Wolfgang Wilhelm

Herzog von Jülich-Berg, Pfalzgraf von Pfalz-Neuburg (1578-1653)

Olaf Richter (Krefeld)

Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Kupferstich von Abraham Hogenberg (gestorben 1653), um 1625, Originalvorlage im Stadtmuseum Düsseldorf. (LVR-Zentrum für Medien und Bildung)

Wolf­gang Wil­helm war von 1614 bis 1653 Her­zog von Jü­lich-Berg und Pfalz­graf von Neu­burg. Ihm ge­lang es nach dem Aus­ster­ben des jü­lich-kle­vi­schen Her­zo­g­hau­ses, den jü­lich-ber­gi­schen Teil des Er­bes für sei­ne Dy­nas­tie zu si­chern. Da­bei han­del­te er in po­li­tisch un­ru­hi­gen Jahr­zehn­ten ge­schickt ge­gen­über kon­kur­rie­ren­den star­ken Mäch­ten. Dies ge­lang ihm nicht zu­letzt durch per­sön­li­che Ent­schei­dun­gen, vor al­lem durch sei­ne Hei­rat in das Haus Wit­tels­bach (Bay­ern) und den da­mit ver­bun­de­nen Kon­fes­si­ons­wech­sel auf dem Hö­he­punkt des Streits um das jü­lich-kle­vi­sche Er­be. Er leg­te den Grund für die bis zum En­de des Al­ten Reichs be­ste­hen­den en­gen Be­zie­hun­gen zwi­schen den pfalz-baye­ri­schen Ter­ri­to­ri­en und dem Nie­der­rhein.

Wolf­gang Wil­helm wur­de am 4.11.1578 in Neu­burg an der Do­nau als äl­tes­ter Sohn des Pfalz­gra­fen Phil­ipp Lud­wig (1547-1614), des Mit­be­grün­ders der pro­tes­tan­ti­schen Uni­on, und der An­na von Jü­lich-Kle­ve-Berg (1552-1632) ge­bo­ren. Er war drei­mal ver­hei­ra­tet: Seit 1613 mit Mag­da­le­na von Bay­ern (1587-1628), der Schwes­ter des baye­ri­schen Her­zogs Ma­xi­mi­li­an I. (1597 Her­zog, 1623-1651 Kur­fürst von Bay­ern), und ab 1631 mit der 37 Jah­re jün­ge­ren Ka­tha­ri­na Char­lot­te von Pfalz-Zwei­brü­cken (1615-1651). Kurz nach ih­rem Tod 1651 schloss er in ho­hem Al­ter ei­ne drit­te Ehe mit der 55 Jah­re jün­ge­ren Ma­ria Fran­zis­ka (1633-1702), der Schwes­ter von Franz und Wil­helm Egon von Fürs­ten­berg-Hei­li­gen­berg.

In der Kind­heit er­fuhr Wolf­gang Wil­helm ei­ne streng lu­the­ri­sche Er­zie­hung. Die Un­ter­wei­sung in kör­per­li­chen Übun­gen, Tanz, Ja­gen und Zeich­nen stand da­zu nicht im Wi­der­spruch. Ei­ne Uni­ver­si­tät hat er wohl nicht be­sucht. Er soll sechs Spra­chen be­herrscht ha­ben, dar­un­ter La­tein, Ita­lie­nisch und in fort­ge­schrit­te­nem Al­ter auch Spa­nisch. Hö­fi­schen Fei­ern we­nig zu­ge­neigt, stets ar­beits­sam, such­te der Fürst aus of­fen­bar in­ner­lich ver­fes­tig­tem Miss­trau­en, al­le Ge­schäf­te bis in Ein­zel­hei­ten selbst zu er­le­di­gen. Er jag­te gern, schätz­te die nie­der­län­di­sche Ma­le­rei der Zeit und ge­noss ita­lie­ni­sche Hof­mu­sik. Auch war ihm die stan­des­ge­mä­ße fürst­li­che Re­prä­sen­ta­ti­on ein Be­dürf­nis. 1585 hat­te er als Kind an der Hoch­zeit sei­nes On­kels Jo­hann Wil­helm mit Ja­ko­be von Ba­den in Düs­sel­dorf teil­ge­nom­men und da­bei ein ein­ma­li­ges Spek­ta­kel hoch­ad­li­ger Selbst­dar­stel­lun­g ­s­ei­ner Zeit mit­er­lebt. Er zog wäh­rend sei­ner Re­gent­schaft ge­le­gent­lich mit sei­ner Fa­mi­lie und dem be­rit­te­nen Hof­staat durch Düs­sel­dorf. Im Un­ter­schied zu an­de­ren Stan­des­ge­nos­sen soll er den­noch stets um Ab­stand zu sei­nen Un­ter­ta­nen be­müht ge­we­sen sein.

Wolf­gang Wil­helms po­li­ti­sche Wahr­neh­mung dürf­te 1594 be­gon­nen ha­ben, als ihn der Va­ter zum Re­gens­bur­ger Reichs­tag mit­nahm. Auf sei­nen Ka­va­liers­tou­ren und Rei­sen nach Dä­ne­mark, Frank­reich, Ita­li­en und Eng­land zwi­schen 1596 und 1601 kam er auch die Her­zog­tü­mer Jü­lich-Kle­ve-Berg, de­nen sein On­kel, Her­zog Jo­hann Wil­helm, vor­stand. Da­mals war sein On­kel je­doch be­reits er­krankt, und es zeich­ne­te sich ab, dass er oh­ne Er­ben blei­ben wür­de. In Brüs­sel such­te Wolf­gang Wil­helm um die Ver­scho­nung der Ter­ri­to­ri­en von den Las­ten des Spa­nisch-Nie­der­län­di­schen Krie­ges (1568-1648) nach. Am Kai­ser­hof be­müh­te er sich seit 1600 um die Vor­mund­schaft für Jo­hann Wil­helm und die stell­ver­tre­ten­de Re­gie­rung der Her­zog­tü­mer; da­ne­ben hielt er Kon­takt zu den dort po­li­tisch Tä­ti­gen. Nach dem Tod des On­kels im Früh­jahr 1609 brach er so­fort an den Nie­der­rhein auf, um das pfalz-neu­bur­gi­sche Wap­pen an Stadt­to­re und Rat­häu­ser schla­gen zu las­sen, al­so de fac­to die Herr­schaft im Na­men sei­nes Va­ters an­zu­mel­den. Mit glei­cher Ab­sicht er­schie­nen auch die Ver­tre­ter des Kur­fürs­ten von Bran­den­burg. Die An­sprü­che der Er­ben (das wa­ren die Häu­ser, in wel­che die Schwes­tern des letz­ten Her­zogs ein­ge­hei­ra­tet hat­ten, al­so au­ßer Pfalz-Neu­burg und Bran­den­burg des Wei­te­ren Pfalz-Zwei­brü­cken, ei­ne kai­ser­li­che Ne­ben­li­nie so­wie schlie­ß­lich auf­grund ei­ner frü­he­ren dy­nas­ti­schen Ver­bin­dung Kur­sach­sen) wur­den durch die ehe­mals mit ver­schie­de­nen kai­ser­li­chen Pri­vi­le­gi­en zu­ge­si­cher­te weib­li­che Erb­fol­ge gel­tend ge­macht. Um die be­vor­ste­hen­de kai­ser­li­che Zwangs­ver­wal­tung ab­zu­wen­den, ver­stän­dig­ten sich Kur­bran­den­burg und Pfalz-Neu­burg zu­nächst mit Zu­stim­mung der um Frie­den be­müh­ten jü­lich-kle­vi­schen Land­stän­de im Dort­mun­der Ver­trag vom Ju­ni 1609 auf ei­ne ge­mein­sa­me pro­vi­so­ri­sche Re­gie­rung. Da­nach ver­trie­ben sie den an den Nie­der­rhein ge­kom­me­nen kai­ser­li­chen Be­auf­trag­ten samt sei­nen Trup­pen. Je­ne skur­ri­le Si­tua­ti­on, bei der ein Land zu­gleich von zwei Herr­schern re­giert wur­de, dürf­te an­ge­sichts der da­mals ganz Eu­ro­pa in­ter­es­sie­ren­den Fra­ge der jü­lich-kle­vi­schen Erb­fol­ge den Aus­bruch ei­nes Krie­ges ver­hin­dert ha­ben. Die­ser hät­te sich wohl kaum von dem Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg (1618-1648) un­ter­schie­den, der sich we­ni­ge Jah­re dar­auf an den Er­eig­nis­sen im habs­bur­gi­schen Böh­men (Pra­ger Fens­ter­sturz) ent­zün­de­te.

Nach­dem in den ers­ten Jah­ren der ge­mein­sa­men Re­gie­rung mas­si­ve Strei­tig­kei­ten zwi­schen Kur­bran­den­burg und Pfalz-Neu­burg ent­stan­den wa­ren und sich ste­tig er­wei­ter­ten, wur­den bis 1613 die po­li­ti­schen Fron­ten ge­klärt. Dies ge­schah nicht zu­letzt durch die Kon­fes­si­ons­wech­sel: Kur­fürst Jo­hann Si­gis­mund (1572-1619) kon­ver­tier­te vom Lu­ther­tum zum Cal­vi­nis­mus, Wolf­gang Wil­helm – zu­nächst ins­ge­heim – zum Ka­tho­li­zis­mus; au­ßer­dem hei­ra­te­te er die baye­ri­sche Prin­zes­sin Mag­da­le­na. Hin­ter Kur­bran­den­burg ver­sam­mel­ten sich fort­an die nie­der­län­di­schen Ge­ne­ral­staa­ten und die agi­le re­for­mier­te Par­tei im Reich, hin­ter dem jun­gen Pfalz­gra­fen die spa­ni­schen Nie­der­lan­de samt der ka­tho­li­schen Li­ga, in­be­son­de­re Bay­ern und das na­he Kur­k­öln, das eben­falls von ei­nem Mit­glied des baye­ri­schen Her­zogshau­ses re­giert wur­de.

Auf die­ser Grund­la­ge ei­nig­ten sich En­de 1614 die Häu­ser Kur­bran­den­burg und Pfalz-Neu­burg, dem Wolf­gang Wil­helm nun nach dem Tod sei­nes Va­ters vor­stand, im Ver­trag zu Xan­ten auf ei­ne vor­läu­fi­ge Tei­lung der Re­gie­rung. Wolf­gang Wil­helm er­hielt im We­sent­li­chen die Her­zog­tü­mer Jü­lich und Berg, der Kur­fürst von Bran­den­burg das Her­zog­tum Kle­ve und die Graf­schaft Mark. Die­se Re­ge­lung wur­de nach zwi­schen­zeit­li­chen Ver­trä­gen (so folg­te 1624 auch die aus­drück­lich nur vor­läu­fi­ge Tei­lung der bei­den Län­der­mas­sen) mit ge­wis­sen Än­de­run­gen dann 1666 im Kle­ver Erb­ver­gleich fest­ge­schrie­ben, nach­dem es noch An­fang der 1650er-Jah­re zwi­schen bei­den Fürs­ten zu be­grenz­ten krie­ge­ri­schen Hand­lun­gen im Ber­gi­schen ge­kom­men war.

Wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges ver­folg­te Wolf­gang Wil­helm un­ge­ach­tet sei­ner po­li­ti­schen Al­li­an­zen ei­ne Neu­tra­li­täts­po­li­tik, die zwar kei­ne Trup­pen­ein­la­ge­run­gen im Land, doch weit­ge­hend di­rek­te Kriegs­hand­lun­gen ver­mied. Un­ter dem Strich konn­te er die Herr­schaft in Jü­lich und Berg auch über den West­fä­li­schen Frie­den 1648 hin­aus fes­ti­gen, und dies trotz der seit Mit­te der 1620er-Jah­re an­hal­ten­den tie­fen Kon­flik­te mit den jü­lich-ber­gi­schen Land­stän­den. Hier­bei ging es vor al­lem um Pri­vi­le­gi­en und Steu­er­fra­gen, was zu lang­jäh­ri­gen Pro­zes­sen der Stän­de vor dem Reichs­hof­rat ge­gen ihn führ­te. Er be­hielt die Re­gent­schaft un­ge­ach­tet der lehns­recht­lich noch im­mer of­fe­nen Erb­fra­ge. An­ge­sichts der ab­so­lu­tis­ti­schen Ten­den­zen des Kai­ser­tums ge­gen­über den Lan­des­herr­schaf­ten des Rei­ches, die um 1629/1635 ih­ren Hö­he­punkt er­reich­ten, ist dies ei­ne nicht ge­ring zu er­ach­ten­de po­li­ti­sche Leis­tung.

In­nen­po­li­tisch setz­te eben­so wie in den Stamm­lan­den Pfalz-Neu­burgs auch in Jü­lich-Berg im Zu­ge der viel­be­ach­te­ten Kon­ver­si­on Wolf­gang Wil­helms 1613/1614 ein strikt ge­gen­re­for­ma­to­ri­scher Kurs ein. Da­bei stütz­te sich der Her­zog be­son­ders auf den Je­sui­ten- so­wie den Ka­pu­zi­ner­or­den. Ge­stand er sei­ner zwei­ten Frau Ma­ria Ka­tha­ri­na auch die Aus­übung ih­res pro­tes­tan­ti­schen Glau­bens am Düs­sel­dor­fer Ho­fe zu, so ging er doch gleich­zei­tig in der Re­si­denz­stadt wir­kungs­voll ge­gen Pro­tes­tan­ten vor, vor al­lem ge­gen An­hän­ger der re­for­mier­ten Kon­fes­si­on (Schlie­ßung der Kir­chen, Amts­ent­he­bung von Schöf­fen und Rats­her­ren). Auch ge­gen­über dem Köl­ner Erz­bi­schof, Fer­di­nand von Bay­ern, war Wolf­gang Wil­helm auf weit­ge­hen­de Mit­spra­che in kirch­li­chen Be­lan­gen wie Pfar­r­ex­ami­na, Ehe­ge­richts­bar­keit und Kir­chen­vi­si­ta­tio­nen be­dacht. Die­se As­pek­te flos­sen in den so ge­nann­ten Pro­vi­sio­nal­ver­gleich von 1621 ein, der ei­nen vie­le Jah­re an­hal­ten­den Kon­flikt zwi­schen sei­nen welt­li­chen Vor­gän­gern und dem Erz­bi­schof be­en­de­te.

Der von prak­ti­scher Re­li­giö­si­tät durch­drun­ge­ne Fürst (sei­ne De­vi­se lau­te­te „In Deo mea con­so­la­tio" – In Gott [ist] mein Trost) blieb bis ins ho­he Al­ter geis­tig re­ge. Sein Le­ben spiel­te sich auf­grund der po­li­ti­schen Er­for­der­nis­se über­wie­gend im jü­lich-ber­gi­schen Lan­des­teil ab, nicht in den Neu­bur­ger Stamm­lan­den der Dy­nas­tie. Viel­leicht sym­bo­li­siert sein Be­gräb­nis die Span­nung zwi­schen po­li­ti­schem Auf­bruch und fa­mi­liä­rer Tra­di­ti­on, denn nach sei­nem Tod am 20.3.1653 in Düs­sel­dorf wur­de sein Kör­per in der von ihm er­bau­ten Düs­sel­dor­fer An­dre­as­kir­che be­stat­tet, sein Herz in der Neu­bur­ger Hof­kir­che. Sein ein­zi­ger Sohn Phil­ipp Wil­helm, mit dem er ge­gen En­de sei­nes Le­bens mehr und mehr in Streit ge­ra­ten war, folg­te ihm in der Re­gie­rung nach.

Ei­ne um­fas­sen­de Bio­gra­phie zu Wolf­gang Wil­helm steht noch aus, was ver­mut­lich auf die schwie­ri­ge, auf meh­re­re eu­ro­päi­sche Ar­chi­ve ver­teil­te Über­lie­fe­rung zu­rück­zu­füh­ren ist.

Literatur (Auswahl)

Fries-Kur­ze, Bar­ba­ra, Pfalz­graf Wolf­gang Wil­helm von Neu­burg, in: Le­bens­bil­der aus dem Baye­ri­schen Schwa­ben VIII, Mün­chen 1961, S. 198-227. Huf­schmidt, An­ke (Be­arb.), Der ers­te Pfalz­graf in Düs­sel­dorf: Wolf­gang Wil­helm von Pfalz-Neu­burg (1578-1653) [Ka­ta­log zur Aus­stel­lung im Stadt­mu­se­um Düs­sel­dorf, 14. Sep­tem­ber bis 16. No­vem­ber 2003], Düs­sel­dorf 2003. Ma­der, Eric-Oli­ver, Die Kon­ver­si­on Wolf­gang Wil­helms von Pfalz-Neu­burg. Zur Rol­le von po­li­ti­schem und re­li­gi­ös-theo­lo­gi­schem Den­ken für sei­nen Über­tritt zum Ka­tho­li­zis­mus, in: Lotz-Heu­mann, Ute u.a. (Hg.), Kon­ver­si­on und Kon­fes­si­on in der Frü­hen Neu­zeit, Gü­ters­loh 2007, S. 107-146. Rich­ter, Olaf, Der Über­tritt des Pfalz­gra­fen Wolf­gang Wil­helm zum ka­tho­li­schen Glau­ben in Düs­sel­dorf im Jahr 1614, in: En­gel­brecht, Jörg/Laux, Ste­phan (Hg.), Lan­des- und Reichs­ge­schich­te. Fest­schrift für Hans­ge­org Mo­li­tor zum 65. Ge­burts­tag, Bie­le­feld 2004, S. 117-145. Rog­gen­dorf, Her­mann Jo­sef, Die Po­li­tik des Pfalz­gra­fen von Neu­burg im Jü­lich-Kle­vi­schen Erb­fol­ge­streit, in: Düs­sel­dor­fer Jahr­buch 53 (1968) S. 1-211.

Online

Brei­ten­bach, Ar­ti­kel "Wolf­gang Wil­helm", in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 44 (1898), S. 87-117. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Richter, Olaf, Wolfgang Wilhelm, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wolfgang-wilhelm/DE-2086/lido/57c9315a44a397.78691419 (abgerufen am 12.11.2024)