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Wilhelm Warsch verkörperte einen in den 1920er Jahren auftretenden neuen Typus von Beamten, die neben dem Instrumentarium der Verwaltung auch das der Politik souverän beherrschten. In seiner (im "Dritten Reich" unterbrochenen) Laufbahn gelangte er schon früh auf Führungspositionen zunächst im kommunalen, nach 1945 auch im staatlichen Bereich. Er war ein erfolgreicher und durchsetzungsfähiger politischer Beamter, als Parteipolitiker indes stieß er bald an seine (von Konrad Adenauer abgesteckten) Grenzen.
Wilhelm Warsch wurde am 6.12.1895 in Viersen als ältester Sohn der katholischen Familie des kaufmännischen Bezirksrevisors und vormaligen Drechslers Heinrich Warsch (1866- vor 1957) und seiner Frau Maria geborene Sahl (1869-1957) geboren. Nach dem Schulbesuch trat er am 14.4.1914 beim Amts- und Landgericht Mönchengladbach in den Vorbereitungsdienst für die Justizobersekretärprüfung ein, der von 1915 bis zum Kriegsende 1918 durch den Militärdienst unterbrochen wurde. Warsch war nicht im Feld, da er nur „garnisonsverwendungsfähig" war. Nach dem Abitur 1916 am altsprachlichen Gymnasium in Viersen studierte er (anfänglich neben seinem Militärdienst) vom Sommersemester 1917 bis zum Wintersemester 1919/1920 Nationalökonomie und Rechtswissenschaften (Staats- und Verwaltungsrecht) an der Universität Bonn. Das Studium schloss er 1920 mit der Promotion im Hauptfach Nationalökonomie ab; das Thema der Dissertation war „Die Bedeutung von Antwerpen, Rotterdam und einem Rhein-Maas-Schelde-Kanal, insbesondere für die deutsche Volkswirtschaft“.
Ab 1.5.1920 zunächst informatorisch bei der Stadtverwaltung Viersen beschäftigt, trat er am 15.7.1920 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in die Dienste der Stadtverwaltung Mönchengladbach und wurde am 8.6.1921 Direktor des dortigen Wohnungsamtes. Zum 1.4.1922 erfolgte seine Anstellung mit Beamteneigenschaft als städtischer Direktor und Dezernent (Stadtdirektor) bei der Stadtverwaltung Mönchengladbach, ab 1.12.1923 als für zwölf Jahre gewählter Beamter. In dieser Eigenschaft leitete er das Wohnungsamt, das Presseamt, das Statistische Amt und arbeitete des Weiteren in Arbeiterangelegenheiten und im Wohlfahrtsdezernat mit. Aus den Wirren des Jahres 1923 berichtete Warsch zehn Jahre später, er habe in der aktiven Abwehr der Separatisten "unter Einsatz meines Lebens in vorderster Linie freiwillig und unerschrocken als deutscher Mann und Beamter meine vaterländische Pflicht erfüllt".
Spätestens während seiner beruflichen Tätigkeit in Mönchengladbach dürfte Warsch Mitglied der Zentrumspartei geworden sein. Vor diesem beruflichen und politischen Hintergrund bewarb sich Warsch, noch nicht 30-jährig, erfolgreich um die Stelle des Bürgermeisters der Stadt Uerdingen, deren Stadtverordnetenversammlung, in der das Zentrum die Mehrheit (zwölf von 22 Mandaten) hatte, ihn am 30.7.1925 für eine Amtszeit von zwölf Jahren wählte; am 17.9.1925 wurde er in sein neues Amt eingeführt.
Bereits zwei Jahre später, im Herbst 1927, konnte Warsch ein seit Jahrzehnten angestrebtes Ziel der Uerdinger Kommunalpolitik verwirklichen: die Eingemeindung von Hohenbudberg und eines Teils von Kaldenhausen. Kurz danach sah er sich aber mit einer existentiellen Bedrohung der Selbständigkeit der Stadt Uerdingen konfrontiert durch die im Zuge der überfälligen, durch die Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit verzögerten Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets, die auch die Eingemeindung Uerdingens nach Krefeld vorsah. Bei den äußerst langwierigen und zähen Verhandlungen über die Eingemeindung – Uerdingen sträubte sich gegen den drohenden Verlust seiner kommunalen Eigenständigkeit – stellte Warsch seine politische Begabung eindrucksvoll unter Beweis. Er erwies sich als relativ neuer Typus eines auch politisch befähigten Beamten, der das Instrumentarium nicht nur des Dienstweges, sondern auch der Nutzung politischer Beziehungen souverän beherrschte.
So gelang es, dass – nachdem die Eingemeindung Uerdingens nach Krefeld unausweichlich geworden war – Warsch hierfür den höchstmöglichen Preis verlangte und erhielt. Dieser Preis bestand in einer im deutschen Kommunalverfassungsrecht bis heute einzigartigen Konstruktion, einer so genannten „Dachgemeinschaft“, die – und das war sein Verdienst und das seiner Parteifreunde – im Neugliederungsgesetz dergestalt geregelt wurde, dass bei der späteren Umsetzung nichts mehr schief gehen konnte. Nach Inkrafttreten des Neugliederungsgesetzes am 1.8.1929 wurde Warsch zunächst zum – gleichberechtigten – Stellvertreter des kommissarischen Bürgermeisters (dies wurde der bisherige Krefelder Oberbürgermeister Johannes Johansen) der neu gebildeten Stadt Krefeld-Uerdingen a. Rh. ernannt. Im Frühjahr 1930, im Zuge der Umsetzung der neuen Kommunalverfassung der neuen Stadt, wurde Warsch als Bürgermeister des nunmehrigen Stadtteils Uerdingen bestätigt und zugleich Erster Beigeordneter der Gesamtstadt Krefeld-Uerdingen a. Rh.
Den aufkommenden Nationalsozialismus sah Warsch frühzeitig als große Gefahr. Seine ablehnende Haltung blieb nicht unbekannt, und so sah sich Bürgermeister Warsch im Vorfeld der Kommunalwahlen am 12.3.1933 heftigen Angriffen seitens der NSDAP-Ortsgruppe Uerdingen ausgesetzt. Die Nationalsozialisten attestierten ihm unter anderem eine marxistisch-zentrümliche Einstellung, während er umgekehrt nichts unversucht ließ, um den Nationalsozialisten Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Unmittelbar nach den Kommunalwahlen, bei denen die NSDAP im Stadtteil Uerdingen elf, die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot drei von insgesamt 26 Sitzen erzielte, womit beide Parteien zusammen über die absolute Mehrheit verfügten, trat Warsch einen bereits im Februar genehmigten Erholungsurlaub an. Zeitgleich verständigten sich NSDAP und Kampffront darüber, beim Regierungspräsidenten seine weitere Beurlaubung mit dem Ziel der Amtsenthebung zu beantragen. Warsch verwahrte sich in aller Form dagegen und stellte seine nationale Gesinnung heraus: er sei stets loyal und korrekt gegenüber der NSDAP gewesen und habe sich auch gegenüber der neuen Regierung nichts zu Schulden kommen lassen, vielmehr loyal und bereitwilligst Order pariert. Die weitere Beurlaubung ist dann spätestens – offensichtlich im Rahmen einer persönlichen Vorsprache Warschs beim Regierungspräsidenten Bergemann – am 25.3.1933 erfolgt, denn am 26. März teilte die Pressestelle des Regierungspräsidenten mit, "Warsch bleibt mit meinem Einverständnis vorläufig weiter beurlaubt".
In sein Uerdinger Amt kehrte er nicht mehr zurück. Nach einem langwierigen Verfahren wurde ihm am 3.3.1934 der Erlass vom 25.1.1934 über seine Entlassung nach § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, also Entlassung wegen „nationaler Unzuverlässigkeit“, zugestellt. Ein ebenfalls eingeleitetes Dienststrafverfahren gegen ihn blieb ergebnislos. Mitte 1934 beantragte er eine Umwandlung der erfolgten Entlassung gemäß § 4 in eine Zurruhesetzung gemäß § 6 des Gesetzes (wegen Verwaltungsvereinfachung), die der Minister des Innern im Juli 1935 auch aussprach, sogar rückwirkend.
Warsch war bereits am 10. 7.1933 nach Köln umgezogen. Bald fand er durch Fürsprache und Vermittlung des Kölner Erzbischofs Karl Joseph Kardinal Schulte einen neuen beruflichen Wirkungskreis: Er übernahm als Direktor und Syndikus der Krankenanstalten und caritativen Institute der Schwesterngenossenschaft des Ordens der Augustinerinnen (Zentralverwaltung Köln) deren wirtschaftliche Betreuung. Diese Einrichtungen befanden sich in einer recht misslichen Lage, standen nach den Worten Warschs sogar vor dem wirtschaftlichen Ruin. Nach mühsamen Verhandlungen gelang es Warsch, durch eiserne Sparsamkeit und straffe Kontrolle der Ausgaben aller Häuser der Genossenschaft diese insoweit zu sanieren, dass ihr Fortbestand gesichert war. Die Tätigkeit für die Schwesterngenossenschaft (bis Ende Juni 1945) ging dann im Frühjahr 1945 fast nahtlos in eine Wiederaufnahme politischer und administrativer Tätigkeiten über.
Am 19.8.1945 gehörte Warsch zu den Mitgründern der Christlich Demokratischen Partei (CDP, ab Dezember 1945 Christlich Demokratische Union, CDU) in Köln, am 28.8.1945 wurde er Vorstandsmitglied der CDP, vorläufiger Vorsitzender der Partei wurde zunächst Leo Schwering. In den Monaten danach erfolgte eine Ausweitung der Organisation der neuen Partei auf das gesamte nördliche Rheinland und die Gründung eines Landesverbandes Rheinland von CDP/CDU. Im Oktober 1945 wurde Warsch Mitglied der rheinisch-westfälischen Programmkommission der CDP.
In der Zwischenzeit war Warsch in den Krefelder Kommunaldienst zurückgekehrt: Mit Wirkung vom 1.7.1945 wurde er als Beamter auf Widerruf bei der Stadt Krefeld als Vertreter des Oberbürgermeisters wieder in den Dienst gestellt und führte für die Dauer seiner Wiederverwendung die Amtsbezeichnung Bürgermeister, ohne den Zusatz ‚a. D‘. Sein Eintritt bereicherte einerseits die Krefelder Verwaltungsspitze um einen erfahrenen Verwaltungsfachmann, bedeutete anderseits aber auch ein erneutes Wiederaufrollen der „Uerdinger Frage“. Diese Gefahr sah Oberbürgermeister Stepkes (1884-1966) übrigens hellsichtig in seinem Tagebuch voraus: Warsch wird nach Uerdingen zurückkehren, mit ihm der Kampf um die Geltung Uerdingens. Im Kollegium der Beigeordneten schien Warsch wohl auch nicht unumstritten gewesen zu sein, so beklagte sich der als ehrenamtlicher Beigeordneter und Krankenhausdezernent amtierende frühere Krefelder Oberbürgermeister Johannes Johansen, dass Warsch, als einziger unter den Kollegen, scheinbar den Weg zu ihm nicht finden könne. Kaum mehr als ein Intermezzo war seine Wahl zum Oberbürgermeister von Köln nach der Entlassung von Konrad Adenauer, weil diese Wahl von den Briten nicht bestätigt wurde.
Oberbürgermeister wurde er wenig später dann doch noch: Im Zuge der Einführung der kommunalen Doppelspitze durch die revidierte Deutsche Gemeindeordnung ernannten ihn die Briten am 28.2.1946 zum (ehrenamtlichen) Oberbürgermeister der Stadt Krefeld. Der bisherige hauptamtliche Krefelder Oberbürgermeister Johannes Stepkes (1884-1956) hatte auf den Posten des Oberstadtdirektors zu wechseln. Die Umsetzung der für deutsche Verhältnisse auf den ersten Blick ungewohnten neuen Kommunalverfassung scheint sich in Krefeld in der Praxis erkennbar problemlos abgespielt zu haben. Als Oberbürgermeister war Warsch eigentlich ein untypischer Vertreter für das neue Amt. Er war zwar ein homo politicus, auch parteipolitisch tätig, auf der anderen Seite aber ein ausgewiesener Verwaltungsfachmann mit langjähriger Erfahrung in der kommunalen Verwaltung. Er verstand sich als politischer Beamter, was der Oberbürgermeister neuen Stils nicht war und nicht sein sollte. Schwerpunkte seiner Amtszeit in Krefeld – neben dem allgemeinen Wiederaufbau – waren die Sicherung der kommunalen Finanzen, neue Industrie- und Gewerbeansiedlungen, aber auch Flüchtlingsfragen, die Versorgung der Kriegsopfer, und die Behandlung der Kriegsgefangenen. Hinsichtlich der Entnazifizierung riet Warsch, obwohl selbst ein Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft, zu einem maßvollen Vorgehen, um nicht unnötig Gräben aufzureißen. Nach Ernennung zum Regierungspräsidenten in Köln legte Warsch am 20.2.1947 sein Amt als Krefelder Oberbürgermeister nieder und wurde in der für den selben Tag einberufenen Stadtvertretung feierlich verabschiedet.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung stimmte am 6.1.1947 dem Vorschlag von Innenminister Walter Menzel (1901-1963) zu, Warsch – vorbehaltlich der Zustimmung der Militärregierung – zum Regierungspräsidenten in Köln zu ernennen. Warsch übernahm die Amtsgeschäfte bereits am 23.2.1947 und wurde am 17. März von Innenminister Walter Menzel offiziell in sein Amt eingeführt. Bei seiner Amtseinführung versprach Warsch: "Überall, wo ich innerhalb des Regierungsbezirks Spannungen beseitigen und einen gerechten Interessenausgleich auf der wirtschaftlichen und sozialen Seite, zwischen Stadt und Land sowie zwischen Staat und Kirche dienen kann, werde ich mich als ehrlicher Makler jederzeit gern zur Verfügung stellen." Besonders beklagte er die Teilung der Rheinprovinz in zwei Teile, diese sei auf Dauer völlig untragbar, auch weil sie den Bezirk Köln von den Nachbarbezirken Koblenz und Trier abschneide. Eine der ersten vom neuen Regierungspräsidenten Warsch eingeleiteten Notmaßnahmen war die Wiederherstellung der Straßen und Brücken im Oberbergischen Kreis, die trotz erheblicher Materialprobleme und verschiedener Obstruktionen schließlich zu einem guten Erfolg geführt werden konnte. Von sich reden machte der Regierungspräsident vor allem durch seinen vehementen Einsatz für die Rekultivierung des rheinischen Braunkohlengebietes. Das hierzu erlassene, im Entwurf von ihm selbst formulierte Gesetz über die Gesamtplanung im Rheinischen Braunkohlengebiet vom 25.4.1950 trägt den Spitznamen „Lex Warsch“ und bleibt somit mit seinem Namen verbunden. In der Folgezeit setzte er sich besonders für Rekultivierung und Aufforstung ein.
Aus gesundheitlichen Gründen (er hatte Anfang 1956 einen Schlaganfall erlitten) bat Warsch im Mai 1957 um vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, die durch die Landesregierung zum 1.7.1957 ausgesprochen wurde.
An nebenberuflichen Tätigkeiten seien noch erwähnt: Neben den bereits genannten Aktivitäten im Pappelverein war er Vorsitzender der Nationalen Pappelkommission, ferner Mitglied der „Schutzgemeinschaft Deutscher Wald“ und des „Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge“, Präsident des Bezirksverbandes Köln der Deutschen Olympischen Gesellschaft und Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Olympischen Gesellschaft in Frankfurt/Main.
Sein öffentliches Wirken wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, darunter das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (18.6.1957), die Komtur des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, die Ehrenbürgerschaften der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Städte Porz/Rhein und Kaster. Er starb am 27.12.1969 in Köln. Der Nachruf des Innenministers stellte heraus, Warsch habe dynamisch und kraftvoll mit großem Erfolg auf vielen Gebieten der Verwaltung gewirkt, mit ihm sei eine Persönlichkeit von hohem Pflichtbewußtsein und großer Schaffenskraft gestorben, die in den Annalen des Regierungsbezirks Köln einen würdigen Platz gefunden habe.
Wilhelm Warsch hat im kollektiven Gedächtnis der Orte seines nachhaltigsten, jeweils rund zehn Jahre währenden beruflichen Wirkens - in Krefeld/Uerdingen und im Großraum Köln - unterschiedliche Spuren hinterlassen. In Krefeld ist sein Name im Bewusstsein der Bevölkerung nicht (mehr) präsent. Anders im Kölner Raum, wo er als Regierungspräsident wirkte, dort gibt es zumindest zwei Straßen, einmal im Kölner Ortsteil Porz-Zündorf und in Bedburg, die seinen Namen tragen.
Quellen
(Personal-)Akten betreffend Wilhelm Warsch im Stadtarchiv Krefeld (Bestände 4, 9, 16, P).
Literatur
Lilla, Joachim, Quellen zu den Krefelder Eingemeindungen unter besonderer Berücksichtigung der kommunalen Neugliederung 1929, Krefeld 1999.
Lilla, Joachim, Wilhelm Warsch (1895–1969). Kommunalbeamter – Parteigründer – Regierungspräsident, in: Geschichte im Westen 25 (2010), S. 105–132.
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Lilla, Joachim, Wilhelm Warsch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-warsch-/DE-2086/lido/57c8331602e1d8.27710330 (abgerufen am 07.12.2024)