Theodor Joseph Lacomblet

niederrheinischer Provinzialarchivar und Landeshistoriker (1789-1866)

Wilhelm Janssen (Düsseldorf)

Theodor Joseph Lacomblet, Porträt. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland - RWA Nr. 0642)

Theo­dor J. La­com­blet ist für die Ge­schich­te des Rhein­lan­des in zwei­fa­cher Hin­sicht be­deut­sam. Zum ei­nen geht auf sein Wir­ken als Pro­vin­zi­al­ar­chi­var in Düs­sel­dorf ganz we­sent­lich die Ge­stal­tung des nie­der­rhei­ni­schen Ar­chiv­we­sens, ins­be­son­de­re die Bil­dung des für die nörd­li­che R­hein­pro­vinz zu­stän­di­gen Düs­sel­dor­fer Pro­vin­zi­al(= Staats)ar­chivs, zu­rück. Zum an­de­ren ist er der Be­grün­der ei­ner wis­sen­schaft­lich be­trie­be­nen nie­der­rhei­ni­schen Lan­des­ge­schich­te, zu der er mit ei­nem vier­bän­di­gen Ur­kun­den­buch das Fun­da­ment ge­legt hat, das un­ge­ach­tet sei­ner in­zwi­schen sicht­bar ge­wor­de­nen, vor al­lem durch die Fort­schrit­te in Ur­kun­den­kri­tik und Edi­ti­ons­tech­nik be­ding­ten Män­gel noch heu­te weit­ge­hend trag­fä­hig ist. Bei­de Tä­tig­keits­fel­der sind – oder wa­ren je­den­falls – eng mit­ein­an­der ver­knüpft.

Theo­dor Jo­seph La­com­blet wur­de am 15.12.1789 als jüngs­ter Sohn des Gast­wirts fran­zö­si­scher Her­kunft Franz Jo­hann La­com­blet (1735-1791) und sei­ner Ehe­frau An­na Ma­ria Kicks (1744-1814) in Düs­sel­dorf ge­bo­ren; die Fa­mi­lie war ka­tho­lisch. Zu sei­ner Ge­burts­stadt hielt La­com­blet zeit­le­bens ei­ne en­ge räum­li­che und emo­tio­na­le Bin­dung. Als 1861 der Plan er­wo­gen wur­de, die bei­den seit 1832 of­fi­zi­ell be­ste­hen­den rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­ar­chi­ve (= Staats­ar­chi­ve) in Düs­sel­dorf und Ko­blenz zu­sam­men­zu­le­gen, schlug der Ge­ne­ral­di­rek­tor der preu­ßi­schen Staats­ar­chi­ve, de Lan­ci­zol­le (1796-1871), als Sitz des ver­ei­nig­ten rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­ar­chivs Düs­sel­dorf vor, und zwar mit der vor­ran­gi­gen Be­grün­dung, dass als Lei­ter die­ses Ar­chivs nur die „so aus­ge­zeich­net be­währ­te Kraft des zwar be­jahr­ten, aber noch sehr rüs­ti­gen und geis­tig un­ge­schwäch­ten Düs­sel­dor­fer Pro­vin­zi­al-Ar­chi­vars [La­com­blet]“ in Fra­ge kom­me. Die­ser aber sei „durch sei­ne per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se so­wie sei­ne gan­ze sehr eh­ren­vol­le so­cia­le Stel­lung so fest an sei­ne Va­ter­stadt ge­bun­den“, dass für ihn ei­ne Um­sied­lung nicht in Fra­ge kom­me.

In der Tat hat La­com­blet sein gan­zes Be­rufs­le­ben in Düs­sel­dorf ver­bracht, an­ge­fan­gen beim Be­such des dor­ti­gen Gym­na­si­ums über die zum staat­li­chen Jus­tiz- und Ver­wal­tungs­dienst qua­li­fi­zie­ren­de Aus­bil­dung an der Düs­sel­dor­fer Rechts­aka­de­mie (ju­ris­ti­schen Fa­kul­tät), ei­ne ers­te Stel­le als Se­kre­tär an der gro­ßher­zog­li­chen Hof­bi­blio­thek bis zur Be­stal­lung als Vor­stand des Düs­sel­dor­fer Haupt­ar­chivs, in wel­chem Amt er 1821 dem Hof­rat Hein­rich Jo­seph Ker­ris (ge­stor­ben 1828) nach­folg­te. Da­mit fand La­com­blet die sei­nen Fä­hig­kei­ten und Nei­gun­gen ge­mä­ße Le­bens­stel­lung. Zwi­schen­stu­fen auf der Kar­rie­re­lei­ter wa­ren nach der preu­ßi­schen In­be­sitz­nah­me der Rhein­lan­de die Po­si­tio­nen ei­nes Hof­bi­blio­the­kars (1818) und ei­nes Ar­chi­vas­sis­ten­ten (1819). Die da­mit ge­stif­te­te Ver­bin­dung von Bi­blio­thek und Ar­chiv blieb das gan­ze 19. Jahr­hun­dert be­ste­hen.

Den Kern des Düs­sel­dor­fer Ar­chivs bil­de­te das al­te Ter­ri­to­ri­al­ar­chiv der Her­zog­tü­mer Jü­lich un­d Berg; dar­an an­ge­la­gert hat­ten sich ein­zel­ne ­Ar­chi­ve der an­fangs des 19. Jahr­hun­derts auf­ge­ho­be­nen geist­li­chen Kor­po­ra­tio­nen in­ner­halb die­ses Län­der­ver­bunds. Im Zu­ge der Neu­ord­nung des preu­ßi­schen Ar­chiv­we­sens wur­den dann in Düs­sel­dorf auch die Ar­chi­ve, Ar­chiv­tei­le und be­hörd­li­chen Alt­re­gis­tra­tu­ren in­ner­halb der neu er­rich­te­ten Re­gie­rungs­be­zir­ke Aa­chen, KölnDüs­sel­dorf und Kle­ve (schon 1822 auf­ge­löst und mit Düs­sel­dorf ver­ei­nigt) nach­ und nach­ zu­sam­men­ge­zo­gen, die noch in ver­schie­de­nen De­pots in Es­senAa­chenKöln und Arns­berg la­ger­ten. Zu­sam­men­fü­gun­g un­d ­Ord­nung die­ser Ar­chi­va­li­en­mas­sen wa­ren die vor­dring­li­che Auf­ga­be und das Ver­dienst La­com­blets, der die­sem Ge­schäft die ers­ten Jahr­zehn­te sei­ner be­ruf­li­chen Tä­tig­keit wid­me­te. Der ihm sehr ge­wo­ge­ne Düs­sel­dor­fer Re­gie­rungs­prä­si­dent Phil­ipp von Pe­s­tel (1767-1835), der spä­ter zum Ober­prä­si­den­ten der Rhein­pro­vinz avan­cier­te, hat ihm 1828 be­schei­nigt, er ha­be sich der Or­ga­ni­sa­ti­on und Er­schlie­ßung der Ar­chi­ve „mit ganz un­ge­mei­ner An­stren­gung und mit en­thu­si­as­ti­scher Lie­be hin­ge­ge­ben.“ Schon im Jahr zu­vor (1827) hat­te von Pe­s­tel die­ser Fest­stel­lung mit ei­ner äu­ßerst po­si­ti­ven Be­ur­tei­lung La­com­blets vor­ge­ar­bei­tet, als er ihn als ei­nen „in je­der Be­zie­hung aus­ge­zeich­ne­ten, durch sei­ne Aus­bil­dung und Kennt­nis­se wie durch sei­nen sitt­li­chen Wert und Wan­del, durch nicht zu er­mü­den­den Fleiß und das, was er dem Ar­chiv nicht al­lein, son­dern auch der lau­fen­den Ver­wal­tung be­son­ders ge­leis­tet hat, höchst acht­ba­ren Be­am­ten“ cha­rak­te­ri­sier­te. An­lass für die­se Be­ur­tei­lung war ei­ne von La­com­blet vor­ge­tra­ge­ne Bit­te um Ge­halts­er­hö­hung. Im Rück­blick be­schrieb 1853 der sol­cher­ma­ßen Ge­lob­te selbst sei­ne be­ruf­li­che Tä­tig­keit in den ers­ten Dez­en­ni­en fol­gen­der­ma­ßen: „Ich hat­te bei mei­nem Dienst­an­trit­te die Auf­ga­be, sämt­li­che zahl­rei­che Lan­des- und Klos­ter­ar­chi­ve, wel­che sich vor­fan­den oder noch ein­ge­zo­gen wür­den, so­weit über­sicht­lich zu ord­nen, daß den un­un­ter­bro­che­nen Re­kur­sen der Ver­wal­tungs­be­hör­den Ge­nü­ge ge­leis­tet wer­den konn­te. […] Mei­ne Amts­tä­tig­keit hat­te da­her in den ers­ten bei­den De­cen­ni­en nur in be­schränk­ter Wei­se auch  ei­ne streng wis­sen­schaft­li­che sein kön­nen.“

Das be­deu­tet, dass La­com­blet zu­nächst die or­ga­ni­sa­to­ri­sche und ver­wal­tungs­prak­ti­sche Sei­te der Ar­chiv­ar­beit in den Vor­der­grund rü­cken muss­te. Auf die­sem Ge­biet hat er Vor­züg­li­ches ge­leis­tet. Bei der Ord­nung und Ver­zeich­nung der Ar­chiv­be­stän­de hielt er sich an das von Ber­lin aus vor­ge­ge­be­ne, von ihm selbst kon­se­quent wei­ter­ent­wi­ckel­te Ar­beits­sche­ma: ers­tens die ge­son­der­te Ver­zeich­nung je­des Ar­chiv­fonds (Pro­ve­ni­en­z­prin­zip), fer­ner die Tren­nung von Ur­kun­den, Amts­bü­chern (Li­te­ra­li­en) und Ak­ten in­ner­halb der Fonds und schlie­ß­lich die Ord­nung der Ur­kun­den nach der Zeit­fol­ge. Da­mit schuf er die Vor­aus­set­zung für ein schon früh ins Au­ge ge­fass­tes Pro­jekt: die Er­stel­lung ei­nes Ur­kun­den­buchs für die nie­der­rhei­ni­schen Ter­ri­to­ri­en, de­ren Über­lie­fe­rung, be­rei­chert um die Be­stän­de der al­ten Klos­ter- und Stifts­ar­chi­ve, den In­halt des von ihm ge­bil­de­ten Düs­sel­dor­fer Ar­chivs aus­mach­ten, das seit 1831 als preu­ßi­sches Pro­vin­zi­al­ar­chiv fir­mier­te, und zwar für den nörd­li­chen Teil der Rhein­pro­vinz, die als ein­zi­ge der preu­ßi­schen Pro­vin­zen zwei Pro­vin­zi­al­ar­chi­ve auf­wies.

Durch pflicht­ge­mä­ße Be­rei­sung des ihm zu­ge­ord­ne­ten Spren­gels ver­schaff­te sich La­com­blet ei­ne Über­sicht über die dar­in be­find­li­chen Kom­mu­nal- und Kir­chen­ar­chi­ve, auf die der Staat kei­nen An­spruch hat­te oder – wenn doch – nicht durch­set­zen konn­te. Er war be­strebt, die ord­nungs­ge­mä­ße Er­hal­tung und Re­per­t­ori­sie­rung auch die­ser jen­seits des Pro­vin­zi­al­ar­chivs ver­wahr­ten Be­stän­de da­durch zu för­dern, dass er ei­nes­teils über die un­te­ren Staats­be­hör­den Druck aus­üben ließ, an­dern­teils prak­ti­sche Ar­beits­an­lei­tun­gen zur Ver­fü­gung stell­te, wie et­wa 1837 die „An­wei­sung zum vor­läu­fi­gen Ord­nen und Ver­zeich­nen der Ge­mein­de­ar­chi­ve“. Bern­hard Voll­mer hat die­ser Sei­te sei­ner dienst­li­chen Tä­tig­keit, die spä­ter in das Auf­ga­ben­ge­biet der bei der Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung ein­ge­rich­te­ten Ar­chiv­be­ra­tungs­stel­len über­ging, 1934 ei­ne ein­ge­hen­de Stu­die ge­wid­met.

So ge­wiss es ist, dass die Ord­nungs- und Ver­zeich­nungs­tä­tig­keit in und au­ßer­halb des Düs­sel­dor­fer Ar­chivs ih­ren dau­ern­den Wert in sich hat­te, scheint La­com­blet sie doch weit­ge­hend als Vor­ar­beit für das gro­ße Pro­jekt sei­nes wis­sen­schaft­li­chen Stre­bens an­ge­se­hen zu ha­ben: das Ur­kun­den­buch für die Ge­schich­te des Nie­der­rheins, das in vier Bän­den 1840, 1846, 1853 und 1858 er­schie­nen ist. Mit die­sem Werk bleibt sein Na­me ver­knüpft, so­lan­ge rhei­ni­sche Lan­des­ge­schich­te be­trie­ben wird. Vor­aus­ge­gan­gen wa­ren die­sem Opus ma­gnum Stu­di­en und Edi­tio­nen zu Ein­zel­as­pek­ten der nie­der­rhei­ni­schen Ge­schich­te in vor­mo­der­ner Zeit, die La­com­blet in ei­ner vor­nehm­lich von ihm selbst be­stück­ten Zeit­schrift ver­öf­fent­licht hat, de­ren Ti­tel „Ar­chiv für die Ge­schich­te des Nie­der­rhein­s“ auf den en­gen Zu­sam­men­hang mit dem Ur­kun­den­buch hin­weist. Von die­ser Zeit­schrift war das ers­te Heft des 1. Ban­des, das La­com­blet sei­nem Gön­ner, dem Düs­sel­dor­fer Re­gie­rungs­prä­si­den­ten von Pe­s­tel ge­wid­met hat, 1831 er­schie­nen. Das von La­com­blet ins Le­ben ge­ru­fe­ne Pu­bli­ka­ti­ons­or­gan war ei­ne Frucht des um die Wen­de vom 18. zum 19. Jahr­hun­dert deutsch­land­weit er­wach­ten ro­man­tisch ge­tön­ten na­tio­na­len Ge­schichts­be­wusst­seins, ei­ner aus ver­schie­de­nen Mo­ti­ven ge­speis­ten – wie La­com­blet im Vor­wort zum 1. Heft schrieb – „ver­jüng­ten Lie­be zum deut­schen  Va­ter­lan­de“, der „die Denk­ma­le sei­ner Vor­zeit theu­rer, ehr­wür­di­ger ge­wor­den.“ Die oh­ne­hin schma­le, mit der Zeit noch wei­ter schmel­zen­de Zahl der Abon­nen­ten, die die Wei­ter­füh­rung der Zeit­schrift stets mit ei­nem fi­nan­zi­el­len Ri­si­ko be­las­te­te, lässt al­ler­dings kei­nen Zwei­fel dar­an, dass das In­ter­es­se der Öf­fent­lich­keit an den Zeug­nis­sen der „hei­math­li­chen Vor­zeit“ sich in Gren­zen hielt. Öf­fent­lich­keit be­deu­te­te oh­ne­hin nur die dün­ne Schicht des mehr oder we­ni­ger gut si­tu­ier­ten Wirt­schafts- und be­am­te­ten Bil­dungs­bür­ger­tums. Dem 1831/1832 er­schie­nen 1. Band folg­te erst 1857 der zwei­te, na­he­zu zeit­gleich mit dem vier­ten und letz­ten Band des Ur­kun­den­buchs, je­nes Wer­kes, das La­com­blet beim Er­schei­nen des 3. Ban­des 1853 als das „wich­tigs­te Er­geb­nis mei­ner amt­li­chen Stel­lun­g“ be­zeich­ne­te, „dem ich gern ei­nen Teil der der häus­li­chen Mu­ße vor­be­hal­te­nen Stun­den ge­wid­met ha­be.“

Als La­com­blet den Plan fass­te, ein re­gio­na­les Ur­kun­den­buch auf der Ba­sis des ihm an­ver­trau­ten Ar­chiv­spren­gels zu er­stel­len, reih­te er sich in Be­stre­bun­gen ein, die zu die­ser Zeit auch an­ders­wo vi­ru­lent wa­ren. Da­hin­ter stand die wis­sen­schaft­li­che Über­zeu­gung, dass Ur­kun­den „die viel­sei­tigs­te Quel­le und si­chers­te Stüt­ze auf dem Ge­biet ge­schicht­li­cher For­schun­g“ sind, dass mit­hin „ein Ur­kun­den­buch als die reins­te Quel­le für die Ge­schich­te … als leuch­ten­der Stern in dem dun­keln Ge­biet ih­rer Er­for­schung [her­vor­tritt], werth­voll nicht bloß der Pro­vinz, der es ei­gen­t­hüm­lich ge­wid­met ist, son­dern dem ge­sam­ten Mut­ter­lan­de, des­sen Glied sie ist.“ In der Kon­tro­ver­se um die Grund­stein­le­gung des go­ti­schen Köl­ner Doms, die nach Er­schei­nen des 2. Ban­des des Ur­kun­den­buchs zwi­schen La­com­blet und Sul­piz Bo­is­se­rée aus­ge­foch­ten wur­de, hat die­ser sei­nem Kon­tra­hen­ten ei­ne über­trie­be­ne Fi­xie­rung auf die ur­kund­li­chen Zeug­nis­se, ei­ne Art Ur­kun­den­po­si­ti­vis­mus, vor­ge­wor­fen – zu Un­recht, denn La­com­blet hat Ur­kun­den nir­gend­wo als die ein­zi­gen, wohl aber als die zu­ver­läs­sigs­ten his­to­ri­schen Quel­len be­zeich­net. Sie soll­ten die si­che­re Ba­sis für ei­ne lan­des­ge­schicht­li­che Dar­stel­lung ab­ge­ben. Als 1831 der preu­ßi­sche Kul­tus­mi­nis­ter Karl vom Stein zum Al­ten­stein (1770-1840) emp­fahl, um Fi­nan­zie­rungs­schwie­rig­kei­ten aus dem We­ge zu ge­hen das Ar­chiv für die Ge­schich­te des Nie­der­rheins mit Le­de­burs „Ar­chiv für die Ge­schichts­kun­de des Preu­ßi­schen Staa­tes“ zu­sam­men­zu­le­gen, lehn­te La­com­blet die­sen Vor­schlag in ei­nem Gut­ach­ten mit der Be­grün­dung ab, dass „die Be­hand­lung der pro­vin­zi­el­len Lan­des­ge­schich­te nur auf ih­rem hei­math­li­chen Bo­den ge­dei­he“ und füg­te er­läu­ternd hin­zu: Das Ar­chiv für die Ge­schich­te des Nie­der­rheins „soll in ei­ni­ger Be­zie­hung zu ei­nem ei­gent­li­chen Ur­kun­den­bu­che [ste­hen] und zu ei­ner um­fas­sen­den Lan­des­ge­schich­te die­ser Pro­vinz ein vor­be­rei­ten­des und er­gän­zen­des Werk lie­fern.“ Die­se Lan­des­ge­schich­te hat La­com­blet dann un­ter dem Ti­tel „Düs­sel­dorf. Mit ste­tem Blick auf die Lan­des­ge­schich­te dar­ge­stell­t“ [bis 1575] vor­ge­legt, ein Werk, das in vier Tei­len in den Bän­den 3 bis 5 des ‚Ar­chivs’ pu­bli­ziert wor­den ist und von dem La­com­blets Amts­nach­fol­ger Wol­de­mar Har­leß (1828-1902) schrieb, es sei als „ers­ter Ver­such quel­len­mä­ßi­ger Dar­stel­lung des Ge­gen­stands be­mer­kens­werth, wenn­gleich nicht im­mer leicht les­bar“, wäh­rend La­com­blets Freund Fer­di­nand Deycks (1802-1867) es al­s“ licht­vol­len Über­blick der [nie­der­rhei­ni­schen] Ge­samt­ge­schich­te“ cha­rak­te­ri­sier­te, den La­com­blet „an den ihm so wer­t­hen Mit­tel­punkt sei­ner Va­ter­stadt an­knüpft.“

Die­se ‚Va­ter­stadt’ hat ihm aber mehr als bloß wis­sen­schaft­li­che Auf­merk­sam­keit, näm­lich ein auf die Ta­ges­ak­tua­li­tä­ten be­zo­ge­nes kom­mu­nal­po­li­ti­sches En­ga­ge­ment zu ver­dan­ken. Das er­staunt bei ei­nem Ar­chi­var und Ur­kun­de­ne­di­tor, der der Nach­welt nur als ein sol­cher noch be­kannt ist. Aber La­com­blet ent­sprach kei­nes­wegs dem Ur- be­zie­hungs­wei­se Zerr­bild ei­nes völ­lig in die von ihm be­wahr­ten und ver­wal­te­ten Do­ku­men­te ver­sun­ke­nen, ge­gen­warts­ent­rück­ten Ar­chi­vars. Deycks hat nach­drück­lich auf sei­ne schön­geis­ti­gen In­ter­es­sen hin­ge­wie­sen, die im freund­schaft­li­chen Um­gang mit Künst­lern zum Aus­druck ka­men, was es ihm er­laub­te, „auch un­ter Bü­cher­staub und Mo­der treu­lich ein war­mes, dem Schö­nen zu­ge­kehr­tes Ge­müt­h“ zu be­wah­ren, was nicht zu­letzt sei­ne Mit­glied­schaft im städ­ti­schen Ver­ein zur He­bung des Thea­ters be­weist, in des­sen Ver­wal­tungs­rat er 1834 ein­trat. Das hing ge­wiss auch da­mit zu­sam­men, dass er seit 1830 dem Ge­mein­de- be­zie­hungs­wei­se Stadt­rat an­ge­hör­te, zu­nächst als er­nann­tes, dann seit dem Er­lass der Rhei­ni­schen Ge­mein­de­ord­nung 1845 als ge­wähl­tes Mit­glied. Als 1853 zum wie­der­hol­ten Mal die Wahl auf ihn fiel, wur­de ihm de­ren An­nah­me un­ter Hin­weis auf sei­ne Dienst­auf­ga­ben durch den Ober­prä­si­den­ten ver­bo­ten, und zwar mit der Be­grün­dung, dass La­com­blet als in­ti­mer Ken­ner der städ­ti­schen Ver­wal­tungs­an­ge­le­gen­hei­ten mit Son­der­auf­ga­ben zu sehr be­las­tet wür­de. In der Tat ge­hör­te er seit 1836 der städ­ti­schen Bau- und seit 1837 auch der Schul­kom­mis­si­on an. 1837 wur­de er Mit­glied des Ver­wal­tungs­rats der Düs­sel­dorf-El­ber­fel­der Ei­sen­bahn, in de­ren Di­rek­to­ri­al­rat er in den Jah­ren 1841-1844 saß, wo­bei er – laut F. Deycks – „de­ren An­fangs we­ni­ger ge­ord­ne­ten Ver­hält­nis­se … durch sei­ne Recht­schaf­fen­heit und sein ge­sun­des Urt­heil in prak­ti­schen Din­gen mit bes­tem Er­folg auf­half.“ Die­se Tä­tig­keit wur­de ihm im Üb­ri­gen mit ins­ge­samt 800 Ta­lern ho­no­riert.

In die­se Zeit nach der Fer­tig­stel­lung des 1. Ban­des sei­nes Ur­kun­den­buchs fällt auch sein 1842 ver­öf­fent­lich­ter Auf­ruf zur Grün­dung ei­nes ber­gi­schen Fi­li­al­ver­eins des 1841 ins Le­ben ge­tre­te­nen Köl­ner Zen­t­ral­dom­bau­ver­eins, der in sei­ner Ar­gu­men­ta­ti­on ganz auf die his­to­ri­schen Ver­bin­dun­gen des Ber­gi­schen Lan­des zur Köl­ner „Mut­ter­kir­che“ ab­hebt und als ei­ne kon­zi­se Skiz­ze der köl­nisch-ber­gi­schen Be­zie­hun­gen im frü­hen und ho­hen Mit­tel­al­ter gel­ten kann.

Seit 1851 war La­com­blet für ei­ni­ge Jah­re Ver­tre­ter Düs­sel­dorfs im Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­land­tag, wo er un­ter an­de­rem mit Er­folg für ei­ne bes­se­re fi­nan­zi­el­le Aus­stat­tung der Ar­chi­ve und ei­ne bes­se­re Be­sol­dung der Ar­chi­va­re wirk­te, al­ler­dings nicht in vor­ders­ter Front, son­dern als An­re­ger und Sach­ken­ner aus dem Hin­ter­grund. Im­mer­hin konn­te sich La­com­blet, der an­fäng­lich hart um ein aus­rei­chen­des Ein­kom­men kämp­fen muss­te, am En­de sei­nes Le­bens in ei­ner wirt­schaft­lich ge­si­cher­ten La­ge füh­len. Das mag sei­ne kon­ser­va­ti­ve Le­bens­ein­stel­lung ge­fes­tigt ha­ben, die ih­ren Grund wohl ei­ner­seits in ei­nem wis­sen­schaft­lich er­ar­bei­te­ten Re­spekt vor den aus der Ver­gan­gen­heit über­kom­me­nen Tra­di­tio­nen, an­de­rer­seits in ei­nem durch die kirch­li­che Er­neue­rungs­be­we­gung ge­form­ten re­li­giö­sen Be­wusst­sein ge­habt ha­ben, das nicht oh­ne Ein­fluss auf La­com­blet ge­blie­ben ist. 1853, als die Fra­ge an­stand, ob man La­com­blet die An­nah­me sei­ner Wie­der­wahl zum Stadt­ver­ord­ne­ten ge­stat­ten kön­ne, hat La­com­blet sei­ne po­li­ti­schen Über­zeu­gun­gen be­kannt: „Ich tra­ge das Be­wusst­sein in mir, in je­nen wild­be­weg­ten Ta­gen des Jah­res 1849 im Ge­mein­de­ra­te den Be­stre­bun­gen der Um­wäl­zung be­harr­lich wi­der­stan­den als in den Pro­vin­ci­al-Ver­samm­lun­gen das con­ser­va­ti­ve Prin­cip ver­tre­ten zu ha­ben.“ So war es nur fol­ge­rich­tig, dass er schon im Mai 1848 den Wahl­auf­ruf der Ko­ali­ti­on aus Frei­kon­ser­va­ti­ven und Ka­tho­li­ken un­ter­schrieb, den der „ul­tra­mon­ta­ne“ Pfar­rer von Bilk A. J. Bin­te­rim in­iti­iert hat­te. Denn das in die­sem Auf­ruf ent­wi­ckel­te po­li­ti­sche und kir­chen­po­li­ti­sche Pro­gramm dürf­te den ge­mä­ßigt kon­ser­va­ti­ven Über­zeu­gun­gen La­com­blets durch­aus ent­spro­chen ha­ben, der im Üb­ri­gen nicht blind ge­gen­über den Miss­stän­den der Ver­gan­gen­heit war und die Not­wen­dig­keit von Ver­än­de­run­gen kei­nes­wegs ver­kann­te. Kon­se­quen­ter­wei­se be­zog er ei­ne Front­stel­lung ge­gen die ra­di­kal-de­mo­kra­ti­schen Be­stre­bun­gen in sei­ner Va­ter­stadt wäh­rend der Re­vo­lu­ti­on von 1848/1849, die ihn al­ler­dings nicht in der vor­ders­ten Kampf­li­nie sah.

La­com­blets be­ruf­li­ches, ge­sell­schaft­li­ches und kom­mu­nal­po­li­ti­sches En­ga­ge­ment blieb nicht oh­ne An­er­ken­nung. 1829 wur­de ihm statt der be­an­trag­ten und vom Re­gie­rungs­prä­si­den­ten be­für­wor­te­ten Ge­halts­er­hö­hung der Ti­tel ei­nes Ar­chiv­rats ver­lie­hen. 1840 be­kam er vom Kö­nig die gol­de­ne Me­dail­le für Kunst und Wis­sen­schaft. 1843 wur­de er von der Uni­ver­si­tät Bonn z­um Dr. iur. h. c. pro­mo­viert, die Uni­ver­si­tät (Aka­de­mie) in Müns­ter folg­te 1863 mit der Zu­er­ken­nung der phi­lo­so­phi­schen Eh­ren­dok­tor­wür­de. Zu­vor schon, 1861, war ihm der Ti­tel ei­nes Ge­hei­men Ar­chiv­rats zu­er­kannt wor­den. Nach sei­nem Aus­schei­den aus dem Stadt­rat so­wie dem Er­schei­nen des 3. Ban­des des Ur­kun­den­buchs ver­lieh ihm Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gent­schaft 1840-1861) den Ro­ten Ad­ler­or­den IV. Klas­se. 1854 ge­währ­te der Rhei­ni­sche Pro­vin­zi­al­land­tag ihm und sei­nem Ko­blen­zer Kol­le­gen ei­ne Ge­halts­zu­la­ge von je 200 Ta­lern, über­dies ei­nen Zu­schuss zur Her­aus­ga­be des Ur­kun­den­buchs, des­sen Kos­ten La­com­blet bis da­hin auf ei­ge­nes fi­nan­zi­el­les Ri­si­ko ge­tra­gen hat­te. 1856 be­zog La­com­blet ne­ben dem Ge­halt noch an­sehn­li­che Ne­ben­ein­künf­te aus ver­schie­de­nen Eh­ren­äm­tern, wo­mit er sich im Ver­gleich zu sei­ner be­dräng­ten wirt­schaft­li­chen La­ge am Be­ginn sei­ner Be­rufs­tä­tig­keit jetzt gut si­tu­iert füh­len konn­te, und das um so mehr, als sei­ne 1822 ge­schlos­se­ne Ehe mit Frie­de­ri­ke Mag­da­le­ne Dörr (1790-1872) kin­der­los blieb und ihm Zeit für Ak­ti­vi­tä­ten zum Nut­zen der Wis­sen­schaft und der Stadt ließ.

Am 18.3.1866 ist La­com­blet, nach­dem er noch das Er­schei­nen des 5. Ban­des des ‚Ar­chivs‘ er­lebt hat­te, nach kur­zer Krank­heit ge­stor­ben. Un­ter gro­ßer Be­tei­li­gung der Be­völ­ke­rung wur­de er auf dem da­mals noch vor der Stadt lie­gen­den Golz­hei­mer Fried­hof be­gra­ben. In ei­nem Kon­do­lenz­schrei­ben, dass der Ober­prä­si­dent an La­com­blets Amts­nach­fol­ger Har­leß rich­te­te, wur­de der Ver­stor­be­ne als das nicht nur „äl­tes­te, son­dern auch ver­mö­ge sei­ner viel­jäh­ri­gen […] aus­ge­zeich­ne­ten Leis­tun­gen bei der Or­ga­ni­sa­ti­on und der Ver­wal­tung des […] ihm an­ver­trau­ten Ar­chivs so­wohl als bei der Nutz­bar­ma­chung des­sel­ben […] für wis­sen­schaft­li­che, in­son­der­heit der Lan­des­ge­schich­te ge­wid­me­te Pu­bli­ka­tio­nen her­vor­ra­gends­te Mit­glie­d“ [der preu­ßi­schen Ar­chiv­ver­wal­tung] ge­rühmt.

Quellen

Lan­des­ar­chiv Nord­rhein-West­fa­len, Ab­tei­lung Rhein­land:
Al­te Dienst­re­gis­tra­tur (BR 2093), Nr. 19: Zu­sam­men­füh­rung und Er­schlie­ßung der Be­stän­de (un­ter an­de­rem Tä­tig­keit Th. J. La­com­blets).
Nach­lass La­com­blet.
Re­gie­rung Düs­sel­dorf, Prä­si­di­al­bü­ro, Nr. 643, 1621.

Werke (Auswahl)

Ar­chiv für die Ge­schich­te des Nie­der­rheins 1- 5, Düs­sel­dorf 1832-1866. [fort­ge­setzt als Neue Fol­ge von Wol­de­mar Har­leß], Neu­druck 1968.

Literatur

Croon, Gus­tav, Der Rhei­ni­sche ­Pro­vin­zi­al­land­ta­g ­bis zum Jah­re 1874, Düs­sel­dorf 1918, Nach­druck 1974.
Deycks, Fer­di­nand, Theo­dor Jo­seph La­com­blet. Ein Nach­ruf, in: Ar­chiv für die Ge­schich­te des Nie­der­rheins 6 (1867), S. 1-8.
Har­leß, W[ol­de­mar], Ent­wick­lungs­gang des Kö­nig­li­chen Pro­vin­zi­al-Ar­chivs zu Düs­sel­dorf. Ein Er­in­ne­rungs­blatt an des­sen Be­grün­der Dr. Theo­dor Jos. La­com­blet, in: Zeit­schrift des Ber­gi­schen Ge­schichts­ver­eins 3 (1866), S. 301-326.
Ko­ser, Rein­hold, Die Neu­ord­nung des preu­ßi­schen Ar­chiv­we­sens durch den Staats­kanz­ler Fürs­ten von Har­den­berg, Leip­zig 1904.
Most, Ot­to Ge­schich­te der Stadt Düs­sel­dorf II: Von 1815 bis zur Ein­füh­rung der Rhei­ni­schen Städ­te­ord­nung (1856), Düs­sel­dorf 1921.
Nie­mann, Diet­mar, Düs­sel­dorf wäh­rend der Re­vo­lu­ti­on 1848/49, Müns­ter 1983.
Oedi­ger, Fried­rich Wil­helm, Das Staats­ar­chiv Düs­sel­dorf und sei­ne Be­stän­de I: Lan­des- und Ge­richts­ar­chi­ve von Jü­lich-Berg, Kle­ve-Mark, Mo­ers und Gel­dern, Sieg­burg 1957, S. 3-29.
Pabst, Klaus, Ge­schichts­zeit­schrif­ten und Ge­schichts­ver­ei­ne im Rhein­land seit 1815, in: Düwell, Kurt/Köll­mann, Wolf­gang (Hg.), Rhein­land-West­fa­len im In­dus­trie­zeit­al­ter I, Wup­per­tal 1983, S. 317-332.
Scri­ve­ri­us, Die­ter, Ge­schich­te des Nord­rhein-West­fä­li­schen Haupt­staats­ar­chivs, Düs­sel­dorf 1983, bes. S. 24-28.
Voll­mer, Bern­hard, Die Für­sor­ge für die nicht­staat­li­chen Ar­chi­ve durch das Staats­ar­chiv Düs­sel­dorf, in: Ar­chi­va­li­sche Zeit­schrift 42/43 (1934), S. 183-211.

Online

Ur­kun­den­buch für die Ge­schich­te des Nie­der­rhein­s o­der des Erz­stifts Köln, der Fürs­ten­tü­mer Jü­lich und Berg, Gel­dern, Mo­ers, Kle­ve und Mark und der Reichs­stif­te El­ten, Es­sen und Wre­den, 4 Bän­de, Düs­sel­dorf 1840-1858, 2. Neu­druck Aa­len 1966. [On­line]
Har­leß, „La­com­blet, Theo­dor Jo­se­ph“, in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 17 (1883), S. 484-486 [On­line] .
Hö­mig, Her­bert, „La­com­blet, Theo­dor Jo­se­ph“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 13 (1982), S. 380 f. [On­line].

 
Zitationshinweis

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Janssen, Wilhelm, Theodor Joseph Lacomblet, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/theodor-joseph-lacomblet/DE-2086/lido/57c93c720d3cf5.74459288 (abgerufen am 19.03.2024)