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Willi Graf war ein christlich motivierter Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Als Mitglied der Münchner Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ um die Geschwister Hans und Sophie Scholl beteiligte er sich an der Herstellung wie Verteilung von Flugblättern und versuchte Unterstützer für den Widerstand zu gewinnen, wofür er 1943 zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.
Willi Graf kam am 2.1.1918 in dem Voreifeldorf Kuchenheim (heute Stadt Euskirchen) als Sohn des Kaufmanns Gerhard Graf (1885-1952) und seiner Frau Anna, geborene Gölden, zur Welt. Die ersten vier Lebensjahre verbrachte er in seinem Geburtsort, ehe die streng katholische Familie 1922 nach Saarbrücken zog, wo der Vater die Gaststätte Johannishof mit angeschlossenem Weinhandel übernahm. Zusammen mit seinen Schwestern Mathilde (1915-2001) und Anneliese (1921-2009) wuchs Graf, wie er es selbst in seinem 1943 in Gestapohaft verfassten Lebenslauf rückblickend formulierte, in der Sicherheit eines starken und überzeugten Glaubens, nach dem auch die Eltern, Verwandten und die meisten Bekannten lebten, auf. Graf wurde Messdiener an der St. Johann Basilika, wo er von 1934-1937 den Kaplan und späteren Erzbischof von Köln, Joseph Kardinal Höffner kennenlernte. Kurz nach seinem Übergang auf das humanistische Ludwigsgymnasium 1928 trat Graf dem katholischen Schülerbund „Neudeutschland“ (ND) bei, der zum eigentlichen Orientierungspunkt seines Lebens wurde. Das jugendbewegte Fahrtenleben in der Gemeinschaft Gleichaltriger und Gleichgesinnter wie das Streben nach der eigenen Vervollkommnung durch Bildung, insbesondere in Philosophie, Theologie, Literatur und Kunst entwickelte eine große Prägekraft auf Willi Graf, der im Bund „Neudeutschland“ auch auf seine späteren Mitstreiter im Widerstand gegen die NS-Diktatur Rudi Alt, Helmut Bauer (gestorben 1952) sowie die Brüder Heinz (1916-1990) und Willi Bollinger (1919-1975) traf.
Trotz der Trennung des Saarlandes vom Deutschen Reich nach dem Versailler Vertrag machte sich der Einfluss der 1933 an die Macht gelangten Nationalsozialisten rasch in der Jugendbewegung bemerkbar. Graf, dem die christliche Botschaft zum „Mittelpunkt seines geistigen Lebens“ (Ricarda Huch) geworden war, hielt entgegen der bedrohlich wachsenden Vereinnahmung der Jugendlichen durch die Hitlerjugend (HJ) kompromisslos an den Prinzipien seiner Jugendgruppe fest. Nach der Rückgliederung des Saarlandes in das Reich 1935 sah sich die Jugendbewegung auch dort mit massiver Einflussnahme und Einschränkungen konfrontiert. Noch vor der Auflösung des Bundes „Neudeutschland“ 1936 schloss sich Willi Graf dem illegalen „Grauen Orden“ an. Diese Züge eines Geheimbundes tragende Gruppe war im Wesentlichen geprägt von der Bewahrung der bündischen Tradition und den Zielen der liturgischen Bewegung, die nach neuen Formen des gemeinschaftlichen religiösen Erlebens suchte. Mit den Schriften des Theologen Romano Guardini (1885-1968), der zu den Wortführern der liturgischen Bewegung gehörte, setzte sich Graf zeitlebens intensiv auseinander. Entgegen allen aufgebauten Drucks seitens seiner Eltern – der Vater war bereits 1935 Mitglied der NSDAP geworden –, der Schule sowie der Mitschüler, weigerte er sich trotz der durchaus zu erwartenden schulischen und beruflichen Benachteiligungen, der Hitlerjugend beizutreten.
Nach dem Abitur im Februar 1937 leistete Graf den verpflichtenden halbjährigen Reichsarbeitsdienst (RAD) im saarländischen Dillingen ab. Im November 1937 schrieb er sich an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn für das Fach Medizin ein. Seine Entscheidung für die Medizin begründete Graf später im für die Gestapo verfassten Lebenslauf mit seiner christlichen Erziehung und dem Wunsch, Menschen helfen zu wollen. Sie dürfte aber ebenso auf die im Vergleich zur Medizin viel stärker von der NS-Ideologie durchdrungenen und damit verengten Geisteswissenschaften, denen er durchaus zuneigte, zurückzuführen sein.
Kurz nach Beginn des Studiums geriet Willi Graf zum ersten Mal in das Visier der Gestapo. Obwohl seit seinem Wegzug aus Saarbrücken seine bündischen Aktivitäten ruhten, wurde er im Januar 1938 wegen seiner Beteiligung am „Grauen Orden“ und dessen Fahrten und Wanderungen verhaftet. Nachdem er vom 22.1.-5.2.1938 in Untersuchungshaft gesessen hatte, klagte ihn das Mannheimer Sondergericht zusammen mit 17 anderen Jugendlichen wegen bündischer Umtriebe am 21.4.1938 an. Zu einer Verurteilung kam es jedoch nicht, da das Verfahren im Zuge einer von Adolf Hitler (1889-1945) aus Anlass der Annexion Österreichs erlassenen Generalamnestie am 17.5.1938 eingestellt wurde. Unbeschadet durch die Erfahrung von Gestapo und NS-Sonderjustiz hielt Graf weiterhin Kontakt zu seinen Freunden im „Grauen Orden“ und nahm an Fahrten und Wanderungen teil.
Einen weiteren Einschnitt in sein Leben brachte der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1.9.1939 wurde die Bonner Universität geschlossen. Graf, der nicht sofort zur Wehrmacht eingezogen wurde, siedelte nach München über, um sein schon bis zum Physikum absolviertes Medizinstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität fortzusetzen. Dort wurde Graf im Januar 1940 zu einer Sanitätsersatzeinheit einberufen und zum Sanitäter ausgebildet, bevor er im Februar zu einer Krankentransportabteilung in Bad Wildbad im Schwarzwald abkommandiert wurde. Zunächst ein halbes Jahr fernab vom Kriegsgeschehen, folgte für den Sanitätsunteroffizier Graf im September die Versetzung an die französische Kanalküste, von wo er zwei Monate später über Flandern nach Burgund verlegt wurde. Im Frühjahr 1941 nahm er mit seiner Einheit am Balkanfeldzug gegen Jugoslawien und Griechenland teil. Bereits im Mai wurde Grafs Einheit in Vorbereitung des Angriffs auf die Sowjetunion im besetzten Polen stationiert.
Der am 22.6.1941 begonnene nationalsozialistische Vernichtungskrieg im Osten mit seinen ideologisch motivierten Grausamkeiten gegenüber dem sowjetischen Gegner als auch der Bevölkerung und dem sich hinter der Front vollziehenden Völkermord an den Juden dürfte eine einschneidende Erfahrung für Graf gewesen sein. Sie stand im Gegensatz mit den seit seiner Jugend gesetzten christlichen Wertmaßstäben und bestärkte seine ablehnende Haltung zum NS-Regime und dessen verbrecherischen Krieg. Er schrieb, den gänzlich anderen und nicht vergleichbaren Charakter dieses Krieges erkennend, am 1.2.1942 an seine Schwester Anneliese: […] ich wünschte, ich hätte das nicht sehen müssen, was ich alles in dieser Zeit mit anschauen mußte. […] Der Krieg gerade hier im Osten führt mich an Dinge, die neuartig und fremd wie nichts bisher Bekanntes sind. […] Vielleicht hast Du daheim schon einzelne Berichte vernommen, über die Du ungläubig den Kopf schütteln konntest. Vieles wird Dir unmöglich erscheinen.
Willi Graf blieb bis April 1942 bei seiner Einheit an der Ostfront, als er zur Fortsetzung seines Medizinstudiums in die 2. Münchner Studentenkompanie beurlaubt wurde. Mit der Rückkehr nach München nahm Graf erneut Kontakt zu Freunden aus dem „Grauen Orden“ auf, die in der bayrischen Großstadt studierten. In der Studentenkompanie lernte er die Medizinstudenten Hans Scholl (1918-1943) und Alexander Schmorell (1917-1943), später auch Schmorells Jugendfreund Christoph Probst (1919-1943) kennen. Mit ihnen traf er auf einen Freundeskreis, der sich schon länger kannte und sowohl auf gemeinsamen Interessen als auch auf der Ablehnung der nationalsozialistischen Diktatur und des Krieges beruhte. Scholl und Schmorell luden Graf zu Lese- und Diskussionsabenden ein. Insbesondere Scholl hinterließ auf ihn einen bleibenden Eindruck. Er notierte am 13.6.1942 in sein Tagebuch: Gespräch mit Hans Scholl. Hoffentlich komme ich öfter mit ihm zusammen.
Hans Scholl und Alexander Schmorell hatten im Juni 1942 begonnen, Flugblätter zu formulieren und zu verbreiten. Zwischen dem 27.6. und dem 12.7.1942 verfassten sie gemeinsam vier Texte, die den Titel „Flugblätter der Weißen Rose" trugen und in denen sie auf das durch die Nationalsozialisten verübte Unrecht aufmerksam machten. Per Post verschickten sie diese anonym an ausgewählte Personen. Zunächst waren weder enge Freunde noch ihre Familien eingeweiht. Erst später weihten sie auch Scholls Schwester Sophie (1921-1943) und den Schulfreund Christoph Probst ein. Willi Graf schloss sich rückhaltlos diesem Widerstandskreis an. Schon im Juli wurde Graf zusammen mit Scholl und Schmorell zur Famulatur erneut an die Ostfront abkommandiert, wo die jungen Sanitätssoldaten Zeugen der fortgesetzten Kriegsgräuel wurden. Zum Wintersemester 1942/1943 kehrten die drei Freunde nach München zurück, wo sie die Planung neuer Widerstandsaktionen aufnahmen. Ab Dezember begann Graf bei der Verfassung und Verbreitung der Flugblätter mitzuwirken.
Mit Willi Graf waren bis 1943 etwa 50 Menschen involviert - ein Netzwerk, welches sich über das ganze Reich erstreckte. Während der Weihnachtsferien in Saarbrücken übernahm er die Aufgabe, neue Helfer aus seinem alten Freundeskreis der bündischen Jugend zu gewinnen, um die Münchner Widerstandsgruppe zu unterstützen. Allerdings musste er dabei feststellen, dass er bei seinen alten Freunden auf Zurückhaltung stieß. Lediglich Rudi Alt, Helmut Bauer und die Brüder Bollinger erklärten sich bereit, bei den geplanten Widerstandsaktionen zu helfen. Auf diese Weise wurde die Arbeit rasch nicht nur personell, sondern auch materiell ausgeweitet. An die Isar zurückgekehrt beteiligte sich Graf zusammen mit Scholl, Schmorell und Professor Kurt Huber (1893-1943), der für den Widerstand gewonnen werden konnte, an den Planungen zum inzwischen fünften Flugblatt. Es sollte auf die bevorstehende Niederlage der Wehrmacht hinweisen und Vorstellungen für ein neues Deutschland bieten. Eine Woche nach Beginn der Vervielfältigung des neuen Flugblattes fuhr Willi Graf am 20.1.1943 nach Köln, Bonn, Saarbrücken, Freiburg und Ulm, um weitere Kontakte für die „Weiße Rose" herzustellen. In Saarbrücken übergab er ein Exemplar des Flugblattes und einen Vervielfältigungsapparat an Willi Bollinger, der 200 Exemplare an verschiedene Personen verschickte.
Anfang Februar begannen Scholl und Schmorell nachts verschiedene Gebäude der Münchner Innenstadt mit den Parolen „Nieder mit Hitler“ oder „Freiheit“ zu bemalen, woran später auch Willi Graf teilnahm. Noch bevor sie in der Nacht vom 15. auf den 16.2.1943 zum letzten Mal für das Malen von Wandparolen auszogen, hatten die drei zusammen mit Professor Huber bereits mit der Herstellung des sechsten Flugblattes begonnen und es am 16.2.1943 versandfertig gemacht. In Reaktion auf die Nachricht von der Niederlage der sechsten Armee in Stalingrad verurteilte das Flugblatt nicht nur die Bildungspolitik, sondern auch die verbrecherische Kriegsführung der Nationalsozialisten. Bei dem Versuch der Geschwister Scholl am 18.2.1943 Flugblätter in den Lichthof der Münchner Universität zu werfen, wurden sie festgenommen und zusammen mit Christoph Probst vier Tage später verurteilt.
Willi Graf, der ein Angebot Schmorells zur Flucht ausgeschlagen hatte, wurde mit seiner an den Widerstandsaktionen unbeteiligten Schwester Anneliese noch am selben Tag in seiner Wohnung in der Mandlstraße festgenommen. Nach ersten Versuchen, seine Beteiligung zu leugnen, konnte Graf bald nicht mehr verbergen, dass er zum engsten Kreis der „Weißen Rose" gehört hatte. Der Prozess gegen Graf, die mittlerweile ebenfalls inhaftierten Alexander Schmorell, Kurt Huber und elf weitere Mitglieder der „Weißen Rose" wurde am 19.4.1943 eröffnet. Schmorell und Graf bekannten sich, wie der Mitangeklagte Falk Harnack (1913-1992) berichtete, mutig zu ihren Taten, die sie aus dem Glauben an ein besseres Deutschland heraus getan hatten. Der Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler (1893-1945) verurteilte Willi Graf wegen Vorbereitung zum Hochverrat, Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung zum Tode. Die Vollstreckung des Urteils wurde jedoch ein halbes Jahr ausgesetzt, da sich die Gestapo aus seinen Verhören weitere Namen von Oppositionellen erhoffte. Graf erwies sich allerdings als äußerst verschwiegen und rettete so vielen Mitstreitern das Leben.
Willi Graf wurde am 12.10.1943 im Gefängnis München-Stadelheim mit dem Fallbeil hingerichtet und auf dem Friedhof am Perlacher Forst bestattet. 1946 wurden seine sterblichen Überreste auf Wunsch der Familie auf den Friedhof St. Johann in Saarbrücken überführt.
Die Taten des Widerstandskämpfers Graf wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland bekannt. Vor allem in Kuchenheim, seinem Geburtsort, in Saarbrücken, wo er aufwuchs und zuletzt München, wo er als Mitglied der „Weißen Rose“ agierte und den Tod fand, wurde und wird seiner in besonderer Weise gedacht. Mithilfe des örtlichen Junggesellenvereins erhielt Kuchenheim bereits 1965 die „Willi-Graf-Straße“, welche an seinem ehemaligen Geburtshaus vorbeiführt. Ein Relief am Taufbecken der Kirche St. Nikolaus in Kuchenheim erinnert an den mutigen Widerständler. Drei Schüler des naheliegenden Gymnasiums Marienschule Euskirchen riefen in den 2000er Jahren den Willi-Graf-Preis für Zivilcourage ins Leben, welcher von der Stadt Euskirchen bezuschusst wurde. Jedoch wurde bereits im Jahr 2011 kein neuer Preisträger mehr gefunden.
Die Stadt Euskirchen benannte 1975 ihre damalige Realschule in „Willi-Graf-Realschule“ um. Die Schule gab sich den Auftrag, das Gedächtnis Grafs zu erhalten. Die Schülerschaft organisierte mit der Unterstützung des Lehrkörpers regelmäßig Vorträge und Ausstellungen. Auch wurden Willi Graf und sein Widerstand gegen den Nationalsozialismus fester Bestandteil im Geschichtsunterricht. Durch die Zusammenlegung der Willi-Graf-Realschule mit der Kaplan-Kellermann-Realschule 2015 entschied die Stadt Euskirchen, dass der Name Willi Graf nicht als neuer offizieller Schulname weiterverwendet werden sollte. Die Realschule gehörte dem Verbund der Willi-Graf-Schulen in Deutschland an. Dazu zählen heute sechs Schulen: die beiden Bischöflichen Willi-Graf-Schulen (Gymnasium und Realschule) in Saarbrücken, die Willi-Graf-Schule im ebenfalls saarländischen St. Ingbert, das Willi-Graf-Gymnasium in München, die Willi-Graf-Oberschule in Berlin-Lichterfelde (seit 1990) und die Grundschule in Koblenz-Neuendorf.
Mit der Auszeichnung der Ehrenbürgerwürde im Jahre 2003 anlässlich seines 60. Todestags setzte ihm die Stadt Saarbrücken posthum ein Denkmal. Sein Grab steht zusammen mit dem Alten Friedhof St. Johann unter Denkmalschutz. Seit 1980 findet sich neben seinem Ehrengrabmal ein Mahnmal: „Ein Kämpfer gegen die Nationalsozialistische Gewaltherrschaft in der studentischen Widerstandsbewegung Weiße Rose, hingerichtet in München am 12. Oktober 1943“. Es entstand durch die Initiative seiner beiden Schwestern und der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“. Hier finden jährlich eine Gedenkfeier und eine Kranzniederlegung statt. Die Stadt Saarbrücken gedenkt seiner außerdem seit 1990 durch eine von ehemaligen Mitgliedern des in der NS-Zeit verbotenen „Grauen Ordens“ gestifteten Gedenktafel am Johannishof, wo er aufwuchs. 1994 wurde eine Gedenkstele für Willi Graf an der Spichererbergstraße/Ecke Hohe Wacht angebracht, die aus einer Eisenbahnschwelle besteht und in deutscher und französischer Sprache aus Grafs Tagebuch zitiert: „Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europas.“ Das Mahnmal ist Teil des historischen deutsch-französischen Lehrpfades „Erinnerungsarbeit an der Grenze“ der vom ehemaligen Internierungslager an der Goldenen Bremm bis zur Spicherer Höhe führt. Die Initiative erfolgte durch den Autor Fred Oberhauser (1923-2016) aus St. Ingbert. Auch in der Aula des Ludwigsgymnasiums wurde zu Ehren des ehemaligen Schülers 1958 eine Gedenktafel angebracht. Neben den erwähnten Schulen tragen auch mehrere städtische und katholische Einrichtungen den Namen Willi Graf. Auch fünf Straßen tragen im Saarland seinen Namen.
In der bayrischen Landeshauptstadt erinnert an Graf heute neben einem Gymnasium auch eine Straße. Die Universität, an der die meisten jungen Widerständler und Willi Graf studierten, führte von 1945 bis 1968 eine jährliche Gedenkfeier für die „Weiße Rose“ durch. Nur ein Jahr nach Kriegsende errichtete sie im Lichthof der Universität ein Mahnmal für die Widerstandsgruppe. Durch die dortige alphabetische Namensnennung der Mitglieder wird Willi Graf als erstes Mitglied neben den Geschwistern Scholl, Huber, Schmorell und Probst aufgeführt, wobei dies nicht als Wertung zu verstehen ist. Das genannte Beispiel bildet jedoch eine Ausnahme, da zwei Plätze, ein Institut und mehrere Gedenktafeln an der Münchner Universität, nur den Namen von den Geschwistern Scholl beziehungsweise des Münchner Professors Kurt Huber tragen und der Name Willi Graf dadurch in den Hintergrund gedrängt wird. So tragen in Deutschland 100 Straßen den Namen der Geschwister Scholl, aber nur 15 den von Willi Graf. In München gab es jedoch auch städtische Initiativen, welche nur Graf berücksichtigten: Das Wohnhaus auf der Mandelstraße 28, in welchem er bis zu seiner Verhaftung im Herbst 1942 gewohnt hat, trägt seit 1985 eine Gedenktafel.
Die DenkStätte „Weiße Rose“ der Stiftung Weiße Rose e.V. informiert seit 1997 in den ehemaligen Garderobenräumen der Münchner Universität über die Widerstandsgruppe. Der Schwerpunkt der Stiftung liegt auf themenspezifischen Ausstellungen, einer Fachbibliothek mit unter anderem Prozess- und Ermittlungsakten, Forschungsarbeiten zum Thema Widerstand und Nationalsozialismus sowie auf der pädagogischen Vermittlung dieser Themen. In den letzten 60 Jahren wurden die Geschwister Scholl immer mehr zum Symbol des studentischen Widerstandes im „Dritten Reich“, dabei gerieten andere Akteure der „Weißen Rose“ wie Graf immer mehr in den Hintergrund.
Die drei mit Willi Grafs Leben besonders verbundenen Städte - Euskirchen, Saarbrücken, München - und die bundesweiten Willi-Graf-Schulen wurden regelmäßig von Grafs beiden Schwestern Anneliese Knoop-Graf und Mathilde Baez besucht. In ihren Vorträgen berichteten sie nicht nur über ihrem Bruder, sondern ermahnten die jugendlichen Zuhörer zur Zivilcourage. Anneliese Knoop-Graf erhielt 2006 für ihr Engagement die Ehrendoktorwürde der Universität Karlsruhe. Auch nach ihrem Tod setzen sich die Städte Euskirchen, Saarbrücken und München weiter für das Gedenken an Willi Graf ein.
Seit Ende 2017 prüft das Erzbistum München, ob eine Möglichkeit besteht, Willi Graf selig zu sprechen. Dazu wird eine Voruntersuchung eröffnet, in der sich Theologen und Historiker mit dem Leben und den Schriften Grafs befassen. Am Ende der Voruntersuchung könnte die Eröffnung eines Seligsprechungsprozesses stehen.
Quellen
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Literatur
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Knoop-Graf, Anneliese/Eckert, Hans (Hg.), Gedenkschrift zum 50. Jahrestag der Hinrichtung des Saarbrücker Widerstandskämpfers Willi Graf, Saarbrücken 1993.
Leber, Annedore, Das Gewissen steht auf. 64 Lebensbilder aus dem deutschen Widerstand 1933-1945, Berlin 1954.
Rönz, Helmut/Gestier, Markus (Hg.), „Herr Hitler, ihre Zeit ist um!“. Widerstand an der Saar 1935–1945, St. Ingbert 2016.
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Online
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Stiftung Weiße Rose e. V., Widerstandsgruppe Weiße Rose, Willi Graf. [online]
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Schulz, René, Zeiler, Paula, Willi Graf, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/willi-graf/DE-2086/lido/57c6d5a3d53658.65913355 (abgerufen am 13.11.2024)