Epochen
Über viele Jahrzehnte blickten die Trierer Mittelalterforscher neidvoll nach Köln, wo der von Friedrich Wilhelm Oediger bearbeitete erste Band der „Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter“ (313-1099) von 1954/61 ein diplomatisches Meisterwerk darstellte und diesem bis 2001 zwölf weitere voluminöse Bände folgten, die bis zum Jahr 1414 reichen. Dagegen nahm sich der bereits von 1861 stammende Band der „Regesten der Erzbischöfe zu Trier“ aus der Feder von Adam Goerz, der die Jahre 814 bis 1503 abdeckt, mehr als bescheiden aus.
Dies hat sich jetzt grundlegend geändert. 1973 übernahm der inzwischen emeritierte Trierer Mediävist Hans Hubert Anton - und nicht zu vergessen seine Frau Sigrun Anton - von der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde das Projekt der Trierer Regesten. Nach jahrzehntelanger Vorbereitung und zahlreichen einschlägigen Publikationen legte er 2014 einen ersten Teilband vor, der auf 1018 Druckseiten die Trierer Gründerbischöfe Eucharius, Valerius und Maternus behandelte. Nachdem für die ersten beiden keine zeitgenössischen Schriftzeugnisse vorliegen, ist Letzterer 313/314 als Teilnehmer einer Synode fassbar, allerdings jetzt als Bischof von Köln, das er im Anschluss an Trier missionierte. Oediger hatte ihm immerhin zehn Druckseiten gewidmet, bei Anton werden daraus 180. Dieser hat nicht nur urkundliche, chronikalische und epigraphische Zeugnisse ausgewertet, sondern auch hagiographische und liturgische Quellen. So kann er von den drei ersten Trierer Oberhirten auch ihre „Spiegelungen“, ihre Rezeption und ihre Verehrung bis ins späte Mittelalter erschließen.
2019 folgte der dritte, hier anzuzeigende Band. Bei ihm gelang es, neben Sigrun Anton den langjährigen Projektmitarbeiter Friedrich Pfeiffer als Coautor zu gewinnen. Der Band behandelt 18 Bischöfe, die zwischen 398/99 und vor 620 amtiert haben: Mauricius, Leontius, Severus, Cyrillus, Jamblychus, Emerus, Marus, Volusianus, Miletus, Modestus, Maximinianus, Fibicius, Abrunculus, Nicetius, Rusticus, Magnericus, Gunderich und Sabaudus. Jedem Bischof ist ein einheitlich gegliederter Artikel gewidmet, in dem die Einzelbelege diskutiert werden, was allerdings die Suche nach Objekten wie dem Petrusstab im Limburger Domschatz, auf dem zehn Trierer Oberhirten dargestellt sind, etwas mühsam macht. Bei jedem Bischof wird eine Synopse der Quellenbefunde vorausgeschickt, dann werden die Regesten präsentiert und anschließend unter vier leitenden Fragestellungen ausgewertet: Zunächst wird der Bischof in seinen zeitgeschichtlichen Kontext eingeordnet, dann werden spätere Überreste, insbesondere hagiographische und historiographische Zeugnisse vorgestellt, dann Kult und Verehrung der mehrfach als Heilige angesehenen Bischöfe erörtert und abschließend die materiellen Befunde, z. B. Grabstätten und Kirchengründungen, präsentiert.
Antons Werk stellt die rheinische Geschichte des 5. und 6. Jahrhunderts auf eine neue Grundlage. Kamen in den letzten Jahrzehnten zahlreiche neue Anstöße von der Mittelalterarchäologie, so schlägt das Pendel hier wieder zur Mediävistik zurück, die allerdings mit einem gänzlich neuen methodischen Instrumentarium arbeitet: Nicht nur Kunstwerke und materielle Befunde werden einbezogen, sondern vor allem auch hagiographische Quellen, die man in der Mittelalterforschung vielfach nicht ernstgenommen hatte, und liturgische Texte, mit denen man wenig anzufangen wusste. So ist z. B. die kultgeschichtliche Forschung mit dem Tode von Matthias Zender (1993) weitgehend zum Erliegen gekommen. Zum Zweiten merkt man dem Buch an, dass sich der Autor und seine Mitstreiter über Jahrzehnte hinweg intensiv mit der außerordentlich schwierigen Materie befasst haben. Immer wieder werden auch abgelegene Spuren verfolgt, werden Quellentexte überprüft sowie eine ungeheure Menge an Literatur ausgewertet und diskutiert. So kann Anton z. B. die Forschungen zu den Trierer Bischofsgräbern auf eine neue Grundlage stellen und kreuzt an vielen Stellen die Klinge mit Fachkollegen.
Es bleibt nur noch ein Wunsch offen, nämlich, dass der Autor die Kraft findet, den mittleren zweiten Band über die sechs z. T. hochbedeutenden Bischöfe des 4. Jahrhunderts (Agritius, Maximin, Paulin, Bonosus, Britto und Felix) zu einem glücklichen Abschluss zu bringen.
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Schmid, Wolfgang, Hans Hubert Anton/Friedrich Pfeiffer (Bearb.): Regesten der Bischöfe und Erzbischöfe von Trier. Band I,3: Die Trierer Kirche und die Trierer Bischöfe in der ausgehenden Antike und am Beginn des Mittelalters. (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, LXXXIII, I, 3) Köln 2019, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Verzeichnisse/Literaturschau/hans-hubert-antonfriedrich-pfeiffer-bearb.-regesten-der-bischoefe-und-erzbischoefe-von-trier.-band-i3-die-trierer-kirche-und-die-trierer-bischoefe-in-der-ausgehenden-antike-und-am-beginn-des-mittelalters.-publikationen-der-gesellschaft-fuer-rheinische-geschichtskunde-lxxxiii-i-3-koeln-2019/DE-2086/lido/60520bb7227436.29516603 (abgerufen am 15.10.2024)