Beschreibung

Der arbeitslose Kaufmann Heinrich Hesse (geboren am 20.04.1879 in Olpe) rief auf bei der Volksabstimmung am 29.03.1936 zur Rheinlandbesetzung mit "Nein" abzustimmen. Am 14.03.1936 eröffnete Hesse in Oberkasbach, vor dem Anwesen der Witwe Löhr gegenüber einer Gruppe junger Leute ein Gespräch mit den Worten: "Wir wählen doch alle mit Nein." Auf die Warnung eines Beistehenden, "die Leute nicht aufzuwiegeln", antwortete Hesse, er sei zur Neinstimme gezwungen, da er sich als "alter Parteigenosse" - Hesse war seit 1929 Mitglied der NSDAP - "für eine Arbeiterpartei [...], nicht aber für eine Beamtenpartei" eingesetzt habe. Mit möglichst vielen Neinstimmen solle Hitler, der nicht von der genauen Situation im Land wisse, auf die wirtschaftspolitischen Probleme aufmerksam gemacht werden. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten , referierte Hesse, ginge es den Leuten "bedeutend schlechter". Die Arbeiterschaft würde "von der Regierung ausgesogen". Die NSDAP sei ursprünglich gegen "dieses aussaugende System" angetreten. Gegen den Vorwurf, er sei "doch kein Nationalsozialist", verwahrte er sich mit den Worten: "Ein radikaler!" Nur wenn viele mit "Nein" abstimmen würden, schlussfolgerte Hesse in Bezug auf die angespannte internationale Lage nach der Besetzung des durch den Vertrag von Versailles entmilitarisierten Rheinlandes durch die Wehrmacht am 7.03.1936, ließe sich der Friede bewahren. Bei einem überwältigenden "Ja"-Ergebnis drohe der Krieg: "[...] dann würde es [das Ausland] sich sagen, es sei jetzt noch Zeit, Deutschland anzugreifen, wenn es dann noch warten würde, dann sei es zu spät." Hesses regimekritische Rede wurde am 20.03.1936 dem Stapa Koblenz gemeldet, welches seine sofortige Festnahme anordnete. In der Vernehmung gab Hesse vollkommen zu, zum "Nein" bei Volksabstimmung aufgerufen zu haben. Er bestritt weder dem NS-Regime ein ausbeuterisches System vorgeworfen zu haben, noch die Behauptung, dass die Wirtschaftslage nach der Machtübernahme schlechter aussehen würde. Er rechtfertigte sich, dass dies seiner Erfahrung entspreche. Viele "alte Kämpfer" hielten daher zur NS-Regierung Distanz. In den Einzelheiten seien seine Aussagen entstellt worden. Das Sondergericht Köln verurteilte am 3.0.1936 Heinrich Hesse wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz zu zwei Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Am 22.07.1936 wurde ihm aufgrund einer Amnestie die Haftstrafe zugunsten von drei Jahren auf Bewährung erlassen.

Quellen

LAV NRW, Abt. Rheinland Gerichte Rep. 112 Nr. 16802

Sicherheit: belegt