Albert Lauscher

katholischer Theologe (1872-1944)

Andreas Burtscheidt (München)

Albert Lauscher, Porträtfoto.

Ka­tho­li­scher Pries­ter, Re­li­gi­ons­leh­rer, Pro­fes­sor für Theo­lo­gie, seit 1928 Päpst­li­cher Hausprä­lat und Eh­ren­dom­herr in Köln seit 1931, schlie­ß­lich Reichs- und Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter und am En­de Par­tei- und Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der Zen­trums­par­tei in Preu­ßen – dies sind die wich­tigs­ten Sta­tio­nen des kirch­li­chen und po­li­ti­schen Auf­stiegs Al­bert Lau­schers, der aus heu­ti­ger Sicht im po­li­ti­schen All­tag un­denk­bar er­scheint, doch wa­ren die po­li­ti­schen Prä­la­ten bis 1933 in den bei­den ka­tho­li­schen Par­tei­en Zen­trum und Baye­ri­sche Volks­par­tei kei­ne Sel­ten­heit, ge­ra­de in den füh­ren­den Po­si­tio­nen.

Ei­ne mo­no­gra­phisch-bio­gra­phi­sche Wür­di­gung Lau­schers sucht man bis­lang ver­ge­bens. Über Le­ben und Le­bens­um­stän­de die­ses geist­li­chen Po­li­ti­kers, der am 18.2.1872 in Ro­et­gen in der Nä­he von Aa­chen als Sohn des Leh­rers Hu­bert Lau­scher und sei­ner Ehe­frau An­na Ca­tha­ri­na, ge­bo­re­ne Schrö­der, zur Welt kam, ist weit we­ni­ger be­kannt als über an­de­re po­li­tisch tä­ti­ge Zen­trums­geist­li­che wie et­wa die Prä­la­ten Hein­rich BraunsLud­wig Kaas o­der Ge­org Schrei­ber (1882-1963).

In Aa­chen be­such­te Lau­scher von 1887 bis 1893 er­folg­reich das re­nom­mier­te Kai­ser-Karls-Gym­na­si­um, be­vor er nach Bonn über­sie­del­te, um an der Ka­tho­lisch-Theo­lo­gi­schen Fa­kul­tät ein Theo­lo­gie­stu­di­um zu be­gin­nen. Drei Jah­re spä­ter wech­sel­te er 1896 in da­s Köl­ner Pries­ter­se­mi­nar, um sich auf die Pries­ter­wei­he vor­zu­be­rei­ten, die der 25-Jäh­ri­ge am 10.8.1897 in Köln ­emp­fing und Köl­ner Diö­ze­san­pries­ter wur­de.

Die ers­ten Etap­pen ver­lie­fen in den klas­si­schen Bah­nen ei­nes jun­gen Kle­ri­kers. Da­bei mar­kier­ten zwei Me­tro­po­len im Wes­ten des Rei­ches für 20 Jah­re im Wech­sel sei­ne Wir­kungs­stät­ten: Köln un­d Es­sen. Zu­nächst wirk­te er drei Jah­re als Ka­plan in St. Ger­trud in der R­uhr­me­tro­po­le, die da­mals zur Köl­ner Erz­diö­ze­se ge­hör­te, an­schlie­ßend von 1900 bis 1904 in Köln in der Pfar­re St. Ge­re­on. Zwi­schen­zeit­lich wur­de er 1902 in Müns­ter zum Dr. theol. pro­mo­viert. Sei­ne Ar­beit über den Köl­ner Erz­bi­schof Bru­no II. von Berg (Epis­ko­pat 1131-1137) er­schien an­schlie­ßend im Köl­ner J. P. Ba­chem-Ver­lag.

Seit 1904 un­ter­rich­te­te er als Re­li­gi­ons­leh­rer am städ­ti­schen Gym­na­si­um in Bor­beck (heu­te Stadt Es­sen), kehr­te aber schon vier Jah­re spä­ter wie­der nach Köln zu­rück. Dort blieb er von 1908 bis 1917 als Ober­leh­rer am Kö­nig­li­chen Fried­rich-Wil­helm-Gym­na­si­um, ehe er als or­dent­li­cher Pro­fes­sor für Theo­lo­gie (im Fach­be­reich Pas­to­ral­theo­lo­gie und Ho­mi­le­tik) an die Ka­tho­lisch-Theo­lo­gi­sche Fa­kul­tät der Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät nach Bonn be­ru­fen wur­de. Sei­ne prak­tisch-di­dak­ti­schen Er­fah­run­gen im Leh­rer­be­ruf spra­chen für ihn, doch hin­ter­ließ er nicht vie­le Spu­ren als aka­de­mi­scher Leh­rer an sei­ner al­ten Al­ma Ma­ter.

Her­vor­ge­ho­ben wer­den soll­ten sei­ne Dar­stel­lung der Ge­schich­te der ka­tho­lisch-theo­lo­gi­schen Bon­ner Fa­kul­tät von 1818-1918, die 1920 er­schien, so­wie sei­ne kur­ze Tä­tig­keit als Uni­ver­si­täts­pre­di­ger nach dem frü­hen Tod sei­nes Vor­gän­gers Pro­fes­sor Au­gust Brandt (1866-1917).

Lau­schers aka­de­mi­sche Kar­rie­re en­de­te rasch wie­der, als er sei­ne Lehr­tä­tig­keit aus gu­ten Grün­den mit der ak­ti­ven Po­li­tik ver­tausch­te. Die Re­pu­bli­ka­ni­sie­rung und De­mo­kra­ti­sie­rung des Deut­schen Rei­ches im No­vem­ber 1918 be­scher­ten der Deut­schen Zen­trums­par­tei neue Mög­lich­kei­ten der Ein­fluss­nah­me auf der po­li­ti­schen Büh­ne. Ge­ne­rell konn­te sie nach der Durch­set­zung des re­pu­bli­ka­nisch ori­en­tier­ten Flü­gels um Mat­thi­as Erz­ber­ger (1875-1921) end­lich das Stig­ma der als au­ßer­halb des Macht­zen­trums ste­hen­den reichs­feind­li­chen Min­der­hei­ten­par­tei in Dau­er­op­po­si­ti­on ab­wer­fen und durch die Rol­le der Min­der­heit er­set­zen, oh­ne die es aber kei­ne Mehr­heit mehr gab. Nicht nur auf der Reichs­ebe­ne des neu­en Wei­ma­rer Staa­tes wuchs der Par­tei die nach al­len Sei­ten in­te­grie­ren­de par­la­men­ta­ri­sche Mit­tel­po­si­ti­on zu, ge­ra­de im neu ent­stan­de­nen Frei­staat Preu­ßen, dem mit Ab­stand grö­ß­ten Glied­staat der Wei­ma­rer Re­pu­blik, war sie der sta­bi­li­sie­ren­de Fak­tor mit Schar­nier­funk­ti­on zwi­schen den füh­ren­den So­zi­al­de­mo­kra­ten und den (rechts-)bür­ger­lich-li­be­ra­len Par­tei­en.

Für das ka­tho­li­sche Mi­lieu gab es im neu­en de­mo­kra­ti­schen Ge­fü­ge so­mit Chan­cen, aber auch ge­nü­gend po­li­ti­sche Kon­flikt­stof­fe, die be­reits mit dem re­vo­lu­tio­nä­ren Um­sturz des po­li­ti­schen Sys­tems 1918/1919 ein­her­gin­gen. Wie schon wäh­rend des un­ter­ge­gan­ge­nen preu­ßisch-pro­tes­tan­tisch ge­präg­ten Kai­ser­rei­ches sah der ka­tho­li­sche Be­völ­ke­rungs­teil sei­ne In­ter­es­sen zu­erst in der Schul- und Kul­tur­po­li­tik tan­giert. Die­ser wich­ti­ge Be­reich wur­de bald das po­li­ti­sche Be­tä­ti­gungs­feld des Par­la­men­ta­ri­ers und Ab­ge­ord­ne­ten Al­bert Lau­scher, als er hier­für in­ner­halb der preu­ßi­schen Zen­trums­frak­ti­on die Ver­ant­wor­tung über­nahm.

Schon 1919 war Lau­scher zum Mit­glied der Ver­fas­sung­ge­ben­den Lan­des­ver­samm­lung Preu­ßen für den Wahl­kreis 23 (Köln-Aa­chen) ge­wählt wor­den. Die­sem Gre­mi­um ge­hör­te er bis 1921 an und an­schlie­ßend be­hielt er bis 1933 sein Ab­ge­ord­ne­ten­man­dat im Preu­ßi­schen Land­tag. In der Le­gis­la­tur­pe­ri­ode 1920-1924 ge­hör­te Lau­scher zeit­gleich dem Reichs­tag für die Zen­trums­par­tei an.

Be­son­ders zwei The­men­fel­der im schul- und kul­tur­po­li­ti­schen Be­reich for­der­ten die Zen­trums­par­tei und Al­bert Lau­scher in den Wei­ma­rer Jah­ren her­aus: Gleich nach dem Um­sturz vom 9.11.1918 for­der­te der neue preu­ßi­sche Mi­nis­ter für Wis­sen­schaft, Kunst und Volks­bil­dung, Adolph Hoff­mann (1858-1930) von der USPD, Mit­te No­vem­ber die Ab­schaf­fung des Re­li­gi­ons­un­ter­richts, um die Tren­nung von Staat und Kir­che zu for­cie­ren. Die­ses an­ti­kle­ri­ka­le Kul­tur­pro­gramm lös­te rasch die al­ten Kul­tur­kamp­fängs­te in­ner­halb der ka­tho­li­schen Be­völ­ke­rungs­krei­se wie­der aus und führ­te zu Mo­bi­li­sie­rungs­er­fol­gen bei den an­ste­hen­den Wah­len für die ka­tho­li­schen Par­tei­en. De­ren er­stark­te Stel­lung in Par­la­ment und Re­gie­run­gen im Reich und in Preu­ßen lie­ßen ei­ner­seits die ka­tho­li­sche Be­völ­ke­rung we­ni­ger mit dem neu­en Staats­ge­fü­ge frem­deln als vie­le an­de­re ge­sell­schaft­li­che Grup­pen und an­de­rer­seits führ­te der ver­nehm­ba­re Wi­der­stand ge­gen die Hoff­mann­sche Schul­ge­setz­ge­bung zur Rück­nah­me der Ge­set­ze En­de 1919.

Was auf der Reichs­ebe­ne bei all den wech­seln­den Reichs­re­gie­run­gen im­mer wie­der nicht ge­lang, konn­te im grö­ß­ten Land des Rei­ches am 14.6.1929 zu ei­nem gu­ten En­de ge­bracht wer­den: die Un­ter­zeich­nung des Kon­kor­dats zwi­schen Preu­ßen und dem Hei­li­gen Stuhl, das letz­te Res­te noch vor­han­de­ner Kul­tur­kampf­ge­setz­ge­bun­gen be­sei­tig­te und die al­te Ver­ein­ba­rung Preu­ßens mit dem Va­ti­kan von 1821 ab­lös­te. Bei der Aus­ar­bei­tung konn­te der di­plo­ma­ti­sche Ver­tre­ter des Hei­li­gen Stuhls in Ber­lin, Nun­ti­us Eu­ge­nio Pacel­li (1876-1958), der spä­te­re Papst Pi­us XII. (Pon­ti­fi­kat 1939-1958), auf die Un­ter­stüt­zung des kul­tur­po­li­ti­schen Ex­per­ten der preu­ßi­schen Zen­trums­frak­ti­on, Al­bert Lau­scher, zu­rück­grei­fen.

Vie­le Jah­re do­mi­nier­te der Ober­schle­si­er Fe­lix Porsch (1853-1930) die Ge­schi­cke der preu­ßi­schen Zen­trums­frak­ti­on, doch in den 1920er Jah­ren nahm sein Ein­fluss al­ters­be­dingt ab und sein Ver­trau­ter, der Ahr­wei­ler Ab­ge­ord­ne­te Jo­seph Heß (1878-1932), lenk­te als Vor­stands­mit­glied der Frak­ti­on im Grun­de die Ge­schi­cke der ka­tho­li­schen Par­la­men­ta­ri­er im preu­ßi­schen Land­tag. Nach Porschs Tod über­nahm er 1930 auch of­fi­zi­ell den Frak­ti­ons­vor­sitz. Lau­scher, der eher als der Ri­va­le von Heß galt, zog sich in die­ser Pha­se ganz auf sei­ne Po­si­ti­on als kul­tur­po­li­ti­scher Spre­cher zu­rück, rück­te dann aber in der ent­schei­den­den, kri­ti­schen End­pha­se der Wei­ma­rer Re­pu­blik an die Spit­ze der Frak­ti­on, nach­dem Heß im Fe­bru­ar 1932 früh ge­stor­ben war.

Die Mo­na­te des Som­mers 1932, die Lau­scher, der zu­dem noch den Par­tei­vor­sitz des preu­ßi­schen Zen­trums über­nahm, in die ers­te Rei­he der Zen­trums­po­li­ti­ker vor­rü­cken lie­ßen, war über­schat­tet vom „Preu­ßen­schlag“ des neu­en Reichs­kanz­lers Franz von Pa­pen (1879-1969), der un­mit­tel­bar nach sei­ner Er­nen­nung aus dem Zen­trum aus­ge­tre­ten war. Den deutsch-kon­ser­va­ti­ven Strö­mun­gen war die lang­jäh­ri­ge Ko­ali­ti­on von Zen­trum und SPD be­son­ders in Preu­ßen ein Dorn im Au­ge. Dies galt auch für den Teil rechts­kon­ser­va­tiv-aris­to­kra­tisch an­ge­hauch­ter Krei­se im ka­tho­li­schen Mi­lieu, de­nen Pa­pen zu­zu­rech­nen war.

Für die Deut­sche Zen­trums­par­tei be­stand die Prio­ri­tät in der deut­schen In­nen­po­li­tik nach den Reichs­tags­wah­len vom Ju­li 1932 dar­in, wie­der zu ver­fas­sungs­kon­for­men Ver­hält­nis­sen zu­rück­zu­keh­ren. Das be­traf die Über­win­dung der Po­li­tik der Not­ver­ord­nun­gen zu­guns­ten des vom Volk ge­wähl­ten Par­la­ments auf Reichs­ebe­ne wie die Über­win­dung der Aus­nah­me­si­tua­ti­on in Preu­ßen nach der Un­ter­stel­lung der Re­gie­rungs­ge­walt dort durch Pa­pen am 20.7.1932.

Die Par­tei der Mit­te, des Rechts und der Ord­nung, wie sich das Zen­trum selbst sah, hielt es für ei­ne Va­ter­lands­pflicht, in die­ser Si­tua­ti­on je­de Mög­lich­keit aus­zu­nut­zen, mit al­len Par­tei­en, die da­zu be­reit wa­ren, Ge­sprä­che über ei­ne so­ge­nann­te „Not­ge­mein­schaf­t“ mit dem Ziel zu füh­ren, ei­ne ar­beits­fä­hi­ge Mehr­heit im Reichs­tag, aber auch im preu­ßi­schen Land­tag zu schaf­fen, da­mit dort wie­der ein Mi­nis­ter­prä­si­dent aus ei­ge­ner Kraft ge­wählt wer­den konn­te.

Da die Zen­trums­füh­rung we­der die Prä­si­di­al­re­gie­rung von Pa­pens mit­tra­gen konn­te, noch ei­ne ein­sei­ti­ge Par­tei­dik­ta­tur der NS­DAP mit Adolf Hit­ler (1889-1945) als Kanz­ler ak­zep­tie­ren woll­te, führ­te sie im Som­mer 1932 ers­te Ge­sprä­che mit der NS­DAP, um sie in die Dis­zi­plin und Ver­ant­wor­tung für das Staats­gan­ze ein­zu­bin­den. Die­se Ver­su­che wa­ren als prak­ti­sche Aus­füh­rung der seit län­ge­rem ver­tre­te­nen „Samm­lungs“-Pa­ro­le des (Bun­des-)Par­tei­vor­sit­zen­den Kaas an­zu­se­hen, der im Ok­to­ber 1932 bei ei­ner Re­de in Müns­ter sei­nen na­tio­na­len „Samm­lungs­auf­ruf“ er­neu­er­te und for­der­te, dass sich drei bis fünf Par­tei­füh­rer zur Bil­dung ei­ner zu­min­dest be­fris­te­ten „deut­schen Not- und Mehr­heits­ge­mein­schaft„ zu­sam­men­fin­den soll­ten.

Auf der preu­ßi­schen Ebe­ne war un­ter an­de­rem Al­bert Lau­scher für die vor­ge­se­he­nen Ge­sprä­che mit der NS­DAP als Ver­hand­lungs­part­ner be­auf­tragt, doch en­de­ten die hilf­lo­sen Ver­su­che be­kann­ter­ma­ßen er­geb­nis­los. Der Ziel­lauf Adolf Hit­lers am 30.1.1933 war nicht mehr auf­zu­hal­ten. Das letz­te Ge­fecht der Zen­trums­par­tei wie al­ler an­de­ren de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en en­de­te nach den ers­ten Mo­na­ten des „Drit­ten Rei­ches“ im Som­mer 1933 mit der Auf­lö­sung der üb­ri­gen Par­tei­en au­ßer der NS­DAP.

In der Zeit­ge­schichts­for­schung herrscht ein lang­jäh­ri­ger Dis­put über die Fra­ge, ob die Zu­stim­mung des Zen­trums zum Er­mäch­ti­gungs­ge­setz im März 1933 in ir­gend­ei­ner Wei­se zu­sam­men­hing mit dem im Ju­li 1933 zü­gig ab­ge­schlos­se­nen Reichs­kon­kor­dat mit dem Va­ti­kan. Von die­sem Junk­tim kann man heu­te nach La­ge der Quel­len nicht mehr aus­ge­hen, doch wa­ren die Ver­hal­tens­mus­ter im ka­tho­li­schen Zen­trums­mi­lieu in der An­fangs­pha­se der Hit­ler-Dik­ta­tur un­ein­heit­li­cher als oft­mals an­ge­nom­men.

Das Di­lem­ma des deut­schen Ka­tho­li­zis­mus war nach der Macht­er­grei­fung Hit­lers zu­nächst sei­ne Zer­ris­sen­heit, das hei­ßt sei­ne Spal­tung in die­je­ni­gen, die das neue po­li­ti­sche Sys­tem strikt ab­lehn­ten und zum Kampf für den po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus be­reit wa­ren – hier­zu zähl­te et­wa der stark po­li­tisch aus­ge­präg­te Ka­tho­li­zis­mus im Rhein­land mit sei­nem Haupt­blatt, der “K­öl­ni­schen Volks­zei­tun­g“. Im Ge­gen­sat­z da­zu ent­wi­ckel­ten ei­ni­ge Zen­trums­krei­se ei­ne ko­ope­ra­ti­ve Li­nie zum neu­en NS-Staat, in dem Be­wusst­sein, bei die­ser Ge­le­gen­heit von An­fang an als na­tio­nal zu­ver­läs­si­ge Reichs­bür­ger zu gel­ten. Dies ließ man­che Zen­trums­po­li­ti­ker, die schon im­mer ei­nem ähn­lich an­ti­par­la­men­ta­ri­schen und rechts­kon­ser­va­ti­ven Kurs wie Franz von Pa­pen an­hin­gen, zu dem bis­lang im Zen­trums­mi­lieu weit­ge­hend ab­ge­lehn­ten Ex- und neu­en Vi­ze­kanz­ler der Re­gie­rung Hit­ler ei­ne Ver­bin­dung su­chen, weil sie in ihm den ein­zi­gen star­ken Ka­tho­li­ken an den Schalt­he­beln der Macht sa­hen. Hier­zu zähl­te et­wa das ab 1933 ganz un­ter Pa­pens Ägi­de ste­hen­de Ber­li­ner Zen­trums­blatt „Ger­ma­ni­a“ mit dem Chef­re­dak­teur Emil Rit­ter (1881-1968) eben­so wie die mit Franz Xa­ver Münch (1883-1940) in Köln be­hei­ma­te­te Lei­tung des Ka­tho­li­schen Aka­de­mi­ker­ver­bands. Im Früh­jahr 1933 zähl­te aber auch Al­bert Lau­scher zu die­ser Rich­tung.

In die­se ge­spal­te­ne Stim­mungs­la­ge hin­ein ge­riet et­wa der rö­mi­sche Zen­trums­kor­re­spon­den­t Ed­mund Raitz von Fr­entz, als er An­fang März 1933 in Köln mit­ ­den Ver­fech­tern die­ser letz­te­ren Rich­tung, un­ter an­de­rem mit Lau­scher und Münch, in per­sön­li­chen Kon­takt trat und Emp­feh­lun­gen mit nach Rom nahm, jetzt die Hand zur Ver­söh­nung Rich­tung Pa­pen zu rei­chen und Brü­cken zur neu­en Reichs­re­gie­rung zu bau­en, da die bis­he­ri­ge “Samm­lungs­stra­te­gie“ des Zen­trums ge­schei­tert war. Die­se Li­nie ver­trat er im di­plo­ma­ti­schen Mi­lieu in Rom.

Aus die­sem Um­feld her­aus öff­ne­ten sich in den ho­hen kirch­li­chen Krei­sen Roms vor Os­tern 1933 die Tü­ren für Pa­pen, der die Zer­ris­sen­heit des deut­schen Zen­trums­mi­lieus über­füh­ren woll­te in ei­ne ge­schlos­se­ne Zu­stim­mung der deut­schen Ka­tho­li­ken für das neue NS-Re­gime, und hier­für ei­gens den Bund “Kreuz und Ad­ler“ ge­grün­det hat­te. Hat­te im März die Zen­trums­frak­ti­on nach lan­ger Be­ra­tung be­reits dem Er­mäch­ti­gungs­ge­setz zu­ge­stimmt und hat­ten die Bi­schö­fe ih­re Be­den­ken ge­gen­über dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ent­ge­gen frü­he­rer Ver­laut­ba­run­gen auf­ge­ho­ben – dies al­les oh­ne er­kenn­ba­ren Druck aus Rom – so woll­te Pa­pen mit dem von ihm seit dem 30.1.1933 ve­he­ment ver­folg­ten Plan ei­nes Reichs­kon­kor­dats die deut­schen Ka­tho­li­ken mit dem “Drit­ten Reich“ aus­söh­nen und sich selbst – mitt­ler­wei­le in ei­nem Macht­kampf mit Her­mann Gö­ring (1893-1946) um die Vor­herr­schaft in Preu­ßen ste­hend – un­ent­behr­lich ma­chen.

We­der der Va­ti­kan noch ins­be­son­de­re Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pacel­li wünsch­ten be­zie­hungs­wei­se ver­lang­ten im Jahr 1933 so kurz nach der Macht­ge­win­nung Hit­lers das Reichs­kon­kor­dat in der Form und in der Schnel­lig­keit des be­kann­ten Ver­laufs. Hit­ler hat­te sehr wohl ein In­ter­es­se an die­sem Ab­schluss – we­gen ei­nes si­che­ren Pres­ti­ge­ge­winns für sei­ne Re­gie­rung und weil er durch Pa­pen apo­dik­tisch die For­de­rung der Auf­ga­be der po­li­ti­schen Man­dats­fä­hig­keit für die Geist­li­chen (Ar­ti­kel 32) lan­cie­ren ließ. 

Nach der Auf­lö­sung des Zen­trums An­fang Ju­li und der Un­ter­zeich­nung des Reichs­kon­kor­dats Mit­te Ju­li 1933 wur­de Al­bert Lau­scher ein pro­mi­nen­tes Op­fer die­ser Ent­wick­lung, die schlie­ß­lich noch mit sei­ner Zwangs­eme­ri­tie­rung durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten an der Bon­ner Uni­ver­si­tät 1934 ih­re Voll­endung fand. Zu­rück­ge­zo­gen starb Al­bert Lau­scher am 23.5.1944 in Bonn.

Werke (Auswahl)

Erz­bi­schof Bru­no II. von Köln. Ein Bei­trag zur Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln, Köln 1903.
Fried­rich Nietz­sche. Kri­ti­sche Stu­di­en, Es­sen 1908.
Die ka­tho­lisch-theo­lo­gi­sche ­Fa­kul­tät ­der Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helm-Uni­ver­si­tät zu Bonn (1818-1918), Düs­sel­dorf 1920.

Literatur

Burt­scheidt, An­dre­as, Ed­mund Frei­herr Raitz von Fr­entz. Rom-Kor­re­spon­dent der deutsch­spra­chi­gen ka­tho­li­schen Pres­se 1924–1964, Pa­der­born [u.a.] 2008.
Haun­fel­der, Bernd, Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­te der Deut­schen Zen­trums­par­tei 1871–1933. Bio­gra­phi­sches Hand­buch und his­to­ri­sche Pho­to­gra­phi­en, Düs­sel­dorf 1999, S. 334-335.
Hö­mig, Her­bert, Das preu­ßi­sche Zen­trum in der Wei­ma­rer Re­pu­blik, Mainz 1979.
Hö­mig, Her­bert, Brü­ning. Po­li­ti­ker oh­ne Auf­trag. Zwi­schen Wei­ma­rer und Bon­ner Re­pu­blik, Pa­der­born [u.a.] 2005.
May, Ge­org, Lud­wig Kaas. Der Pries­ter, der Po­li­ti­ker und der Ge­lehr­te aus der Schu­le von Ul­rich Stutz, 3 Bän­de, Ams­ter­dam 1981-1982.
Mor­sey, Ru­dolf, Die Deut­sche Zen­trums­par­tei, in: Mat­thi­as, Erich/Mor­sey, Ru­dolf (Hg.), Das En­de der Par­tei­en 1933, Düs­sel­dorf 1960, S. 281-453.
Mor­sey, Ru­dolf, Der Un­ter­gang des po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus. Die Zen­trums­par­tei zwi­schen christ­li­chem Selbst­ver­ständ­nis und ›Na­tio­na­ler Er­he­bung‹ 1932/1933, Stutt­gart/Zü­rich 1977.
Schu­ma­cher, Mar­tin (Hg.), M.d.R., die Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­ten der Wei­ma­rer Re­pu­bli­k in der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Po­li­ti­sche Ver­fol­gung, Emi­gra­ti­on und Aus­bür­ge­rung 1933-1945.
Ei­ne bio­gra­phi­sche Do­ku­men­ta­ti­on, 3. Auf­la­ge, Düs­sel­dorf 1994, S. 278.

Online

In­for­ma­tio­nen über­ Al­bert Lau­scher auf der Sei­te der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Burtscheidt, Andreas, Albert Lauscher, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/albert-lauscher/DE-2086/lido/57c93e34712ce2.51747437 (abgerufen am 19.03.2024)