Joseph Clemens von Bayern

Erzbischof und Kurfürst von Köln (1688-1723)

Martin Bock (Frechen)

Joseph Clemens von Bayern, Gemälde im Kapitelsaal des Kölner Domes, Foto: Reinhard Matz, Axel Schenk. (Dombauarchiv Köln)

Nach dem Tod des Erz­bi­schofs und Kur­fürs­ten Ma­xi­mi­li­an Hein­rich war die ge­ra­de eta­blier­te bay­ri­sche Vor­macht­stel­lung im Erz­stift Köln in erns­ter Ge­fahr. Ma­xi­mi­li­an Hein­rich hat­te sich zeit­le­bens ge­wei­gert, sei­nen Großn­ef­fen zwei­ten Gra­des, Jo­seph Cle­mens, als Ko­ad­ju­tor und da­mit Prä­ten­den­ten für den Erz­stuhl an­zu­neh­men. Nur durch ei­ne Min­der­heit ge­wählt, ge­lang es Jo­seph Cle­mens nie, sich grö­ße­ren Rück­halt in sei­nem Ter­ri­to­ri­um zu ver­schaf­fen, und erst 1715, knapp drei Jahr­zehn­te nach sei­ner Wahl, konn­te er dau­er­haft am Rhein sei­ne Re­si­denz neh­men. Zu­sam­men mit sei­nem Bru­der, dem baye­ri­schen Kur­fürs­ten Ma­xi­mi­li­an Ema­nu­el (Re­gie­rungs­zeit 1679-1706, 1714-1726), ver­ant­wor­te­te er ei­ne für das Haus Wit­tels­bach und sei­ne Ter­ri­to­ri­en letzt­lich de­sas­trö­se Au­ßen­po­li­tik, in de­ren Fahr­was­ser der Ver­lust auch der kur­k­öl­ni­schen Lan­des­herr­schaft mehr als ein­mal droh­te.

Jo­seph Cle­mens wur­de am 5.12.1671 als Sohn des Kur­fürs­ten Fer­di­nand Ma­ria (Re­gie­rungs­zeit 1651-1679) und des­sen aus dem Sa­voy­er Herr­schafts­haus stam­men­den Gat­tin Hen­ri­et­te Ade­lai­de (1636-1676) in Mün­chen ge­bo­ren. Wie al­le sei­ne Brü­der er­hielt er als wei­te­ren Vor­na­men den des hei­li­gen Ka­je­t­an von Thie­ne (1480-1547), dem zu Eh­ren sein Va­ter im Jahr 1663 die pracht­vol­le Mün­che­ner Thea­ti­ner­kir­che hat­te er­rich­ten las­sen und den er spä­ter zum Pa­tron von Alt­bay­ern er­hob. Ei­ne Af­fi­ni­tät zum ita­lie­ni­schen Ba­rock, der zu die­ser Zeit den Mün­che­ner Hof be­stimm­te, blieb auch dem jun­gen Jo­seph Cle­mens zeit­le­bens er­hal­ten, der sich spä­ter vor al­lem in der För­de­rung von Kunst und Ar­chi­tek­tur en­ga­gier­te. Er war al­ler­dings schon früh als Nach­fol­ger des recht son­der­ba­ren Ma­xi­mi­li­an Hein­rich aus­er­se­hen, so dass man den jun­gen Prin­zen auf ei­ne geist­li­che Lauf­bahn vor­be­rei­te­te – ge­gen des­sen er­klär­ten Wil­len. Er wä­re lie­ber Sol­dat ge­wor­den und stimm­te sei­ner spä­te­ren Wahl zum Erz­bi­schof und Kur­fürs­ten von Köln an­geb­lich nur zu, weil er dort über Trup­pen ver­fü­gen und kom­man­die­ren konn­te.

Be­reits 1683 er­warb Jo­seph Cle­mens die ers­ten Pfrün­den in Frei­sing und Re­gens­burg. Dort konn­te er je­weils im Jahr 1685 das Bi­schofs­amt über­neh­men, tausch­te die bei­den Epis­ko­pa­te aber spä­ter ge­gen die ein­träg­li­che­ren Stel­len in Lüt­tich (1694) und Hil­des­heim (1702). Die hö­he­ren Wei­hen emp­fing er zu­nächst nicht und stell­te sich da­mit in die Tra­di­ti­on der Köl­ner Erz­bi­schö­fe des 16. und frü­hen 17. Jahr­hun­derts. Im­mer­hin war nicht si­cher, ob sein Bru­der ei­nen Thron­fol­ger be­kom­men wür­de, und Jo­seph Cle­mens hät­te in dem Fall die baye­ri­sche Kur­wür­de über­neh­men kön­nen. Si­cher wä­re er die­sem Amt je­doch nicht ge­wach­sen ge­we­sen, denn es war Ma­xi­mi­li­an Ema­nu­el, der sei­nes Bru­ders Kar­rie­re nach ei­ge­nem Gut­dün­ken steu­er­te und lenk­te. Dem ein­dring­li­chen Ap­pell des im­mer­hin mehr­fa­chen Bi­schofs aus dem Jahr 1693, man mö­ge ihn von der Last sei­ner geist­li­chen Äm­ter be­frei­en, da er sei­ner „vo­ca­ti­on zu­wi­der ge­han­del­t“ ha­be, ent­geg­ne­te der Bay­ern­her­zog la­pi­dar, Jo­seph Cle­mens sol­le doch ein­fach an­stän­dig le­ben und „kin­di­sche Ge­dan­ken ein­mal fal­len“ las­sen.

 

Am Wi­der­stand sei­nes Gro­ßon­kels Ma­xi­mi­li­an Hein­rich hat­te sich Ma­xi­mi­li­an Ema­nu­el je­doch ver­geb­lich ab­ge­müht. Die Nach­fol­ge im Erz­stift Köln hat­ten die Wit­tels­ba­cher bis da­hin stets über ei­ne früh­zei­tig in­stal­lier­te Ko­ad­ju­to­rie für ih­re Dy­nas­tie ge­si­chert. Ma­xi­mi­li­an Hein­rich je­doch wi­der­stand nicht nur dem Druck sei­nes Großn­ef­fen, son­dern er­nann­te dar­über hin­aus ein knap­pes hal­bes Jahr vor sei­nem Tod sei­nen Günst­ling, den Gra­fen Wil­helm Egon von Fürs­ten­berg, zum Mit­re­gen­ten und brach­te ihn da­mit in ei­ne gu­te Aus­gangs­po­si­ti­on für die Wahl zum Erz­bi­schof. Tat­säch­lich vo­tier­te das Dom­ka­pi­tel am 19.7.1688 mit 13 Stim­men mehr­heit­lich für Fürs­ten­berg, wäh­rend Jo­seph Cle­mens nur neun Stim­men er­hielt. Da bei­de je­doch nicht Mit­glied des Dom­ka­pi­tels ge­we­sen wa­ren, be­nö­tig­te je­der Kan­di­dat ei­ne Zwei­drit­tel­mehr­heit. Un­ter Miss­ach­tung der ei­gent­lich für die­sen Fall gel­ten­den Re­gu­la­ri­en ent­schied schlie­ß­lich Papst In­no­zenz XI. (Pon­ti­fi­kat 1676-1689). In al­ter Ver­bun­den­heit mit den Wit­tels­ba­chern er­nann­te er Jo­seph Cle­mens zum Erz­bi­schof, und das Kur­fürs­ten­kol­le­gi­um folg­te ihm dar­in. Als un­mit­tel­ba­re Re­ak­ti­on dar­auf ent­fes­sel­te Lud­wig XIV. von Frank­reich (Re­gie­rungs­zeit 1643-1715), mit dem Fürs­ten­berg seit je­her al­li­iert war, ei­ne mi­li­tä­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung im Erz­stift Köln, die in den Pfäl­zi­schen Erb­fol­ge­krieg (1688-1697) mün­de­te und in de­ren Ver­lauf un­ter an­de­rem die Fes­tung Bonn und das Schloss Brühl zer­stört wur­den.

Die­ser bei­den wich­ti­gen Re­si­den­zen be­raubt, hielt sich Jo­seph Cle­mens zu­nächst über­wie­gend in Bay­ern auf, was ihm die Kri­tik der kur­k­öl­ni­schen Land­stän­de ein­trug. Nach dem Frie­den von Ri­js­wi­jk 1697 ver­such­te Lud­wig XIV. die nicht im Kriegs­ver­lauf für Frank­reich er­ober­ten Ge­bie­te durch Sub­si­di­en­zah­lun­gen an sich zu bin­den; auch Kur­k­öln und Jo­seph Cle­mens er­hiel­ten Gel­der, die den Wie­der­auf­bau der zer­stör­ten Re­si­den­zen er­mög­lich­ten. Die­ses Bünd­nis wur­de dem Erz­stift je­doch zum Ver­häng­nis, als Lud­wig im Jahr 1701 auch noch nach der spa­ni­schen Kro­ne griff: ver­trag­lich an Frank­reich ge­bun­den, wur­de Kur­k­öln im Spa­ni­schen Erb­fol­ge­krieg zum Geg­ner der Habs­bur­ger Bünd­nis­part­ner, hat­te je­doch den kai­ser­li­chen Trup­pen we­nig ent­ge­gen zu set­zen. Bonn wur­de 1702 wie­der­um be­setzt, Jo­seph Cle­mens flüch­te­te ins fran­zö­si­sche Exil nach Na­mur; spä­ter leb­te er in Lil­le und Va­len­ci­en­nes. Dort ent­schloss er sich un­ter Ein­fluss der Schrif­ten des am Ver­sailler Hof recht po­pu­lä­ren Bi­schofs von Cam­brai, François Fé­ne­lon (1651-1715), die Pries­ter- und Bi­schofs­wei­he zu emp­fan­gen. Ob­wohl die­se Ent­schei­dung wohl tat­säch­lich auf ei­ne gro­ße per­sön­li­che Fröm­mig­keit und ei­ne ernst­haf­te Be­sin­nung auf sein geist­li­ches Amt zu­rück­ging, un­ter­hielt er ei­ne en­ge Be­zie­hung zu Kon­stan­ze de Grous­se­lier (ge­stor­ben wohl 1724), aus der auch meh­re­re Kin­der her­vor­gin­gen.

Im Jahr 1706 ver­häng­te Kai­ser Jo­seph I. (1678-1711) die Reichs­acht über Jo­seph Cle­mens und sei­nen Bru­der Ma­xi­mi­li­an Ema­nu­el, der eben­falls auf der Sei­te Lud­wig XIV. stand, den der jun­ge Kai­ser un­be­dingt zu über­tref­fen such­te. Mit den Frie­dens­schlüs­sen von Ut­recht, Ras­tatt und Ba­den in den Jah­ren 1713/1714 wur­de Jo­seph Cle­mens je­doch schlie­ß­lich als Erz­bi­schof und Kur­fürst von Köln re­sti­tu­iert und kehr­te 1715 nach Bonn zu­rück. Dort ver­an­lass­te er um­ge­hend den Wie­der­auf­bau des Pop­pels­dor­fer Schlos­ses, mit dem er den fran­zö­si­schen Bau­meis­ter Ro­bert de Cot­te (1656-1735) be­auf­trag­te, der in der Fol­ge auch die Lei­tung des be­reits im Jahr 1700 auf­ge­nom­me­nen Neu­baus des kur­fürst­li­chen Schlos­ses vom bay­ri­schen Hof­bau­meis­ter Jo­hann Hein­rich Zuc­cal­li (1642-1724) über­nahm. Da­mit hielt der Ro­ko­ko-Stil Ein­zug am Rhein, wo er in dem eben­falls von de Cot­te ge­plan­ten und un­ter Jo­seph Cle­mens’ Nach­fol­ger Cle­mens Au­gust fer­tig ge­stell­ten Schloss Au­gus­tus­burg in Brühl sei­nen ver­schwen­de­ri­schen Hö­he­punkt fand. We­gen der im­men­sen Kos­ten ge­riet Jo­seph Cle­mens im­mer wie­der in Kon­fron­ta­ti­on mit dem Dom­ka­pi­tel und den welt­li­chen Land­stän­den. Ei­ne kon­se­quen­te Lan­des­re­gie­rung war auf­grund die­ses ge­spann­ten Ver­hält­nis­ses kaum mög­lich.

Jo­seph Cle­mens en­ga­gier­te sich dann auch ne­ben der Ar­chi­tek­tur vor al­lem in den Küns­ten. Ei­ni­ge Dra­men in fran­zö­si­scher Spra­che und mu­si­ka­li­sche Kom­po­si­tio­nen soll er selbst ver­fasst ha­ben. Am Fort­kom­men der ver­schie­de­nen Bau­vor­ha­ben nahm er in­ten­siv An­teil, er­leb­te aber de­ren Fer­tig­stel­lung nicht mehr. Er starb am 12.11.1723 in Bonn und wur­de in der Wit­tels­ba­cher Grab­le­ge vor der Drei­kö­ni­gen­ka­pel­le im Köl­ner Dom bei­ge­setzt.

Die Re­gie­rung hat­te Jo­seph Cle­mens wäh­rend sei­nes ge­sam­ten Epis­ko­pats sei­nem Kanz­ler Jo­hann Fried­rich Karg von Be­ben­burg über­las­sen, teils aus Dank­bar­keit, denn Be­ben­burg hat­te das mehr­heit­lich ge­gen ihn ein­ge­stell­te Dom­ka­pi­tel nach der päpst­li­chen Ent­schei­dung mit gro­ßem di­plo­ma­ti­schen Ge­schick für sei­nen Herrn ge­won­nen, teils aber auch aus Des­in­ter­es­se und Un­selb­stän­dig­keit. Jo­seph Cle­mens er­scheint auf die­se Wei­se als ty­pi­scher Ba­rock­fürst, der in die Staats­ge­schäf­te kaum mehr per­sön­lich ein­griff und sich statt­des­sen ei­nem ge­nuss­rei­chen Le­ben hin­gab. Im­mer­hin sta­bi­li­sier­te sich un­ter sei­ner Re­gie­rung die Wit­tels­ba­cher Vor­macht­stel­lung in Kur­k­öln noch ein­mal, so dass Cle­mens Au­gust die bay­ri­sche Herr­schaft am Rhein ein letz­tes Mal zu volls­ter Blü­te ent­fal­ten konn­te.

Literatur (Auswahl)

Brau­bach, Max, Die Po­li­tik des Kur­fürs­ten Jo­seph Cle­mens von Köln beim Aus­bruch des Spa­ni­schen Erb­fol­ge­kriegs und die Ver­trei­bung der Fran­zo­sen vom Nie­der­rhein (1701–03), Bonn 1925.
Gatz, Er­win, Jo­seph Cle­mens, Her­zog von Bay­ern (1671-1723, in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe des Hei­li­gen Rö­mi­schen Rei­ches 1648 bis 1803, Ber­lin 1990, S. 210-212.
He­gel, Edu­ard, Das Erz­bis­tum Köln zwi­schen Ba­ro­ck und Auf­klä­rung. Vom Pfäl­zi­schen Krieg bis zum En­de der fran­zö­si­schen Zeit 1688–1814 (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 4), Köln 1979, S. 43-51.
Münch, In­grid, Ar­ti­kel „Jo­seph Kle­mens von Bay­ern“, in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon III (1992), Sp. 886-888.
Tü­cking, Gün­ther, Der Streit zwi­schen dem Kur­fürs­ten Jo­seph Kle­mens von Köln und sei­nen Land­stän­den in den Jah­ren 1688-1701, Dis­ser­ta­ti­on Bonn 1934.

Online

Brau­bach, Max, „Jo­seph Cle­mens, Her­zog von Bay­ern“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 1 (1953), S. 622-623. [On­line]
Erz­bi­schof Jo­seph Cle­mens von Bay­ern (In­for­ma­ti­on auf der Web­site des Köl­ner Doms). [On­line]

Joseph Clemens von Bayern, zeitgenössische Kopie nach einem Gemälde von Joseph Vivien (1657-1734), Kölnisches Stadtmuseum, als Dauerleihgabe im Stadtmuseum Bonn. (Stadtmuseum Bonn)

 
Zitationshinweis

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Bock, Martin, Joseph Clemens von Bayern, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joseph-clemens-von-bayern/DE-2086/lido/57c92f9ead7517.44274309 (abgerufen am 19.03.2024)