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Mit der Person des rheinischen Adeligen Winrich von Kniprode, der dem Deutschen Orden während einer 30-jährigen Amtszeit als Hochmeister vorstand, ist die Blütezeit des Ordensterritoriums Preußen in außen- wie innenpolitischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht verbunden.
Winrich entstammte dem Niederadel des Rheinlands. Namengebender Stammsitz war Kniprath bei Monheim (Kreis Mettmann). Seine Eltern sollen Nikolaus von Kniprode und Bela Overstolz gewesen sein, auch wenn ein urkundlicher Nachweis dafür fehlt. Dafür spricht, dass die Familie Overstolz mehrere Deutschordensritter stellte. Geboren wurde Winrich von Kniprode wohl um 1310. Wahrscheinlich hat ihn Johann Overstolz, von 1332 bis 1334 Hauskomtur in Marienburg, nach Preußen geholt. Erstmals nachweisbar ist Winrich 1334 als Kumpan des Obersten Spittlers und Komturs von Elbing, also in der Funktion eines persönlichen Adjutanten. Schon vier Jahre später war er Komtur der bedeutenden Komturei Danzig und in die Auseinandersetzungen des Deutschen Ordens mit dem Zisterzienserkloster Oliva eingebunden. 1342 wurde er Komtur der großen Komturei Balga, ein Jahr später Großgebietiger als Oberster Marschall mit Sitz in Königsberg.
Als einziger Großgebietiger konnte er seine Position beim Rücktritt des Hochmeisters Ludolf König (Amtszeit 1342-1345) halten, alle anderen vier verloren ihr Amt. 1346 stieg er zum Großkomtur auf, dem Stellvertreter des Hochmeisters; das Amt war zu diesem Zeitpunkt von besonderer Bedeutung, da Hochmeister Heinrich Dusemer (Amtszeit 1345-1352) nicht voll regierungsfähig war. In militärischer Hinsicht war Kniprodes Sieg über die Litauer 1348 wichtig. Als Dusemer zurücktrat, wurde Winrich 1352 zu seinem Nachfolger gewählt.
Kniprodes Hochmeisterzeit war vor allem von zwei Faktoren geprägt: Erstens durch die Verlagerung des politischen Gewichts in Europa von West nach Ost, zweitens durch die Konkurrenz zu einer Reihe bedeutender osteuropäischer Herrscher, wie etwa Kasimir III. von Polen (Regierungszeit 1333-1370), dem ungarischen König Ludwig von Anjou (Regierungszeit 1342-1382), den litauischen Großfürsten Olgierd (Regierungszeit 1345-1377) und Kinstut (Regierungszeit nach 1341-1382) oder auch Kaiser Karl IV. (Regierungszeit 1346-1378) als König von Böhmen (seit 1347). Sie alle verfolgten eine Politik der territorialen Ausdehnung. Das erzeugte zwar Spannungen und gegenseitiges Misstrauen, aber letztlich blieb der status quo der politischen Beziehungen gewahrt. Von Freundschaft waren diese Beziehungen nicht geprägt, eher von kühler Distanz, der Demonstration militärischer Stärke und vorübergehender Geheimpolitik.
Preußen war das einzige Territorium, das nicht auf Gebietserwerb bauen konnte, im Gegensatz zu Polen, Ungarn, Litauen und dem Kaiser, der seine Interessensphäre bis nach Litauen erweiterte. Karl IV. störte damit die Ausgleichspolitik des Hochmeisters mit Litauen, so dass Winrich erneut zu militärischen Mitteln greifen musste und Befestigungen entlang der Memel bis nach Kaunas anlegte. "Die Auseinandersetzungen mit Litauen zeigen diesen Hochmeister nicht nur als Heerführer, sondern auch als Staatsmann, der politische Lösungen anstrebte." (Klaus Conrad). Auch gegenüber Dänemark handelte Winrich politisch geschickt. Im Konflikt des Königs Waldemar Atterdag (Regierungszeit 1340-1375) mit der Hanse zog der Hochmeister die Fäden im Hintergrund, indem er seine Städte vorgehen ließ und diese insgeheim unterstützte. So konnte er den König täuschen, der 1370 mit einem Hilfsbegehren in Preußen erschien, während die preußischen Städte treibende Kräfte bei der Entstehung und Vorgehensweise der Kölner Konföderation gegen Dänemark waren, was schließlich zur Niederlage Dänemarks und zum Stralsunder Frieden von 1370 führte. Auch den Dauerstreit mit dem Erzbischof von Riga konnte Winrich zeitweise mildern; doch die Gegensätze im Streben nach der Landesherrschaft in Livland waren zu groß, als dass sie sich dauerhaft hätten beilegen lassen.
Innenpolitisch griff Winrich mit Neuordnungen in die Landesverwaltung ein, indem er durch seine regelmäßige Präsenz die Bevölkerung stärker an die Person des Hochmeisters band. Mit den Städten fanden zahlreiche Tagfahrten statt, meist in Marienburg. Hier wurden sowohl wirtschaftliche als auch außenpolitische Fragen besprochen. Der Landesausbau ging planvoll voran, der Wohlstand vor allem der Handelsstädte wuchs. Allerdings wachte der Hochmeister auch darüber, dass die Eigenständigkeit der Städte nicht zu groß wurde.
Winrich grenzte die Kompetenzen zwischen Hochmeister und Amtsträgern des Ordens neu ab, nicht zuletzt durch eine Reform der Hochmeisterkanzlei. Auch in das Innenverhältnis des geistlichen Ordens griff er mit zahlreichen Gesetzen ein, in denen er vor allem auf die Ordensdisziplin und das gemeinsame Leben abhob. Damit verbunden war eine Intensivierung der Visitationen der Ordensniederlassungen einschließlich neuer Visitationsvorschriften. Das scheint nötig gewesen zu sein, stellt man doch eine schleichende Verweltlichung des Ordens fest. Preußen galt, neben Burgund, zu jener Zeit als letzter Hort des Rittertums, was regelmäßig viele hohe und niedere Adelige aus ganz Europa zur Teilnahme an den Kriegszügen gegen die noch heidnischen Litauer anlockte. Doch auch für den livländischen und den deutschen Ordenszweig wurden offensichtlich die Visitationen verstärkt. Es war das wirksamste Mittel, den allmählich eintretenden Zentrifugalkräften innerhalb des Ordens entgegen zu steuern.
Winrichs hielt die Verbindung zu seiner Familie in all den Jahren aufrecht, was sich an der Förderung seiner gleichnamigen Neffen erkennen lässt. Nach über 30-jähriger Amtszeit starb er am 24.06.1382 und wurde in der Hochmeistergruft in Marienburg beigesetzt.
Winrichs Persönlichkeit ist, wie bei den meisten mittelalterlichen Herrschern, nur schwer zu erfassen. Vielleicht neigte er zum Jähzorn, andererseits lässt sich deutlich eine Kontinuität in der Kooperation mit untergeordneten Amtsträgern des Ordens feststellen: Diese „Fähigkeit zur Zusammenarbeit meint man immer wieder aus den Quellen herauszuspüren… Auch im Zusammenspiel mit den Vertretern der preußischen Hansestädte scheint sich diese Fähigkeit bewährt zu haben… „Dennoch vermitteln die Quellen stets den Eindruck, daß Orden und Ordensland von ihm mit fester Hand und unangefochtener Autorität geführt wurden. Es war ein Glücksfall für das Ordensland, daß die lange Regierungszeit Winrichs von Kniprode mit einem Stadium der Entwicklung dieses Landes zusammenfiel, in der sein Wohlstand noch ungestört von den inneren Spannungen und Gegensätzen wuchs, unter denen es später litt. Dies hat die Zeit Winrichs von Kniprode in den Augen späterer Generationen verklärt." (Conrad).
Literatur
Conrad, Klaus, Winrich von Kniprode, in: Arnold, Udo (Hg.), Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, Marburg 1998, S. 84-88.
Hubatsch, Walther, Winrich von Kniprode, Hochmeister des Deutschen Ordens 1352-1382, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 119 (1983), S. 15-32.
Jähnig, Bernhart, Winrich von Kniprode - Hochmeister des Deutschen Ordens 1352-1382, in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 19 (1982), S. 249-276.
Maschke, Erich, Der deutsche Ordensstaat. Gestalten seiner großen Meister, 2. Auflage, Hamburg 1936, S. 75-87.
Oelsnitz, A[lexander] B[ernhard] E[rnst] von der, Herkunft und Wappen der Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1525, Königsberg 1926, S. 67-68.
Weise, Erich, Winrich von Kniprode, Hochmeister des Deutschen Ordens, in: Rheinische Lebensbilder 2 (1966), S. 25-42.
Online
Lohmeyer, Karl, "Winrich von Kniprode", in: Allgemeine Deutsche Biographie 16 (1882), S. 295-297. [Online]
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Arnold, Udo, Winrich von Kniprode, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/winrich-von-kniprode/DE-2086/lido/57c93641297b52.96689355 (abgerufen am 04.05.2024)