Truppen die protestantischen Einwohner von Sondrio, die nicht zum Katholizismus übertreten wollten, grausam ermordeten, entging nur ein junger Namensträger, Christoffel Grillo (um 1606-1687), dem Gemetzel; er wurde zunächst in Basel und dann in Chur sesshaft, wo er als Kupferschmied arbeitete. Dessen einziger Sohn, ebenfalls Kupferschmied, zog nach Halberstadt bei Magdeburg. In der folgenden Generation stieg die Familie in das Akademikertum auf. Johann Georg Grillo (1697-1765), der Enkel Christoffel Grillos, studierte Theologie in Frankfurt an der Oder und war Prediger der Burggemeinde in Wettin an der Saale. Sein Sohn Franz Georg Grillo (1741–1824) trat in den Staatsdienst ein und war als Königlich Preußischer Salzinspektor seit etwa 1765 auf der Saline Königsborn bei Unna tätig. In Königsborn kam Theodor Grillo (1770–1836), Eisenwarenhändler in Essen, zur Welt. Dessen Sohn war Wilhelm Grillo, der Vater der Industriellen Wilhelm junior und Friedrich Grillo.
Wilhelm Grillo junior besuchte das Essener Gymnasium, absolvierte anschließend eine kaufmännische Lehre und arbeitete dann kurze Zeit als kaufmännischer Angestellter in Wesel. Nach dem Tod seiner Mutter Mitte 1839 trat er ebenfalls für kurze Zeit in das elterliche Geschäft in Essen ein. Die Vermögensauseinandersetzung zwischen seinem Stiefvater Leopold Fechner (1799-1843) einerseits und ihm und seinen Geschwistern sowie Halbgeschwistern andererseits brachte ihm so viel Kapital ein, dass er sich 1842 in Mülheim als Eisenwarenhändler selbständig machen konnte. Sein Geschäft lag in der Altstadt gegenüber der evangelischen Kirche. Grillo heiratete am 26.5.1843 Catharina Kolkmann (1820–1895), die Tochter eines begüterten Landwirtes in Meiderich (heute Stadt Duisburg). Der Ehe entstammten fünf Söhne und vier Töchter.
Durch die Errichtung einer Zinkhütte des belgischen Unternehmens Vieille Montagne (Altenberg) in Eppinghofen bei Mülheim 1845/1846 und das immer zahlreichere Aufkommen verzinkter Gegenstände, die er auch im eigenen Geschäft angebot, wurde Grillos Interesse für die Zinkindustrie geweckt. 1849 entschloss er sich nicht ohne Wagemut, sich ganz dieser hoffnungsvollen Branche zu verschreiben. Er überließ das Mülheimer Geschäft seinem Bruder August (1823-1897), gründete mit seinem Schwager Daniel Morian in Hamborn ein Unternehmen zur Produktion von Zinkblech und übersiedelte mit seiner Familie nach Hamborn. Auf einem Grundstück an der Emscher, nahe der Neuen Mühle, bauten Grillo und Morian ein mit Wasserkraft betriebenes kleines Zinkwalzwerk, das 1850 in Betrieb ging und offenbar stets gut ausgelastet war. Das Rohzink lieferte die Vieille Montagne, die auch das fertige Zinkblech abnahm. Außer Zinkplatten wurden in Hamborn auch Kupferplatten ausgewalzt.
Während Daniel Morian seit den 1850er Jahren sein hauptsächliches Interesse dem Steinkohlenbergbau zuwandte, suchte Grillo nach Möglichkeiten, die Zinkblechproduktion erheblich zu steigern und ein eigenes, größeres Walzwerk zu bauen. 1855 errichtete er unter der Firma Wilhelm Grillo in der Gemarkung Lirich der Bürgermeisterei Borbeck, nahe dem Bahnhof Oberhausen der Köln–Mindener Eisenbahngesellschaft, ein aus zwei Walzenstraßen bestehendes Zinkwalzwerk, das mit einer Dampfmaschine mit 40 PS Leistung betrieben wurde. Die Beleuchtung des Werkes und des daneben errichteten Wohnhauses, das im Bereich der heutigen Oberhausener Stadthalle stand, erfolgte mit Koksgas, das Grillo in einer kleinen Anlage aus Kohlen, die er von der Zeche Concordia bezog, selbst erzeugte. Das Personal des Walzwerkes bestand ursprünglich aus einem Meister und 20 Arbeitern. Im ersten Betriebsjahr wurden aus den auch hier (bis 1864) von der Vieille Montagne bezogenen Hartzinkblöcken 1.150 Tonnen Zinkblech gewalzt. Ende der 1850er Jahre wurden zwei weitere Walzenstraßen in Dienst gestellt. Die kleinere Anlage in Hamborn–Neumühl wurde weiter betrieben, bis Grillo zu einem unbekannten Zeitpunkt nach dem 10.12.1863 (wahrscheinlich 1864) seinen Anteil an Morian verkaufte, der das Werk zu einem Kupfer- und Eisenwalzwerk umrüsten ließ, nachdem er sich dem Schwager gegenüber vertraglich verpflichtet hatte, dort auf zehn Jahre kein Zink zu walzen.
Kurz vor der 1857 beginnenden Wirtschaftskrise gründete Grillo gemeinsam mit seinen Brüdern August und Friedrich (Fritz), seinen Schwägern Daniel Morian und Moritz Tigler sowie weiteren Partnern das Actien–Etablissement Styrum für Eisenindustrie, das 1856/1857 südlich des Bahnhofs Oberhausen auf einem ehemaligen Waldgelände eine Eisengießerei, eine Kesselschmiede, eine mechanische Werkstatt und eine Fabrik für feuerfeste Steine errichtete. Ein halbes Jahr nach Produktionsbeginn zählte das Werk bereits 500 Arbeiter. In den ersten Jahren des Unternehmens fungierte Grillo als Betriebsdirektor. Die „Styrumer Eisenindustrie“ überstand die Wirtschaftskrise der 1870er und 80er Jahre und existierte bis 1901, als sie in Konkurs ging. Auf einem Teil ihres Geländes entstand der heutige Friedensplatz.
In den 1860er Jahren erweiterte Grillo das Fertigungsspektrum seines Zinkwalzwerkes, das nun unter anderem Bauelemente, Beschläge für Schiffe und Satinierbleche für die Papierproduktion herstellte. Die Erzeugnisse des Oberhausener Werkes wurden in ganz Deutschland, aber auch in Schweden, Norwegen und England abgesetzt. Das Rohzink wurde nun auf dem Weltmarkt eingekauft. 1867 begann Grillo in Oberhausen das Farbpigment Zinkweiß (besonders reines Zinkoxid) zu produzieren, einen Rohstoff für Malerfarben, der eine ungiftige Alternative zum herkömmlichen Bleiweiß darstellte. Er wurde damit nach der Zinkhütte in Eppinghofen der zweite Produzent von Zinkweiß in der Rheinprovinz. 1869 erzeugten die beiden Unternehmen zusammen 85 Prozent des in Preußen hergestellten Zinkweißes, Grillos Anteil von 650 Tonnen machte ein Drittel dieser Menge aus. Als die Zinkhütte in Eppinghofen 1872 nach einem Brand ihre Produktion von Zinkweiß einstellte, fiel deren Marktanteil Grillo zu. Grillos Gaserzeugungsanlage, die durch den Anschluss weiterer Häuser, des Bahnhofs Oberhausen und der Zeche Concordia nach und nach zu einem respektablen Gaswerk gewachsen war, übernahm 1867 vertraglich die Gasversorgung des ganzen Oberhausener Gemeindegebietes. 1897, nach dem Ende der Laufzeit des Vertrages mit Grillo, hat die Stadt Oberhausen das Gaswerk kommunalisiert.
Eine bergbaubedingte starke Bodensenkung, die 1872 das Walzwerk zum Stillstand brachte, war ein Rückschlag für das Unternehmen, der jedoch bald überwunden werden konnte. Grillo baute noch im selben Jahr auf einem Grundstück an der heutigen Danziger Straße ein neues Walzwerk. Zu diesem Zeitpunkt waren seine älteren Söhne Wilhelm (seit 1865) und Julius bereits im Unternehmen tätig; sie wurden 1874 als Teilhaber aufgenommen. Grillo selbst war 1871 mit seiner Frau und den drei jüngsten Kindern nach Düsseldorf gezogen und bewohnte dort ein Haus an der westlichen Seite der heutigen Königsallee; er fuhr dreimal pro Woche nach Oberhausen. Die Stabilisierung des Zinkgeschäftes in den Jahren nach der 1873 einsetzenden „Gründerkrise“ bewogen Grillo und seine Söhne zu dem Entschluss, das von dem Oberhausener Walzwerk benötigte Rohzink in einer eigenen Zinkhütte selbst herzustellen. Diese Hütte wurde 1879–1881 in Hamborn, an der Provinzialstraße Duisburg–Wesel und nördlich der Schachtanlage 1 der Zeche Deutscher Kaiser, errichtet, nachdem die Stadt Oberhausen den zunächst geplanten Bau der Hütte neben dem Walzwerk nach einer heftigen öffentlichen Auseinandersetzung im Interesse der Einwohner dieser Gegend abgelehnt hatte. Am 17.12.1881 wurde in Hamborn das erste Zink produziert, eine Woche später ging die erste Fracht von zehn Tonnen Zink von dort nach Oberhausen. Die Hütte in Hamborn stellte neben Rohzink, Halbzeugen und Legierungen auch Schwefelsäure her.
Relativ früh, am 1.5.1870, gründete Wilhelm Grillo mit Genehmigung der Bezirksregierung in Düsseldorf eine Kranken- und Unterstützungskasse, der alle Meister und Arbeiter seiner Werke (Walzwerk, Zinkweißfabrik und Gasanstalt) angehörten und die später auch die Arbeiter der Hamborner Zinkhütte aufnahm. Bei der Gründung der Gemeinde und Bürgermeisterei Oberhausen im Jahr 1862 wurde Grillo, der sich zur liberalen Fortschrittspartei bekannte, zum unbesoldeten Beigeordneten berufen. Die Übersiedlung nach Düsseldorf setzte dem kommunalpolitischen Engagement in Oberhausen naturgemäß ein Ende. Grillo förderte aber auch danach in Oberhausen den 1882 vollendeten Bau eines evangelischen Krankenhauses. Von 1864 bis 1869 gehörte er dem Kreistag des Kreises Duisburg an; von 1882 bis 1888 wirkte er als stellvertretender Handelsrichter bei der Kammer für Handelssachen am Landgericht Duisburg.
Am 1. 1.1887 schied Wilhelm Grillo, gesundheitlich angeschlagen, im Alter von 67 Jahren aus dem von ihm begründeten Unternehmen aus; zugleich trat sein jüngster Sohn August als Teilhaber in die Gesellschaft ein. Wilhelm Grillo starb nach längerer Krankheit am 23.1.1889 und wurde auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof beigesetzt. Sein Unternehmen, geführt von den Söhnen Julius und August (der älteste Sohn Wilhelm war 1888 an einer nicht erkannten Blinddarmentzündung, der Sohn Emil an einer im Krieg von 1870/1871 erlittenen Verletzung verstorben), wurde mit Wirkung vom 1.1.1894 in die Aktiengesellschaft für Zinkindustrie vormals Wilhelm Grillo umgewandelt.
Literatur
Burkhard, Wolfgang, Wilhelm Grillo, in: Burkhard, Wolfgang (Hg.), Niederrheinische Unternehmer, Duisburg 1990, S. 154-155.
Fehse, Monika, Der Gründer der Zink verarbeitenden Industrie – Wilhelm Grillo, in: Wessel, Horst A. (Hg.), Mülheimer Unternehmer: Pioniere der Wirtschaft. Unternehmergeschichte in der Stadt am Fluss seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Essen 2006, S. 301-312.
Gerlach, Otto, Ahnenliste und Nachfahrenliste Grillo, ausgehend von den Eheleuten Wilhelm Theodor Grillo 1819–1889 und Catharina Kolkmann 1820–1895, Duisburg-Hamborn 1954.
Reif, Heinz, Die verspätete Stadt. Industrialisierung, städtischer Raum und Politik in Oberhausen 1846–1929, Köln/Bonn 1993.
Online
Gerstein, Barbara, „Grillo, Wilhelm Theodor“, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 69 [Onlinefassung]
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Kanther, Michael A., Wilhelm Grillo, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-grillo/DE-2086/lido/57c6d6a31e5ce2.61049038 (abgerufen am 14.12.2024)