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Wilhelm Semmelroth war Hörfunk- und Fernsehspielregisseur beim NWDR und WDR.
Wilhelm Semmelroth kam am 4.5.1914 als Sohn des Ehepaares Peter Otto und Margarethe Semmelroth in Bitburg in der Eifel zur Welt, wo Semmelroths Vater als Justizoberinspektor am Amtsgericht tätig war. Er besuchte in Bitburg die Volksschule bis zum dritten Schuljahr, dann zog die Familie nach Bonn.
Im Frühjahr 1932 legte Semmelroth am Bonner Beethoven-Gymnasium das Abitur ab und immatrikulierte sich im Anschluss daran an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Hier studierte er Germanistik, Kunstgeschichte, Französisch und Musikgeschichte und – parallel dazu – Theaterwissenschaft am Theaterwissenschaftlichen Institut der Universität zu Köln. Zum Sommersemester 1934 brach Semmelroth sein Studium ab und bewarb sich an der Schauspielschule der Städtischen Bühnen in Köln. Nach Beendigung seiner Ausbildungszeit (1934-1936) volontierte er in Köln und wurde im Anschluss daran für eine Spielzeit an das Niederschlesische Landestheater in Breslau engagiert. 1937 ging Semmelroth von Breslau nach Berlin. Sein Interesse galt nun vor allem der Regie. Als Regieassistent sammelte er unter anderem unter Hanns Niedeggen-Gebhard (1889-1954) an der Dietrich-Eckhardt-Bühne sowie beim Film erste Berufserfahrungen.
Im November 1938 wurde Semmelroth zur Wehrmacht eingezogen. Während des Zweiten Weltkrieges war er in der Truppenbetreuung auf der Kanalinsel Jersey eingesetzt. Hier leitete er die Bühne des Opera Houses. Im Mai 1945 wurde Semmelroth vom P.I.D. (Political Intelligence Department) zum deutschsprachigen Dienst der BBC nach London geholt. Hier erlernten junge, politisch unbelastete Kriegsgefangene wie Semmelroth oder Karl-Eduard von Schnitzler (1918-2001), beispielsweise durch ihre Mitwirkung an Sendungen für deutsche Kriegsgefangene, das journalistische Handwerkszeug für den Aufbau eines demokratischen Nachkriegsrundfunks in der Britischen Besatzungszone nach dem Vorbild der BBC.
Im Mai 1946 kehrte Semmelroth nach Köln zurück und übernahm am 11. Juni die Position eines „Spielleiters“ beim Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR). Hörspiele wurden zu diesem Zeitpunkt noch weit überwiegend in der Hamburger Zentrale des NWDR auf der gemeinsamen Mittelwelle produziert, ab 1947 dann in vierzehntäglichem Wechsel zwischen den beiden Häusern. Als Hörspielregisseur widmete sich Semmelroth zunächst den deutschen Klassikern, dann in zunehmenden Maße auch zeitgenössischen fremdsprachigen Autoren wie Arthur Miller (1915-2005), Thornton Wilder (1897-1975), T. S. Eliot (1888-1965), Jean Anouilh (1910-1987) oder Jean Giraudoux (1882-1944). Semmelroth inszenierte mit bedeutenden Schauspielern und Schauspielerinnen seiner Zeit wie etwa Will Quadflieg (1914-2003), Bernhard Minetti (1905-1998), Gustaf Gründgens oder Maria Becker (1887-1949).
Im April 1947 wurde er zum Oberspielleiter und Leiter des Hörspiels befördert, zum 27.11.1947 zum Dramaturgen und am 1.9.1949 zum Chefdramaturgen. Mit der Einrichtung des UKW-Funks im Jahre 1950 erweiterte sich Semmelroths Spielraum maßgeblich. Der NWDR verfügte nun mit der Ultrakurzwelle („UKW-West“) über ein zweites Programm. Während Semmelroth im 1. Programm weiterhin Hörspieladaptionen von Bühnenwerken inszenierte, eröffnete er dem genuin als Hörspiel konzipierten Kunstwerk jetzt auf UKW ein Forum. Darüber hinaus gab es Hörspiele in rheinischer und westfälischer Mundart, die äußerst beliebten Kurzhörspiele – und last but not least das Kriminalhörspiel. „Pater Brown“ ermittelte bereits im Jahre 1948 und mit der Hörspielfolge „Paul Temple“ von Francis Durbridge (1912-1998) mit René Deltgen in der Hauptrolle gelang ein legendärer „Straßenfeger“ des Nachkriegsradios.
Als sich der NWDR am 1.1.1956 in die selbstständigen Rundfunkanstalten NDR und WDR trennte, erhielt Semmelroth die Position des Leiters der WDR-Hörspielabteilung. Ab dem 3.2.1960 übernahm er in Personalunion auch die Leitung des neuen Genres Fernsehspiel.
Semmelroth vollzog den Medienwechsel hin zum Fernsehen nahtlos. Er reüssierte als Regisseur nicht nur im Theaterbereich – so inszenierte er etwa an den Hamburger Kammerspielen und dem Hamburger Thalia Theater, dem Düsseldorfer Schauspielhaus und den Bühnen in Essen oder Aachen -, sondern war ein bundesweit gefragter und hoch geschätzter Hörspielregisseur, der neben dem WDR als Gastregisseur an fast allen deutschen Rundfunkanstalten wirkte.
Abgesehen davon betreute Semmelroth beim Westdeutschen Rundfunk zahlreiche Fernsehspiele redaktionell, u.a. den Zweiteiler „So weit die Füße tragen“ (25.11.1962 und 2.12.1962), die Produktionen „Der Etappenhase“ mit Willy Millowitsch (17.2.1969) und „Schneider Wibbel“ von Hans Müller-Schlösser (29.11.1964) sowie, last but not least, den Sechsteiler „Das Halstuch“ nach Francis Durbridge (3.1.1962-17.1.1962) mit Heinz Drache, Horst Tappert und Margot Trooger.
Etliche Produktionen, bei denen er selbst Regie führte, wurden zu „Klassikern“, die Fernsehgeschichte geschrieben haben wie z.B. der Dreiteiler „Die Frau in Weiß“ (16.5.1971-30.5.1971) nach Wilkie Collins mit Pinkas Braun und Heidelinde Weis oder „Der Vetter Basilio“ nach Eça de Queiroz mit Hans von Borsody, Günter Lambrecht und Diana Körner (3.7.1969 und 6.7.1969).
Wie der berühmte Regisseur Alfred Hitchcock behielt sich auch Semmelroth häufig kleine Nebenrollen in seinen Produktionen vor, in denen er selbst als Schauspieler auftrat.
Ein Ausflug ins Opernfach führte ihn im Jahre 1966 an die Mailänder Scala. Hier führte er Regie bei einer eigens für das Fernsehen inszenierten frühen Farbproduktion. Dabei handelte es sich um eine am 10.4.1966 ausgestrahlte Aufführung der Oper „La Bohème“ von Giacomo Puccini unter Herbert von Karajan. Wiederum für den WDR hatte er bereits am 24.4.1959 das musikalische Schauspiel „Die Geschichte vom Soldaten“ von Charles Ferdinand Ramuz und der Musik von Igor Strawinsky mit Siegfried Wischnewsky, Rudolf Geske, Jürgen Feindt und Mathias Wiemann inszeniert.
Wilhelm Semmelroth erwies sich als ein vielseitiger Regisseur, der erfolgreich mit verschiedenen Medien arbeitete. Über das Geheimnis seines Erfolges sagte er anlässlich eines Vortrages im Hans-Bredow-Institut in Hamburg: „Denn auf der Bühne mußte ich mit den Augen des Zuschauers sehen und mit den Ohren hören. Im Hörspiel mußte ich die Augen schließen und mit dem Mikrophon hören. Im Fernsehen mußte ich mit dem Auge der Kamera sehen und dem Mikrophon hören. Mein Material war der gleiche Schauspieler – mein Medium war etwas gänzlich Verschiedenes.“
Am 31.8.1979 trat Wilhelm Semmelroth in den Ruhestand, blieb dem WDR aber über die Pensionsgrenze hinweg als Regisseur verbunden. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in der Nähe von München. Am 13.11.1980 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande durch den Bayerischen Kulturminister. Wilhelm Semmelroth starb am 1.6.1992 in Ebersberg.
Literatur
Bernard, Birgit, „Die Frau in Weiß“. Zur Vita des Hörspiel- und Fernsehspielregisseurs Wilhelm Semmelroth (1914-1992), in: Geschichte in Köln 42 (1997), S. 119-128.
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Bernard, Birgit, Wilhelm Semmelroth, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-semmelroth/DE-2086/lido/5d78e3d45d5689.01819898 (abgerufen am 06.11.2024)