Joseph Gockeln

Landtagspräsident und Oberbürgermeister von Düsseldorf (1900-1958)

Reinhard Schreiner (Sankt Augustin)

Josef Gockeln, Porträtfoto. (Archiv für Chritlich Demokratische Politik der Konrad- Adenauer-Stiftung)

Schlagworte

Jo­sef Go­ckeln war ei­ne je­ner Per­sön­lich­kei­ten und Be­ga­bun­gen, die aus der Ar­bei­ter­schaft in höchs­te Re­gie­rungs­äm­ter auf­ge­stie­gen sind, vom Hand­wer­ker zum Mi­nis­ter, Land­tags­prä­si­den­ten und Ober­bür­ger­meis­ter. Die Ge­schich­te des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len hat Go­ckeln in die­sen Funk­tio­nen ma­ß­ge­bend mit­ge­stal­tet und in der ent­schei­den­den Zeit beim Wie­der­auf­bau nach 1945 mit­ge­wirkt. Über die Lan­des­gren­zen hin­aus en­ga­gier­te er sich in Füh­rungs­po­si­tio­nen der Ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­be­we­gung.

De­mo­kra­tie und or­ga­ni­sier­te Ar­bei­ter­schaft ge­hör­ten in den letz­ten hun­dert Jah­ren eng zu­sam­men. Jo­sef Go­ckeln stand an ei­nem ent­schei­den­den Neu­an­fang so­wohl in der Ge­schich­te der christ­lich-so­zia­len Be­we­gung als auch der de­mo­kra­ti­schen Ent­wick­lung in Deutsch­land. Ge­bo­ren wur­de er am 18.3.1900 als ach­tes von zwölf Kin­dern ei­nes Schrei­ner­meis­ters in Gro­ße­nedern im ost­west­fä­li­schen Kreis War­burg. Er er­lern­te das Mül­ler­hand­werk, wur­de 1917 noch für ein Jahr Sol­dat und hei­ra­te­te 1922 Eli­sa­beth Klink; aus der Ehe sind sechs Kin­der her­vor­ge­gan­gen. 

Go­ckeln war ein re­li­giö­ser Mensch. Er wur­de schon früh­zei­tig Mit­glied des ört­li­chen ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­ver­eins. Mit gro­ßem Ein­satz und dank sei­ner Red­ner­ga­be ar­bei­te­te er sich zu ei­ner Füh­rer­per­sön­lich­keit in der christ­lich-so­zia­len Be­we­gung hoch. 1925 brach­ten ihm sei­ne Ak­ti­vi­tä­ten ein Sti­pen­di­um zum Be­such der Staat­li­chen Fach­schu­le für Wirt­schaft und Ver­wal­tung in Düs­sel­dorf ein. Für ihn war Bil­dung ein le­bens­lan­ger Pro­zess. Ne­ben ­s­ei­ner Ar­beit be­wahr­te er sich aber auch stets Zeit für das Mu­si­sche; so war das Thea­ter sei­ne gro­ße Lei­den­schaft. 

Auf Ver­an­las­sung Ja­kob Kai­sers (1888-1961) wur­de Go­ckeln 1926 Kar­tell­se­kre­tär der Christ­li­chen Ge­werk­schaf­ten in Mön­chen­glad­bach und 1928 Be­zirks­se­kre­tär ­der Ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­ver­ei­ne in Düs­sel­dorf. Gleich­zei­tig war er in der Zen­trums­par­tei als de­ren stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der in Düs­sel­dorf ak­tiv, weil er wuss­te, dass die ge­sell­schafts­po­li­ti­sche Ver­wirk­li­chung der Grund­sät­ze christ­li­cher So­zi­al­leh­re nur über die par­tei­po­li­ti­sche Mit­ge­stal­tung mög­lich war. Be­reits mit 29 Jah­ren war Go­ckeln Stadt­ver­ord­ne­ter und Vor­sit­zen­der des Wohl­fahrts­aus­schus­ses. 

Das na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Un­rechts­sys­tem mach­te sei­ner Ar­beit schon bald ein En­de, aber trotz der Ge­fähr­dun­gen blieb Jo­sef Go­ckeln sich und sei­ner christ­lich-so­zia­len Über­zeu­gung treu und hielt mit der Ver­bands­zen­tra­le der Ka­tho­li­schen Ar­bei­ter-Be­we­gung (KAB) in Köln bis zu ih­rer Auf­lö­sung 1938 en­ge Kon­tak­te. Am 1.10.1945 no­tier­te er: „1933 steigt die po­li­ti­sche Fie­ber­kur­ve ra­pi­de an. Die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten er­grei­fen die Macht. Das Un­ge­wit­ter war nicht auf­zu­hal­ten. Neun­mal hat üb­ri­gens die Ge­sta­po un­ser KAB-Bü­ro durch­sucht, be­schlag­nahmt und re­pres­si­ve Ver­fü­gun­gen er­las­sen. Mir selbst mach­te man den Pro­zess und ich wur­de we­gen Schä­di­gung der Volks­ge­mein­schaft aus der Ge­werk­schaft aus­ge­schlos­sen. Am 24.9.1939 liegt für mich der Ge­stel­lungs­be­fehl auf dem Tisch. Sechs Jah­re und ei­nen Tag dau­er­te die­se Wehr­dienst­ver­pflich­tung und an­schlie­ßen­de Kriegs­ge­fan­gen­schaft. Dann war end­lich die Zeit des Grö­ßen­wahn­sin­ni­gen ab­ge­lau­fen."

Nach der Ent­las­sung aus der Kriegs­ge­fan­gen­schaft im Au­gust 1945 half Go­ckeln so­fort mit beim Wie­der­auf­bau der Ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­ver­ei­ne und über­nahm wie­der das KAB-Se­kre­ta­ri­at in Düs­sel­dorf; ein Jahr spä­ter wur­de er Ver­bands­vor­sit­zen­der der KAB West­deutsch­lands. Das Zen­tral­ko­mi­tee der Deut­schen Ka­tho­li­ken wähl­te ihn 1950 zum Vi­ze­prä­si­den­ten. Sei­ne po­li­ti­sche Hei­mat wur­de die Christ­lich-De­mo­kra­ti­sche Uni­on (CDU). Bei der ers­ten frei­en de­mo­kra­ti­schen Kom­mu­nal­wahl am 13.10.1946 wur­de er als Stadt­ver­ord­ne­ter ge­wählt, ab 1948 war er Vor­sit­zen­der des CDU-Kreis­ver­bands Düs­sel­dorf. Er wirk­te am Ah­le­ner Pro­gramm der CDU der bri­ti­schen Zo­ne von 1947 mit. Nach sei­ner Wahl in den nord­rhein-west­fä­li­schen Land­tag trat Jo­sef Go­ckeln im De­zem­ber 1946 als So­zi­al­mi­nis­ter in das Ka­bi­net­t Ame­lun­xen (1888-1969) ein, 1947 wur­de er z­um Prä­si­den­ten des Land­tags ge­wählt. 

Die au­ßer­ge­wöhn­li­che Spann­wei­te der Ver­ant­wor­tung, die Go­ckeln durch die Viel­zahl sei­ner Äm­ter über­nahm und die er mit gro­ßem per­sön­li­chen Ein­satz be­wäl­tig­te, er­klärt sich aus der Auf­bau­si­tua­ti­on der un­mit­tel­ba­ren Nach­kriegs­zeit, in der Hun­ger, Not und De­mon­ta­gen zu ver­kraf­ten und zu über­win­den wa­ren. 

Von 1947 bis 1956 be­klei­de­te Go­ckeln das Amt des Ober­bür­ger­meis­ters der neu­en Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf, von 1949 bis zu sei­nem Tod ver­trat er den Wahl­kreis Düs­sel­dorf II im Deut­schen Bun­des­tag. Sei­ne Auf­ga­ben als Land­tags­prä­si­dent und Ober­bür­ger­meis­ter hat er stets über­par­tei­lich wahr­ge­nom­men, im Land­tag be­tei­lig­te er sich nicht an of­fe­nen po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen. Go­ckeln wur­de auch nach den Land­tags­wah­len 1954 und 1958 ein­stim­mig und oh­ne Ge­gen­kan­di­dat von al­len Frak­tio­nen zum Par­la­ments­prä­si­den­ten ge­wählt. Ihm wur­de stets An­er­ken­nung für sei­ne vor­bild­li­che Amts­füh­rung at­tes­tiert, die be­wie­sen ha­be, dass po­li­ti­sche Per­sön­lich­kei­ten in der La­ge sind, auch über­par­tei­li­che Funk­tio­nen bei­spiel­haft aus­zu­üben. 

Go­ckelns be­son­de­re Ein­satz­be­reit­schaft galt der KAB, aus der er her­vor­ge­gan­gen war. Durch­drun­gen von der Idee der fried­li­chen in­ter­na­tio­na­len Zu­sam­men­ar­beit und der eu­ro­päi­schen Ei­ni­gung war er ei­ner der Ers­ten, die den Kon­takt zu aus­län­di­schen So­zi­al­be­we­gun­gen wie­der her­stell­ten. Schon im Jahr 1928 hat­te er beim ers­ten In­ter­na­tio­na­len Kon­gress der Ar­bei­ter­ver­ei­ne die ers­ten Kon­tak­te mit dem da­ma­li­gen Ober­bür­ger­meis­ter Kon­rad Ade­nau­er ge­knüpft, 20 Jah­re spä­ter wur­de er zum ers­ten Prä­si­den­ten der In­ter­na­tio­na­len Ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­be­we­gung (Fédé­ra­ti­on In­ter­na­tio­na­le des Mou­ve­ments Ou­vri­ers Chré­ti­ens, FI­MOC) ge­wählt. 

In sei­nem Staats- und Po­li­tik­ver­ständ­nis war Go­ckeln ver­wur­zelt in der ka­tho­li­schen So­zi­al­leh­re und So­zi­al­be­we­gung. Ne­ben der Kir­che und der Fa­mi­lie war der Staat für ihn die wich­tigs­te Ge­mein­schafts­form, haupt­ver­ant­wort­lich für das Ge­mein­wohl und Trä­ger der höchs­ten ge­sell­schaft­li­chen Au­to­ri­tät. Go­ckelns so­zi­al­po­li­ti­sche Vor­stel­lun­gen wa­ren nicht auf Ver­än­de­run­gen im Sys­tem, son­dern auf kon­kre­te so­zia­le Ver­bes­se­run­gen aus­ge­rich­tet: er war kein Ideo­lo­ge, son­dern Prag­ma­ti­ker. 

Jo­sef Go­ckeln soll ein­mal ge­sagt ha­ben, er sei von Ge­burt West­fa­le und aus Nei­gung Rhein­län­der und ver­ei­ni­ge da­mit die bei­den See­len Nord­rhein-West­fa­lens in sei­ner Brust. Tat­säch­lich fin­det man bei ihm west­fä­li­sche Be­harr­lich­keit, Kon­se­quenz und Grund­satz­treue so­wie rhei­ni­sches Tem­pe­ra­ment, Ge­las­sen­heit und Hei­ter­keit. Am 6.12.1958 ver­un­glück­te er, auf der Hö­he sei­nes po­li­ti­schen Schaf­fens, töd­lich bei ei­nem Au­to­un­fall auf ei­ner Dienst­rei­se zwi­schen Dor­ma­gen und Neuss.

Quellen

Teil­nach­läs­se mit Ma­te­ria­li­en von Jo­sef Go­ckeln wer­den ar­chi­viert im Ar­chiv für Christ­lich-De­mo­kra­ti­sche Po­li­tik der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung, Sankt Au­gus­tin (Re­den, Bio­gra­phi­sches) so­wie im Lan­des­ar­chiv Nord­rhein-West­fa­len Ab­tei­lung Rhein­land in Düs­sel­dorf (Ak­ten als So­zi­al­mi­nis­ter und Land­tags­prä­si­dent).

Literatur

Först, Wal­ter, Jo­sef Go­ckeln (1900-1958), in: Zeit­ge­schich­te in Le­bens­bil­dern 5 (1982), S. 161-175.
Rön­ne­per, Hans, Jo­sef Go­ckeln, in: Ge­schich­te im Wes­ten 15 (2000), S. 241-245.

Online

De­tail­an­sicht des Ab­ge­ord­ne­ten Jo­seph Go­ckeln (In­for­ma­ti­on auf der Home­page des Land­ta­ges NRW). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Schreiner, Reinhard, Joseph Gockeln, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joseph-gockeln/DE-2086/lido/57c6c91d872529.52884665 (abgerufen am 19.04.2024)