Max von Laue

Physiker (1879-1960)

Friedrich Beck (Darmstadt)

Max von Laue, Porträtfoto, 1929. (Bundesarchiv, Bild 183-U0205-502)

Max von Laue war ei­ner der be­deu­tends­ten Phy­si­ker des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts. Sei­ne Ent­de­ckung der Rönt­gen­strahl­in­ter­fe­ren­zen re­vo­lu­tio­nier­te wei­te Be­rei­che der For­schung von der Me­di­zin bis zur Ma­te­ri­al­wis­sen­schaft.

Max (Theo­dor Fe­lix) Laue wur­de am 9.10.1879 in Pfaf­fen­dorf bei Eh­ren­breit­stein (heu­te Stadt Ko­blenz) als Sohn ei­nes kai­ser­li­chen Mi­li­tär­be­am­ten ge­bo­ren. Sei­ne pro­tes­tan­ti­sche Er­zie­hung präg­te ihn cha­rak­ter­lich stark und dau­er­haft. Lan­ge blieb er dem rhei­ni­schen Ge­burts­ort al­ler­dings nicht ver­bun­den, da sein Va­ter häu­fig ver­setzt wur­de. 1913 wur­de die­ser für sei­ne Ver­diens­te in den erb­li­chen Adels­stand er­ho­ben.

Ent­schei­den­den Ein­fluss auf Lau­es um­fas­sen­de All­ge­mein­bil­dung hat­te sei­ne Schul­zeit am hu­ma­nis­ti­schen Pro­tes­tan­ti­schen Gym­na­si­um in Straß­burg. Nicht nur der Leh­rer für Ma­the­ma­tik und Phy­sik, son­dern auch die Päd­ago­gen für Re­li­gi­on, Deutsch und die al­ten Spra­chen hat­ten ma­ß­geb­li­chen Ein­fluss auf sei­ne Ent­wick­lung. Hier lie­gen die Wur­zeln für Lau­es her­vor­ra­gen­de Kennt­nis der an­ti­ken und deut­schen Geis­tes­ge­schich­te und für sei­ne spä­te­ren be­deu­ten­den Bei­trä­ge zur Ge­schich­te der Phy­sik und zur Le­bens­ge­schich­te gro­ßer Phy­si­ker. Aber schon in der Schul­zeit über­wog Lau­es In­ter­es­se an al­len Na­tur­vor­gän­gen. Da­her schrieb er sich nach dem Ab­itur an der Uni­ver­si­tät Straß­burg für die Na­tur­wis­sen­schaf­ten ein. Nach zwei Se­mes­tern wech­sel­te er an die Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen, wo er sei­ne wis­sen­schaft­li­che Be­ru­fung im Be­reich der theo­re­ti­schen Phy­sik fand.

Im Som­mer 1902 wech­sel­te Laue nach Ber­lin über und be­such­te dort so­gleich die Vor­le­sun­gen von Max Planck (1858-1947). Noch am En­de die­ses ers­ten Ber­li­ner Se­mes­ters bat er Planck um das The­ma für ei­ne Dis­ser­ta­ti­on. Ein Jahr spä­ter, im Som­mer 1903, wur­de Laue mit ei­ner Ar­beit über In­ter­fe­ren­zer­schei­nun­gen an plan­par­al­le­len Plat­ten pro­mo­viert. Nach zwei wei­te­ren Se­mes­tern in Göt­tin­gen, um dort das Staats­ex­amen nach­zu­ho­len, bot Planck ihm in Ber­lin ei­ne As­sis­ten­ten­stel­le an. Die an­schlie­ßen­de Zeit führ­te zu den ers­ten wis­sen­schaft­li­chen Durch­brü­chen. Gänz­li­ches Neu­land wa­ren zwei Ar­bei­ten über die Ther­mo­dy­na­mik ko­hä­ren­ter Strah­len­bün­del-Ar­bei­ten, die erst in der heu­ti­gen Quan­ten­op­tik in ih­rer Be­deu­tung er­kannt wur­den. Das zwei­te gro­ße Er­eig­nis in die­ser Zeit war Lau­es Aus­ein­an­der­set­zung mit Al­bert Ein­steins (1879-1955) spe­zi­el­ler Re­la­ti­vi­täts­theo­rie. Wie an­de­re auch, war Laue den neu­ar­ti­gen Vor­stel­lun­gen von Raum und Zeit zu­nächst mit Skep­sis be­geg­net. Die Wen­de kam nach ei­nem Be­such Lau­es bei Ein­stein in der Schweiz 1906. Von da an war Laue ein glü­hen­der Ver­tre­ter der Re­la­ti­vi­täts­theo­rie, was sich in sei­nem be­rühm­ten Buch „Das Re­la­ti­vi­täts­prin­zip" ma­ni­fes­tier­te, das bis 1965 in sie­ben Auf­la­gen er­schien.

Laue hat­te sich 1906 in Ber­lin ha­bi­li­tiert, 1909 aber sei­ne Lehr­be­fug­nis auf die Uni­ver­si­tät Mün­chen um­schrei­ben las­sen, wo Ar­nold Som­mer­feld (1868-1951) sei­ne be­rühm­te Schu­le der Theo­re­ti­schen Phy­sik auf­bau­te. In Mün­chen kam Laue bald mit ei­ner ganz an­de­ren Phy­sik in Be­rüh­rung. Som­mer­feld in­ter­es­sier­te sich für die Theo­rie der Rönt­gen­strah­len. Die­se Strah­len, die durch Ma­te­rie hin­durch­ge­hen, 1895 von Kon­rad Rönt­gen ent­deckt, ga­ben den Phy­si­kern gro­ße Rät­sel auf. Wa­ren es Wel­len wie Licht, oder Kor­pus­keln (Mas­se­teil­chen) wie die Ka­tho­den­strah­len? Som­mer­feld hat­te als Dis­ser­ta­ti­ons­the­ma das Ver­hal­ten von Licht­wel­len in ei­ner raum­pe­ri­odi­schen An­ord­nung von Ato­men ver­ge­ben. Der da­mit be­trau­te Dok­to­rand kam mit der Auf­ga­be nicht zu­recht und such­te Rat bei Laue. Die­ses Ge­spräch war der Aus­lö­ser für Lau­es bahn­bre­chen­de Ent­de­ckung. Es brach­te ihn auf die Idee, dass kür­ze­re Wel­len, eben Rönt­gen­strah­len, wenn es sol­che wa­ren, in Kris­tal­len die glei­chen Beu­gungsphä­no­me­ne wie Licht­wel­len an in Glas ge­ritz­ten Beu­gungs­git­tern her­vor­ru­fen müss­ten. Kurz dar­auf ge­wann er zwei jun­ge Mit­ar­bei­ter des Phy­si­ka­li­schen In­sti­tuts für die ex­pe­ri­men­tel­le Um­set­zung sei­ner Idee: Nach an­fäng­li­chen Miss­er­fol­gen zeig­te ei­ne Durch­strah­lungs­auf­nah­me von Kup­fer­sul­fat ei­nen Kranz ab­ge­beug­ter Strah­len (sie­he Ab­bil­dung). Dies war die Ge­burts­stun­de der Ent­de­ckung der Rönt­gen­strahl­in­ter­fe­ren­zen.

 Die Nach­richt von der fun­da­men­ta­len Ent­de­ckung ver­brei­te­te sich rasch in der wis­sen­schaft­li­chen Welt. Sie be­saß ein ge­wal­ti­ges An­wen­dungs­po­ten­zi­al in Me­di­zin, Na­tur­wis­sen­schaft und Tech­nik. Wäh­rend die für die Er­for­schung der Fest­kör­per so ent­schei­den­de Kris­tall­struk­tur­ana­ly­se von an­de­ren in­ter­na­tio­na­len For­schern be­grün­det wur­de, be­tei­lig­te sich Laue an die­sen wei­te­ren Schrit­ten kaum. Er war völ­lig zu­frie­den, als er sah, dass sei­ne phy­si­ka­li­schen Vor­stel­lun­gen sich als rich­tig er­wie­sen hat­ten.

Die An­er­ken­nung für Lau­es Ent­de­ckung kam rasch. Be­reits im Som­mer 1912 folg­te er ei­nem Ruf auf ein Ex­tra­or­di­na­ri­at der Uni­ver­si­tät Zü­rich, zwei Jah­re spä­ter er­reich­te ihn die Be­ru­fung nach Frank­furt am Main auf den ers­ten Lehr­stuhl für Theo­re­ti­sche Phy­sik der neu ge­grün­de­ten Stif­tungs­uni­ver­si­tät. Im glei­chen Jahr, 1914, wur­de Laue der No­bel­preis für Phy­sik zu­er­kannt, ei­ne für da­ma­li­ge Ver­hält­nis­se er­staun­lich promp­te Wür­di­gung, die die Be­deu­tung und un­mit­tel­ba­re Evi­denz der Ent­de­ckung noch­mals un­ter­streicht. Als ihm 1917 zu­sam­men mit Al­bert Ein­stein die Lei­tung des in Ber­lin neu ge­grün­de­ten Kai­ser-Wil­helm-In­sti­tuts für Phy­sik über­tra­gen wur­de, galt sein gan­zes Stre­ben ei­ner dau­er­haf­ten Über­sied­lung dort­hin. In ei­nem in der deut­schen Uni­ver­si­täts­ge­schich­te wohl ein­ma­li­gen Lehr­stuhl­tausch mit sei­nem Kol­le­gen Max Born (1882-1970) über­nahm er des­sen Ber­li­ner Pro­fes­sur, wäh­rend Born nach Frank­furt wech­sel­te.

In Ber­lin be­zog die Fa­mi­lie – er hat­te 1910 ge­hei­ra­tet, aus der Ehe gin­gen ein Sohn (spä­ter in den USA Ge­schichts­pro­fes­sor) und ei­ne Toch­ter her­vor – ein schö­nes Haus in Zeh­len­dorf, in dem es viel Ge­sel­lig­keit gab.

Ei­ne fun­da­men­ta­le Leis­tung Lau­es an der da­ma­li­gen Ber­li­ner Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät war die Ein­rich­tung des phy­si­ka­li­schen Mitt­wochs­kol­lo­qui­ums, das bald „Laue-Kol­lo­qui­um" hieß und ein ho­hes Re­nom­mee ent­wi­ckel­te. Im Kai­ser-Wil­helm-In­sti­tut teil­ten sich Ein­stein und Laue die Ar­beit. Sie wa­ren en­ge Freun­de ge­wor­den. Um­so schmerz­li­cher war es für Laue, als zu Be­ginn der 1920er Jah­re die an­ti­se­mi­ti­schen An­grif­fe auf Ein­stein, selbst aus dem Kol­le­gen­kreis, zu­nah­men. 1934 schrieb die­ser ihm aus der ame­ri­ka­ni­schen Emi­gra­ti­on „Lie­ber Ka­me­rad! Wie hab ich mich … auch über Dich ge­freut. Ich hab näm­lich im­mer ge­wusst, dass Du nicht nur ein Kopf, son­dern auch ein Kerl bist."

Die so ein­ma­li­ge Si­tua­ti­on der Phy­sik im Ber­lin der 20er Jah­re ver­schlech­ter­te sich schlag­ar­tig mit Hit­lers Macht­über­nah­me 1933. Laue war ein strik­ter Geg­ner des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Er setz­te sich wei­ter­hin ve­he­ment für Ein­steins Re­la­ti­vi­täts­theo­rie ein, ver­öf­fent­lich­te mu­ti­ge Nach­ru­fe auf ver­stor­be­ne jü­di­sche Kol­le­gen und half be­droh­ten Kol­le­gen. Da­durch ver­lor er in der von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­herrsch­ten Uni­ver­si­täts­land­schaft an Ein­fluss. Den­noch emi­grier­te er nicht, son­dern hielt bis zum Kriegs­en­de in Deutsch­land aus. Da zum Kai­ser-Wil­helm-In­sti­tut für Phy­sik der so ge­nann­te „Ur­an­ver­ein" um Wer­ner Hei­sen­berg (1901-1976) ge­hör­te, wur­de auch Laue nach Kriegs­en­de zu­nächst von den Al­li­ier­ten in­ter­niert und ver­brach­te mit sei­nen Kol­le­gen die ers­te Nach­kriegs­zeit auf dem eng­li­schen Land­sitz „Farm­hall".

Nach der Rück­kehr aus eng­li­scher In­ter­nie­rung nach Göt­tin­gen, wo sich als Nach­fol­ger der Kai­ser-Wil­helm-Ge­sell­schaft die Max-Planck-Ge­sell­schaft eta­blier­te und Laue wie­der stell­ver­tre­ten­der Di­rek­tor des In­sti­tuts für Phy­sik wur­de, be­gann Lau­es zwei­te gro­ße Zeit in der Phy­sik. De­ren Wie­der­auf­bau ge­stal­te­te er ma­ß­geb­lich mit, be­güns­tigt durch sein ho­hes An­se­hen vor al­lem im Aus­land. Im Ju­li 1946 wur­de er als ein­zi­ger Deut­scher zur Kris­tal­lo­gra­phen­ta­gung nach Lon­don ein­ge­la­den, wo der Vor­sit­zen­de ei­ne Tisch­re­de auf Laue hielt, in der er be­son­ders des­sen Hal­tung wäh­rend des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus wür­dig­te. 1948 ver­lieh die Uni­ver­si­tät von Chi­ca­go Laue die Eh­ren­dok­tor­wür­de „as phy­si­cist and cham­pi­on of free­dom".

Noch in ho­hem Al­ter ent­wi­ckel­te Laue ei­ne er­staun­li­che wis­sen­schaft­li­che Ak­ti­vi­tät. Im 72. Le­bens­jahr über­nahm er die Lei­tung des In­sti­tuts für phy­si­ka­li­sche Che­mie und Elek­tro­che­mie in Ber­lin-Dah­lem, das un­ter sei­nem Ein­fluss von der Max-Planck-Ge­sell­schaft über­nom­men wur­de. Er blieb auch in der For­schung ak­tiv, wo­bei er sei­ne In­ter­es­sen mit ei­ni­gen Dok­to­ran­den auf den Ge­bie­ten der Re­la­ti­vi­täts­theo­rie, der Theo­rie der Su­pra­lei­tung und der Rönt­gen­struk­tur­ana­ly­se mit Elan ver­folg­te.

Laue war, ne­ben sport­li­chen Ak­ti­vi­tä­ten in Ski­lauf, Berg­wan­dern und Se­geln ein be­geis­ter­ter Au­to­fah­rer, der auch noch in der Ber­li­ner Zeit die­ser Lei­den­schaft in­ten­siv nach­ging. Bei ei­ner Fahrt über die „Avus" zu dem von ihm mit­be­grün­de­ten Hahn-Meit­ner-In­sti­tut kam es zu ei­ner Kol­li­si­on, an de­ren Fol­gen er am 24.4.1960 ver­starb. Sei­ne letz­te Ru­he­stät­te fand er auf ei­ge­nen Wunsch auf dem Göt­tin­ger Fried­hof in der Nä­he der Phy­si­ker­kol­le­gen Max Planck und Walt­her Nernst (1864-1941).

Literatur

Beck, Fried­rich, Max von Laue 1879-1960, in: Be­th­ge, Klaus / Klein, Horst (Hg.), Phy­si­ker und As­tro­no­men in Frank­furt, Neu­wied 1989, S. 24-37.
Ewald, Pe­ter Paul, Ar­ti­kel Max von Laue 1879-1960, in: Bio­gra­phi­cal Me­moirs of Fel­lows of The Roy­al So­cie­ty 6 (1960), S. 135-156.
Laue, Max von, Mein phy­si­ka­li­scher Wer­de­gang. Ei­ne Selbst­dar­stel­lung, in: Hans Hart­mann, Schöp­fer des neu­en Welt­bil­des, Bonn 1952, S. 178-207.
Zeitz, Ka­tha­ri­na, Max von Laue (1879-1960), Sei­ne Be­deu­tung für den Wie­der­auf­bau der deut­schen Wis­sen­schaft nach dem Zwei­ten Welt­krieg, Stutt­gart 2006.

Online

Beck, Fried­rich, Max von Laue (1879-1960) (On­line-Aus­ga­be der auf­ge­führ­ten Li­te­ra­tur auf der Web­site des Fach­be­reichs Phy­sik der Jo­hann Wolf­gang Goe­the-Uni­ver­si­tät Frank­furt am Main). [On­line]
Her­mann, Ar­min, "Laue, Max v.", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 13 (1982), S. 702-705. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Beck, Friedrich, Max von Laue, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/max-von-laue/DE-2086/lido/57c93e14bf33d1.08914729 (abgerufen am 19.03.2024)