Moritz August von Bethmann-Hollweg

Preußischer Kultusminister (1795-1877)

Roland Schmidt-Bleker (Bonn)

DE-2086, LVR_ILR_0000147053.

Mo­ritz Au­gust von Beth­mann-Holl­weg war ein re­nom­mier­ter Bon­ner Rechts­ge­lehr­ter mit ho­hem po­li­ti­schen Ein­fluss und kirch­li­chem En­ga­ge­ment. Er war Be­grün­der des Evan­ge­li­schen Kir­chen­ta­ges und ein be­deu­ten­der Ver­tre­ter der his­to­ri­schen Rechts­schu­le.

Beth­mann-Holl­weg wur­de am 8.4.1795 in Frank­furt am Main als Sohn des Ban­kiers Jo­hann Ja­kob und sei­ner Frau Su­san­ne Eli­sa­beth Beth­mann-Holl­weg ge­bo­ren. Nach dem Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten in Göt­tin­gen und Ber­lin freun­de­te er sich mit Fried­rich Carl von Sa­vi­gny (1779-1861) an. Über ihn kam er in Kon­takt zur so ge­nann­ten „His­to­ri­schen Rechts­schu­le", die er nach­fol­gend mit­präg­te.

Als Schü­ler Sa­vi­gnys ha­bi­li­tier­te er sich 1819 in Ber­lin für rö­mi­sches Recht. Ab 1823 war Beth­mann-Holl­weg or­dent­li­cher Pro­fes­sor der Rech­te in Ber­lin, wo­bei der Zi­vil­pro­zess sei­nen Haupt­for­schungs­ge­gen­stand dar­stell­te. 1829 ließ sich Beth­mann-Holl­weg nach Bonn an die Rhei­ni­sche Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät ver­set­zen, wo er von 1840 bis 1848 die Stel­le des Ku­ra­tors der Hoch­schu­le in­ne hat­te. Durch den Thron­wech­sel 1840 rück­te er auf­grund sei­ner gu­ten Be­zie­hun­gen zu Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gie­rungs 1840-1861) in die Rei­he der An­wär­ter auf ho­he Staats­äm­ter. An­läss­lich sei­ner Hul­di­gung wur­de er 1840 ge­adelt und 1845 in den Staats­rat be­ru­fen.

Die gu­ten Be­zie­hun­gen zum Mon­ar­chen wa­ren zu­vor über sein En­ga­ge­ment in der evan­ge­li­schen Kir­che ent­stan­den. Als gläu­bi­ger Christ schloss sich Beth­mann-Holl­weg be­reits 1817 mit erst 22 Jah­ren der kon­ser­va­tiv-mon­ar­chisch ori­en­tier­ten Christ­lich-deut­schen Tisch­ge­sell­schaft un­ter Adolf von Thad­den (1796-1882) an. Hier lern­te Beth­mann-Holl­weg auch zahl­rei­che be­kann­te und ein­fluss­rei­che Ver­tre­ter des preu­ßi­schen Kon­ser­va­tis­mus ken­nen, un­ter an­de­rem die Brü­der Leo­pold (1790-1861), Ernst Lud­wig (1795-1877) und Ot­to von Ger­lach (1801-1849), durch die er in Kon­takt zur pie­tis­ti­schen Er­we­ckungs­be­we­gung und zum Kron­prin­zen, dem spä­te­ren Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. kam. Die Ade­lung so­wie die Auf­nah­me Beth­mann-Holl­wegs in hö­he­re Staats­äm­ter wur­den ihm wohl schon zu die­ser Zeit für den Fall der Thron­fol­ge des Kron­prin­zen in Aus­sicht ge­stellt.

Ein be­reits in der frü­hen Pha­se sei­nes kirch­li­chen En­ga­ge­ments und an­ge­sichts der Uni­ons­po­li­tik des preu­ßi­schen Kö­nigs­hau­ses for­mu­lier­tes Ziel war der kirch­li­che Zu­sam­men­schluss der evan­ge­li­schen Kon­fes­sio­nen. Vor al­lem zu die­sem Zweck grün­de­te Beth­mann-Holl­weg 1848 den Deut­schen Evan­ge­li­schen Kir­chen­tag, des­sen Prä­si­dent er bis 1872 blieb.

Haupt­an­lie­gen Beth­mann-Holl­wegs war ein Kir­chen­bund der evan­ge­li­schen Kir­chen in Deutsch­land bei gleich­zei­ti­ger Fest­le­gung von Ver­fas­sung, Be­kennt­nis und Kult des­sel­ben. Be­reits 1846 trat da­her un­ter sei­nem Vor­sitz ei­ne evan­ge­li­sche Kon­fe­renz in Ber­lin zu­sam­men, an der Ver­tre­ter von 26 Lan­des­re­gie­run­gen teil­nah­men, um über ei­nen Zu­sam­men­schluss der evan­ge­li­schen Kir­chen in Deutsch­land zu be­ra­ten. In den Fol­ge­jah­ren wur­de Beth­mann-Holl­weg zum Ko­or­di­na­tor die­ser evan­ge­li­schen Ein­heits­be­stre­bun­gen, die je­doch zu sei­nen Leb­zei­ten er­folg­los blie­ben. Zu­sätz­lich über­nahm Beth­mann-Holl­weg die Prä­si­dent­schaft des 1848 von Jo­hann Hin­rich Wi­chern ins Le­ben ge­ru­fe­nen Cen­tral-Aus­schus­ses für In­ne­re Mis­si­on.

Ab 1845 en­ga­gier­te sich Beth­mann-Holl­weg auch ver­stärkt in der Po­li­tik: Nach sei­ner Be­ru­fung in den Staats­rat wur­de er zwi­schen 1849 und 1855 Mit­glied der Ers­ten und Zwei­ten Preu­ßi­schen Kam­mer. 1848 war Beth­mann-Holl­weg zu­dem Mit­be­grün­der der kon­ser­va­ti­ven Par­tei, mit der er aber be­reits 1851 brach und statt­des­sen die li­be­ral-kon­ser­va­ti­ve „Par­tei Beth­mann-Holl­weg" (auch „Wo­chen­blatt­par­tei") grün­de­te.

Im Um­feld der Frank­fur­ter Na­tio­nal­ver­samm­lung mach­te er die Be­kannt­schaft von Diet­rich Wil­helm Land­fer­mann (1800-1882). Zu­sam­men mit dem be­kann­ten De­mo­kra­ten ver­such­te Beth­mann-Holl­weg, ei­ne po­li­ti­sche Po­si­ti­on der Mit­te zu for­mu­lie­ren und for­der­te den kon­trol­lier­ten Aus­bau ei­nes Ver­fas­sungs­staa­tes in ei­nem kon­ser­va­tiv-li­be­ra­len Sin­ne. Beth­mann-Holl­weg be­trieb ei­ne ge­mä­ßigt kon­ser­va­ti­ve Po­li­tik und war, im Ge­gen­satz zu sei­nen frü­he­ren Ge­fähr­ten der Tisch­ge­sell­schaft, li­be­ra­len Ge­dan­ken ge­gen­über durch­aus of­fen. Von 1858 bis 1862 über­nahm er schlie­ß­lich im Mi­nis­te­ri­um der „Neu­en Ära" das preu­ßi­sche Kul­tus­mi­nis­te­ri­um.

Ne­ben sei­nen po­li­ti­schen und kir­chen­po­li­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten wid­me­te er sein gan­zes Le­ben durch­gän­gig der Wis­sen­schaft. Be­reits als jun­ger Stu­dent in Göt­tin­gen ar­bei­te­te er an der Ent­zif­fe­rung des von Bar­t­hold Ge­org Nie­buhr ge­fun­de­nen Ve­ro­ne­ser Gai­us mit. Es folg­ten zahl­rei­che Schrif­ten in sei­ner Göt­tin­ger und Ber­li­ner, vor al­lem je­doch in sei­ner Bon­ner Zeit. Wäh­rend sei­ner po­li­ti­schen Le­bens­pha­se, vor al­lem als Par­la­men­ta­ri­er und als Mi­nis­ter, ver­fass­te Beth­mann-Holl­weg je­doch nur ein­zel­ne zum Teil nach­ran­gi­ge Schrif­ten. Sein Haupt­werk "Der Ci­vil­pro­zess des ge­mei­nen Rechts in ge­schicht­li­cher Ent­wick­lung", durch das er zu ei­nem der be­deu­tends­ten Ver­tre­ter der his­to­ri­schen Rechts­schu­le auf­stieg, schuf er erst als Pri­va­tier in den Jah­ren 1863-1874.

Mo­ritz Au­gust von Beth­mann-Holl­weg starb am 17.7.1877 auf Burg Rheineck bei Bad Brei­sig, je­ner Burg, die er 1832 noch als Bon­ner Rechts­ge­lehr­ter ge­kauft und vom eben­so be­rühm­ten Ar­chi­tek­ten Jo­hann Clau­di­us von Las­saulx in Stand set­zen las­sen hat­te.

Werke

Der Ci­vil­pro­zess des ge­mei­nen Rechts in ge­schicht­li­cher Ent­wick­lung, Bonn 1863-1874.
__ Ge­richts­ver­fas­sung und Pro­zess des sin­ken­den Ro­emi­schen Reichs, Bonn 1834.
Grund­riss zu Vor­le­sun­gen über den ge­mei­nen Ci­vil­pro­zess. Mit ei­ner Vor­re­de über die wis­sen­schaft­li­che Be­hand­lungs­art des­sel­ben, Ber­lin 1821.
Hand­buch des Ci­vilpro­ces­ses 1, Bonn 1834.
Ue­ber die Ger­ma­nen vor der Völ­ker­wan­de­rung, Bonn 1850.
Ue­ber Ge­setz­ge­bung und Rechts­wis­sen­schaft als Auf­ga­be un­se­rer Zeit, Bonn 1876.
Ur­sprung der lom­bar­di­schen Städ­te­frei­heit, Bonn 1848.
Ver­su­che ue­ber ein­zel­ne Thei­le der Theo­rie des Ci­vil­pro­zes­ses, Stet­tin 1827.
Vor­schlag ei­ner evan­ge­li­schen Kir­chen­ver­samm­lung im lau­fen­den Jah­re 1848, Bonn 1848._ _

Literatur

Bautz, Fried­rich Wil­helm, Ar­ti­kel „Mo­ritz Au­gust von Beth­mann-Holl­weg", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 1 (1990), Spal­te 565-566.
Fi­scher, Fritz, Mo­ritz-Au­gust von Beth­mann-Holl­weg und der Pro­tes­tan­tis­mus – Re­li­gi­on, Rechts- und Staats­ge­dan­ke, Ber­lin 1937.
Schmidt-Ble­ker, Ro­land, Le­gis­la­ti­ve De­fi­zi­te im Schul­recht der preu­ßi­schen kon­sti­tu­tio­nel­len Mon­ar­chie. Ei­ne rechts­his­to­ri­sche Un­ter­su­chung zum Vor­be­halt des Ge­set­zes im preu­ßi­schen Schul­recht, Ba­den-Ba­den 2005, S. 100-113.
Stein von Ka­mi­en­ski, Gott­fried von, „Mo­ritz-Au­gust von Beth­mann-Holl­weg", in: Bon­ner Ku­ra­to­ren 1818-1993 (An­hang zu: Karl Theo­dor Schä­fer, 150 Jah­re Rhei­ni­sche Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät zu Bonn), Bonn 1968. 

 
Zitationshinweis

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Schmidt-Bleker, Roland, Moritz August von Bethmann-Hollweg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/moritz-august-von-bethmann-hollweg-/DE-2086/lido/57c57d5d739f27.06821203 (abgerufen am 19.03.2024)