Paul Krüger

Rechtshistoriker (1840-1926)

Martin Schermaier (Bonn)

Paul Krüger, Porträtfoto.

Paul Krü­ger war Pro­fes­sor für Rö­mi­sches Recht in Mar­burg, Inns­bruck, Kö­nigs­berg und Bonn. Ge­mein­sam mit dem be­rühm­ten Alt­his­to­ri­ker Theo­dor Momm­sen (1817-1903) voll­ende­te er ei­ne kri­ti­sche Edi­ti­on der Ko­di­fi­ka­ti­on des rö­mi­schen Rechts durch Kai­ser Jus­ti­ni­an I (um 482-565), des „Cor­pus Iuris Ci­vi­lis", die die Rechts­kul­tur des Abend­lands prä­gen soll­te. Mit die­ser Edi­ti­on er­lang­te Krü­ger welt­wei­ten und blei­ben­den Ruhm.

Paul Krü­ger wur­de am 20.3.1840 als jüngs­tes von zwölf Kin­dern in Ber­lin ge­bo­ren. Er selbst schrieb spä­ter in sei­ner Au­to­bio­gra­phie, dass sein „Ent­wick­lungs­gang (…) durch äu­ße­re Um­stän­de an­ders ge­lei­tet wor­den" sei, „als ur­sprüng­lich in Aus­sicht ge­nom­men". Das sieht man schon an sei­ner Schul­bil­dung: Zu­nächst be­such­te er die Re­al­schu­le, spä­ter erst das aus die­ser Re­al­schu­le neu ge­grün­de­te Gym­na­si­um. Das nach dem Ab­itur (1858) ge­fass­te Vor­ha­ben zu ei­ner Of­fi­ziers­lauf­bahn ließ er we­gen der gro­ßen An­zahl von Be­wer­bern fal­len und wand­te sich der Rechts­wis­sen­schaft zu. Nach sechs Se­mes­tern wur­de er 1861 an der Ber­li­ner ju­ris­ti­schen Fa­kul­tät mit ei­ner Ar­beit über das rö­mi­sche Recht der Frist­be­rech­nung pro­mo­viert. Die Ha­bi­li­ta­ti­on folg­te 1864 zu ei­nem pro­zess­recht­li­chen The­ma.

Im sel­ben Jahr „griff Theo­dor Momm­sen in sein Le­ben ein und gab sei­ner For­schung die Rich­tung, die sie bis ans En­de fest­ge­hal­ten hat" (Fritz Schulz). Momm­sen, der ei­nen Mit­ar­bei­ter für sei­ne Edi­ti­on der Di­ges­ten such­te, konn­te Krü­ger für die­ses Vor­ha­ben ge­win­nen. Die Di­ges­ten sind der wohl wich­tigs­te Teil der von Jus­ti­ni­an I. zwi­schen 529 und 534 auf­ge­nom­me­nen Ko­di­fi­ka­ti­on des rö­mi­schen Rechts. Sie be­ste­hen aus tau­sen­den Frag­men­ten von Schrif­ten klas­si­scher rö­mi­scher Ju­ris­ten. Seit dem Mit­tel­al­ter wur­den die­se Di­ges­ten in zahl­rei­chen Hand­schrif­ten ver­brei­tet und bil­de­ten so die Grund­la­ge für die Ju­ris­ten­aus­bil­dung in Eu­ro­pa eben­so, wie für die seit En­de des 18. Jahr­hun­derts ein­set­zen­den na­tio­na­len Ko­di­fi­ka­tio­nen. Ei­ne mo­der­ne text­kri­ti­sche Aus­ga­be zu er­stel­len er­schien in der Auf­fas­sung der His­to­ri­schen Schu­le des 19. Jahr­hun­derts als De­si­de­rat.

Krü­ger leg­te spä­ter Wert dar­auf, nicht als Momm­sen-Schü­ler be­zeich­net zu wer­den. Da­mit woll­te er kei­nen Eh­ren­ti­tel zu­rück­wei­sen, son­dern sei­ne wis­sen­schaft­li­che Ei­gen­stän­dig­keit be­to­nen. In der Tat for­der­te die Zu­sam­men­ar­beit mit Momm­sen fort­wäh­rend Un­ter­ord­nung un­ter den al­les über­strah­len­den, aber auch al­les do­mi­nie­ren­den Meis­ter. Dass man sich schlie­ß­lich die Ar­beit teil­te – Momm­sen ar­bei­te­te an den Di­ges­ten, Krü­ger an zwei an­de­ren Tei­len des Cor­pus Iuris, dem Co­dex (Ius­ti­nia­nus) und den No­vel­len –, dürf­te die Si­tua­ti­on er­träg­li­cher ge­macht ha­ben. Ne­ben an­de­ren wich­ti­gen, wenn auch klei­ne­ren Edi­ti­ons­ar­bei­ten, be­gann Krü­ger auch ei­ne kri­ti­sche Aus­ga­be des Co­dex Theo­dosia­nus vor­zu­be­rei­ten, der wohl wich­tigs­ten vor Jus­ti­ni­an ent­stan­de­nen Samm­lung rö­mi­scher Kai­ser­ge­set­ze. 1870 er­hielt Krü­ger sei­nen ers­ten Ruf, an die Uni­ver­si­tät Mar­burg. Schon im Herbst 1872 fol­ge er ei­nem Ruf nach Inns­bruck, und wie­der nur drei Se­mes­ter spä­ter ging er an die Uni­ver­si­tät in Kö­nigs­berg. Hier ver­brach­te er sei­ne wohl frucht­bars­ten For­scher­jah­re, und hier ka­men auch die meis­ten der vor­her be­schrie­be­nen Edi­tio­nen zum Ab­schluss. 1888 folg­te er aber doch ei­nem Ruf an die Uni­ver­si­tät Bonn, als Nach­fol­ger von Ro­de­rich von Stint­zing. Im Jahr des Wech­sels er­schien das wohl wich­tigs­te li­te­ra­ri­sche Werk von Krü­ger, sei­ne „Ge­schich­te der Quel­len und Li­te­ra­tur des rö­mi­schen Rechts". Die­ses Werk blieb bis zu Leo­pold Wen­gers „Die Quel­len des Rö­mi­schen Rechts" (1953) wich­ti­ge Ar­beits­grund­la­ge der Ro­ma­nis­tik. Das­sel­be gilt für die bis heu­te ma­ß­geb­li­che, ge­mein­sam mit Momm­sen er­ar­bei­te­te Edi­ti­on des Cor­pus Iuris Ci­vi­lis, die Krü­ger nach dem Tod Momm­sens in zahl­rei­chen wei­te­ren Auf­la­gen be­treu­te. Die so ge­nann­te „klei­ne" Di­ges­ten­aus­ga­be (im Ge­gen­satz zur text­kri­tisch um­fang­rei­che­ren, von Momm­sen be­treu­ten) er­leb­te bis zu Krü­gers Tod 13 Auf­la­gen, von Krü­ger fort­wäh­rend durch text­kri­ti­sche Hin­wei­se er­gänzt.

Als De­mü­ti­gung er­leb­te Krü­ger, dass Momm­sen 1898 die Vor­ar­bei­ten Krü­gers zum Co­dex Theo­dosia­nus an sich zog und ziel­stre­big sei­ne Edi­ti­on be­trieb. Die Aus­ga­be er­schien al­ler­dings erst nach Momm­sens Tod (1903), im Jahr 1905, und oh­ne im Ti­tel auf Krü­ger als Mit­her­aus­ge­ber hin­zu­wei­sen. Momm­sens Er­su­chen, ihm die Ar­beit ab­zu­tre­ten, konn­te Krü­ger nicht aus­schla­gen, gleich­wohl sah er sich um die Früch­te sei­ner Ar­beit ge­bracht. Zu­guns­ten Momm­sens ist je­doch ein­zu­räu­men, dass nicht ab­seh­bar war, ob Krü­ger die Edi­ti­on ne­ben der Lehr- und Ver­wal­tungs­ar­beit an der Uni­ver­si­tät je voll­endet hät­te. Nach sei­ner Eme­ri­tie­rung (erst 1919) nahm Krü­ger die Ar­beit an ei­ner Edi­ti­on des Co­dex Theo­dosia­nus aber doch noch ein­mal auf – zu spät al­ler­dings, um das Pro­jekt selbst noch zu En­de zu brin­gen. Von den 16 Bü­chern des Theo­dosia­nus konn­te Krü­ger die ers­ten acht edie­ren. So blieb die Edi­ti­on ein Tor­so, doch bie­tet sie ge­gen­über der­je­ni­gen von Momm­sen den Vor­teil, dass die kai­ser­li­chen Kon­sti­tu­tio­nen, die nur im Co­dex Ius­ti­nia­nus über­lie­fert sind, ein­ge­ar­bei­tet sind. Krü­ger starb am 11.5.1926 in Bonn. Sei­ne letz­te Ru­he­stät­te fand er auf dem Pop­pels­dor­fer Fried­hof.

Literatur

Krü­ger, Paul, „Paul Krü­ger" (Selbst­bio­gra­phie), in: Die Rechts­wis­sen­schaft der Ge­gen­wart in Selbst­dar­stel­lun­gen, Band 2, Leip­zig 1924, S. 153-169.
Schulz, Fritz, Paul Krü­ger (Nach­ruf), in: Zeit­schrift der Sa­vi­gny-Stif­tung für Rechts­ge­schich­te Ro­ma­nis­ti­sche Ab­tei­lung 47 (1927), S. IX-XXXIX.
Stint­zing, Ro­de­rich / Lands­berg, Ernst , Ge­schich­te der Deut­schen Rechts­wis­sen­schaft, 3. Ab­tei­lung, 2. Halb­band (No­ten), Mün­chen / Ber­lin 1910, S. 369-370.

 
Zitationshinweis

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Schermaier, Martin, Paul Krüger, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-krueger/DE-2086/lido/57c93a4a91fe15.01073254 (abgerufen am 20.04.2024)